Montag, 14. Oktober 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse: BaFin-Rüge - Grenke hat ein Geldwäscheproblem

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 18/2024 vom 30.09.2024

▶ In dieser Ausgabe: MPC Capital, Grenke, Deutsche Rohstoff, SFC Energy, Auto1, Norma Group, Norbit


BaFin-Rüge: Grenke hat ein Geldwäscheproblem

Die Grenke AG ist ein mittelständisches Finanzunternehmen und wurde von seinem Gründer und langjährigen Chef Wolfgang Grenke bis in den MDAX geführt. Es war eine echte Erfolgsgeschichte, bis… eine Short-Attacke von Fraser Perrings Viceroy Research, der sich beim Wirecard-Skandal einen Namen gemacht hatte, ernsthafte Risse ins Grenke-Fundament kloppte und die Anleger in Panik versetzte.

Das ist jetzt vier Jahre her, die Vorwürfe erwiesen sich überwiegend als weniger gravierend als behauptet und es wurde Abhilfe gelobt. Es folgte eine Umstrukturierung, Wolfgang Grenke verabschiedete sich aus dem operativen Geschäft und mit der neuen Aufstellung liefen die Geschäfte zuletzt wieder rund. Doch Anfang September implodierte der Aktienkurs erneut, weil die BaFin das Tochterunternehmen Grenke Bank wegen Mängeln bei der Geldwäscheprävention öffentlich rügte. Konkret moniert die BaFin, zwei Sonderprüfungen und die Jahresabschlussprüfung 2023 hätten gezeigt, dass die Grenke Bank die Vorgaben des Kreditwesengesetzes (KWG) und des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (GwG) teilweise nicht erfüllt. Und das sind keine geringfügigen Unpässlichkeiten, vor allem vor dem Hintergrund der auch in dieser Richtung erhobenen Vorwürfe aus Perrings Short-Report von 2020.

Am Tag der Veröffentlichung der BaFin-Rüge nahm die zuständige Risikovorständin Isabel Rösler ihren Hut; sie wird „auf eigenen Wunsch“ zum Jahresende aus dem Vorstand ausscheiden.

Das von ihr verantwortete Ressort umfasst die internen Kontrollfunktionen wie Risikocontrolling, Compliance, Geldwäscheprävention, Informationssicherheit und Datenschutz und es war nach der Short-Attacke eigens neu geschaffen worden, um die Probleme zu beheben. Was offensichtlich nicht gelungen ist.

Die Kombination der beiden Meldungen weckte nachvollziehbare Befürchtungen, das Grenke-Fundament könnte nicht nur rissig sein, sondern statt aus Beton auf Sand gebaut sein. Der Kurs reagierte entsprechend negativ und hat sich bisher auch noch nicht wieder von dem neuerlichen Schock erholt. Nachvollziehbar, denn im Finanzsektor ist das teuerste Gut Vertrauen und das Grenke – erneut – verspielt.

Genau hinsehen!

Trotzdem wagen wir einen genaueren Blick auf das Geschehen. Zunächst einmal sind die Vorwürfe keine Kleinigkeit und ein Offenbarungseid für die verantwortliche Risikovorständin. Aber auch für den Aufsichtsrat, der für die Überwachung des Vorstands zuständig ist.

Deutschland zählt in Sachen Geldwäsche zu den am schlechtesten positionierten Ländern auf dem Globus. Grenke ist also kein Einzelfall, aber das relativiert das eigene Versagen nicht. Die BaFin geht das Problem endlich ernsthafter an, auch wegen der eigenen Versäumnisse in Sachen Wirecard, und das kann man nur begrüßen. Auch als Aktionär.

Festzustellen ist, dass die Rüge der BaFin bereits Ende Juli erfolgte und seit dem 24. Juli bestandskräftig ist. Grenke arbeitet also bereits an der Behebung. Das Unternehmen behauptet, die Veröffentlichung der Rüge seitens der BaFin und die Meldung über das Ausscheiden der Risikovorständin seien 'purer Zufall'. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und doch plausibel. Denn wann die BaFin Vorfälle mitteilt, liegt alleine in ihrer Kompetenz. Und wäre es eine Ad hoc-Trennung, würde die Risikovorständin kaum noch bis zum Jahresende bleiben (dürfen), sondern wäre sofort gefeuert worden. Und wenn es nur als Bauernopfer gewesen wäre. Dennoch dürfte es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den aufgedeckten Mängeln und dem Ende von Frau Rößlers Vorstandstätigkeit geben, denn ihr Vertrag hatte noch eine Laufzeit bis Ende 2026.

Und wie läuft das Geschäft?

Grenke hat sich und seinen Aktionären einen Bärendienst erwiesen und leider erneut gezeigt, dass man dort die rechtlichen Vorgaben nicht ernst genug nimmt. Die Hoffnung ist, dass es im dritten Anlauf zu einer rechtskonformen und soliden Risikoaufstellung kommt und die BaFin künftig ohne Sonderprüfungen und Rügen bei Grenke auskommt.

Aber Grenke besteht ja nicht nur aus Compliance-Problemen, sondern ist vor allem ein erfolgreiches Leasing-Unternehmen. Man verleast IT-Infrastruktur an mittelständische Firmen. Dabei ist man in Europa inzwischen nahezu flächendeckend präsent und in Deutschland, Italien und der Schweiz sogar Marktführer.

Grenke ist auf die Vermietung von Geräten und Software spezialisiert und bietet seinen Kunden verschiedene Arten von Leasing-Optionen wie Vollamortisationsleasing und Teilamortisationsleasing an, wodurch diese ihre Liquidität erhöhen und ihre Planungssicherheit verbessern können. Dabei fokussiert sich Grenke auf das sogenannte Small-Ticket-Leasing für kleine und mittlere Unternehmen, also das Verleasen von IT-Produkten wie PCs, Druckern, Kopierern, Telekommunikationsgeräten oder Software ab einem Anschaffungswert von 500 Euro. Sofern alle Unterlagen vorliegen, erfolgt die Leasingzusage meistens innerhalb von 24 Stunden.

Das ist auch deshalb möglich, weil Grenke sein Business weitgehend digitalisiert hat. Die bis vor wenigen Jahren noch dominierenden Telefonanfragen und via Post eingereichten Anträge wurden durch die Onlinekanäle verdrängt. Anders wären die 150 Anfragen pro Stunde auch kaum zu bewältigen.

IT ist der Schwerpunkt, aber Grenke expandiert zunehmend in andere Bereiche und vor allem Kopierer und E-Bikes nehmen signifikante Anteile ein. Da sich Grenke im B2B-Markt bewegt, also nur Geschäfte mit Firmenkunden macht (Business-to-Business), handelt es sich hierbei um E-Fahrräder, die Unternehmen ihren Angestellten als „Jobrad“ zur Verfügung stellen. Weitere Schwerpunkte bilden Maschinen, Telekommunikationsausstattung und sogar Solaranlagen und Wallboxen. Mit diesen neuen Finanzierungsbereichen hat sich Grenke ganz neue Bereiche und Wachstumsfelder erschlossen.

Factoring und Banking als Zusatz

Grenke erzielt rund 90 % seiner Erträge mit dem Leasinggeschäft setzt daneben aber auch auf das Bankgeschäft, das sich vor allem auf die Finanzierung von Existenzgründern fokussiert und auf Factoring. Doch dieser Ankauf von einzutreibenden Forderungen soll keine Zukunft mehr haben im Grenke-Konzern, denn es wird ein Verkauf dieser Aktivitäten ausgelotet – bisher ohne Erfolg.

Beim Factoring kauft Grenke Forderungen mit einem Abschlag auf den Rechnungsbetrag an und kümmert sich um das gesamte Forderungsmanagement. Allerdings ist Grenke selbst sein größter Kunde, denn die Factoring-Tochter kauft auch Forderungen der Grenke Leasing an. Die BaFin-Rüge dürfte den angepeilten Verkauf der Factoring-Tochter nicht gerade vereinfachen, denn potenzielle Käufer werden nun ganz besonders kritisch auf eventuelle Schwachstellen achten und wenn möglich den Kaufpreis drücken.

Neben dem Factoring refinanziert sich Grenke selbst auch über die Grenke Bank und sichert sich so günstige Refinanzierungskosten. Man verdient also gleich an mehreren Punkten der Wertschöpfungskette und da man die Leistungen auch Externen anbietet, ist das Business gut zu skalieren. Je mehr Umsatz generiert wird, desto niedriger sind die Kosten je Geschäftsvorfall. Daher generiert zusätzliches Wachstum bei Grenke auch immer Chancen auf Margenausweitungen.

Operativ starkes erstes Halbjahr

Der Vorstandsvorsitzende Dr. Sebastian Hirsch freute sich über starkes Wachstum und wachsende Effizienz. Denn Grenke hat in den letzten Quartalen sein Neugeschäft kräftig gesteigert und das schlug sich auch in den Geschäftszahlen zum 1. Halbjahr nieder. Das Konzernergebnis wuchs um 11,3 % auf 45,0 Mio. Euro, während sich die Cost-Income-Ratio (CIR) von 58,3 % auf 57,1 % verbesserte. Mit 6,1 Mrd. Euro erreichte das Forderungsvolumen aus dem Leasinggeschäft zudem einen neuen Höchststand (30.06.2023: 5,4 Mrd. Euro).

Auch im 2. Quartal 2024 konnte die Grenke AG ihre Performance verbessern. Die Zinserträge stiegen um 26,7 Mio. Euro bzw. 23,5 % auf 140,3 Mio. Euro. Dabei nahm zwar der Zinssaufwand zur Refinanzierung des Leasinggeschäfts aufgrund anhaltend hoher Kapitalmarktzinsen von 29,5 auf 49,9 Mio. Euro zu, jedoch übertraf das Zinsergebnis das Vorjahresquartal um 7,6 % und stieg auf 90,4 Mio. Euro. Unterm Strich wuchs das operative Ergebnis um 17,0 % auf 33,4 Mio. Euro und das Konzernergebnis stieg i. 2. Quartal um 2,6 % auf 25,2 Mio. Euro.

Die Aufwendungen für Schadensabwicklung und Risikovorsorge stiegen im 2. Quartal 2024 im Wesentlichen aufgrund des höheren Geschäftsvolumens und der dafür erforderlichen Risikovorsorge auf 28,3 Mio. Euro und die Schadenquote lag mit 1,2% nach 0,9 % im Vorjahr im Bereich der Erwartungen.

Aufgrund des Neugeschäftswachstums stiegen die Leasingforderungen zum Ende des 2. Quartals auf 6,1 Mrd. Euro und lagen damit deutlich oberhalb des Vorjahresquartalsendes mit 5,4 Mrd. Euro. Die Eigenkapitalquote zeigt sich weiterhin als solide und über eigenem Zielwert. Zum Stichtag 30.06.2024 lag die Liquiditätsposition bei 565,5 Mio. Euro nach 697,2 Mio. Euro zum Jahresende 2023). Damit ergab sich eine Eigenkapitalquote zum 30.06.2024 von 18,3 %, die damit auch unter Berücksichtigung des laufenden Aktienrückkaufprogramms weiter über dem selbst gesteckten Ziel von mindestens 16 % liegt.

Ausblick 2024 bestätigt

Grenke prognostiziert für das Geschäftsjahr 2024 ein Leasingneugeschäft zwischen 3,0 und 3,2 Mrd. Euro sowie ein Konzernergebnis von 95 bis 115 Mio. Euro. Im laufenden Geschäftsjahr 2024 strebt man eine leichte Steigerung der DB2-Marge im Vergleich zum Vorjahr an, also einen verbesserten Deckungsbeitrag je Geschäftsvorfall. Mittelfristig soll die DB2-Marge auf rund 17 % gesteigert werden.

Anzumerken ist hierbei, dass die Prognosebestätigung vor der Veröffentlichung der BaFin-Rüge erfolgte. Allerdings war diese dem Grenke-Vorstand bereits bekannt. Daher scheint der Vorstand keine signifikanten negativen Auswirkungen der BaFin-Rüge auf sein Geschäft fürchten. Ob sich dies bewahrheitet, wird man frühestens in den Geschäftszahlen für das 3. Quartal sehen.

Aktionärsstruktur und Insiderkäufe

Größter Anteilseigner ist weiterhin die GRENKE Beteiligung GmbH & Co. KG von Gründer Wolfgang Grenke mit 36,71 %; zudem hält die von Wolfgang Grenke im Jahr 2004 gegründete Grenke Stiftung 7,16 % der Anteile und damit deutlich weniger als noch Anfang des Jahres, als es mehr als 33 % waren. Weitere große Aktionäre sind die Universal Investment Gesellschaft mbH mit 5,03 %, die ACATIS Investment Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH mit 5,02 % sowie Gané Advisory GmbH mit 3,04 %- Die Grenke AG selbst hält dank der fortgesetzten Aktienrückkäufe inzwischen 3,01 % der eigenen Aktien, so dass sich ein Streubesitzanteil von 46,08 % ergibt.

Nach dem jüngsten heftigen Kurseinbruch demonstrieren Insider Vertrauen in das eigene Unternehmen. So deckten sich die Aufsichtsräte Freisleben und Piontke ebenso mit weiteren Grenke-Aktien ein wie auch CEO Hirsch, der vergleichsweise niedrigen Aktienkurs immer wieder für Käufe nutzt.

Bullcase vs. Bearcase

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland und Europa verschlechtert sich zunehmend und damit erhöhen sich die Zahlen an Insolvenzen und Kreditausfällen. Die hohen Zinsen belasten die Unternehmen und die beiden ersten Zinssenkungen der EZB bringen noch keine Linderung. Zinsschritte der Notenbanken zeigen immer erst frühestens nach sechs Monate Wirkung.

Quelle: wallstreet-online.de
Diese Aussichten lasten auf Grenke, obwohl sich die Geschäftszahlen bisher hiervon weitgehend unbeeindruckt zeigen. Insbesondere die Profitabilität konnte weiter zulegen, während das Wachstum sich nicht so potent zeigt.

Der Aktienkurs notiert nahe langjähriger Tiefststände. Dieses lag 2022 bei knapp 18 Euro, während das Hoch in 2020 bei über 100 Euro markiert wurde. Die aktuellen 23 Euro böten damit theoretisch Vervierfachungspotenzial, aber davon sollten sich Anleger nicht blenden lassen. Nicht die historischen Kurse sind entscheidend, sondern die zukünftigen Geschäftsaussichten. Und hier hat Grenke durchaus einiges zu bieten. Sofern man es endlich mal schafft, sich nicht selbst ins Knie zu schießen und die BaFin-Kritik effektiv abzuarbeiten. Was dann möglich ist, zeigte der Kurs Ende Juli, als er Richtung 30 Euro unterwegs war. Und das dürfte auch das erste Zwischenziel sein, sobald Vollzug in Sachen Geldwäscheprävention vermeldet werden kann. Und auch ein erfolgreicher Verkauf des Factoringgeschäfts würde wieder positive Impulse freisetzen. Deshalb sollten Anleger sich die Grenke-Aktie zumindest auf ihre Wachtlist nehmen.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Grenke wissen muss

  1. Der Leasing-Spezialist ist auf drei Kontinenten aktiv und dabei in Deutschland, Italien und der Schweiz Marktführer. Neue Wachstumsregionen sind die USA, Kanada und Australien.
  2. Grenke wächst zuletzt weniger stark, aber bei weiter wachsenden Margen. Zudem werden neue zukunftsträchtige Geschäftsfelder erschlossen.
  3. Die Short-Attacke von Fraser Perring hat zu zahlreichen Verbesserungen innerhalb des Konzerns geführt. Die jüngste BaFin-Rüge deckte weitere Schwachstellen auf.
  4. Der Aktienkurs notiert bei weniger als einem Viertel seines Niveaus von 2020; er beinhaltet noch viel negatives Sentiment. Das kann mittelfristig zusätzliches Potenzial bieten.
Disclaimer: Habe die Grenke AG auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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