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Freitag, 2. Februar 2024

Kissigs Aktien Report: Netflix gewinnt die Streaming Wars? Sieht fast so aus…

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem 'Aktien Report' von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen und Themen vor. Die Ausgaben des 'Aktien Reports' und/oder 'Geld Anlage Reports' erreichen ihre Leser samstags kostenlos und 'druckfrisch' per Email und man kann sich ▶ hier beim 'Geld Anlage Report' anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 160 vom 26.01.2024

Netflix gewinnt Die Streaming Wars? Sieht fast so aus…

Das Streamen von Filmen ist keine neue Idee, aber dennoch ein noch junges Geschäftsfeld. Es reiht sich damit in eine Reihe ein von neuen Technologien, die innerhalb weniger Jahre unser Leben von Grund auf verändert haben. Dazu zählen das Internet, Smartphones, Streaming und KI hat absehbar die nächste Welle losgetreten.

Jeder neue Markt ist zunächst klein, weist aber ein großes Potenzial auf, wenn eine erfolgreiche Technologie verdrängt werden kann. Gelingt dies, spricht man von Disruption und zumeist nehmen die Disruptierten die Bedrohung zuerst nicht ernst, weil sie sich ihrer Marktstellung, ihrer Kunden und ihres Erfolgs (zu) sicher sind.

Beispiele gibt es genug. Nokia war Marktführer bei Mobiltelefonen mit einem Weltmarktanteil von über 70 %. Niemand konnte es mit Nokia aufnehmen, die Wettbewerber mussten reihenweise die Segel streichen, darunter so bekannte Namen wie Siemens, Ericsson, Motorola. Doch Mobiltelefone waren tot, denn RIM hatte mit seinen BlackBerrys eine neue Kategorie erfunden, die Smartphones. Außer telefonieren und SMS schreiben konnten diese Smartphones auf einmal Termine und Kontakte verwalten und wurden so zum ersten wirklichen Büroersatz. Nokia verpasste den Trend und war innerhalb weniger Jahre Marktstellung, Kunden, Gewinne und Geschäftsfeld los. Dass heute niemand mehr BlackBerrys benutzt, liegt daran, dass die Kanadier ebenfalls den nächsten Trend verpassten, als nämlich Steve Jobs sein iPhone präsentierte. BlackBerrys Reaktion war, dass niemand auf seine liebgewonnene Tastatur bei seinem Smartphone verzichten wolle, um stattdessen mit seinen fettigen Fingern einen Touchscreen zu befummeln. Wie die Geschichte weiterging, wissen wir: Apple ist seit einigen Wochen der Weltmarktführer bei Smartphones und vereinnahmt nach wie vor rund die Hälfte der global mit Smartphones erzielten Gewinne. Der Disruptor BlackBerry war sich zu sicher und wurde disruptiert.

Apples Erfolg ist durchaus bemerkenswert, denn er war nicht unbedingt abzusehen. Bei Wachstumsunternehmen geht es strategisch um den 'First Mover Advantage' und 'Land and expand'. Wer sich zuerst in einem Markt breit macht, erwischt die frühen Kunden und kann sich eine starke Marktstellung herausarbeiten. Und diese Erfolge ziehen risikofreudige Kapitalgeber an, so dass mit ständigem Geldnachschub schnell weitere Märkte erschlossen werden können: es werden sogenannten Brückenköpfe errichtet und dann das Geschäfts schnell ausgerollt. Aber Apple… abgesehen vom iPhone ist der Konzern selten der große Innovator, sondern wartet ab, bis sich ein Markt etabliert hat und stößt dann mit einem sehr bedienerfreundlichen, trendigen Produkt in den Markt. Und das zu hohen Preisen mit hohen Margen, denn Apples wertvollstes Asset ist seine Marke. Die Geräte werden gekauft, weil sie in sind und nicht weil sie technologisch der neuste Schrei sind. Zudem hat Apple ein geschlossenes Ökosystem errichtet, in dem alle seine Geräte vernetzt sind und aus dem Nutzer kaum mehr entrinnen können, ohne sich komplett zu verabschieden. Apple ist damit eine große Ausnahmeerscheinung.

Auch bei der Art und Weise wie wir unsere Filme, Seifenopern und Daily Soaps konsumieren gab es in den letzten 25 Jahren große Veränderungen. Kinos sind weitgehend out, lineares TV (Kabelfernsehen) verliert immer mehr Marktanteile, Video- und DVD-Verleih ist tot. Diese Entwicklung ging mit dem Internet einher und setzte sich erst durch, als die Übertragungsgeschwindigkeiten schnell genug waren, um auch hochauflösende Filme ruckelfrei in die Wohnzimmer oder die Tablets und Smartphones zu beamen.

Pionier in diesem Bereich ist Netflix, eine ehemalige Videokette, die sich gegen den absehbaren Tod auf Raten stemmte und sich neu erfand. Netflix ist der First Mover in diesem Bereich und setzte von vornherein ausschließlich auf Streaming, während andere noch das fette Geld im linearen TV und dem Kabelfernsehgeschäft machten. Eine Zeit lang konnten sie sich noch über Wasser halten, weil die Kabelnetze auch fürs Internet geeignet waren, aber inzwischen ist Glasfaser angesagt, weil sie zuverlässiger und leistungsfähiger sind. Zudem erfolgt der Zugang immer häufiger mobil und so werden reine Kabelanschlüsse immer mehr zum Auslaufmodell.

Netflix setzte von Anfang an nicht nur auf Konserven, also alte Filme aus Filmbibliotheken, sondern sehr stark auf Eigenproduktionen. Diese verschlingen viel Geld und Netflix reizte seinen Cashflow stets voll aus und powerte seine Verschuldung bis zum Anschlag, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Die Wettbewerber belächelten dies zunächst, doch als Netflix begann, immer häufiger Filmpreise für seine Werke abzugreifen, machten sie große Augen. Denn die Konsumenten zeigten sich zunehmend begeistert und wechselten immer häufiger zu Netflix.

Es kam, was kommen musste: Erfolg zieht Nachahmer an. Netflix hatte die Nutzer, aber eine immer noch relativ kleine Filmbibliothek. Bei vielen großen Playern im Medienbereich war es genau andersherum. Sie haben jahrzehntelang gefüllte Medienbibliotheken, die sie über das Kabelfernsehen immer wieder recyceln konnten. Doch die Nutzer wendeten sich vom Kabelfernsehen ab hin zu Streamingking Netflix. Zunächst verdienten die Filmstudios und Medienfirmen daran, dass sie Netflix Zugang zu ihren Reservoirs gaben, doch der zunehmende Erfolg des Streamings machte sie gierig. Also war die Lösung der Branche, dass man eigene Streamingdienste aufbaute und Netflix und den Wettbewerbern keine Filme und Serien mehr zur Verfügung stellte. Jeder baute sein eigenes kleines Reich auf mit einer säuberlich aufgeschichteten Sandburg.

Problem an der Sache: Es gibt nur eine begrenzte Zahl von Nutzern, von denen niemand mehr als 24 Stunden am Tage und 7 Tage in der Woche Filme konsumieren kann. Die Anbieter gingen einfach davon aus, dass sich jeder Nutzer zwei, drei oder fünf Streaming-Abonnements leisten würde und während der Corona-Pandemie, als die meisten Menschen zuhause eingesperrt waren, schien sich das auch zu bewahrheiten. Also wurden Milliarden investiert in die eigenen Streamingdienste. Doch die Corona-Lockdowns endeten und die Kunden sehen sich inzwischen mit steigenden Zinsen und Kosten konfrontiert, so dass sie ihre Doppel- und Dreifach-Abos beenden. Sie setzen nur auf den besten Content und den finden sie wohl bei Netflix.

Die Streaming Wars

Steaming, oder genauer gesagt Video-on-Demand, wird von einigen großen Playern dominiert. Allen ist gemein, dass sie Verluste einfahren und zuletzt vor allem mit Kostensenkungen und Personalreduzierungen von sich reden machen. Und dem Beispiel von Netflix folgen und es mit werbefinanzierten Abo-Modellen versuchen.

So hat Amazon Prime erst Freevee eingeführt, also kostenlose Filme und Serien mit Werbeunterbrechungen, doch künftig werden alle Filme werbefinanziert sein. Dabei hat Amazon den großen Vorteil, dass das übrige Business, allen voran die Cloudsparte AWS, viel Cash und Gewinne erzielt, so dass Prime quersubventioniert werden kann. Aber seit Andy Jassny den Chefposten von Gründer Jeff Bezos übernommen hat, steht auch die Profitabilität deutlich stärker im Fokus als früher.

The Walt Disney Company startete so ziemlich als letzte ins Streamingbusiness, aber dafür umso erfolgreicher. Zählt man Disney+, Hulu und ESPN+ zusammen, gelang es Ende 2022 sogar, mehr Streamingkunden auszuweisen als Netflix – doch der Streamingking holte sich seine Krone längst wieder zurück. Disney schreibt rote Zahlen mit den Streamingdiensten und denkt über strategische Weichenstellungen nach, die auch einen Verkauf des Sportsenders ESPN beinhalten.

Warner Bros Discovery ist der Zusammenschluss des Medienkonzerns von Warner Bros mit dem Senderbetreiber Discovery. Man hatte sich große Synergieeffekte versprochen und wollte Netflix angreifen, doch die Erfolge sind überschaubar. Zudem drückt die gewaltige Schuldenlast und die deutlich erhöhten Zinsen werden immer stärker zur Belastung. Die größten Erfolge feiert die Tochter HBO, die für 'Die Sopranos' oder 'Game of Thrones' verantwortlich zeichnete. HBM Max und Discovery+ wurden zusammengeführt, was die Abonnentenzahlen senkt, da viele Kunden zuvor doppelt versorgt waren.

Paramount Global ist ebenfalls ein weltbekannter und alteingesessener Name im Filmgeschäft. Das Unternehmen entstand 2019 durch den Zusammenschluss der CBS Corp. und Viacom zu ViacomCBS. Neben dem Filmstudio Paramount und dem Sender CBS gehören auch MTV und Nickelodeon zum Medienimperium. Anschließend erfolgte die Umfirmierung in Paramount. Mehrheitlich kontrolliert wird das Unternehmen von National Amusements, deren Eigentümer David Ellison ist, Sohn des milliardenschweren Oracle-Mitbegründers Larry Ellison. David Ellison soll Gespräche mit Paramount führen, um seine Film- und Studiogesellschaft Skydance Media mit dem Medienunternehmen zu verschmelzen. Des Weiteren soll Finanzinvestor Apollo Global Management ein Übernahmeangebot für National Amusements erwägen, die 77 % der stimmberechtigten Aktien von Paramount Global halten. Auch Warren Buffetts Berkshire Hathaway gehört zu Paramounts größten Aktionären.

Der Streamingking

Netflix hat soeben seine Zahlen zum abgelaufenen Quartal vorgelegt – und die Erwartungen pulverisiert! Der Umsatz wuchs im 4. Quartal um 12,5 % auf 8,8 Mrd. USD an und auch der Gewinn übertraf mit 1,4 Mrd. alle Erwartungen. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung der Nutzerzahlen, denn Netflix gewann in den drei Monaten 13,1 Mio. neue zahlende Kunden hinzu und konnte dabei die Zahl der werbefinanzierten Abonnements um fast 70 % steigern. Eine echte Erfolgsgeschichte, denn diese günstigeren Abos, in denen Werbung geschaltet wird, machen nun bereits fast 40 % aller Verträge bei Netflix aus. Insgesamt liegt die Zahl der Abonnenten nun bei über 260 Mio.

Dieses Wachstum wird nicht mehr mit Verlusten erkauft, sondern Netflix ist inzwischen profitabel. Und es gelang, den Umsatz pro Abonnenten (ARM) um einen weiteren Prozentpunkt zu steigern und die operative Marge auf knapp 17 % zu hieven. Zudem generiert Netflix einen positiven und zunehmenden Free Cashflow, was bei Wachstumsunternehmen ein besonderes Zeichen des Erfolgs ist. Insbesondere in einem Markt, wo die Wettbewerber allesamt Verluste schreiben und mit Kostensenkungen agieren (müssen).

Doch Netflix gewinnt nicht nur Neukunden, sondern man kann auch bei den Bestandskunden höhere Preise durchsetzen. So reduziert man konsequent das sogenannte Account-Sharing, was nicht zu dem befürchteten Nutzerschwund geführt hat, sondern gegenteilig sogar zu steigenden Nutzerzahlen. Das gelingt nur, weil die Nutzer einem Netflix-Abo einen hohen Wert beimessen – und lieber bei der Konkurrenz kündigen.

Quelle: thedlf.de
Daraus folgt, dass deren Strategie, auf Insellösungen zu setzen und sich gegenüber dem Wettbewerb abzuschotten mit ihren vermeintlich attraktiven Content-Bibliotheken, gescheitert ist. Das sieht man auch daran, dass inzwischen wieder vermehrt Filme und Serien an Netflix lizensiert werden. So habe laut 'Financial Times' die Warner Bros Discovery-Tochter HBO bereits Mitte 2023 damit begonnen, ältere Serien wie Insecure, Six Feet Under, Ballers und Band of Brothers wieder an Netflix zu lizensieren. Das macht das eigene Streaming-Angebot unattraktiver, spült aber umgehend Einnahmen in die klammen Kassen.

Auch deshalb lässt sich die Bank of America-Analystin Jessica Reif Ehrlich mit den Worten zitieren, Netflix habe die 'Streaming Wars' gewonnen. Und schaut man sich die Netflix-Zahlen näher an, strotzen sie auch hinter den Kulissen nur so von Stärke.

Netflix fährt eine regionale Strategie, die in unterschiedlichen Regionen der Welt auf unterschiedliche Angebote setzt. Und konnte in allen vier Regionen (US/Kanada, EMEA, Latin America, APAC) in den letzten beiden Quartalen mehr als eine Million an neuen Kunden hinzugewinnen. Zur Einordnung: das gelang zuletzt vor drei Jahren während der Corona-Lockdowns.

Quelle: wallstreet-online.de
"That was then, this is now" ist ein Literaturklassiker, mit dem ich im Englischunterricht gequält wurde. Aber zumindest der Titel ist hängen geblieben und passt, denn an der Börse zählt nicht nur, was gestern erreicht wurde, sondern vor allem was die Zukunft bereithält. Für das Gesamtjahr stellt Netflix ein 'gesundes' prozentual zweistelliges Umsatzwachstum in Aussicht und will 9,24 Mio. neue Nutzer gewinnen. Die operative Marge soll dabei weiter auf 26,2 % steigen.

Einen weiteren Schub könnten neue Entwicklungen bringen, denn Netflix hat sich die Übertragungsrechte der vor allem in den USA beliebten wöchentlichen Sendung Raw für 10 Jahre gesichert. Dafür zahlt man 5 Mrd. USD an die Wrestling-Organisation WWE. Netflix folgt damit dem Trend, sein Streamingangebot durch exklusive Sportübertragungen attraktiver zu machen. Disney hat hier mit ESPN einiges zu bieten und gerade Amazon ist sehr umtriebig in Sachen American Football. Das ist keine kleine Sache, denn Kundenbefragungen zeigen, dass exklusive Sportübertragungen ein ganz wesentlicher Grund für Kabel-TV-Kunden bei der Wahl ihres Kabelnetzbetreibers sind. Und diese 'Frequenzbringer' wandern nun vermehrt zu den Streamingdiensten, wodurch sich das 'Cord-Cutting' zusätzlich verstärkt, also die Abkehr der Nutzer von Kabeldiensten und linearem TV.

Mein Fazit

Ich teile die Meinung, dass Netflix die Streaming Wars gewonnen hat. Netflix ist der unumstrittene Dominator und glänzt mit profitablem Wachstum.

Allerdings mahnt die Realität zur Vorsicht. Denn auch das US Militär ist großartig darin, Kriege schnell für sich zu entscheiden. Doch auf den Krieg folgt der Frieden und den zu gewinnen, gelingt den Amerikanern nur selten. Und so muss auch Netflix erst noch beweisen, dass man den 'Burgfrieden' im Streamingsektor gewinnen kann. Die Wettbewerber haben alle mit sich selbst zu kämpfen während Netflix aus einer Position der Stärke heraus agiert. Man kann also feststellen, dass Netflix gewonnen hat. Die erste Halbzeit. Und jeder weiß, dass das nicht einmal die halbe Miete ist. Manche, so wie der FC Bayern München, verlieren eigentlich bereits gewonnene Champions League-Spiele auch noch in der Nachspielzeit. So geschehen am 26. Mai 1999, als man in der 94. Minute 1:2 gegen Manchester United unterlag, nachdem man nach 90 Minuten noch in Führung gelegen hatte.

Dennoch: Netflix hat alle Trümpfe in der Hand und spielt sie bis jetzt und seit Jahren gekonnt aus. Man ist der First Mover, man ist der King und man fährt weiterhin auf der Erfolgsspur, weil man sich auf dem Erreichten nicht ausruht. Und damit die Konkurrenz in Atem und auf Abstand hält.

Das relativiert die hohe Bewertung der Aktie. Bei einer Marktkapitalisierung von 245 Mrd. USD weist man ein Forward-KGV von 33 aus. Da man weiter zweistellig wachsen will bei steigenden Margen ist das vertretbar für GARP-Investoren, die auf Growth at a reasonable Price setzen.

Die Netflix-Aktie ist in den letzten 20 Jahren um rund 46.000 % gestiegen. Fortsetzung folgt…

Möge die Rendite mit euch sein!
Euer Börsenbarde
Michael C. Kissig

Disclaimer: Habe Amazon, Apollo, Apple, Netflix auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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