Mittwoch, 19. Februar 2025

Kissigs Nebenwerte-Analyse: Dr. Hönle agiert zwischen Sonnenschein und Oberflächlichkeit

Im Magazin "Der Nebenwerte Investor" von Traderfox finden sich regelmäßig Analysen von mir zu deutschen Nebenwerten. Das Magazin ist kostenpflichtig und wer dieses oder eine der weiteren Börsenzeitschriften von Traderfox bestellen möchte, gelangt ▶ hier zur Übersicht. Mehrwert für die Leser meines Blogs: Nach Erscheinen des Magazins darf ich meine Nebenwerte-Analysen dann auch hier veröffentlichen.


Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 3/2025 vom 18.02.2025

Aktien in dieser Ausgabe: Dr. Hönle, Exasol, Norma Group, IONOS, 029 Group, Basler

Dr. Hönle agiert zwischen Sonnenschein und Oberflächlichkeit

Die Dr. Hönle AG ist ein international führendes Technologieunternehmen, das sich auf UV-Technologie für industrielle Anwendungen spezialisiert hat. In seiner fast 50-jährigen Unternehmensgeschichte hat sich Dr. Hönle mehrfach neu positionieren müssen und steht aktuell vor einer weiteren strategischen Anpassung, denn die starke Abhängigkeit von der Automobil- und der Druckindustrie macht den ohnehin zyklischen Geschäftsverlauf ganz besonders anfällig. Daher sollen künftig Geschäftsfelder, die außerhalb des Kerngeschäfts liegen, nicht mehr bedient werden. Und möglicherweise glückt diesmal der Befreiungsschlag.

Beginnen wir mit einer kurzen Rückschau: Das 1976 gegründete Unternehmen ging Anfang 2001 an die Börse und wagte sich kurz nach dem Platzen der Internetblase an den Neuen Markt. 24 Jahre später notiert die Aktie bei knapp 10 Euro und damit signifikant unter den 17 Euro, die damals bezahlt werden mussten. Bis 2014 fristete die Dr. Hönle AG ein Schattendasein an der Börse, dann startete der Kurs ordentlich durch – es war die Zeit, als Warren Buffett bei Apple einstieg und der Iphone-Konzern in China erfolgreich Fuß fasste. Dr. Hönle wurde im Windschatten mitgerissen, da man Klebstoffe an den Apple-Fertiger Foxconn lieferte. Im Sommer 2018 endete der Höhenflug abrupt bei 88 Euro und es folgte ein brutaler Absturz. Von der Apple-Connection war keine Rede mehr und die Hoffnungen auf Wachstum und neue Geschäftsfelder zerschlugen sich.

Als die Corona-Pandemie die Welt in Atem hielt, rückten die UV-Anwendungen von Dr. Hönle in den Fokus, denn man hatte Gerät zur Luftreinigung mittels UV-Strahlen entwickelt und erhoffte sich reißenden Absatz in Schulen, Kindertagesstätten oder Büros, wo viele Menschen auf engstem Raum Kontakt hatten und die Übertragung des Virus wahrscheinlich war. Doch die großen Hoffnungen erfüllten sich nicht, denn endlose Diskussionen seitens der kommunalpolitischen Entscheidungsträger über Sinn und Nutzen und welches Verfahren denn nun wirklich geeignet sei, führten zu kaum einem Ergebnis und zu noch weniger Aufträgen. Aus dem Hoffnungsträger war ein Rohrkrepierer geworden und das für viele Monate überschrittene Kursniveau von über 50 Euro erwies sich als nicht nachhaltig. Es folgte eine weitere brutale Abverkaufswelle und Dr. Hönle verfiel wieder in den Börsendornröschenschlaf.

Quelle: wallstreet-online.de
Zum Jahresstart wurden 7,50 Euro für die Aktie aufgerufen und die ersten Tage des Jahres 2025 ging es weiter heftig bergab. Neben den hausgemachten Problemen spielte hier auch das implodierende Interesse der Anleger an deutschen Nebenwerten eine große Rolle. Denn das Börsenrekordjahr 2024 war keines der Nebenwerte, die von einem Tief zum nächsten durchgereicht wurden. So erging es auch der Aktie von Dr. Hönle. Doch innerhalb von nur drei Wochen explodierte der Kurs regelrecht und verbuchte Anfang Februar bei 12,70 Euro eine annähernde Verdopplung. Nachdem sich die erste Euphorie gelegt hat, steht die Frage im Raum, ob sich hier die lang ersehnte Trendwende für das Unternehmen und den Aktienkurs anbahnt.

Der UV-Spezialist

Schauen wir uns also mal an, was Dr. Hönle so treibt. Das Unternehmen entwickelt, produziert und vertreibt UV-Anlagen, UV-Strahler sowie UV-Messtechnik, die in verschiedenen Branchen zum Einsatz kommen. Die Systeme werden unter anderem in der Farb- und Lacktrocknung, der Kleb- und Kunststoffhärtung sowie in der Entkeimung von Luft und Oberflächen eingesetzt. Zudem umfasst das Produktspektrum Sonnensimulations- und Beleuchtungsanlagen für industrielle Anwendungen.

Mit 590 Mitarbeitenden erzielt die Dr. Hönle AG rund 99 Mio. Euro Jahresumsatz und hat bisher ihre Geschäftstätigkeit in die drei Hauptsegmente Geräte & Anlagen, Klebstoffe sowie Glas & Strahler gegliedert.

Im Segment Geräte & Anlagen entwickelt und produziert man UV- und Infrarot-Geräte sowie -Anlagen. Diese Systeme finden in der Farb- und Lacktrocknung, der Kleb- und Kunststoffhärtung Anwendung sowie in der Entkeimung von Luft und Oberflächen. Ein Beispiel hierfür sind UV-Trockner und UV-LED-Trockner für den Digitaldruck, die es ermöglichen, Druckbilder in hoher Geschwindigkeit und Brillanz zu erzeugen.

Die Sparte Klebstoffe umfasst die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Industrieklebstoffen, einschließlich UV-Klebstoffen, leitfähigen Klebstoffen und Medizintechnikklebstoffen. Diese Produkte werden in verschiedenen Industrien eingesetzt, darunter Elektronik, Medizintechnik und Optik.

Und im Bereich Glas & Strahler produziert und vertreibt die Dr. Hönle AG Quarzglasprodukte und Strahler. Das Portfolio umfasst Quarzglasrohre und -stäbe für die Lampen-, Automobil-, Halbleiter- und Glasfaserindustrie sowie Strahler für die Wasserentkeimung und die Trocknung von Beschichtungen und Klebstoffen.

Im Rahmen der Neustrukturierung wurden die drei bisherigen Segmente in die Business Units überführt: Klebstoffe steht für 38 % Umsatzanteil, Härtung für 37 % und Entkeimung für 25 %.

Man ist von Industriekunden abhängig und damit erweist sich das eigene Geschäft in erheblichem Maße als konjunktursensibel. Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit liegt in Deutschland und der wirtschaftliche Niedergang der letzten Jahre schlägt dementsprechend voll in den Geschäftszahlen von Dr. Hönle ein. Insbesondere die schwache konjunkturelle Lage mit der Investitionszurückhaltung im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Automobilindustrie wirkte sich deutlich auf die Geschäftsentwicklung aus. Vor allem in der Business Unit Härtung gaben die Umsätze deutlich nach.

Schwache Geschäftsentwicklung und Abschreibungsbedarf

Die Umsätze im Geschäftsjahr 2023/24 lagen mit 98,7 Mio. Euro um 7,2 % unter denen der Vorjahresperiode. Das Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) lag bei 3,0 Mio. Euro (Vorjahr: 0,3 Mio.) und das Betriebsergebnis (EBIT) bei -10,3 Mio. Euro (Vorjahr: -9,4 Mio.). Hierin enthalten sind ergebnisbelastende Sondereffekte in Höhe von 10,3 Mio. Euro (Vorjahr: 16,5 Mio.), die sich infolge der Trennung von außerhalb des Kerngeschäfts liegenden Anwendungsfeldern ergeben haben. Damit einhergehend wurden Buchwertanpassungen im Bereich der Firmenwerte in Höhe von 7,7 Mio. Euro und der Vorräte in Höhe von 2,1 Mio. Euro vorgenommen. Zusammen mit weiteren einmaligen Sondereffekten in Höhe von 0,5 Mio. Euro wurde das Ergebnis im Geschäftsjahr 2023/24 einmalig belastet. Das um Sondereffekte bereinigte Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA bereinigt) lag bei 5,5 Mio. Euro (Vorjahr: 13,1 Mio.) und das bereinigte Betriebsergebnis (EBIT bereinigt) belief sich auf 39.000 Euro (Vorjahr: 7,1 Mio.).

Der Vorstand spricht von einmaligen Abschreibungen, aber wie die Zahlen zeigen, gab es bereits im Vorjahr belastende Sondereffekte, die sich für zwei Jahre auf über 25 Mio. Euro summieren – bei einem Jahresumsatz von 99 Mio. Euro und einer Börsenkapitalisierung von rund 57 Mio. Euro. Hier stimmt die Verhältnismäßigkeit überhaupt nicht und die Belastungen sollten unbedingt als Warnsignal vermerkt werden!

Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung wurden Fokus- und Wachstumsfelder definiert und entschieden, außerhalb des Kerngeschäfts liegende Anwendungsfelder nicht weiter zu bedienen. Hierzu führte der Vorstand in seinem Geschäftsbericht aus: „Das Geschäftsjahr 2023/24 war geprägt von einer Reihe strategischer Maßnahmen, um die Hönle Gruppe in aussichtsreichen Geschäftsfeldern zu positionieren und gleichzeitig die Kostenstruktur zu verbessern. Wir haben die bereits im Vorjahr beschlossene Neustrukturierung der Geschäftseinheiten in die drei Business Units Klebstoffsysteme, Härtung und Entkeimung konsequent umgesetzt. Dies wirkt sich positiv auf die Prozessabläufe aus, da wir weit stärker als in der bisherigen Geschäftssegmentierung auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden ausgerichtet sind, was enorme Synergiepotenziale erschließt.“

Künftig will sich das Unternehmen neben der Fokussierung auf seine Kernkompetenz UV-Technologie von unrentablen Produktlinien trennen und nicht zum Kerngeschäft gehörende Beteiligungen veräußern. Der Vorstand dies bezüglich den Bereich der Entkeimungsleistungen heraus, wo sich Dr. Hönle zum Systemanbieter weiterentwickeln will und dazu die Mehrheit an der STERIXENE SAS erworben hat.

Allerdings braucht die Neuausrichtung Zeit und der Vorstand erwartet von den Produktneuentwicklungen im laufenden Geschäftsjahr zunächst geringe Beiträge bei Umsatz und Ertrag. Angesichts des in vielen Branchen aktuell herausfordernden Marktumfelds geht er für die Hönle Gruppe im Geschäftsjahr 2024/25 von einem Umsatz zwischen 95 und 105 Mio. Euro aus und erwartet aufgrund der eingeleiteten Maßnahmen zur Kostenreduktion und -kontrolle ein deutlich über dem Vorjahr liegendes Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA).

Nach mehrmals enttäuschten Hoffnungen wirbt der Vorstand einmal mehr um das Vertrauen seiner Aktionäre. Ob er es bekommt, wird sich am 25. März auf der ordentlichen Hauptversammlung zeigen.

Bullcase vs. Bearcase

Dr. Hönle ist in einem attraktiven Nischenmarkt aktiv und besetzt hier eine führende Marktposition. Leider bekommt man die PS nicht wirklich auf die Straße und hat sich in den letzten Jahrzehnten mehrfach vergaloppiert. Trotz hoher Aufwendungen für Forschung und Entwicklung und interessanter neuer Ideen erreichen zu wenige der Produkte die Marktreife und/oder können sich am Markt behaupten. Das führt immer wieder zu Anpassungen des Geschäftsmodells und entsprechend hohen Belastungen in der Bilanz und den Geschäftsergebnissen.

Leidtragender sind auch die Aktionäre, die in beinahe 25 Jahren Börsennotiz kaum Geld verdient haben. Zwischenzeitlich gezahlte Dividenden können das Kursminus nicht ausgleichen und die Inflation war auch nicht gerade gnädig. Der jüngste Kurssprung könnte sich erneut als nicht nachhaltig erweisen, wenn sich die Hoffnung auf eine endgültige Trendwende wieder als verfrüht erweisen sollte.

Fazit

Die Aktie ist mit Vorsicht zu genießen. Umstrukturierung, Bilanzbereinigung, Neustart sind keine Erfolgsgaranten und dem Unternehmen auch nicht fremd. Es stellt sich die Frage, weshalb es diesmal anders und besser laufen sollte als bei den vielen vorherigen Versuchen. Ausgeschlossen ist das natürlich nicht.

Mit der Hönle-Aktie geht man ein Wagnis ein, eine Turnaround-Spekulation. Warren Buffett warnt, "turnarounds seldom turn" und das sollten interessierte Anleger stets im Hinterkopf behalten. Die Aktie benötigt enge Begleitung, denn der Spielraum für weitere Fehlentwicklungen ist begrenzt, weil die Substanz irgendwann nicht mehr genug hergibt.

Auf der anderen Seite winken erhebliche Chancen, wenn der Vorstand die richtigen Strippen zieht und sich Dornröschen diesmal nachhaltig wachküssen lässt und zu neuer Schönheit heranreift. Dann wäre die Hönle-Aktie nicht nur für Märchenliebhaber eine interessante Wahl.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Dr. Hönle wissen muss

  1. Das Unternehmen steht vor einer erneuten Umstrukturierung und verbucht hieraus erneut hohe Sonderbelastungen.
  2. Die frei neu formierten Business Units Klebstoffe, Härtung und Entkeimung bedienen attraktive Nischen, doch sie weisen eine hohe Konjunkturzyklik auf.
  3. Der Aktienkurs steht 24 Jahre nach dem Börsenstart deutlich unter Wasser und konnte die Anleger bis auf eine kurze Zwischenperiode nie wirklich begeistern.
  4. Der Turnaround muss sich erst noch als belastbar erweisen. Bei diesem Chance-Risiko-Verhältnis greifen nur spekulative Charaktere zu.
Disclaimer: Habe Apple auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

2 Kommentare:

  1. Ueberraschend an dem Artikel ist, dass die Eigentumersituation von HNL nicht beleuchtet wird. Es gab bis 2023 einen technologie affinen Deutschen Kerninvestor aus dem Umfeld der TU Muenchen. Diesem scheint nach einiger Zeit der Geduldsfaden gerissen zu sein und heute findet man "Peter Möhrle GmbH & Co. KG /Private Equity/" mit >25% und "Teslin Capital Management BV" mit >6%. Der vorherige CEO Hans-Joachim Vits scheint laufend seine Anteile zu reduzieren.

    Ausserdem hat die Gesellschaft fuer die kommende Versammlung nichts wichtigeres vor als sich umzubenennen von "Dr. Hönle" -> "Hönle"...

    Waere fein profitable Unterenehmensgruendungen aus dem Umfeld der TU Muenchen beobachten zu koennen. Fuerchte mit HNL ist man am verlorenen Posten.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für die interessante Ergänzung zu den historischen und aktuellen Eigentumsverhältnissen.

      Löschen