Im Rahmen meiner Kooperation mit dem 'Aktien Report' von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen und Themen vor. Die Ausgaben des 'Aktien Reports' und/oder 'Geld Anlage Reports' erreichen ihre Leser samstags kostenlos und 'druckfrisch' per Email und man kann sich ▶ hier beim 'Geld Anlage Report' anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.
R.I.P. Charlie Munger – (M)ein Nachruf auf eine Legende
Charles Thomas Munger ist verstorben, der Mann, den alle immer nur Charlie nannten. Er ist am 28. November 2023 friedlich von uns gegangen und hat damit seinen 100sten Geburtstag am 1.1.2024 knapp verpasst. Munger war zeitlebens eine Legende und ein Vorbild. Und natürlich einer der besten Investoren der Welt und er wird immer der Mensch bleiben, der Warren Buffett am meisten geprägt hat.
Legendär sind die Aktionärsversammlungen von Berkshire Hathaway, die Charlie Munger jahrzehntelang an der Seite Warren Buffetts bestritten hat und unvergessen sind seine berühmten Worte: "Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen".
Dabei war es keine Selbstverständlichkeit, dass Munger zum Milliardär wurde und ganze Generationen von Investoren prägte. Der 1924 geborene Charlie stammte aus einer Juristenfamilie, studierte aber erstmal Mathematik und wechselte 1943 zur US Airforce, wo er als Meteorologe ausgebildet wurde. Nach Kriegsende entschied er sich erneut um und schloss schließlich 1948 an der Havard Law School sein Jura-Studium ab – mit magna cum laude. Er gründete dann die Anwaltskanzlei Munger, Tolles & Olson und war viele Jahre lang als Anwalt für Immobilienrecht tätig.
In Mungers Privatleben lief es hingegen nicht immer rund. 1955 verstarb sein ältester Sohn mit 9 Jahren an Leukämie und Munger war zu diesem Zeitpunkt frisch geschieden und pleite, da er die Krankenhausrechnungen seines Sohnes allesamt privat bezahlte und der Rest für die Abfindung seiner Exfrau draufging. Später verlor er infolge einer fehlerhaften Operation ein Auge.
Munger krempelte die Ärmel hoch und stürzte sich in seine Arbeit als Immobilienanwalt und aufgrund seiner großen Sparsamkeit wuchs sein Geldvermögen schnell wieder an und floss dann in Investments. 1956 heiratete er erneut, doch schon 1959 musste Munger auch seinen Vater beerdigen und reiste deshalb zurück in seine Geburtsstadt Omaha in Nebraska. Ein Freund machte ihn dort auf einen interessanten jungen Mann aufmerksam, mit dem sich Munger dann zum Essen traf: Warren Buffett. Beide verstanden sich auf Anhieb und entdeckten den verwandten Geist im anderen.
Buffett war es dann auch, der Munger davon überzeugte, den Anwaltsberuf an den Nagel zu hängen und sich fortan vollständig auf das Investieren zu konzentrieren. Von 1962 bis 1975 leitete Munger die Investmentpartnerschaft Wheeler, Munger & Co, deren Ergebnisse außergewöhnlich waren: sie erzielte eine jährliche Rendite von 19,8 % (vor Gebühren), während der Dow Jones Industrial Average in diesem Zeitraum lediglich 5 % gutmachte.
1975 löste Munger die Partnerschaft auf und engagierte sich ab 1978 bei Berkshire Hathaway, einer strauchelnden Textilfirma, die sich sein Freund Warren Buffett ans Bein gebunden hatte, und deren schwindende Cashflows er zum Aufbau einer Investmentholding nutzte. Es war der Beginn einer atemberaubenden Erfolgsgeschichte, die die Aktien von Berkshire bis auf 550.000 USD ansteigen ließ und damit seit Buffetts Übernahme Mitte der 1960er Jahre eine Rendite von 4.000.000 % (ja, 4 Millionen Prozent!!!) hinlegte. Keine Frage, die A-Aktie von Berkshire ist die teuerste Aktie der Welt und der Wert der Firma beläuft sich auf rund 800 Mrd. USD.
Munger war mehr als Buffetts Vize
Charlie Munger wurde stets als Buffetts kongenialer Sparringspartner bei Berkshire Hathaway wahrgenommen, aber er war noch viel mehr.
So leitete Munger die Wesco Financial Corporation, eine Tochter von Berkshire Hathaway. Dort hatten Buffett und Munger sich unabhängig voneinander eingekauft und ihre Aktien schließlich in Berkshire zusammengefasst. In den folgenden drei Jahrzehnten benutzte Munger Wesco als Investmentvehikel nach dem Vorbild von Berkshire und zwar bis zur endgültigen Übernahme durch das Mutterunternehmen im Jahre 2011. Bis hierhin ließ die den S&P 500 deutlich hinter sich, so wie Berkshire selbst auch.
Des Weiteren kaufte sich Munger im Laufe der Jahre privat in einen Zeitungsverlag ein, die The Daily Journal Corp, deren Kapital er ebenfalls in Aktien investierte und den Verlag und die Zeitung so am Leben erhielt. Zudem kaufte er sich in das Großhandelsunternehmen Costco Wholesale ein und übernahm dort jeweils Führungspositionen, die er bis 2013 innehatte.
Munger - Der Generalist
Munger liebte das Lesen und verbrachte täglich viele Stunden damit. Er beschränkte sich nicht alleine auf Finanz- und Wirtschaftsthemen, sondern las einfach alles querbeet. Er sortierte die vielen Informationen in Denkmodellen ("Mental Methods") und empfahl jedem diesen Weg. Von Spezialisten hielt er wenig, weil er sie für beschränkt hielt.
"Denke über den Tellerrand hinaus. Hast du nur einen Hammer, sieht jedes Problem mehr oder weniger wie ein Nagel aus."(Charlie Munger)
Sicherlich kam ihm seine schnelle Auffassungsgabe zugute und seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte treffsicher auf den Punkt zu bringen. Auf Fragen reagierte er bisweilen erstmal nicht, doch nach einer Denkpause formulierte er dann druckreife und klare Aussagen.
Vom Value Investing zum Quality Investing
Sowohl Charlie Munger als auch Warren Buffett begründeten ihre frühen Investmenterfolge auf Benjamin Grahams Lehren, dem Urvater des Value Investing. Dessen berühmter "Zigarrenstummelansatz" hatte sich bewährt und beide agierten mit einer hohen Sicherheitsmarge. Doch die Lehren Philip A. Fishers brachten Munger auf eine andere Spur: er setzte frühzeitig auf qualitativ hochwertige Unternehmen und wandte sich von den vermeintlichen Superschnäppchen ab. Und auch Buffett brachte er mit der Zeit auf diesen Weg, der später freimütig bekannte, Charlie habe die Vorteile sofort verstanden, während er, Buffett, viel langsamer dahintergekommen sei.
Im Grunde geht es darum, Unternehmen mit Preissetzungsmacht zu kaufen, mit einem ökonomischen Burggraben und möglichst nicht allzu viel für sie auszugeben. Diese Unternehmen sind über viele Jahre hinweg erfolgreich und steigern Umsatz, Margen und Gewinn und überstehen auch konjunkturelle Abschwünge und Krisen.
"Die Kunst des Investierens in Aktiengesellschaften ist... einfach, zu einem vernünftigen Preis ein Unternehmen mit hervorragender Wirtschaftlichkeit und einem fähigen, ehrlichen Management zu erwerben. Danach braucht man nur noch zu kontrollieren, ob diese Eigenschaften bewahrt werden. (…) Wir versuchen, Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen zu einem günstigen oder zumindest fairen Preis zu kaufen."(Charlie Munger)
Anstatt Aktien von Unternehmen möglichst billig zu kaufen und darauf zu hoffen, dass der Markt irgendwann den wahren Wert entdecken wird und man die Aktien dann mit Gewinn verkaufen kann, setzte Munger auf die beinahe sichere Steigerung des Unternehmenswertes in der Zukunft und dafür bezahlte er gerne einen höheren Preis, Charlie Munger war ein überzeugter Quality Investor.
(Charlie Munger)
Qualitätsaktien günstig zu kaufen bedeutete für Munger, Geld anzusammeln und auf den richtigen Zeitpunkt zu warten, um zuzuschlagen. Auch wenn dies Jahre des Abwartens bedeutete. Doch wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, oft während Finanzkrisen und/oder eines Börsencrashs, dann setzte er hohe Summen ein.
(Charlie Munger)
Doch Munger stellte sich auch gegen die allgemeingültigen Lehren, wenn sie sich als fehlerhaft erwiesen hatten. So hatte er für die oft empfohlene breite Diversifikation nicht viel übrig, sondern hielt sie stets für einen Garanten mittelmäßiger Ergebnisse. Er war stattdessen ein strikter Anhänger des "Focus Investing" und setzte nur auf einige wenige Unternehmen, bei denen er einen wirklichen Vorteil auf seiner Seite sah. Ob dies nun der Kaufpreis war oder das Verständnis für das Geschäftsmodell oder was auch immer.
"Die Idee exzessiver Diversifikation ist verrückt. Wir glauben nicht, dass starke Risikostreuung zu guten Resultaten führt, sondern dass fast alle guten Anlagen einen relativ niedrigen Grad an Diversifikation erfordern. Wenn man von unseren besten 15 Entscheidungen absieht, haben wir eine relativ durchschnittliche Historie. Wir haben Hyperaktivität vermieden und stattdessen viel Geduld bewiesen. Man muss gemäß seiner Prinzipien handeln und wenn sich gute Möglichkeiten auftun, diese mit aller Energie verfolgen. (…) Man schließt besser einige wenige große Wetten ab und lehnt sich dann zurück und wartet ab. Mathematisch betrachtet bringt Nichtstun hier viele Vorteile. Wenn du ein paar großartige Firmen gekauft hast, dann kannst du getrost auf deinem Hintern sitzen bleiben."(Charlie Munger)
Geduld und Gleichmut waren Charlies Grundwerte, und ohne diese sah er wenig Chancen für Aktienanleger, dauerhaft erfolgreich zu sein oder gar den Markt zu schlagen. Er war ein strenger Verfechter von "Buy & Hold" und dachte lieber lange Zeit nach, bevor er handelte, als dass er ständig aktiv seine Positionen umschichtete.
"Es liegt in der Natur der Sache, dass die Aktienmärkte von Zeit zu Zeit stark fallen. Es gibt kein System, um schlechte Märkte zu vermeiden. Das kann man nur, wenn man versucht, den Markt zu timen, was eine wirklich dumme Sache ist."(Charlie Munger)
Markttiming sah Munger als Garant für Verluste an und hielt an seinen Unternehmen auch in Baissen fest. Er missverstand Buy & Hold aber nie als Buy & Forget, sondern prüfte stets, ob seine ursprünglichen Erfolgskriterien vom Unternehmen noch erfüllt wurden. Und nur wenn dies nicht mehr zutraf, verkaufte er die entsprechenden Aktien, unabhängig von ihrem aktuellen Kurs.
Mein Fazit
Diese Grundprinzipien haben Charlie Munger zu einem der besten Investoren aller Zeiten gemacht und zum Mentor einer Börsenlegende wie Warren Buffett. Mungers Erfolgsprinzipien sind so simpel, dass jeder sie befolgen kann. Oder könnte, denn die meisten Anleger gehen einen anderen Weg. Denn wenn es zu einfach aussieht, kann es ja nicht gut (genug) sein. Und vor allem geht es vermeintlich nicht schnell genug.
"Wir wissen nicht, wie wir schnell reich werden können, aber wir wissen, wie es langsam geht."(Charlie Munger)
Charlie Mungers Tod ist ein großer Verlust für die Börse, die Gesellschaft und für mich persönlich. Ich habe ihn nie live getroffen und doch verfolge ich sein Wirken schon seit vielen Jahren. Mungers Lehren und seine vielen Weisheiten haben mich geprägt, meinen Charakter geformt und meinen Investmentstil über die Jahre geprägt.
Durch ihn habe ich mich vom Markttiming abgewendet, von der Idee, schnell reich werden zu wollen, ich nehme dank Charlie Munger Aktien nicht mehr als Wettscheine auf steigende Kurse wahr, sondern als Anteile an Unternehmen – und ich bewerte diese Unternehmen, um die besten herauszupicken, während mir der Kursverlauf zunehmend gleichgültig wird. Zudem fokussiere ich mich immer stärker auf einige wenige herausragende Unternehmen, die ich mit immer größerer Sorgfalt auswähle.
Charlie wird mir fehlen, nicht nur seine frotzeligen Kommentare, seine bisweilen rüpelhaften Rempler, die er gegen Trader, Kryptowährungen oder Hasardeure aus Wirtschaft und Politik abließ, sondern vor allem das Gefühl, dass er immer da ist und ich mich an ihm und seiner ruhigen gelassenen Art aufrichten kann. Das hat mir durch die Globale Finanzkrise geholfen, durch den schweren Börsenherbst 2018, den Corona-Crash Anfang 2020 und auch durch das Börsenseuchenjahr 2022 mit dem neuen alten Inflationsgespenst.
Und erst durch Charlie Munger bin ich auf Costco Wholesale aufmerksam geworden, das wohl genialste Unternehmen auf unserem Planeten. Langweilig, beständig, dauererfolgreich. Und ein echter Renditebringer. Neben Berkshire Hathaway für mich ein Must-have in jedem Investmentdepot, das den Anspruch hat, langfristig überdurchschnittliche Renditen einzufahren.
Ruhe in Frieden, Charlie. Ich werde Dich nie vergessen…
Euer Börsenbarde
Michael C. Kissig
Disclaimer: Habe Berkshire Hathaway, Costco auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot.
Meine Lese-Tipps
▶ "Charlie Munger: Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen" von Tren Griffin
▶ "Das Tao des Charlie Munger" von David Clark
Danke für den Nachruf, hatte ich gar nicht mitbekommen. Eine Legende ist von uns gegangen.
AntwortenLöschenIch bedanke mich sehr für Deinen inhaltstarken, informativen und wertschätzenden Artikel zum Leben und Wirken von Charlie Munger - ein wirklich Großer!
AntwortenLöschenGanz toll geschrieben. Er wird sehr fehlen.
AntwortenLöschen