Die alte Börsenregel "buy the rumors, sell the facts" hat sich mal wieder bewahrheitet. Die Fed hat in ihrer letzten Sitzung des Jahres 2024 das Erwartete getan und ihre Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte gesenkt. Seit dem Start des Zinssenkungszyklus am 18. September hat sie ihren Basiszinssatz damit um einen ganzen Prozentpunkt reduziert und doch… im Vorfeld waren die Zinssätze für 30-jährige US-Hypotheken von 7,5 auf 6,11 % zurückgegangen, um dann mit den Zinssenkungen wieder auf über 7 % anzusteigen. Damit wird für viele Bürger den Traum vom Eigenheim zum unerreichbaren Wunsch.
Wie kann das sein? Nun, es liegt an der Inflation bzw. der sie betreffenden Markterwartungen. Denn die Inflation erweist sich nicht nur als "sticky", sondern auch als untot. Sie legte seit dem Ende des Sommers wieder zu und angesichts der robusten US-Konjunktur und des inzwischen allseits erwarteten erhöhten Inflationsdrucks durch die von Don Trump angekündigten Wirtschafts- und Steuermaßnahmen ist von einem anhaltenden Überschreiten des Inflationsziels der Fed auszugehen. Deren Chef Jerome Powell erklärte, man visiere in 2025 nur noch zwei statt vier Zinssenkungen an und gehe von einer Inflationsrate von eher 3 % als 2 % aus. Finanzinvestor Apollo taxiert inzwischen sogar die Wahrscheinlichkeit von Zinsanhebungen in 2025 auf 40 %. Und diese Aussichten schickten die Börsen auf Talfahrt.
Dabei war in den letzten beiden Jahren gerade die Zinssenkungsfantasie der Haupttreiber für die Börsenkurse. Niedrigere Zinsen befeuern das Wachstum und reduzieren Finanzierungskosten. Zudem sorgen sie für höhere Bewertungsmultiples. Sinkt die Aussicht auf niedrigere Zinsen und steigen die Marktzinsen sogar an, wie bereits seit einigen Monaten, wird die Luft dünn(er) für die Aktienmärkte. Und nach zwei Jahren mit immer neuen Allzeithochs bei den Leitindizes, ohne dass es zu einer wirklichen bereinigenden Korrektur gekommen ist, braucht die Hausse neue Nahrung, um weiterlaufen zu können. Woher diese kommen soll, ist allerdings nicht klar. Trumps Politik könnte ein Lieferant sein oder steigende Unternehmensgewinne.
2025 bringt viele Veränderungen mit Chancen und Risiken. Die Börsen werden folgen – oder diese vorwegnehmen. Einfacher wird es jedenfalls nicht…
Alles Gute für euer Geld!
Michael C. Kissig
Disclaimer: Habe Apollo auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.
Im Vergleich zum Vormonat sind die Preise in den USA um 0,1% gestiegen. Wenn man das auf's Jahr hochrechnet?
AntwortenLöschenEin gutes Neues Jahr
Paul
Hallo Michael,
AntwortenLöschenso wie du setzte ich einen guten Teil auf die alternativen Assetmamanger (KKR, Apollo, Brookfield. Ich weiß, dass Markettiming eigentlich Quatsch ist und man stoisch bleiben sollte. Allerdings: bei den Zinsaussichten in den USA bin ich schon versucht, einen Teil der Gewinne mitzunehmen. Man kann ja auch sehenden auges ins Verderben rennen.
Wie siehst du das?
Danke für einen Einschätzung,
viele Grüße
Isabella
Moin Isabella,
Löschendu sprichst das übliche Dilemma an: die Angst vor einer Korrektur und den Wunsch, seine Gewinne in trockene Tücher zu bringen. Das ist nachvollziehbar. Und trotzdem genau das: Markettiming. Denn wir wissen nicht, wie sich die Zinsen oder die Börsen entwickeln werden. Wir treffen Annahmen (oder lesen die Annahmen von anderen) und machen die dann zur Grundlage unserer Entscheidung. Dabei ändern sich die Bedingungen ständig, auf denen wir zu unserer Entscheidung gekommen sind und auch die anderen passen ihre Meinungen ständig an neue Faktoren an. Meistens liegt man mit solchen Überlegungen und den deshalb getroffenen Entscheidungen falsch. Aber leider eben auch nicht immer. Manchmal erwischt man genau den richtigen Zeitpunkt - doch das weiß man erst im Nahhinein.
Es läuft für mich immer wieder auf dieselben Punkt raus: bin ich an dem Unternehmen beteiligt oder habe ich nur seine Aktien im Depot?
Das ist der zentrale Punkt. Geht es einem um die Aktie, kann man seine Gewinne auch kassieren und das Geld ggf. woanders investieren. Neues Spiel, neues Glück. Meiner Erfahrung nach ist es aber nicht so einfach, wirklich herausragende Unternehmen zu attraktiven Kursen zu finden. Ich habe mich in den letzten Jahren immer stärker dazu entwickelt, meine Aktien als Unternehmensbeteiligungen zu verstehen. Ich bin an dem Unternehmen beteiligt und der Vorstand arbeitet für mich. Die Entwicklung in dem Unternehmen ist für mich entscheidend, nicht die Makrofaktoren drum herum und auch nicht die allgemeine Börsenstimmung. Auf beide habe ich keinen Einfluss und wie sehr ich mich auch informiere, ich habe niemals auch nur ansatzweise genügend Informationen, als dass ich eine Entwicklung auch nur halbwegs präzise vorhersagen könnte. Daher lasse ich das (was inzwischen auch meistens klappt).
Ich habe zur Zeit (fast) keine spekulativen Positionen im Depot, sondern eigentlich nur solche, wo ich mir vorstellen kann, dass mir die Firma vollständig gehört und ich mich damit wohl fühle. Und da komme ich dann auch damit klar, dass der Aktienkurs mal 10 % oder 20 % korrigiert.
Solange sich die Aussichten für die Finanzinvestoren nicht nachhaltig eintrüben, werden sie gute Geschäfte machen. Die Zinsentwicklung ist nur ein Faktoren von vielen, mit denen sich "meine Vorstände" befassen müssen. Das traue ich denen zu. Im Grunde ist es, als wenn man eine sechsspurige Autobahn befährt. Man kennt die Richtung, aber zwischendurch fährt man mal ganz rechts, mal links, mal ist fließt der Verkehr zäh, mal hat man freie Fahrt. Und ab und zu macht man mal Pause oder muss eine Umleitung nutzen. Aber die grundlegende Richtung bleibt. Und das sind steigende Börsenkurse. Trotz aller Korrekturen und Crashs zwischendurch geht es eigentlich immer nach oben.
Eine bessere Antwort kann ich dir nicht geben. Auch meine Einschätzung ist eine Momentaufnahme und kann sich ändern, wenn sich wesentliche Faktoren ändern. Aber eben auch nur dann.
Ich hoffe, du findest die für dich passende Einschätzung, mit der du dich wohl fühlst.