Mittwoch, 25. September 2024

Kissigs Aktien Report: Nach der Zinssenkung jetzt bei Immobilien 'all-in' gehen? Und wo?

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem 'Aktien Report' von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen und Themen vor. Die Ausgaben des 'Aktien Reports' und/oder 'Geld Anlage Reports' erreichen ihre Leser samstags kostenlos und 'druckfrisch' per Email und man kann sich ▶ hier beim 'Geld Anlage Report' anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 181 vom 20.09.2024

Da ist das Ding! Nach der Zinssenkung jetzt bei Immobilien 'all-in' gehen?

Erinnern wir uns kurz an den Jahresstart. Wir gingen mit der Erwartung in das junge Jahr, dass die Inflation ihren Schrecken verliert und dass die US-Notenbank im ersten Quartal mit der Zinswende beginnt und uns in 2024 bis zu sechs Zinsschritte erwarten. Dem entsprechend fulminant gaben die Börsen anfangs Gas, doch bekanntlich kam alles ganz anders.

Nur die Börsen, die markieren ein Dreivierteljahr später wirklich neue Allzeithochs. Doch die Inflation ist geblieben, sie ist hartnäckig, allerdings vergleichsweise handzahm. Wie die heutigen Varianten des Corona-Virus, die ebenfalls ihren tödlichen Schrecken weitgehend verloren haben. Und in der Folge wurden die Hoffnungen auf Zinssenkungen durch die Fed ein ums andere Mal enttäuscht und die Anleger mussten sich in Geduld üben. Nicht gerade unsere Stärke, oder?

Man könnte meinen, alles sei nur um ein paar Monate verschoben und nun setze die erwartete Entwicklung mit Verspätung ein. Doch so einfach wird das nicht…

Neun Monate erhöhter Preise und Zinsen haben zu enormen Belastungen geführt. Viele Unternehmen spüren die Kaufzurückhaltung ihrer Kunden, Käufer weichen von Markenprodukten auf Billigmarken aus, die Menschen essen seltener auswärts und verzichten auf Restaurant- und Festivalbesuche. Und sie ächzen unter den hohen Kreditkartenschulden, den hochschnellenden Immobilienkreditzinsen, wenn die Zinsbindung ausläuft, steigenden Mieten. Und genau dieser Immobiliensektor ist noch immer krisengeplagt, von welcher Seite man es auch betrachtet.

Zwar hat Amazon gerade das Ende von Work-from-Home ausgerufen und will seine Mitarbeiter wieder im Büro Präsenz zeigen sehen, aber insgesamt erfreut sich Home Office anhaltend hoher Beliebtheit. Und so sinkt der Bürobedarf weiter und die Leerstandquoten steigen. Das reduziert die Mieteinnahmen der Eigentümer, während gleichzeitig ihre Abschreibungen fast so stark steigen wie ihre Zinsbelastung. Eine toxische Mischung, weshalb Büroimmobilien auch der wankende und am wenigsten attraktive Immobiliensektor bleiben. Und der Bestimmende was die Schlagzeilen angeht.

Doch das verzerrt die Wahrnehmung. Beim Blick in andere Bereiche, in Lager- und Logistikimmobilien, Rechenzentren oder Wohnimmobilien zeigt sich ein anderes Bild. Hier steigt die Nachfrage weiter an und dem entsprechend sind fallende Preise nicht unbedingt zu finden. Zumindest hinsichtlich der Ertragswerte der Immobilien, bei den Verkaufspreisen steht der Sektor insgesamt unter Druck. Und erhöhte Abschreibungen und Zinskosten bringen so manchen Notverkauf mit sich, was die Preise zusätzlich drückt. Auch deshalb kaufen sich die in Geld schwimmenden Finanzinvestoren, wie KKR, Blackstone oder Brookfield zuletzt verstärkt im Immobilienbereich ein und übernehmen nicht nur Portfolien sondern gerne auch gleich ganze REITs.

Wenn die cleversten Finanzmagnaten unseres Planeten hier Chancen wittern, lohnt sich vielleicht ein eigener Blick hinter die Kulissen.

VONOVIA

Vonovia ist eines der größten Wohnungsunternehmen Europas und Marktführer in Deutschland. Das Unternehmen steht vor einer Reihe von Herausforderungen, die sowohl die finanzielle Stabilität als auch die operative Effizienz betreffen. In Deutschland ist der Immobilienmarkt stark staatlich reguliert, es gibt Mietobergrenzen, verpflichtende Energieeffizienzmaßnahmen, staatliche Vorkaufsrechte.

Zudem befindet sich die Neubautätigkeit im freien Fall. Destatis, das Statistische Bundesamt, meldete für den Juli 2024 rund 17.000 Wohnungsgenehmigungen. Das waren 19,2 % bzw. 4.000 Baugenehmigungen weniger als im Juli 2023 und im Vergleich zum Juli 2022 sank die Zahl der Genehmigungen sogar um 44,6 % oder 13.700 Wohnungen. Im Zeitraum von Januar bis Juli 2024 wurden 123.600 Wohnungen genehmigt. Das waren 20,8 % oder 32.500 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. In diesen Ergebnissen sind sowohl Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Wohn- und Nichtwohngebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten.

Diese alarmierenden Zahlen führen nicht nur zu immer mehr Unternehmenspleiten bei Bauträgern und Baufirmen, sondern sorgen auch dafür, dass die Menschen in ihren bisherigen Wohnungen wohnen bleiben (müssen). Da jedes Jahr Wohnungen wegfallen aufgrund von Alter und schlechtem Zustand, erhöht sich der Mietdruck. Zudem hat Deutschland in den letzten Jahren mehrere Millionen Flüchtlinge aufgenommen, die ebenfalls alle irgendwo untergebracht werden müssen. Und das überwiegend im normalen Wohnungsmarkt.

Mieten nehmen einen immer höheren Teil der monatlichen Ausgaben der Menschen ein, was ihnen dann Kaufkraft nimmt. Bei Vermietern sorgen die steigenden Mieten allerdings für Freude – auch wenn die Mieten wegen der staatlichen Kappungsgrenzen nicht so stark steigen, wie sie es bei einem freien Markt tun würden.

Vonovias Zahlenwerk

Im 1. Quartal 2024 verzeichnete Vonovia planmäßige Abschreibungen in Höhe von 27,8 Mio. Euro, was einem Anstieg von 3 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Der Funds from Operations (FFO) spiegelt die operative Leistungsfähigkeit ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und anderen nicht zahlungswirksamen Aufwendungen wider. Für das Geschäftsjahr 2023 meldete Vonovia einen Rückgang des Group FFO auf 1,84 Mrd. Euro, was hauptsächlich auf die gestiegenen Zinsen zurückzuführen war. Pro Aktie betrug der Group FFO 2,27 Euro. Trotz dieser Herausforderungen konnte Vonovia die Prognosen für 2023 hinsichtlich aller wesentlichen Kennzahlen einhalten.

Quelle: wallstreet-online.de
Im Segment Rental stiegen die Mieteinnahmen im 1. Quartal 2024 um 2,2 % im Vorjahresvergleich auf 824,2 Mio. Euro. Die Leerstandsquote blieb mit 2,0 % auf einem sehr niedrigen Niveau. Vonovia investiert verstärkt in die Substanz, allerdings findet man oft keine Bauunternehmer, was die Maßnahmen dann verzögert.

Des Weiteren strukturiert Vonovia um. So wurde der Verkauf der Geschäftsaktivitäten im Pflegesegment initiiert, um sich stärker auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Und dann forciert man nun den Squeeze-out bei der Tochter Deutsche Wohnen, also das Herausdrängen der verbliebenen Minderheitsaktionäre. Im ersten Schritt wurde der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verkündet. Dabei sollen außenstehende Aktionäre der Deutsche Wohnen ihre Aktien gegen neu auszugebende Vonovia-Aktien tauschen können. Der finale Beschluss des Schrittes soll auf außerordentlichen Hauptversammlungen beider Unternehmen im Dezember 2024 besiegelt werden. Das dürfte Formsache sein.

Mein Fazit zu Vonovia

Vonovia steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die sowohl die finanzielle als auch die operative Seite des Unternehmens betreffen. Abschreibungen und steigende Zinsen belasten das Nettoergebnis und den FFO, während die Mieteinnahmen trotz der schwierigen Rahmenbedingungen stabil bleiben. Durch Anpassungen in der Unternehmensstrategie und den Fokus auf das Kerngeschäft versucht Vonovia, diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen und langfristig stabile Erträge zu sichern.

Der Aktienkurs hat sich von seinen Tiefs im Sommer 2023 bei knapp über 15 Euro wieder deutlich erholt. Im Oktober gab es einen erneuten Rücksetzer auf 20 Euro, seitdem zieht die Notierung an und kann sich seit Wochen über der 30-Euro-Marke halten. Sofern die Entspannungstendenzen anhalten und weitere Zinssenkungen seitens der EZB erfolgen, dürften sich die Geschäftszahlen weiter erholen und damit auch für den Aktienkurs Potenzial eröffnen.

W.P. Carey

W.P. Carey Inc. ist ein führender Real Estate Investment Trust (REIT), der sich auf Net-Lease-Immobilien spezialisiert hat. Das Unternehmen besitzt und verwaltet ein diversifiziertes Portfolio von Gewerbeimmobilien, darunter Bürogebäude, Lagerhallen und Einzelhandelsflächen. Insbesondere der Büroimmobilienbereich hat die Geschäfte stark belastet, aber W.P. Carey wagte einem radikalen Schritt und beschloss, sich von der Sparte der Büroimmobilien zu trennen. Vor acht Jahren machten Büroimmobilien noch 30 % der annualisierten Basismiete des Unternehmens aus, vor einem Jahr waren es nur noch 15 %. Anfang November 2023 wurde dann die Ausgliederung von 59 der höherwertigen Office-Immobilien in die neu geschaffene Tochter Net Lease Office Properties (NLOP) abgeschlossen und W.P. Carey-Aktionäre erhielten für je 15 WPC-Aktien eine Aktie von Net Lease Office Properties. Darüber hinaus hat WPC seine verbliebenen 87 Büroimmobilien verkauft. W.P. Carey hat seine Bilanz verkürzt, indem man Werte und Schulden ausgegliedert hat. Allerdings verlor man auch die dazugehörigen Mieteinnahmen, was den FFO (Funds from Operations) reduzierte. Und das hatte ziemliche Folgen.

Quelle: wallstreet-online.de
Denn W.P. Carey hatte sich Ende 2023 gerade erst den Status als Dividendenaristokrat erkämpft, nachdem man 25 Jahre lang jedes Jahr die Dividenden erhöht hatte. Doch durch die vollständige Trennung von allen Büroimmobilien sank der für die Dividenden maßgebliche FFO entsprechend stark und deshalb hat man sich zu einer Dividendenkürzung durchgerungen – und damit den Status als Dividendenaristokrat umgehend wieder verspielt. Man war also quasi 'Dividendenaristokrat für einen Tag'. Unerfreulich. Aber notwendig. Seitdem ist man auf den alten Dividendenpfad zurückgekehrt und hat kürzlich seine Quartalsdividende auf 0,875 USD je Aktie erhöht. Und mit knapp 5 % Dividendenrendite präsentiert man sich auch für Einkommensinvestoren wieder als attraktiv.

Neben dem Büro-Immobilien-Exit diversifiziert W.P. Carey sein Portfolio, indem man die geografische Reichweite erweitert und nun verstärkt in Immobilien in Nordamerika und Europa investiert. So sollen Marktrisiken gestreut und neue Wachstumschancen erschlossen werden.

Die Geschäftsergebnisse von W.P. Carey zeigen ebenfalls wieder eine solide Performance. Im 2. Quartal 2024 lag der AFFO (Adjusted Funds From Operations) bei 1,17 USD je Aktie und daraufhin erhöhte man die AFFO-Prognose für das Gesamtjahr auf eine Spanne von 4,63 bis 4,73 USD an.

Mein Fazit zu W.P. Carey

Für Aktionäre war hier in den letzten 10 Jahren nicht viel zu holen. Der Kurs hat sich kaum von der Stelle bewegt und so verbleiben nur die Dividendenausschüttungen sowie die via Spin-off ins Depot gebuchten Anteile von Net Lease Office Properties.

Doch das ist Schnee von gestern, es zählt der Blick nach vorn. W.P. Carey plant, in weitere hochwertige Immobilien zu investieren und seine Präsenz in attraktiven Märkten auszubauen. Die langfristigen Mietverträge mit eingebauten Mietsteigerungen bieten eine solide Grundlage für zukünftiges Wachstum und Dividendenausschüttungen. Die starke Bilanz ermöglicht es W.P. Carey flexibel auf Marktchancen zu reagieren und gleichzeitig seine finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Mit der Aussicht auf eine Erholung am Immobilienmarkt und sinkende Zinsen präsentiert sich W.P. Carey (wieder) als ein attraktives Investment im REIT-Sektor.

Mein Fazit

Die Millenials kannten bisher nur Magerzinsen und Nullinflation, doch seit zwei Jahren erleben sie einen Kulturschock. Für uns ältere ist das Business as usal, denn wir haben bereits Zeiten erlebt, in denen Immobilienpreise abstürzten, Zinsen in die Höhe schossen und die ganze Branche von Pleiten heimgesucht wurde.
"Geduldiges Warten auf Gelegenheiten, die durch eine konträre Haltung und eine starke Bilanz gestützt werden, können in Krisenzeiten außerordentliche Gewinne bringen. (...) Du willst Risiken eingehen, wenn andere davor fliehen - nicht, wenn sie mit dir darum konkurrieren."
(Howard Stanley Marks)
Das Gröbste scheint nun vorüber zu sein und das ist oft eine lohnende Zeit für Investments. Wenn sich der Staub legt, aber noch keine völlig klare Sicht herrscht, bieten sich die besten Chancen. Kaufen, bevor alle anderen dann auf den fahrenden Zug aufspringen. Möglicherweise sind Immobilien bald wieder 'the place to be' und man kann hier gute Aktien günstig kaufen. Entweder direkt oder indirekt über die Asset Manager mit hohem Immobilienbestand – wie Blackstone, Brookfield oder KKR. Jeder so, wie es ihm gefällt…

Möge die Rendite mit euch sein!
Euer Börsenbarde
Michael C. Kissig

Disclaimer: Habe Blackstone, Brookfield, KKR auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

4 Kommentare:

  1. Theodor Rottweiler25.09.24, 10:15

    Sehr Interessant, Blackrock ist allerdings nahe an einem 3 Jahreshoch; Brookfield Assets und KKR Real Estates sind dieses Jahr auch schon gut gelaufen. Sind Brookfield Assets und KKR Reals Estates reine Immobilien Investments?

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    1. Moin Theodor,
      der Brookfield Real Assets Income Funds (RA) und der KKR Real Estate Income Trust (KREF) sind börsennotierte Immobilien-Vehikel, in die man separat investieren kann. Man beteiligt sich dann nicht am Management der Fonds, sondern am Fondsvermögen, also den darin enthaltenen Immobilien. Mit den entsprechenden anders gelagerten Chancen und Risiken im Vergleich zu Brookfield oder KKR selbst.

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  2. Gibt es eine aktuelle Einschätzung zu Opendoor? Lg

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    1. Mit Opendoor liege ich in diesem Jahr bisher kräftig daneben; die Aktie hatte ich (bei 4,- Euro) sogar zu meinem 2024er Jahresfavoriten ausgerufen. Autsch.

      Opendoor leidet nicht an den hohen Zinsen, sondern an dem stark geschrumpften Transaktionsvolumen im US-Immobilienmarkt. Die Menschen kaufen und verkaufen zu wenig, der durchschnittliche Kaufpreis ist für viele Menschen zu hoch. Zinsen bzw. die Zinslast sind dabei natürlich ein wichtiger Faktor und ein sinkendes Zinsniveau dürfte den Immobilienmarkt wieder beleben und damit auch Opendoors Geschäft. Das ist aktuell zu klein, um profitabel zu sein. Aber es ist gut skalierbar, daher würde ein anziehendes Transaktionsvolumen dann auch perspektivisch die Profitabilität nach sich ziehen. Doch momentan ist das noch Zukunftsmusik und daher kommt auch der Aktienkurs noch nicht in die Gänge.

      Ich bin aber vom Geschäftsmodell grundsätzlich überzeugt und glaube, dass Opendoor bei einem sich normalisierenden Immobilienmarkt kräftig profitieren wird. Vermutlich will der Markt diese Erfolge aber nun endlich auch mal in den Geschäftszahlen sehen und nicht nur in Präsentationen. Es könnte also noch etwas dauern, bis der Aktienkurs Fahrt aufnimmt. Doch am Ende sollte die Geduld belohnt werden...

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