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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 17/2023 vom 23.11.2023
▶ In dieser Ausgabe: JDC Group, Secunet, Befesa, PVA Tepla, SIXT, LPKF, Varta, Tonies
Befesa: Hohe Energiepreise machen Recycling in der Stahl- und Aluminiumindustrie zur Überlebensfrage
Die Energiekrise hat Deutschlands Unternehmen voll im Griff und es trifft vor allem den Industriesektor – und damit auch die Stahl- und Aluminimunternehmen, die zum Kundenkreis von Befesa zählen. Es verwundert daher nicht, dass der Aktienkurs von Befesa kräftig unter Druck geriet in den letzten Monaten und seit dem Höchststand im Frühjahr 2022 mehr als die Hälfte eingebüßt hat. Zwar haben die Energiepreise nicht mehr ihr Rekordniveau, doch nun schwächelt die Konjunktur und die hohen Zinsen dämpfen die Investitionsneigung in der Industrie zusätzlich. Befesa steht damit vor mehreren Herausforderungen.
Die Befesa S.A. ist einer der führenden Akteure in der Recycling- und Kreislaufwirtschaft und als Anbieter von umweltrechtlich regulierten Dienstleistungen für die Stahl- und Aluminiumindustrie aktiv. Das deutsch-spanische Unternehmen mit Sitz in Luxemburg betreibt Anlagen in Deutschland, Spanien, Schweden und Frankreich, der Türkei, Südkorea, China und den USA.
Gefahrenstoffe als Burggraben
Die im MDAX beheimatete Befesa ist ein führender europäischer Anbieter im Bereich Industrie-Services und auf den Umgang mit Gefahrenstoffen sowie die Wiederverwertung von Stahlstaub und Salzschlacken für die sekundären Stahl- und Aluminiumindustrie spezialisiert. Der Konzern verfügt über Stahl-, Salzschlacken- und Aluminium-Recyclinganlangen sowie Industrieabfallanlagen in mehr als 10 Ländern und bietet seine Services weltweit an. Dank seiner etablierten Marktposition und dem umfangreiche Knowhow kann Befesa seine Marktführerschaft weiter ausbauen.
Laut EU-Verordnung ist das Recycling von gefährlichen Abfällen verpflichtend, wenn es als wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu Deponierung erachtet wird. Befesa hat eine globale und breit gefächerte Kundenbasis erstrangiger Industrieunternehmen, von denen viele schon seit über 20 Jahren Kunden sind.
In den beiden Geschäftseinheiten Stahlstaub- und Aluminiumsalzschlackenrecycling recycelt Befesa mit seinen 1.500 Mitarbeitern jährlich rund 1,5 Mio. t Reststoffe und produziert rund 1,3 Mio. t neue Materialien. Diese führt Befesa dem Rohstoffmarkt zu und reduziert somit den Verbrauch natürlicher Ressourcen. So verarbeitet man unter anderem Stahlstaub, der in Stahlwerken anfällt, zu Sekundärrohstoffen für die Zinkproduktion weiter. Und Stahl als einer der größten Energieverbraucher rückt auch zunehmend ins Visier der Energiewende.
Daneben überzeugen weitere Argumente, denn Sekundäraluminium hat die gleichen mechanischen Eigenschaften wie Primäraluminium, benötigt aber nur 5 % der Energie im Produktionsprozess. Hier sorgt die Kreislaufwirtschaft auch für erhebliche positive Kosteneffekte.
In China wird eine dritte Anlage ins Auge gefasst
Das Thema Umweltschutz gewinnt seit Jahren immer mehr an Bedeutung und die immer strikteren Umweltvorschriften haben das Wachstum von Befesa in der Vergangenheit unterstützt. Der Trend wird anhalten und auch in Zukunft der Hauptantrieb für das organische Wachstum sein. Da die meisten der organischen Wachstumsprojekte in bestehenden und bereits bedienten Märkten abgeschlossen sind, konzentriert sich die Strategie von Befesa nun auf die Expansion in neue Regionen.
Ganz besonders im Fokus steht hierbei China und zwar aufgrund der Größe des Marktes und der Position, die Befesa in diesem Land bereits innehat. Im Dezember 2021 wurde im chinesischen Changzhou in der Provinz Jiangsu eine neue Recycling-Anlage für Stahlstaub in Betrieb genommen. Dank vieler vertraglich vereinbarter Kundenaufträge ist die Anlage, die über eine Jahreskapazität von 110.000 t Stahlstaub aus Elektrolichtbogenöfen verfügt, bereits zu über 80 % ausgelastet. Die Inbetriebnahme der baugleichen zweiten chinesischen EAFD-Recyclinganlage in Xuchang in der Provinz Henan hatte sich aufgrund von COVID-Restriktionen verzögert, wurde aber inzwischen abgeschlossen. Aktuell führt Befesa in der Provinz Guangdong hinsichtlich einer dritten Anlage Verhandlungen mit großen Stahlunternehmen in der Region, um die Versorgung mit EAF-Staub zu sichern, da man trotz der aktuellen Marktherausforderungen in China ein starkes Wachstumspotenzial sieht und mittelfristig optimistisch bleibt.
Expansion in die USA
Auch in den USA hat Befesa zugekauft und für 450 Mio. USD die Firma American Zinc Recycling übernommen, die inzwischen unter Befesa Zinc US firmiert. Dadurch wurde Befesa auf einen Schlag zum zu einem weltweiten Marktführer beim Recycling von Stahlstaub aus Elektrolichtbogenöfen. Die Modernisierung des Werks in Palmerton, Pennsylvania, liegt dabei im Zeitplan und wird für den Rest von 2023 und 2024 fortgesetzt, um die Rentabilität zu steigern und das erwartete Wachstum des EAF-Staubvolumens auf dem US-Markt ab 2025 zu nutzen.
In Europa liegt Befesas Marktanteil bei 45 bis 50 % und mit der Übernahme von American Zinc Recycling verschafft sich Befesa nun eine exzellente Präsenz auf dem wichtigen US-Markt.
Preisexplosion bei Rohstoffen
Neben den immer schärferen Umweltauflagen spielen die höheren Rohstoffpreise Befesa in die Karten. So profitiert man aktuell von den viel höheren Preisen für Zink und Aluminium, die das Recycling aus Kundensicht attraktiver macht und die Auslastung der Befesa-Werke weiter erhöht. Gegenläufige Effekte erzeugt die wirtschaftliche Abschwächung, die die Nachfrage bei den Kunden senkt.
Herausforderndes Geschäftsjahr
In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 erzielte Befesa einen um 8 % höheren Umsatz von 904 Mio. Euro und ein bereinigtes EBITDA (operatives Ergebnis) von 137 Mio. Im 3. Quartal lag der Umsatz mit 288,7 Mio. Euro ebenfalls um 8 % über dem Vorjahreswert. Dabei ist der Anstieg des Umsatzes hauptsächlich auf den Beitrag des Zinkschmelzgeschäfts in den USA zurückzuführen.
Das bereinigte EBITDA sank jedoch in den ersten neun Monaten 2023 um 17 % auf 136,7 Mio. Euro und im 3. Quartal lag es mit 42 Mio. um 8 % unter Vorjahr. Der Rückgang ist hauptsächlich auf niedrigere LME-Marktpreise für Zink sowie den mit 19 % ungünstigen Anstieg der Schmelzlöhne und höhere Kokskohlepreise zurückzuführen, die nur teilweise durch bessere Zinkpreisabsicherungen, niedrigere Energiepreise und Synergieeffekte kompensiert werden konnten.
Im Bereich der Basismetallpreise waren die Zink-Preise im Jahresvergleich weiterhin niedrig und beliefen sich in den ersten neun Monaten 2023 auf durchschnittlich 2.493 Euro/kt und damit um 27 % niedriger als im Vorjahr. Höhere Absicherungspreise für Zink konnten dabei im Jahresvergleich die niedrigeren Zink-LME-Preise teilweise kompensierten. Die durchschnittlichen Preise für Aluminiumlegierungen lagen in den ersten neun Monaten 2023 mit durchschnittlich 2.186 Euro/kt um 12 % unter den Vorjahreswerten.
Die Energiepreise hatten unterschiedliche Auswirkungen auf Befesa. Nachdem sie im1. Halbjahr 2023 ein Allzeithoch erreicht hatten, sank der Kokskohlepreis von Befesa im 3. Quartal 2023 um 4 % gegenüber dem 2. Quartal 2023. Dennoch lag der durchschnittliche Kokskohlepreis in den ersten neun Monaten 2023 immer noch etwa 15 % über dem Vorjahreswert und etwa 85 % über dem Durchschnittsniveau der Jahre 2019 bis 2021. Dies hatte einen nachteiligen Einfluss auf das Staubstahlgeschäft.
Im Gegensatz dazu blieben die Gas- und Strompreise im 3. Quartal 2023 auf dem Durchschnittsniveau von 2021, was sich positiv auf das Recycling der Aluminiumsalzschlacken auswirkte.
Befesas operativer Cashflow lag nach neun Monaten mit 63,7 Mio. Euro unter dem Vorjahreswert von 78,3 Mio. Ende September lag die Liquidität lag bei mehr als 150 Mio. Euro mit einem Kassenbestand von 81 Mio., nachdem die Ende 2022 noch 162 Mio. Euro betragen hatte. Der Nettoverschuldungsgrad belief sich auf 3,38 nach 2,56 zum Jahresende 2022.
Quelle: wallstreet-online.de |
Doch bei allem Optimismus für die Zukunft hat Befesa in der Gegenwart ordentlich zu kämpfen und musste seine Ergebnisprognose für das laufende Geschäftsjahr senken. Im Gesamtjahr 2023 erwartet Befesa nun ein bereinigtes EBITDA von 180 Mio Euro statt der bisherigen Prognosespanne von 200 bis 230 Mio. Euro; nach neun Monaten wurden hiervon 136,7 Mio. Euro erreicht, so dass das 4. Quartal noch einiges beizusteuern hat.
Bullcase vs. Bearcase
Befesa operiert erfolgreich in einem Nischenmarkt. Das Unternehmen baut seine Präsenz in Asien aus und ist seit der erfolgten Übernahme von AZR auch Marktführer in den USA.
Der globale Klimawandel macht neue Methoden nötig bei der Energieeinsparung und beim Recycling und der sich abzeichnende Mangel bei Rohstoffen aufgrund des Ukrainekriegs verspricht zusätzlichen Rückenwind für Recyclingspezialisten. Andererseits leiden insbesondere die europäischen Stahlhersteller unter den hohen Energie- und Rohstoffpreisen und dem De facto-Embargo gegen russische Kohle.
Neben den steigenden Preisen haben sich auch die steigenden Zinsen als Belastung herausgestellt, denn das Geschäft von Befesa ist kapitalintensiv. Steigende Zinsen machen Fremdkapital teurer und belasten das Finanzergebnis, zumal Befesa weiter in neue Produktionsstätten investiert. Zudem sind die zu erfüllenden Umwelt- und Sicherheitsauflagen sehr hoch und kostentreibend.
Aber auch diese Medaille hat eine Kehrseite, denn diese Faktoren summieren sich zu einem starken Burggraben gegenüber Wettbewerbern, vor allem Branchenneulingen. Die überschaubare Zahl an Konkurrenten reduziert die Gefahr von ruinösen Preisschlachten. Darüber hinaus hat sich Befesa über Jahrzehnte einen hervorragenden Ruf erworben, der die eigene Marktstellung zusätzlich absichert. Und an potenziellen Kunden mangelt es nicht, da diese dank behördlicher Auflagen immer stärker zum Recycling ihrer Abfälle und Rückstände gezwungen werden.
Die hohe Auslastung der Befesa-Anlagen belegt die starke Wettbewerbsposition des Unternehmens. Selbst die neuen Anlagen in China waren bereits vom Start weg zu 80 % ausgelastet. Der Ukrainekrieg und seine Folgen haben insbesondere den Europäern ins Gedächtnis gerufen, dass Rohstoffversorgung keine Selbstverständlichkeit ist und gesicherte Rohstoffquellen unerlässlich sind. In unserer rohstoffarme Region erfahren „Urban Mining“ und Recycling daher auch unter dem Verfügbarkeitsaspekt eine neue Wertschätzung und die Expertise von Befesa wird künftig noch stärker gefragt sein.
Dabei gehört Befesa zu den konjunktursensiblen Unternehmen und höhere Zinsen und Energiekosten sowie die aufziehende Wirtschaftsflaute belasten die Geschäftszahlen. Spätestens wenn diese makroökonomischen Trends sich wieder umkehren, sollte Befesa zu den Profiteuren gehören. Der Aktienkurs dürfte da schon vorher wieder anspringen.
Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Befesa wissen muss
- Befesa ist ein führender europäischer Anbieter im Bereich Industrie-Services und auf den Umgang mit Gefahrenstoffen sowie die Wiederverwertung von Stahlstaub und Salzschlacken für die sekundären Stahl- und Aluminiumindustrie spezialisiert.
- Steigenden Preise bei Stahl und Aluminium sorgen für zusätzlichen Rückenwind, ebenso die zunehmenden Umweltauflagen; sie zementieren auch Befesas Burggraben.
- Befesa legt neben Europa neue Schwerpunkte in China und den USA, wo die neuen Werke bereits kurz nach Inbetriebnahme zu mehr als 80 % ausgelastet waren.
- Die Ergebnisse des konjunktursensiblen Unternehmens leiden zurzeit und Besserung ist erst im nächsten Jahr zu erwarten.
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