Montag, 13. Mai 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Dermapharm: Zurück auf Los. Folgt nun der zweite Anlauf?

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 8/2024 vom 25.04.2024

▶ In dieser Ausgabe: Hensoldt, Dermapharm, PATRIZIA, Masterflex, KWS Saat, Verbio, Medios, Zeal Network


Dermapharm: Zurück auf Los. Folgt nun der zweite Anlauf?

Die Dermapharm Holding kam im Februar 2018 an die Börse und der Aktienkurs notiert mit 32 Euro nur leicht über dem Startkurs von 26,50 Euro vor sechs Jahren. Für Aktionäre war hier also nicht wirklich viel zu holen und die Geschichte könnte ziemlich langweilig werden. Nur verläuft Geschichte selten linear und auch die Unternehmensentwicklung und die Börsenkurse tun das selten. Das ist bei Dermapharm nicht anders und berücksichtigt man, dass der Aktienkurs das Jahr 2021 bei knapp 90 Euro beendete, dann könnte die Geschichte doch einigen interessanten Stoff bieten.

Zunächst wagen wir einen kurzen Sprung in die griechische Mythologie. Dädalus wurde als Strafe von König Minos ins Labyrinth des Minotauros auf Kreta verbannt und fristete dort mit seinem Sohn Ikarus ein trostloses Dasein. Er ersann einen Fluchtplan und dafür schuf er aus Federn und Kerzenwachs Flügel, mit denen sein Sohn Ikaraus aus dem Labyrinth entkommen sollte. Und das funktionierte – bis Ikarus übermütig wurde und der Sonne zu nah kam. Das Wachs begann zu schmelzen und Ikarus stürzte in den Tod. Ins Deutsche übersetzt und etwas eingedampft heißt dies: Hochmut kommt vor dem Fall.

Wir spulen die Geschichte zweieinhalb Jahrtausende vor und landen in der Gegenwart. Auch Dermapharm hat einen unverhofften Höhenflug hinter sich, auf den ein brutaler Absturz folgte. Damit enden die Parallelen aber auch schon. Denn Dermapharm war weder übermütig noch in Existenznot, auch wenn der Kursverlauf dies fast vermuten lässt.

Dermapharm wurde 1991 gegründet und ist auf die Herstellung sowie den Vertrieb von dermatologischen und allergologischen Präparaten spezialisiert. Mit einer Marktkapitalisierung von 1,75 Mrd. Euro ist das Unternehmen für deutsche Börsenverhältnisse nicht klein, im internationalen Maßstab aber keinesfalls eine beachtliche Größe. Das war für einige Monate mal anders, denn Dermapharm hat während der akuten Phase der Corona-Pandemie für den mRNA-Spezialisten BioNTech deren COVID-19-Wirkstoff Comirnaty produziert. Das hat die Umsätze und Gewinne stark befeuert und damit auch den Aktienkurs. Die Euphorie der Börse kannte keine Grenzen, doch nachdem das Virus seinen größten Schrecken verloren und die weltweiten Impfkampagnen massiv zurückgefahren wurden, schrumpften auch die Geschäfte und die Börsenbewertung. Für Dermapharm hatte das Ganze durchaus Folgen, denn man hat diese 'Sonderkonjunktur' genutzt und die Bilanz kräftig aufgemöbelt. Zudem ging man gezielt auf Einkaufstour und hat seine Geschäftsaktivitäten ausgebaut.

Während die Performance über sechs Jahre wenig Freude auslöst und der Kursverlauf lediglich eine starke Boom-and-Bust-Formation zeigt, steht das Unternehmen heute ganz anders da als zu seinem Börsendebut. Aber auch besser?

Integriertes Geschäftsmodell als Pluspunkt

Das integrierte Geschäftsmodell von Dermapharm umfasst die hausinterne Entwicklung und Produktion sowie den Vertrieb der Markenprodukte durch einen pharmazeutisch geschulten Außendienst. Neben dem Hauptstandort in Brehna bei Leipzig betreibt Dermapharm weitere Produktions-, Entwicklungs- und Vertriebsstandorte innerhalb Europas, hier vorrangig in Deutschland, sowie den USA.

Die Stärke des Unternehmens liegt seit jeher auf Forschung & Entwicklung, aber es werden auch gezielt Produkte und Unternehmen zugekauft, um das Leistungs- und Angebotsspektrum zu erweitern. So hat das Unternehmen in den vergangenen 30 Jahren seine Geschäftsaktivitäten kontinuierlich optimiert und neben organischem Wachstum auch für externe Wachstumsimpulse gesorgt. Dermapharm ist als Holding aufgestellt, unter der die selbstständigen Töchter agieren und die Gruppe beschäftigt inzwischen rund 3.500 Mitarbeiter.

Der Fokus liegt der eigenen Entwicklung neuer Produkte. Die fünf Entwicklungszentren sind jeweils auf verschiedene Produktgruppen spezialisiert und die Pipeline ist mit mehr als 60 Entwicklungsprojekten prall gefüllt. Ziel ist der Ausbau des Portfolios an Markenarzneimitteln, die Weiterentwicklung der Allergietherapie sowie die Entwicklung wissenschaftlich fundierter Nahrungsergänzungsmittel und Phytoextrakte.

Man verfügt über etablierte Tochtergesellschaften in Österreich, der Schweiz, Kroatien, Polen und der Ukraine sowie über selbst gegründete Tochtergesellschaften in Italien und Spanien. Die Expansion erfolgt aktuell vor allem nach West- und Südeuropa und Dermapharm verfügt hier durch die Tochter Arkopharma über Marktzugänge in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien sowie den Benelux-Staaten. Der Ausbau der internationalen Präsenz erfolgt durch den internationalen Vertrieb der erfolgreichen Dermapharm-Produkte über eigene Tochtergesellschaften sowie Vertriebspartner.

Eigene Markenarzneimittel und Parallelimportgeschäft

Die Geschäftsaktivitäten sind in drei Segmente unterteilt. Im Segment 'Markenarzneimittel' verfügt man über mehr als 1.200 Arzneimittelzulassungen mit über 380 pharmazeutischen Wirkstoffen. Das Sortiment von Arzneimitteln ist auf ausgewählte Therapiegebiete spezialisiert, in denen Dermapharm vor allem in Deutschland eine führende Marktposition besetzt. Das integrierte Geschäftsmodell der Gesellschaft erstreckt sich von der hausinternen Produktentwicklung und Produktion über Qualitätsmanagement und Logistik bis hin zum Vertrieb der Markenarzneimittel durch einen pharmazeutisch geschulten Außendienst.

Im Segment 'Andere Gesundheitsprodukte' bündelt Dermapharm Nahrungsergänzungs- und pflanzliche Arzneimittel, Kosmetika und Medizinprodukte sowie pflanzliche Extrakte und medizinisches Cannabis. Zum Segment zählen neben der spanischen Euromed S.A., ein global führender Hersteller von Pflanzenextrakten und pflanzlichen Wirkstoffen für die Pharma-, Nutrazeutika-, Lebensmittel- und Kosmetikindustrie, unter anderem auch die französische Arkopharma, Marktführer für pflanzliche Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel in Frankreich.

Mit der axicorp betreibt Dermapharm das Segment 'Parallelimportgeschäft'. Axicorp importiert Originator-Arzneimittel aus anderen EU-Mitgliedsstaaten zum Weiterverkauf an pharmazeutische Großhändler und Apotheken in Deutschland. Dabei profitiert axicorp von der unterschiedlichen Preisgestaltung innerhalb der einzelnen EU-Mitgliedsländer. Ausgehend vom Umsatz zählt axicorp aktuell zu den Top-5 Parallelimporteuren in Deutschland.

Solider Geschäftsverlauf in 2023

Ende März hat die Dermapharm Holding SE ihren Geschäftsbericht für 2023 vorgelegt. Der Vorstand erklärte, man habe trotz eines schwierigen makroökonomischen Umfelds den Wachstumskurs erfolgreich fortgesetzt das obere Ende der Prognosebandbreite erreicht. Dabei rückte man sofort die Effekte der Sonderkonjunktur durch die Comirnaty-Produktion in den Vordergrund: "Die vergangenen Jahre waren geprägt von der Impfstoffproduktion im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19 Pandemie. Es war uns immer bewusst, dass die entsprechenden Erlöse auslaufen und Umsatz und Profitabilität dieses Geschäfts eine Sonderkonjunktur dargestellt haben. Vor diesem Hintergrund haben wir früh wesentliche Teile der Mittelzuflüsse reinvestiert, vor allem in den Erwerb der Arkopharma-Gruppe, die uns als französischer Marktführer Zugang zu neuen Märkten in West- und Südeuropa ermöglicht hat", so CEO Dr. Hans-Georg Feldmeier. "Diese Strategie ist im abgelaufenen Geschäftsjahr voll aufgegangen. Der Umsatzzuwachs vor allem aus Arkopharma überkompensiert den Rückgang der Impfstoffproduktion. Die gleichzeitige Reduzierung des EBITDAs ist einer Normalisierung der Profitabilität geschuldet, da die außerordentlichen Effekte der Impfstoff-Sonderkonjunktur sich wie erwartet nicht dauerhaft fortsetzen lassen".

Damit können wir gleich mehrere Punkte abhaken: es wird keine signifikanten Umsätze und Ergebnisse mehr aus der Comirnaty-Produktion geben und die hiermit generierten Mittel wurden wertschaffend investiert. Der Blick sollte sich folgerichtig wieder auf das 'Brot-und Butter-Geschäft' von Dermapharm richten.

Quelle: wallstreet-online.de
2023 erhöhte sich der Konzernumsatz um 10,8 % auf 1,135 Mrd. Euro. Dabei waren ein wesentlicher Treiber die Akquisitionen, allen voran von Arkopharma, deren Umsatzbeiträge den Rückgang der Erlöse aus der Impfstoffproduktion mehr als kompensiert haben. Das um Einmaleffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) verringerte sich allerdings um 13,8 % auf 310,2 Mio. Euro die entsprechende Marge sank von 35,1 auf 27,3 %.

Das bedeutet, dass anders als auf Umsatzebene die Beiträge aus organischem und anorganischem Wachstum den Rückgang der Profitabilität nur teilweise kompensieren konnten. Es kam also gegenüber dem Vorjahr zu einem Rückgang des bereinigten Konzern-EBITDAs und der entsprechenden Marge. Das unbereinigte Konzern-EBITDA belief sich auf 280,3 Mio. (2022: 331,3 Mio.) bei einer Konzern-EBITDA-Marge von 24,7 % (2022: 32,3 %). Bereinigt um Umsatz- und Ergebnisbestandteile aus der Impfstoffproduktion sind der Umsatz um rund 29 % und das Konzern-EBITDA um etwa 36 % gegenüber Vorjahr gewachsen.

Der Umsatz im Segment 'Markenarzneimittel' verzeichnete trotz der starken Entwicklung der Produktmarken einen Rückgang von 15,0 % auf 532,8 Mio. Euro. Das bereinigte EBITDA lag 2023 bei 240,0 Mio. Euro (2022: 336,4 Mio.), was einer bereinigten EBITDA-Marge von 45,0 % (2022: 53,7 %) entspricht. Der Umsatz- und EBITDA-Rückgang ist ausschließlich auf die in 2023 deutlich gesunkene Impfstoffproduktion zurückzuführen, die nur teilweise durch das kräftige organische Wachstum über große Teile des Bestandsportfolios kompensiert werden konnte. Das unbereinigte EBITDA sank im Geschäftsjahr 2023 um 27,3 % auf 229,0 Mio. Euro und die entsprechende Marge verringerte sich auf 43,0 % (2022: 50,2 %).

Das Segment 'Andere Gesundheitsprodukte' wies im Jahr 2023 Umsatzerlöse in Höhe von 371,7 Mio. Euro aus und damit 141,1 % mehr als im Vorjahr. Das bereinigte EBITDA des Segments stieg dabei um 206,8 % auf 76,7 Mio. Euro, während die bereinigte EBITDA-Marge 20,6 % betrug nach (2022: 16,2 %). Der jeweilige Anstieg basierte auf den Umsatz- und EBITDA-Beiträgen der seit Januar 2023 erstkonsolidierten Arkopharma-Gruppe. Das Segment profitierte zudem im Bestandsportfolio von einer Erholung der globalen Nachfrage und einem starken internationalen Wachstum der Euromed. Das unbereinigte EBITDA erhöhte sich 2023 um 199,5 % auf 57,8 Mio. Euro und die unbereinigte EBITDA-Marge stieg von 12,5 % auf 15,6 %.

Im Segment 'Parallelimportgeschäft' ist der Umsatz um 5,3 % auf 230,8 Mio. Euro gesunken, was vor allem aus gestiegenen Herstellerrabatten von 7 % auf 12 % sowie einer schlechteren Warenverfügbarkeit im Parallelimportmarkt zurückzuführen ist. Das EBITDA liegt bei rutschte von 4,5 Mio. Euro in 2002 mit -0,8 Mio. Euro in die Verlustzone. Ursächlich hierfür sei hauptsächlich eine Veränderung des Produktmixes, so der Vorstand.

Dividendenkürzung drückt – erneut - die Stimmung

Der Hauptversammlung am 27. Juni 2024 wird für das Geschäftsjahr 2023 eine Dividende von 0,88 Euro je Stückaktie vorgeschlagen. Das ist nochmals weniger als im Vorjahr, als die damaligen 1,05 Euro bereits eine deutliche Kürzung darstellten. Allerdings waren die zwischenzeitlich üppigen Dividendenzahlungen auch den Sondereffekten aus der Comirnaty-Produktion geschuldet, die inzwischen aus den Geschäftsergebnissen herausgewachsen ist. Der Dividendenvorschlag entspricht einer Gesamtausschüttung von 47,4 Mio. Euro und damit kehrt Dermapharm auf das Ausschüttungsniveau wie vor der Corona-Pandemie zurück.

Für 2024 rechnet Dermapharm mit einem Konzern-Umsatz zwischen 1,17 und 1,21 Mrd. Euro und einem bereinigten Konzern-EBITDA zwischen 305 und 315 Mio. Euro.

Aktionärsstruktur und Insiderkäufe

Aufsichtsrat Wilhelm Beier hat bereits im letzten Jahr die Kursschwäche für Zukäufe genutzt und seine Themis Beteiligungs-AG hält inzwischen 68,5 % der Anteile. Hinzu kommt sein weiterer „Insiderkauf“ von Anfang April, als er für 33 Euro je Aktie und insgesamt 1,98 Mio. Euro zugegriffen hat – außerhalb eines Börsenplatzes und nicht über seine Beteiligungsgesellschaft. Sein Anteil liegt also über 68,5 % und der Streubesitz erreicht de facto nicht die ausgewiesenen 31,5 %. Zudem dürfte eine Reihe von Aktien bei festen Adressen liegen sowie weiteren Personen aus Vorstand und Aufsichtsrat, so dass die Marktenge bei der Orderteilung unbedingt berücksichtigt werden sollte.

Bullcase vs. Bearcase

Dermapharm läuft weiter in der Erfolgsspur und das bedeutet neben dem organischen Ausbau des Geschäfts auch weitere Zukäufe von Unternehmen oder Produkten. Prägend sind der Arkopharma-Zukauf, der 2023 erstmals voll in die Geschäftszahlen einfloss sowie der Wegfall der Cormirnaty-Produktion, so dass 2024 nach zwei Jahren wieder wirklich vergleichbare Zahlen vorliegen werden, die das Bild nicht mehr verzerren. Und die Wahrnehmung der Börse. Dabei war die Wirkstoffproduktion für BioNTechs COVID-19-Präparat eine große Erfolgsgeschichte für Dermapharm, denn sie spülte viel Geld in die Kasse, mit dem dann auch die Arkopharma-Übernahme gestemmt werden konnte.

Der Free Cashflow dreht 2023 von +190 Mio. auf -196 Mio. Euro, doch das lag vor allem an den Akquisitionen von Arkopharma und Montavit und ist damit kein Warnsignal. Bei Fortgesetzter M&A-Aktivität, insbesondere für die internationale Expansion, dürfte diese Kennzahl auch in den Folgejahren stärker schwanken. Die höheren Zinsen belasten das Finanzergebnis und der Ausblick auf 2024 seitens des Managements ist doch eher verhalten. Das trübt die ansonsten positiven Aussichten etwas ein. Andererseits hat der Kurs wohl auch schon alle Vorschusslorbeeren verloren und hat ein attraktives Niveau für langfristig orientierte Anleger erreicht. Dazu darf man auch den Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden Beier zählen, der hier jüngst engagiert zugegriffen hat – ein weiteres positives Signal.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Dermapharm wissen muss

  1. Die starke Forschungs- und Entwicklungspipeline sichert Wirkstoffe und damit Potenziale für die nächsten Jahre.
  2. Die Impfstoffproduktion für BioNTech brachte hohe Margen und Gewinne. Diese 'Sonderkonjunktur' ist beendet und das Geld floss in attraktive Zukäufe.
  3. Dermapharm verfolgt eine gezielte M&A-Strategie. Insbesondere der Zukauf von Arkopharma macht sich erheblich positiv in den Umsätzen und Ergebnissen bemerkbar.
  4. Das Dividendenniveau hat wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht und die niedrigere Ausschüttungsquote stabilisiert die Bilanz und schafft Raum für weitere Übernahmen.
Disclaimer: Habe BioNTech auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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