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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 4/2024 vom 02.03.2024
▶ In dieser Ausgabe: Datagroup, Ringmetall, Scherzer, Mutares, Kontron, Vossloh, Siemens Energy, Hornbach Holding, Puma
Ringmetall: Mit stärkerer Fokussierung zurück in die Erfolgsspur?!
Ringmetall ist eine Industrieholding und nicht mit dem Rüstungsgiganten und DAX-Konzern Rheinmetall zu verwechseln. Der weltweit führende Spezialanbieter in der Verpackungsindustrie ist ein Hidden Champion des deutschen Mittelstands, dessen heftiger Kursrückgang in den letzten anderthalb Jahren die Marktkapitalisierung sogar wieder knapp unter 100 Mio. Euro gedrückt hat. Dazu führten ein zweiter fehlgeschlagener Ausflug in die Verbreiterung der Geschäftsaktivitäten außerhalb des Kerngeschäfts und die zurückhaltende Nachfrage seitens der für Ringmetall so relevanten Chemiebranche. Doch nach dem „Seuchenjahr“ 2023 zeichnen sich erste Hoffnungsschimmer am Horizont ab und damit die mögliche Rückkehr in die Erfolgsspur.
Die börsennotierte Ringmetall SE ist die Mutter der Ringmetall Gruppe, die aus 23 Unternehmen besteht. Im Rahmen einer Holding Struktur plant und steuert die Ringmetall SE das internationale Wachstum der Gruppe und übt gleichzeitig zentrale Stabsfunktionen auf Konzernebene aus, insbesondere die Bereiche Konzernfinanzen, Investor Relations und Business Development. Ansonsten operieren die Tochterunternehmen eigenständig am Markt.
Beendigung des HSM-Abenteuers
Bevor wir uns dem Kerngeschäft zuwenden, blicken wir kurz zurück auf das Ende des Engagements bei der HSM per 30. Juni 2023. Die Ringmetall SE hat ihre Tochtergesellschaft HSM GmbH & Co. KG an die HSM Präzisionsteile & Sicherheitssysteme GmbH i. Gr. verkauft, eine zu diesem Zweck frisch gegründete Tochtergesellschaft der Theilen Holding GmbH aus Miltenberg. Mit der Veräußerung von HSM zum 30. Juni 2023 hat Ringmetall gleichzeitig das Segment Industrial Handling geschlossen, um konzentriert sich seitdem ausschließlich auf das Segment Industrial Packaging. Die Veräußerung von HSM hat zu einem einmaligen Sondereffekt in Höhe von -4,6 Mio. Euro aus Entkonsolidierungseffekten geführt, die komplett im Geschäftsjahr 2023 verbucht wurden. Es war ein Ende mit Schrecken und der zweite fehlgeschlagene Versuch, ein branchenfremdes zweites Standbein aufzubauen. Börsenlegende Peter Lynch nannte dies einmal 'Diworsifizieren' und dieses Mal hat Ringmetall hoffentlich seine Lektionen gelernt.
Das bedeutet nicht, dass Ringmetall nicht auch künftig sein Wachstum durch Firmenzukäufe vorantreiben soll, aber man sollte streng darauf achten, dass man sich im oder nahe am Kerngeschäft bewegt und hier Synergie- und Skaleneffekte nutzen kann. Und die jüngsten Äußerungen der Ringmetall-Verantwortlichen legen den Schluss nahe.
Fokus auf Spannringe und Inliner
Das verbleibende Segment Industrial Packaging Rings unterteilt Ringmetall nun zwei Bereiche. Im Segment Industrial Packaging Rings ist Ringmetall als Systemlieferant für die Fassindustrie tätig und fertigt hoch spezialisierte Fassverschlusssysteme. Zu den einzelnen Systemkomponenten der Fassverschlusssysteme zählen neben dem Spannring als Hauptkomponente auch Deckel, Dichtungen, Verschlusseinheiten, Griffe und verschiedenste Spezialteile. Mit einem Weltmarktanteil von über 50 % und mehr als 2.500 für unterschiedlichste Anwendungen konzipierte Spannringsysteme ist Ringmetall Weltmarktführer im Bereich Fassspannringe.
Das zweite und jüngere Segment ist Industrial Packaging Liner. Hier ist Ringmetall Systemlieferant für die Fassindustrie und bietet passgenaue Innenauskleidungen bzw. Innenhüllen für Industriefässer, insbesondere Rundbodensäcke und Form-Inliner an. Die Industrial Packaging Liner Unternehmen fertigen Produktlösungen mit über 4.000 verschiedenen, passgenauen Innenhüllen für alle Arten von Transport- und Lagerbehältern. Unzählige Arten und Abmessungen von Behältern sowie spezifische Anforderungen an das eingesetzte Material, erfordern eine kundenspezifische Anpassung der Kunststoffauskleidungen. Zum Produktportfolio zählen hierbei neben Form-Inlinern, Rundbodensäcken und Innenhüllen für Fässer auch Schutzhauben, Fass-Deckelscheiben, IBC Innenhüllen und Container Innenhüllen sowie Bag-in-Box-Systeme.
Ringmetalls Ursprünge gehen auf Fassspannringe zurück, doch die Kunden benötigen immer öfter auch entsprechende passgenaue Inliner. Daher expandiert Ringmetall in diesem Bereich hinein und wird damit zum Systemanbieter aus einer Hand und erhöht seine Fertigungs- und Leistungstiefe. Der 'adressierbare Markt' vergrößert sich damit an und bietet weitere Wachstumsmöglichkeiten. Im Kernmarkt Fassspannringe ist dieser bei einem Weltmarktanteil über 70 % naturgemäß begrenzt.
Ringmetall war und bleibt im Kaufrausch
Neben organischem Wachstum setzt Ringmetall seit jeher auch gezielt auf Unternehmenszukäufe. Der bisher gewichtigste erfolgte Ende 2015, als man mit der Übernahme von Self Industries erstmals den Schritt in die USA wagte und damit den Umsatz um rund 40 % steigerte. Self Industries firmiert heute als Berger Group US.
Seitdem kauft man immer wieder kleinere Wettbewerber zu, expandiert aber auch in angrenzende Bereiche, wie Fass-Inlays, Bag-in-Box-Systeme, Rundbodensäcke oder Fass-Deckelscheiben. Anfang letzten Jahres griff man erneut in den USA zu. Im Zuge einer ungeklärten Unternehmensnachfolge wurde der Geschäftsbetrieb der Protective Lining Corporation in New York übernommen. Seit den 2015 und 2020 erfolgten Akquisitionen von Self Industries Inc. und Sorini Ring Manufacturing Inc. ist Ringmetall bereits führender Hersteller von Fassverschlusssystemen in Nordamerika und forciert mit der Übernahme von Protective Lining auch die Konsolidierung des US-Marktes für Fassinnenhüllen. Angesichts der angespannten Wirtschaftslage in Europa und der robusten Verfassung der US-Wirtschaft sollte sich die deutlich stärkere Aktivität in Nordamerika zunehmend auszahlen.
Quartalszahlen offenbaren zunehmenden Gegenwind
Aber das ist Zukunftsmusik. Zunächst blicken wir auf das abgelaufene Geschäftsjahr 2023 zurück und hinein ins Tal der Tränen. Auf Basis vorläufiger Geschäftszahlen beläuft sich der Konzernumsatz 2023 auf 181,4 Mio. Euro und damit 15 % unter dem Vorjahreswert. Dem Umsatzzuwachs aus den Zukäufen von Protective Lining in den USA und Liner Factory in Deutschland stand dabei ein prozentual zweistelliger Rückgang der Stahlpreise entgegen. Das abgeschwächte Wirtschaftsumfeld vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2023 äußerte sich zudem in einer gedämpften Nachfrage aus wichtigen Abnehmerindustrien, insbesondere aus der chemischen Industrie.
Zudem schlug sich die Veräußerung der Konzerntochter HSM zum 30. Juni 2023 in einer um rund 8 Mio. Euro niedrigeren Umsatzbasis in der zweiten Jahreshälfte 2023 nieder. Bereinigt um die Umsatzanteile von HSM in den Geschäftsjahren 2022 und 2023 belief sich der Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahr auf -12,2 %.
Das vorläufige Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) fiel mit 17,9 Mio. Euro sogar um 36,6 % niedriger aus als im Vorjahr (2022: 28,3 Mio.), so dass die EBITDA-Marge auf die Gesamtleistung von 13,1 auf 10,0 % zurückging. Bereinigt um den Ergebnisbeitrag der zum 30. Juni 2023 veräußerten Konzerntochter HSM sowie die hiermit in Zusammenhang stehenden einmaligen Entkonsolidierungseffekte in Höhe von -4,6 Mio. Euro belief sich das angepasste EBITDA auf 22,0 Mio. Euro, was einem Rückgang von -15,5 % entspricht und die angepasstes EBITDA-Marge auf die Gesamtleistung auf 12,8 % drückte.
Damit entwickelte sich das Ergebnis aus rein operativer Sicht nahezu proportional zur Entwicklung des Konzernumsatzes, obwohl das Unternehmen eine spürbar verringerte Produktionsauslastung zu verkraften hatte. Das ist angesichts der herausfordernden Rahmenbedingungen durchaus eine Leistung. Diese wurde auch dadurch ermöglicht, dass sich Ringmetall vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels trotz eines geringeren Auftragsvolumens gegen Einsparungsmaßnahmen in der Stammbelegschaft entschieden hat, um im Hinblick auf ein verbessertes wirtschaftliches Umfeld das Produktionsvolumen zügig wieder erhöhen zu können.
Strategisch dürfte das die richtige Entscheidung sein und ganz im Sinne eines Werner von Siemens, der einst sagte: "Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht". Dem Börsenkurs setzt die Entscheidung hingegen erstmal zu.
Nachvollziehbar verhaltene Jahresprognose
Quelle: wallstreet-online.de |
Vorstandssprecher Christoph Petri bewertet die Geschäftsentwicklung der letzten Wochen des Geschäftsjahres 2023 sowie zum Jahresauftakt 2024 als positives Signal für eine verbesserte Geschäftsentwicklung im laufenden Geschäftsjahr. Dennoch kann auch er nicht ausschließen, dass es sich bei dieser Entwicklung nur eine um kurzfristige Gegenbewegung handelt. Entsprechend spiegelt die Prognose für das laufende Geschäftsjahr sowohl ein pessimistisches als auch ein optimistisches Szenario in Form der Prognosebandbreiten wider: Für das Geschäftsjahr 2024 erwartet der Vorstand folglich einen Konzernumsatz zwischen 170 und 195 Mio. Euro bei einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) zwischen 20 und 27 Mio. Euro. Der Prognose liegen unveränderte Rohstoffpreise und Wechselkurse im Ver-gleich zum Jahresultimo 2023 zugrunde. Ebenso nicht enthalten sind Effekte aus im Jahr 2024 angestrebten Akquisitionen inklusive hierdurch erwachsender Transaktionskosten. Der Vorstand beabsichtigt, die Prognose im weiteren Jahresverlauf zu konkretisieren.
Bullcase vs. Bearcase
Die bis Mitte 2023 stark gestiegenen Rohstoffpreise konnte Ringmetall gut an seine Kunden weitergeben und wurde kaum von den Störungen der weltweiten Lieferketten negativ beeinträchtigt. Zu schaffen machte und macht Ringmetall allerdings der wirtschaftliche Einbruch in der chemischen Industrie, die ihre Fertigungskapazitäten während der Energiepreishochphase deutlich reduziert hatte und seitdem nicht wieder vollständig hochgefahren hat. Zudem verlagern immer mehr Unternehmen ihre Fertigung ins europäische Ausland oder in die USA. Die regionale Aufstellung der Ringmetallgruppe stellt dabei weitgehend sicher, dass man als Systemlieferant von den Stand-ortwechseln nicht zwangsweise negativ betroffen ist, da man den Kunden auch weiterhin zur Verfügung steht. Akquisitionen werden künftig nicht nur der Auswertung und Ergänzung der Produktpalette dienen, sondern auch stärker auf regionale Perspektiven abzielen.
Ringmetall bewegt sich in einer zyklischen Branche und hängt damit stark an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Damit stehen die Zeichen bisher nicht auf Grün. Andererseits hat der Kursverlauf wohl bereits einen Großteil des Enttäuschungspotenzials eingepreist und dürfte entsprechend erfreut auf jegliche Besserung der Wirtschaftslage reagieren. Des Weiteren versprechen Nordamerika und der vergleichsweise geringe Marktanteil in Asien weitere Wachstumschancen, ebenso die immer weiter steigenden Anforderungen an Transportlogistik, die viele Unter-nehmen von Eigenlösungen zu Systemspezialisten umschwenken lässt.
Und bei aller Tristesse ist zu bedenken, dass Ringmetall weiterhin profitabel ist und Übernahmen nicht nur über Fremdkapital sondern auch aus der Innenfinanzierung heraus stemmen kann. Damit könnte Ringmetall zu einer interessanten Spekulation auf eine sich aufhellende Wirtschaftslage werden und bald wieder die Grenze von 100 Millionen Euro Marktkapitalisierung überschreiten.
Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Ringmetall wissen muss
- Führender Spezialanbieter in der Verpackungsindustrie und mit einem Marktanteil von über 70 % bei Fassspannringen Weltmarktführer. Deutscher Mittelstandschampion!
- Robustes Geschäftsmodell: Ringmetall profitiert von seiner starken Marktstellung und seiner Preissetzungsmacht, die zu tendenziell höhere Margen führt.
- Die wirtschaftliche Zurückhaltung in der Chemiebranche belastet Umsatz und Ergebnis stärker und länger als gedacht, der Fokus auf Verpackungslösungen macht strategisch Sinn.
- Die Börsenkapitalisierung liegt bei knapp 85 Mio. Euro, der Streubesitz unter 30 %. Die Aktie ist markteng, daher Orders limitieren, Geduld aufbringen und Volatilität einplanen.
Danke für deine Einschätzung. Ich sehe bei Ringmetall ebenso keinen signifikanten Einbruch sondern eher eine konjunkturelle Delle. Eigentlich eine gute Gelegenheit um günstig an Aktien zu kommen. Das Geschäftsmodell ist sehr gut zu verstehen, es gibt kaum Konkurrenten die Marktanteile streitig machen können (Burggraben). Das Management macht m.M. nach einen konstant guten Job seit vielen Jahren und steigert den Firmenwert kontinuierlich mit ruhiger Hand. Eine ordentliche Dividende gibts obendrauf.
AntwortenLöschen"Diworsifizieren" sollte es heissen.
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