Montag, 22. Juli 2024

Gastartikel von Emil Jusifov zu IBM: Ein Riese ist aufgewacht

Heute präsentiere ich euch wieder einen interessanten Gastartikel. Dieses Mal kommt Emil Jusifov zum Zug, der auf seinem Blog 'Cashflow-Profi' immer wieder interessante Artikel rund um das Investieren und aussichtsreiche Unternehmen veröffentlicht.

Daneben ist Emil alle paar Wochen montagsabends mit einem Börsenspace bei X/Twitter am Start im Team mit Max Rahn, Lars, Leo Nelissen - und seit einigen Wochen auch mit mir.

Emil hat sich IBM vorgenommen, die ich nach Warren Buffetts Einstieg 2011 auch hier im Blog öfter mal in der Mache hatte. Zeitgleich hatte ich mir aber auch Microsoft angesehen als 'verkanntes Value-Investment' und mich letztlich für den Windows-Konzern entschieden. Das war die richtige Entscheidung - bisher. Aber 'Big Blue' IBM hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und von seinem ehemaligen Kerngeschäft getrennt. Der neue Fokus könnte dem Unternehmen - und damit auch der Aktie - neues Leben einhauchen. Und genau mit diesen Aussichten hat sich Emil beschäftigt. Zeit für einen Favoritenwechsel?

IBM: Ein Riese ist aufgewacht

Von Emil Jusifov
Als Computer-Pionier prägte IBM jahrzehntelang die Technologiebranche und setzte Maßstäbe in Sachen Innovation und Leistung. In den 1980er Jahren begann sich die technologische Landschaft jedoch rasant zu verändern. Die Verbreitung von PCs und die Einführung des Internets legte den Grundstein für die digitale Revolution.

Neue Wettbewerber wie Apple mit seinem benutzerfreundlichen Macintosh und Microsoft mit seinem dominierenden Betriebssystem Windows traten auf den Plan und eroberten schnell Marktanteile. Später kamen Google (heute Alphabet) und Facebook dazu und veränderten die Art und Weise, wie wir Informationen suchen und uns vernetzen.

In dieser dynamischen Umgebung machte IBM einen strategischen Fehler, indem es sich zu lange auf sein Kerngeschäft mit den Großrechnen fokussierte. Die Welt verlangte jedoch nach flexibleren und erschwinglicheren Lösungen, und IBM gelang es nicht, rechtzeitig auf den richtigen Zug aufzuspringen.

Die Konsequenzen waren nicht zu übersehen: Das Unternehmen musste sinkende Einnahmen und Gewinne hinnehmen, während die einstigen Newcomer zu Giganten heranwuchsen. So wandelte sich das Gesicht der Technologiebranche grundlegend und IBM musste sich neu erfinden, um in dieser neuen Ära zu bestehen.

Mit Arvind Krishna kam die Wende

Mit dem Wechsel an der Spitze vor knapp drei Jahren kamen neue Impulse in das Unternehmen. CEO Arvind Krishna ist ein dynamischer Unternehmenslenker mit strategischer Weitsicht, der sich vor Veränderungen nicht scheut, sondern Dinge anpackt und umsetzt.

Kurz nach seinem Amtsantritt gliederte er die margenschwache Infrastruktursparte aus und fokussiert sich seitdem auf den Dienstleistungsbereich sowie das hochprofitable Software- und Cloud-Geschäft. Auf diese beiden Sparten entfallen mittlerweile knapp 75 % der Umsätze von IBM.

Und die Ergebnisse können sich lassen: Seit 2021 verzeichnet das Unternehmen wieder positives Umsatzwachstum. Dabei sind bereits mehr als 50 % der Erlöse wiederkehrend. Darüber hinaus steigt auch IBMs operative Marge langsam aber stetig wieder an. Seit Ende 2020 hat sich die EBIT-Marge in etwa verdoppelt.

Im letzten Geschäftsjahr erzielte IBM im Vorjahresvergleich ein Umsatzwachstum von 3 % auf 11,2 Mrd. USD und erhöhte seine Bruttomarge um 40 Basispunkte auf 55,4 %. Zeitgleich wuchs der Free Cashflow um satte 21 % auf 11,2 Mrd. USD. Die größten Zuwächse verzeichneten erneut die Software- und Consulting-Sparte.

Natürlich spielt IBM angesichts des überbauschaubaren Wachstums noch nicht in einer Liga mit Nvidia, Microsoft und Co. Dies könnte sich jedoch bald ändern.

Das Unternehmen geht in diesem Jahr von einem mittleren einstelligen Umsatzwachstum bei einem Free Cashflow von 12 Mrd. USD aus. Damit würde sich IBMs Wachstum innerhalb kurzer Zeit in etwa verdoppeln. Nicht zuletzt dank seines vielversprechenden KI-Portfolios, mit dem das Unternehmen bereits mehr als 1 Mrd. USD Umsatz generiert.

Umfassende KI-Erfahrung

Ich bin der festen Überzeugung, dass IBM zum Marktführer im Bereich der Unternehmens-KI aufsteigen kann. Als KI-Pionier schöpft der US-Konzern aus einem beeindruckenden Erfahrungsschatz. Bereits in den 1990er Jahren sorgte 'Big Blue' für Furore, indem es eine Schach-KI entwickelte, die später den Schachweltmeister Garry Kasparow besiegte. Zum damaligen Zeitpunkt eine sensationelle Leistung, die der breiten Öffentlichkeit das enorme Potenzial der künstlichen Intelligenz offenbarte.

Seitdem hat der US-Konzern sein KI-Portfolio stetig ausgebaut. IBMs KI-Produkte kommen längst innerhalb seiner Anwendungsdomäne zum Einsatz, beispielsweise innerhalb der Hybrid-Cloud-Anwendungen und der Automatisierung von Betriebsprozessen.

Watsonx mit riesigem Potenzial

Mit Watsonx hat IBM nun eine KI-Plattform eingeführt, die diverse Anforderungen abdeckt. Dabei geht es nicht nur um intelligente Chatbots, die Kundenanfragen automatisch bearbeiten sowie Texte, Bilder und Videos generieren – wie wird dies von den Konkurrenten OpenAI (ChatGPT) und Alphabet (Gemini) kennen.

Watsonx bietet ganzheitliche Lösungen, die brancheübergreifend zum Einsatz kommen können. Beispielsweise, um auf der Grundlage von Patientendaten, Ärzte bei der Diagnoseerstellung zu unterstützen oder Banken und Finanzinstitute bei der Analyse von Marktdaten in Echtzeit unter die Arme zu greifen. Auch Onlinehändler können Watsonx nutzen, um das Einkaufsverhalten ihrer Kunden zu analysieren und personalisierte Empfehlungen für Produkte oder Dienstleistungen zu erstellen, die auf individuellen Präferenzen basieren usw.

Natürlich braucht auch Watsonx seine Zeit, um zu reifen und sein volles Potenzial auszuschöpfen. Das zeigt etwa die missglückte Kooperation mit McDonald's. Der Fast-Food-Riese testete in über 100 Restaurants die Sprachbestelllösung von IBM und beendete überraschend die Kooperation. Trotz erster Erfolge gab es wohl intern Bedenken bezüglich der Genauigkeit der Bestellungen durch den intelligenten Sprachassistenten von IBM. Die KI soll Schwierigkeiten gehabt haben, einige US-Akzente zu verstehen, was manchmal zu kuriosen Situationen führte. In einem Fall soll sogar Speiseeis mit Ketchup serviert worden sein.

Wettbewerbsvorteile

Dieser Reifeprozess ist allerdings notwendig und hilft dem Unternehmen, sein Angebot stetig zu optimieren und sich noch stärker von der Konkurrenz abzuheben. Ohnehin hat der Konzern nicht zu unterschätzende Wettbewerbsvorteile.

Ich habe schon mehrfach auf die hohe Markteintrittsbarriere im KI-Bereich aufmerksam gemacht, die IBM in die Karten spielt. Die Bereitstellung von Enterprise-KI-Lösungen ist aufgrund des hohen Ressourcenaufwands sehr kostspielig. Daher fokussieren sich die Konkurrenten von IBM hauptsächlich auf spezifische Nischenmärkte und spezialisierte KI-Anwendungen, anstatt umfassende und skalierbare Lösungen anzubieten.

IBM bringt dagegen aufgrund seines bisherigen Angebots bereits die Ressourcen mit, um Unternehmenskunden mit ganzheitlichen KI-Lösungen zu versorgen. Viele dieser Anwendungen sind bereits innerhalb der eigenen Organisation oder bei bestehenden Kunden in Betrieb. Ein wesentlicher Grund, warum IBM es sich laut eigenen Angaben leisten kann, innerhalb von nur fünf Jahren über 30 % der Jobs in der Personalverwaltung durch Automatisierung und KI zu ersetzen.

Überzeugende M&A-Strategie

Für IBM spricht auch seine Fähigkeit, das Portfolio durch gezielte Zukäufe optimal zu ergänzen. Das zeigte bereits die Akquise des Linux-Spezialisten RedHat, dessen Tools nahtlos in die IBM-Cloud integriert wurden und wesentlich zum Wachstum von IBM beitragen.

Das zeigt auch die jüngste Übernahme von Hashicorp, das Lösungen zur Automatisierung und Verwaltung von IT-Infrastrukturen anbietet. Die Integration von Hashicorp dürfte bedeutende Synergieeffekte durch die Erweiterung der bestehenden Cloud-Services und Sicherheitslösungen schaffen. "HashiCorp ist ein Beschleuniger für die IBM-Strategie, da es uns eine bessere Gesamtportfolio-Lösung bietet, wodurch mehr Kunden mit uns Geschäfte machen wollen", so CEO Arvind Krishna.

Fazit: Zurück zur alten Stärke

Quelle: wallstreet-online.de
Die IBM-Aktie ist endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und befindet sich seit 2023 in einem intakten Aufwärtstrend. Und ich gehe davon aus, dass wir uns erst am Anfang eines intakten Turnarounds befinden. Das Unternehmen legt gerade den Grundstein, um eines Tages an die Weltspitze der Technologieunternehmen zurückzukehren.

Anleger, die sich an dieser spannenden Story beteiligen möchten, sollten jedoch Geduld mitbringen und realistische Erwartungen an den Tag legen. IBM ist keine Aktie, die sich von heute auf morgen verdoppelt, sondern ein Investment, das ein vielsprechendes langfristiges Renditepotenzial besitzt.

Ich bin längst in IBM investiert und habe die Position in meinem Börsenbrief bereits mehrfach aufgestockt.

Gastautorenprofil 
Emil Jusifov ist ein Wirtschaftsjournalist und Investor, der sich seit vielen Jahren mit der Geldanlage an der Börse beschäftigt. Als Redakteur verfasste er zahlreiche Analysen und Berichte für große Fachpublikationen und Magazine. Heute ist er als freier Publizist, Finanzblogger und Analyst tätig und bietet über seine Website den Börsenbrief 'Cashflow-Strategie' an. Cashflow-Strategie ist ein von Jusifov entwickeltes Verfahren für den langfristigen Vermögensaufbau an der Börse, welches an die Bedürfnisse von Privatanlegern angepasst wurde. Die Strategie hat er in seinem Blog und im gleichnamigen Buch ausführlich beschrieben.

Disclaimer: Habe Alphabet, Apple, Meta Platforms, Microsoft, NVIDIA auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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