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Montag, 8. Juli 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Hypoport: Mehr als nur ein Lebenszeichen?!

Im Magazin "Der Nebenwerte Investor" von Traderfox finden sich regelmäßig Analysen von mir zu deutschen Nebenwerten. Das Magazin ist kostenpflichtig und wer dieses oder eine der weiteren Börsenzeitschriften von Traderfox bestellen möchte, gelangt ▶ hier zur Übersicht. Mehrwert für die Leser meines Blogs: Nach Erscheinen des Magazins darf ich meine Nebenwerte-Analysen dann auch hier veröffentlichen.


Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 12/2024 vom 27.06.2024

▶ In dieser Ausgabe:  Hypoport, Mutares, JDC Group, Steico, YOC, KSV, Lang & Schwarz, All for One


Hypoport: Mehr als nur ein Lebenszeichen?!

"Wie tief ist tief genug?" fragte ich im Frühjahr 2023, nachdem der Aktienkurs von Hypoport von 600 auf unter 100 Euro eingebrochen war. Die stark gestiegenen Zinsen und der einbrechende Immobilienmarkt in Deutschland hatten die Umsätze und Gewinne von Deutschlands Vorzeige-FinTech massiv einbrechen lassen. Mein Fazit war, dass Hypoport kurzfristig kaum viel reißen dürfte, mittelfristig aber ein attraktives Investment darstellen sollte. Und nach einer wochenlangen Erholung mit Kursverdopplung brach der Kurs innerhalb weniger Wochen erneut um die Hälfte ein und tauchte Ende Oktober 2023 sogar wieder unter die 100-Euro-Marke ab. Um bis Mitte Mai auf annähernd 350 Euro hochzuschießen. Zu tief? Zu hoch? Auf jeden Fall extrem volatil - und einen genaueren Blick wert.

Das Kerngeschäft der 1999 gegründeten Hypoport ist die Kreditvermittlungsplattform Europace. Anders als Verivox oder Check24 richtet sie sich ausschließlich an Banken und Kreditvermittler, ist also eine B2B-Plattform (Business-to-Business). Die Kreditnehmer kriegen gar nicht mit, dass sie über Europace bedient werden, denn ihr Ansprechpartner ist wie üblich ihre Hausbank. Nur im Hintergrund läuft heute alles anders als noch vor zehn Jahren.

Unter der Führung von Gründer, Großaktionär und CEO Ronald Slabke hat Hypoport die Art und Weise grundlegend verändert, wie man heute Kredite abschließt. Anfangs lief das eher schleppend und es musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Zu dominierend waren die Banken und ihre zahllosen Filialen. Doch Kostendruck durch Magerzinsen und das Internet zwangen sie zu immer neuen Sparrunden, so dass die Wandlung zunehmend an Fahrt gewann. Die Corona-Pandemie wirkte dann nochmals beschleunigend, weil die Kunden den Weg in die Filialen scheuten und Kredite quasi sofort Online vergeben werden mussten. Eine Herausforderung für alle Beteiligten: Banken, Kunden, Hypoport.

Hypoport ist Deutschlands Marktführer bei neuvermittelten Immobilienfinanzierungen und über seine B2B-Kreditplattform werden inzwischen rund ein Drittel aller neuen Verträge abgewickelt. Die börsennotierte Hypoport SE ist dabei die Dachgesellschaft für das Netzwerk von knapp 20 Technologieunternehmen für die Kredit-, Immobilien- und Versicherungswirtschaft, die inzwischen zum Hypoport-Konzern gehören.

(Nur noch) drei Segmente

Hypoport hat sich im letzten Jahr einer Umstrukturierung unterzogen und dabei Aktivitäten und Kpsten auf den Prüfstand gestellt. Anstelle der vorherigen vier Sparten unterteilt es seine Aktivitäten nun in drei Segmente: Real Estate & Mortgage, Insurtech sowie Financing.

Hypoport Real Estate & Mortgage betreibt mit dem internetbasierten B2B-Kreditmarktplatz Europace die größte deutsche Plattform für Immobilienfinanzierungen und Bausparprodukte. Neben Europace fördern die Teilmarktplätze Finmas (Sparkassen) und Genopace (Genossenschaftsbanken) sowie die B2B-Vertriebsgesellschaften Qualitypool und Starpool fördert zudem der ungebundene Finanzvertrieb Dr. Klein mit seiner Beratung zur Immobilienfinanzierung für Verbraucher das Wachstum des Kreditmarktplatzes. Die technologischen Geschäftsmodelle der Tochter Fio Systems für die Vermarktung von Wohnimmobilien sowie der Value AG für die Bewertung von Immobilien ergänzen die Wertschöpfungskette des privaten Immobilienerwerbs.

Hypoport InsurTech besteht aus neun Unternehmen, die Technologielösungen und Vertriebsangebote für den Versicherungsmarkt bereitstellen. Die Geschäftsmodelle verfolgen eine gemeinsame Strategie mit dem Ziel, wertschöpfende Versicherungsprozesse zu digitalisieren. Die Aktivitäten der Unternehmen sind in die Teilsegmente für tarifierbare Privat- und Gewerbeversicherungen (SmIT, Qualitypool, AMEXPool, 1blick, Sia), betriebliche Vorsorgeversicherungen (ePension, E&P) und Industrieversicherungen (corify, OASIS) strukturiert.

Hypoport Financing schließlich bündelt alle Technologie- und Vertriebsunternehmen der Hypoport-Gruppe für die Finanzierungsprodukte Ratenkredit, Mittelstandsfinanzierung und Wohnungswirtschaft. Es umfasst somit Geschäftsmodelle außerhalb der privaten Immobilienfinanzierung.

Hypoport hängt am Tropf – und dem Immobilienmarkt

Bei Hypoport driften zwei Entwicklungen auseinander, die jahrelang Hand-in-Hand die Erfolgsgaranten waren: Marktanteilsgewinnen steht ein schrumpfender Markt gegenüber. Die kreditplattform hat sich als die dominierende Lösung in Deutschland etabliert und gewinnt weiter Marktanteile. Allerdings ist der Markt für Immobilienfinanzierungen nach dem Rekord 2021 vorübergehend ausgetrocknet und das hat Hypoport massiv belastet. In der Folge musste auch die erfolgsverwöhnte Hypoport Kosten senken und Personal abbauen.

Die starken Zinsanhebungen der EZB haben dazu geführt, dass sich weniger Menschen den Traum vom Eigenheim leisten können, denn ein Zinsunterschied von 4 % macht schnell fünfstellige Summen aus – pro Jahr. Die Nachfrage nach Immobilien brach kräftig ein und damit entstand ein großes Überangebot an Immobilien. Aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergaben sich Preisrückgänge. Zunächst moderat, dann zunehmend kräftig. Und sinkende Preise haben einen zusätzlichen negativen Effekt, denn die Kaufwilligen halten sich zurück, weil sie mit noch weiter sinkenden Preisen rechnen und so sinkt die Nachfrage überdurchschnittlich stark. Das Ende dieser Abwärtsspirale ist erst dann in Sicht, wenn das Preisniveau wieder so niedrig ist, dass Kaufwillige sich einfach nicht mehr zurückhalten können und wieder zugreifen, während Verkaufswillige auf einen Verkauf verzichten, weil ihnen die Preise zu niedrig sind.

Quelle: wallstreet-online.de
Dieses Szenario zeichnete sich Ende 2023 ab, als die Hoffnungen auf Zinssenkungen durch die Notenbanken bereits im Frühjahr 2024 hochschossen. Wie wir heute wissen, erwies sich die Inflation als hartnäckiger als gedacht und die US-Notenbank prognostiziert anstelle der ursprünglich bis zu sechs Zinssenkungen für dieses Jahr nur noch maximal einen ersten Zinsschritt. Auch die EZB hat ihre erste Zinssenkung lange hinausgezögert, sie dann aber kürzlich doch vorgenommen.

Der Markt nimmt solche Entwicklungen immer vorweg. Die Hoffnung auf Zinssenkungen ließ die Zinsen sinken und die Aktienkurse steigen. Als es dann soweit war und die EZB ihren Leitzins um 0,25 % auf 4,25 % senkte, erfolgte die Gegenreaktion: das Zinsniveau stieg an und die Aktienkurs sanken. Die Psychologie dominiert das Geschehen, nicht die Faktenlage. Die Auswirkungen von Leitzinsänderungen machen sich in der Realwirtschaft frühestens nach sechs Monaten wirklich bemerkbar, eigentlich kann man von beinahe 12 Monaten ausgehen. Das gilt für beide Richtungen.

Das Statistische Bundesamt Destatis berichtete, sein Häuserpreisindex für Deutschland sei auch im 1. Quartal 2024 rückläufig gewesen. Im bundesweiten Durchschnitt sanken die Preise für Wohnimmobilien um 5,7 % gegenüber dem Vorjahresquartal und fielen damit das sechste Quartal in Folge gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal. Im Vergleich zum 4. Quartal 2023 waren Wohnimmobilien im 1. Quartal 2024 durchschnittlich 1,1 % günstiger. Einerseits üben Käufer also weiter Zurückhaltung, andererseits kehrt die Kaufneigung wieder zurück.

Für Hypoport zeichnen sich hieraus positive Entwicklungen ab. Denn das Volumen der Immobilienfinanzierungen schrumpft nicht mehr deutlich, die Zahl der Transaktionen nimmt sogar wieder zu. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Bankfilialen weiter im mittleren einstelligen Prozentbereich pro Jahr und das erhöht die Nachfrage nach Europace-Anbindungen.

Ziemlich ordentliche Quartalszahlen

In den jüngsten Quartalszahlen spiegeln sich einige dieser Effekte bereits wider und Hypoport konnte mit prozentual zweistelligem Wachstum ins Jahr 2024 starten. So stieg der Umsatz der Hypoport-Gruppe um 15% gegenüber dem Vorjahresquartal auf 107 Mio. Euro.

Das Wachstum wurde dabei insbesondere von den Geschäftsmodellen in der privaten Immobilienfinanzierung im Segment Real Estate & Mortgage Platforms getragen. Durch die deutliche Zunahme von Transaktionsvolumen der Plattformen Europace, Finmas und Genopace sowie der Vertriebsvolumen von Dr. Klein erhöhten sich die Umsätze im Segment Real Estate & Mortgage Platforms deutlich. Neben den weiteren Marktanteilsgewinnen zeigte sich hier auch eine Belebung des Gesamtmarktes. Während die Umsätze der Immobilien-Vermarktungsplattform ebenfalls anstiegen, sanken sie im durch Regulatorik und weniger Transaktionen weiterhin anspruchsvollen Markt der Immobilienbewertung, so dass sich die Umsatzerlöse des Segments insgesamt um 24 % auf 73 Mio. Euro erhöhten.

Die Entwicklung im Segment Financing Platforms zeigte sich dreigeteilt. Das Teilsegment Wohnungswirtschaft ist trotz eines schwachen Gesamtmarkts durch Marktanteilsgewinne mit prozentual zweistelligem Umsatzwachstum ins Jahr gestartet. Im Teilsegment Ratenkredit konnte die Kundenbasis ausgebaut werden, jedoch bewirkten zunehmend restriktivere Kreditbanken und ein schwächerer Gesamtmarkt eine Seitwärtsentwicklung im Umsatz. Im Teilsegment Unternehmensfinanzierung reduzierte sich das Neuprojektvolumen vor dem Hintergrund der Haushaltssperre für viele Förderprogramme des Bundes, kreditrestriktivere Banken und Investitionsverschiebungen der Unternehmenskunden deutlich. Insgesamt ergab sich ein leichter Umsatzrückgang im Segment Financing Platforms von 6 % auf 17 Mio. Euro.

Im Segment Insurance Platforms kam die Migration der Versicherungsbestände auf die jeweiligen B2B-Plattformen der drei Teilsegmente Privatversicherung, betriebliche Vorsorge und Industrieversicherung weiter voran, wobei sich insbesondere das Teilsegment betriebliche Vorsorge um die Plattform ePension im 1. Quartal aufgrund der in 2023 gewonnenen Neukunden stark entwickelte. Das Segment erwirtschaftete in einem stabilen Gesamtmarkt ein leichtes Umsatzwachstum von 5 % auf 18 Mio. Euro.

Die Kreditplattform bleibt also die Cashcow des Unternehmens und der stärkste Umsatzbringer. CEO Ronald Slabke kommentierte die Quartalsergebnisse wie folgt: "Wir haben in den letzten 18 Monaten umfangreiche Maßnahmen umgesetzt, um insbesondere im Markt der privaten Immobilienfinanzierung, welcher sich in einer Umbruchphase befindet, unsere Wertschöpfung weiter auszubauen. Die ersten Resultate dieser zusätzlichen Marktdurchdringung sehen wir nun durch den starken Umsatzanstieg. In der EBIT-Entwicklung der gesamten Gruppe zeigt sich nun endlich wieder die Skalierbarkeit unserer Plattformgeschäftsmodelle im positiven Sinn."

Damit liegt er richtig. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass die starken Zuwächse im Jahresvergleich wesentlich auf die in 2023 stark geschrumpften Vergleichswerte zurückzuführen sind. Im Vergleich zu 2021 hängt Hypoport noch deutlich hinterher. Dennoch zeigt die Entwicklung in die richtige Richtung.

Bullcase vs. Bearcase

Was die Bewertung angeht, sprengt Hypoport wieder den Rahmen. Das war auch früher schon so, denn die positiven Wachstumsaussichten wurden vom Markt immer schon hoch bepreist. Auch deshalb war die Fallhöhe des Aktienkurses von 600 auf 100 Euro so gewaltig. Und bei 300 Euro sind viele der nun wieder positiven Zukunftsaussichten bereits eingepreist.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die kurzfristigen Perspektiven für den Immobilienmarkt noch immer verhalten sind. Das Wachstum ist eher der niedrigen Vergleichsbasis aus dem Vorjahr geschuldet und noch kein Zeichen einer neuen Stärke. Wenn weitere Zinssenkungen der EZB folgen und das Zinsniveau für 10jährige Immobilienkredite sich wieder Richtung 3 % bewegt, dürfte der Knoten platzen und der Immobilienmarkt wieder drehen. Der Traum vom Eigenheim lebt bei vielen fort und wenn er wieder für mehr Menschen finanziell darstellbar wird, dürften sie auch beherzt die Chance ergreifen. Zumal die beinahe zum Stillstand gekommene Neubautätigkeit zu deutlich steigenden Mieten führt und das Lohnniveau in den letzten Monaten deutlich gestiegen ist.

CEO Slabke hat auf die Skalierbarkeit von Hypoports Plattformmodell hingewiesen. Ein ganz wesentlicher Faktor! Hypoport verdient an jedem über seine Plattform vermittelten Kredit mit. Die größten eigenen Kosten entstehen durch die Implementierung neuer Vertragspartner, anschließend fallen nur noch geringe Wartungskosten an sowie die üblichen Aufwendungen, um die Plattformlösung weiterzuentwickeln. Mehr Transaktionen führen also zu überdurchschnittlichen Deckungsbeiträgen und damit mehr Umsatz zu sehr viel mehr Gewinn.

Hierin liegt der große Hebel im Hypoport-Business und damit auch die Fantasie auch für den Aktienkurs. Aktuell scheinen 300 Euro das Potenzial deutlich auszureizen, aber eine nachhaltige Erholung des Immobilienmarkts könnte die Schleusen öffnen. Sie muss 'nur' noch endlich stattfinden…

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Hypoport wissen muss

  1. Deutschlands Marktführer bei neu vermittelten Immobilienfinanzierungen vermittelt über seine Kreditplattformen bereits rund ein Drittel aller neuen Verträge.
  2. Hypoport entwickelt sich zum Full-Serviceanbieter rund um den Immobilientransfer. Noch spielt die Musik aber im Bereich Kreditplattform am lautesten.
  3. Steigende Zinsen und hohe Preise haben zu einem Käuferstreik im Immobilienmarkt geführt, doch nun scheint der Markt sich wieder zu drehen.
  4. Die Aktie ist teuer. Hartgesottene Anleger mit langem Atem könnten allerdings für ihren Mut belohnt werden.
Disclaimer: Habe Hypoport auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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