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Montag, 10. Juni 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse: Findet Diagnostikspezialist Stratec zurück zu alter Stärke?

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 10/2024 vom 23.05.2024

▶ In dieser Ausgabe:  MBB, Funkwerk, Stratec, Scout24, TeamViewer, Frosta, Bilfinger


Findet Diagnostikspezialist Stratec zurück zu alter Stärke?

Die Stratec SE ist ein Medizintechnikunternehmen und bietet weltweit vollautomatische Analysensysteme, Software und intelligente Verbrauchsmaterialien an. In mehr als 40 Jahren Unternehmensgeschichte hat man sich als Life-Science-Unternehmen mit einer breiten Expertise in der Automatisierung von Laborprozessen und bei der In-vitro-Diagnostik etabliert. Dabei ist Stratec eine diese Erfolgsgeschichten für den zweiten Blick. Denn der Aktienkurs notiert zwei Drittel unter seinem Allzeithoch von Ende 2021 und sogar ein Drittel niedriger als vor fünf Jahren. Dabei wurde Stratec ein Opfer Corona-Pandemie. genauer gesagt: ein Opfer des eigenen Erfolgs. Und damit steht man nicht alleine da, auch den Branchengrößen wie Thermo Fisher oder Danaher erging es ähnlich. Nach zwei sehr herausfordernden Jahren hell sich die Lage zuletzt spürbar auf.

Stratec entwickelt und produziert vollautomatische Analysesysteme auf Basis eigener patentgeschützter Technologien. Darüber hinaus bietet man integrierte Laborsoftware sowie komplexe Verbrauchsmaterialien für diagnostische und medizinische Anwendungen an und deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab von der Entwicklung über die Konstruktion und Produktion bis hin zur Qualitätssicherung. Die Partner vermarkten dann die Systeme, Software und Verbrauchsmaterialien, in der Regel Reagenzien, als Systemlösungen an Labore, Blutbanken und Forschungseinrichtungen in aller Welt. Reagenzien sind chemische Substanzen oder Mischungen, mit denen chemische Reaktionen initiieren, unterstützt oder erkannt werden.

Das Unternehmen wurde 1979 in Birkenfeld gegründet mit dem Fokus auf Abfüllanlagen im Lebensmittelsektor. 1987 erweitere Stratec seine Geschäftstätigkeit in den Bereich der Medizintechnik 1998 folgte der Schritt an die Börse und seit November 2023 ist man Mitglied im TecDAX.

Corona als Zeitenwende

Als Diagnostikspezialist im Medizintechniksektor verläuft das Geschäft bei Stratec in der Regel relativ planbar und mit attraktivem Wachstum. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 änderte sich dies schlagartig. Weltweit wurden Corona-Tests gefragt und viele Labore rüsteten sich entsprechend aus. Seit Adam Smith kennen wir das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage und die Auswirkung auf die Preisfindung. Die Nachfrage nach den Dienstleistungen und Produkten von Stratec sprang enorm in die Höhe, während die nötigen Vorprodukte nur begrenzt zu beschaffen waren. Und auch die eigenen Kapazitäten waren schnell ausgelastet. Die Folge waren stark angestiegene Preise, sowohl auf der Kostenseite als auch beim Verkauf. Zudem gab es Lieferengpässe und immer längere Wartezeiten, was dazu führte, dass viele Abnehmer Vorräte aufbauten. Für Stratec und seine Mitstreiter waren das paradiesische Zeiten, in denen Umsatz und Gewinn explodierten und man die eigenen Produktionskapazitäten deutlich hochfuhr.

Doch inzwischen hat Corona seinen Schrecken verloren, die Todesfälle sink weltweit massiv zurückgegangen und das Virus ist aus dem Bewusstsein vieler Menschen verschwunden. Das zeigt sich auch an der kaum mehr vorhandenen Impfneigung, die den Impfstoffabsatz bei BioNTec, Pfizer oder Moderna erheblich einbrechen ließ. Gleiches gilt für Corona-Tests.

Stratec ist hiervon gleich mehrfach betroffen. Einerseits ist die Nachfrage nach seinen Produkten und Dienstleistungen deutlich zurückgegangen und dann haben viele Kunden auch noch hohe Lagerbestände angehäuft, die sie nun erstmal abbauen, bevor sie neue Orders aufgeben. Und dann hat Stratec selbst seine Fertigungskapazitäten erhöht, die nun nicht mehr voll ausgelastet sind. Das zeigt sich auch in den geschäftszahlen – und im Aktienkurs.

Schwache Vorjahre, schwacher Jahresauftakt

Neben den Geschäftszahlen aus 2021 sahen die 2022er und die 2023er Zahlen bescheiden aus. Sie waren geprägt von Umsatz- und Ergebnisrückgängen. Und auch 2024 verspricht hier bisher keine Besserung. Der Umsatz dank im 1. Quartal um 15,9 % auf rund 50,9 Mio. Euro, wozu die erstmals zum 1. Juli 2023 konsolidierte Natech-Gruppe 470 Basispunkte beitrug.

Insgesamt lagen die allgemeinen Entwicklungen im 1. Quartal im Rahmen der ursprünglichen Erwartungen, betont die Stratec-Führung. So sei das Quartal erwartungsgemäß von weiterhin hohen Lagerbeständen bei Kunden sowie einer derzeit gedämpften Marktnachfrage im Bereich molekulardiagnostischer Systeme aufgrund von nachlaufenden Effekten der COVID-19-Pandemie geprägt gewesen. Bedingt durch Timing-Effekte bei den Umsatzrealisierungen von Entwicklungsleistungen waren zudem deutlich niedrigere Umsätze mit Entwicklungs- und Dienstleistungen zu verzeichnen. Das Geschäft mit Serviceteilen und Verbrauchsmaterialien sei dagegen aufgrund der über die letzten Jahre deutlich ausgeweiteten installierten Basis an Systemen sowie anziehender Nutzungsgrade bei den Endkunden deutlich gesteigert worden.

Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) gab um 17,6 % auf 3,15 Mio. Euro nach. Dabei zeigte das Restrukturierungsprogramm erste Auswirkungen. So ging die bereinigte EBIT-Marge nur leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 6,2 % zurück. Hier machten sich insbesondere die Maßnahmen des im Jahr 2023 gestarteten Ergebnisverbesserungsprogramms sowie ein verbesserter Umsatzmix, mit einem hohen Anteil an Serviceteilen und Verbrauchsmaterialien, positiv bemerkbar. Dennoch blieb unterm Strich mit 1,2 Mio. Euro fast die Hälfte weniger Überschuss als im Vorjahreszeitraum – und das sind bereits um Einmaleffekte bereinigte Zahlen.

Erste Fortschritte

Auch im 1. Quartal 2024 hat Stratec zusammen mit Partnern eine Vielzahl von Entwicklungen und Projekten vorangetrieben sowie neue Vereinbarungen über neue Kooperationen geschlossen. So wurden in einem Entwicklungsprojekt im Bereich der Immunhämatologie bedeutende Fortschritte erzielt sowie eine Ausweitung der Entwicklungskooperation vereinbart. Vor dem Hintergrund der gut gefüllten Entwicklungspipeline, welche eine Vielzahl von Projekten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien enthält, ist auch über die nächsten Monate und Jahre mit bedeutenden Markteinführungen zu rechnen, hofft das Stratec-Management. Für das Geschäftsjahr 2024 sind Investitionen in Sachanlagen und in immaterielle Vermögenswerte von insgesamt 6,0 % bis 8,0 % des Umsatzes geplant, nach 6,7 % in 2023.

Deutliche Geschäftsbelebung erwartet

Stratec in seiner Finanzprognose für das Geschäftsjahr 2024 von einer deutlichen Geschäftsbelebung ab dem 2. Quartal aus und sieht dies durch das anziehende Bestellvolumen seitens der Kunden bestätigt. Zudem rechnet der Diagnostikspezialist aufgrund von Fortschritten bei Entwicklungsprojekten mit deutlich ansteigenden Umsatzrealisierungen aus Entwicklungsleistungen.

Quelle: wallstreet-online.de
Der Vorstand prognostiziert daher für das 2. Quartal 2024 gegenüber Vorjahr ein sehr stark ansteigendes Umsatzvolumen, so dass zusammen mit den im Rahmen der Erwartung liegenden Entwicklungen im 1. Quartal die Finanzprognose für 2024 bestätigt wird. Insgesamt erwartet Stratec für 2024 damit auf währungsbereinigter Basis einen gegenüber Vorjahr stabilen bis leicht steigenden Konzernumsatz und für die adjustierte EBIT-Marge wird ein Wert von etwa 10,0 % bis 12,0 % prognostiziert (Vorjahr: 10,3 %).

Allerdings sei aufgrund der vielfältigen nachlaufenden Effekte der Corona-Pandemie weiterhin eine erhöhte Volatilität im Bestellverhalten der Kunden zu verzeichnen, so dass die Planung für 2024 mit größeren als üblichen Unsicherheiten verbunden sei. Dies betreffe die potentielle Produktmixentwicklung, den Nutzungsgrad der im Markt befindlichen Systeme sowie geplante aber noch nicht in der Prognose berücksichtigte Auswirkungen von weiteren Maßnahmen zur Effizienzsteigerung sowie strukturelle Anpassungen in der Supply Chain. In Abhängigkeit der tatsächlichen und derzeit steigenden Kapazitätsauslastung seien hierbei weitere Ergebnisverbesserungspotentiale im unteren einstelligen Millionen-Euro-Bereich identifiziert.

Aktionärsstruktur

Stratec gibt den Aktienanteil, der sich in Familieneigentum rund um den Gründer Hermann Leistner und festen Händen befindet, einschließlich Investmentgesellschaften, mit 40,36 % an und im eigenen Besitz des Unternehmens befinden sich knapp 0,02 % der Aktien. Dem Streubesitz sind demnach 59,62 % zuzurechnen. Unter den institutionellen Anlegern, die mindestens 3 % der Stimmrechte halten, zählen die Juno Investment Partners B.V., Brown Capital Management LLC und Invesco Ltd. Bei einer Marktkapitalisierung von knapp über 500 Mio. Euro ergibt sich damit eine gute Handelbarkeit der Aktien.

Dividendentrübsal

Auch wegen des hohen Anteils der Gründerfamilie hat sich Stratec die Entscheidung bestimmt nicht leicht gemacht, nach 20 Jahren kontinuierlicher Dividendenerhöhungen für das Geschäftsjahr 2023 eine Kürzung auf nur noch 0,55 Euro vorzunehmen. Auch wenn in Deutschland der Status als Dividendenaristokrat nicht denselben hohen Stellenwert besitzt wie in den USA, wäre das Erreichen von 25 Jahren Dividendensteigerungen durchaus ein positives Signal an den Kapitalmarlt und die eigenen Aktionäre gewesen. Andererseits steht Stratec nach zwei schwierigen Jahren unter Druck und hat entschieden, die Liquidität besser für das operative Geschäft verwenden zu können. Eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung.

Bullcase vs. Bearcase

Stratec kann sich dem herausfordernden Marktumfeld nicht entziehen, dem sich die gesamte Branche stellen muss. Das Management geht von einer Stabilisierung der Umsätze aus und will die Margen durch weitere Effizienzsteigerungen verbessern. Zudem zeichnen sich höhere Abrufe von Kunden ab und diese anziehende Nachfrage ist auch Planung bei größeren Wettbewerbern.

Der Aktienkurs ist kräftig gefallen und die Vergleiche mit den Vorjahren bzgl. Umsatz und Ergebnis waren zwei Jahre lang von Rückgängen geprägt. Die Vorjahresvergleiche wachsen nun aus den Geschäftszahlen heraus und damit ändert sich auch der Blickwinkel der Börse auf die Resultate. Und da die Börse bekanntlich die Zukunft handelt, dürfte sich Stimmung tendenziell aufhellen, sofern Stratec mit seinen Zahlen den positiven Trend bestätigen kann.

Die Aktie könnte damit in der zweiten Jahreshälfte zu einem attraktiven Turnaroundkandidaten werden, den Anleger als Depotbeimischung durchaus in Betracht ziehen können. Ein Erfolgsunternehmen für den zweiten Blick.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Stratec wissen muss

  1. Stratec leidet mit der gesamten Branche unter den Corona-Effekten, doch nun schwenkt der Fokus wieder Richtung des originären operativen Geschäfts.
  2. Branchenerholung und Effizienzsteigerungen machen Hoffnung auf künftig wieder deutlich besser laufende Geschäfte.
  3. Durch attraktive Zukäufe, wie zuletzt der Natech Plastics (USA), erweitert Stratec sein Angebotsspektrum und sein Umsatzvolumen zusätzlich.
  4. Die Dividendenkürzung kommt an der Börse nicht gut an, ist aber kein entscheidender Faktor für den künftigen Erfolg des Unternehmens und der Aktie.
Disclaimer: Habe Stratec nicht auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

2 Kommentare:

  1. Danke für die Analyse! Compugroup Medical hat es ja auch ordentlich erwischt. Würden Sie sich eine Einschätzung dazu zutrauen? Viele Grüße Georg S.

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    1. Bei Compugroup Medical gefällt mir die hohe Abhängigkeit von politischen Vorgaben/Entscheidungen im Gesundheitsbereich nicht, wodurch sich Entwicklungen nur schwär abschätzen lassen. Ich habe das Unternehmen daher nicht wirklich auf dem Schirm und kann leider keine fundierte Einschätzung abgeben. Insgesamt scheint es in Deutschland im Medizintechnikbereich aber zu stottern, denn auch Carl Zeiss MediTech hat ja seine Prognosen einkassieren müssen, nachdem das letzte Quartal ebenfalls deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

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