"Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt" frotzelte einst Wilhelm Busch. Und so könnte man die letzten Wochen an der Börse charakterisieren, denn trotz anhaltend schlechter Nachrichten- und Stimmungslage haben die Börsen nach dem äußerst miesen Oktober im November einfach beschlossen, schon mal in den Jahresendrallyemodus zu wechseln. Das Wechselspiel aus Angebot und Nachfrage hat funktioniert und Adam Smith mal wieder Recht behalten.
Die Notenbanken entziehen dem Markt weiterhin Liquidität und im Sommer waren viele professionelle Anleger in Anleihen 'geflüchtet', um auf die sich dort bietende 'Jahrhundertchance' zu setzen: denn fallende Zinsen sorgen für steigende Anleihekurse. Doch das lief nicht so richtig gut, denn die Zinsen sanken (bisher) nicht und es fielen eher Verluste für Anleihespekulanten an. Parallel dazu wurden auch immer mehr Gelder in Geldmarktfonds umgeschichtet, doch dieses Geld kehrt nun mit Wucht zurück. Nachdem zuerst Privatanleger wieder Aktien gekauft hatten, haben nun auch viele Profis ihr Geld zurück in den Aktienmarkt gepumpt und dort die Kurse angetrieben. Das lässt sich auch daran erkennen, dass die großen Technologieunternehmen haussieren. Apple ist zurück über der Bewertungsmarke von 3 Billionen USD, Microsoft liegt nur knapp dahinter und markierte soeben ein neues Allzeithoch. Wer auf Cash saß, hat diese Rallye verpasst. 'Opportunitätskosten' nennt man das, also die Kosten entgangener Gewinne. Doch was kommt jetzt, wie geht es weiter?
Die Glaskugel gibt keine Antwort, aber die Statistik zumindest Hinweise: in den USA ist der Dezember der beste Börsenmonat und liefert in drei Vierteln der Jahre positive Resultate ab. Und es spricht auch einiges für eine Fortsetzung der Hausse, denn das Inflationsgespenst hat ausgeflattert, auch wenn es noch länger nicht ganz verschwindet, die Zinsen haben ihren Zenit überschritten und dürften in 2024 tendenziell fallen, die Rezession findet statt, aber bisher mit relativ milden Symptomen. Es besteht also Grund zur Hoffnung auf einen ökonomischen Turnaround und wir alle wissen, dass die Börsen die realwirtschaftliche Entwicklung mindestens 6 Monate vorwegnimmt.
Larry Fink, Gründer und CEO des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock hatte im Frühjahr von der riesigen Gelegenheit im Anleihesektor gesprochen, doch nun verkündete er, er sei so optimistisch für die Zukunft wie lange nicht mehr und empfiehlt Anlegern eine Aktienquote von 100 %. Eine bemerkenswerte Ansicht, die der Selfmade-Milliardär da äußerte und sie passt so gar nicht zur allgemeinen Nachrichten- und Stimmungslage. Noch nicht. Aber wenn sich dies gedreht haben, stehen die Börsen erfahrungsgemäß schon sehr viel höher. Man erinnere sich nur an das Frühjahr 2009, als auf dem Höhepunkt der Globalen Finanzkrise die finstersten Nachrichten und Weltuntergangsszenarien auf uns einprasselten und die Börsen sich schon auf den Weg gemacht hatten zur längsten und stärksten Hausse aller Zeiten.
Im Grunde gibt es nur wenig, was einem die erwartungsfreudige Stimmung vermiesen kann. Und doch… vor einigen Tagen verstarb Charlie Munger, ein brillanter Geist und einer der besten Investoren aller Zeiten. Der 99-jährige prägte Warren Buffetts Investmentstil maßgeblich und führte ihn auf den Pfad des Quality Investing, so dass die beiden Berkshire Hathaway zur weltbesten Compounding-Maschine machten. Charlie Munger war ein großes Vorbild. Sein Witz, seine Weisheit, seine markigen Kommentare werden mir fehlen. Was für ein Verlust…
Alles Gute für euer Geld!
Michael C. Kissig
Disclaimer: Habe Apple, Berkshire Hathaway, BlackRock, Microsoft auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.
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