Die Inflation hatte sich in den USA bereits der 2-Prozentschwelle angenähert, aber dann zog sie wieder an. Mit knapp 3 % ist sie zwar noch weit von ihrem vorherigen Höchststand entfernt, aber ihr Ansteigen löst neue Ängste aus, insbesondere vor einer zu harten Reaktion der US-Notenbank. Deren Chef Jerome Powell hat sich jüngst geäußert und die Inflationsbekämpfung weiter als oberstes Ziel herausgestellt. Dabei machte er jedoch auch deutlich, dass die FED die Entwicklung anderer Faktoren, wie die Wirtschaftsleistung, die Arbeitsmarktdaten und die Entwicklung der Mieten wieder stärker berücksichtigt, um die Gratwanderung zwischen Inflationseindämmung und Abwürgen der Wirtschaft bestmöglich hinzubekommen. Wie herausfordernd dies ist, benannte Powell ungewohnt deutlich:
"Wir navigieren nach den Sternen - bei bewölktem Himmel."(Jerome Powell, August 2023)
Das Muster der Inflationsentwicklung ist schon lange bekannt: nach einer ersten Welle kommt es zur Beruhigung, dann folgt eine zweite Welle und schließlich eine kleine dritte. Die erste und höchste haben wir hinter uns gebracht, die zweite nimmt gerade Fahrt auf. Während die erste Welle aus den starken Preiserhöhungen herrührt, ist die zweite der Konsequenz daraus geschuldet: den Lohnsteigerungen. Denn die gestiegenen Preise belasten die Verbraucher, die mit Verzögerung dann höhere Löhne bekommen. Für die Unternehmen ist das ein zweischneidiges Schwert. Sie haben unter den hohen Einkaufspreisen gelitten und zumeist wenig an ihren Preiserhöhungen verdient. Und nun müssen die deutlich höhere Löhne bezahlen, so dass ihre Gewinne schrumpfen. Alle Faktoren bremsen die Wirtschaftsleistung, die auch noch mit höheren Zinsen und damit Kosten für Unternehmen und Bürger einhergeht. Also setzen die Unternehmen den Rotstift an und entlassen dabei auch Personal. Die höheren Löhne kommen also nicht allen zugute. Andererseits bilden die schlankeren und effizienteren Unternehmen die Basis für den nächsten Aufschwung.
Die Börse nimmt die Entwicklung viele Monate vorweg. Die zweite Inflationswelle könnte also schon eingepreist sein und beim Blick auf die Importpreise sehen wir dies- und jenseits des Atlantik deutliche Rückgänge, was sich in einigen Monaten bremsend in den Kosten der Unternehmen und dann in den Verbraucherpreisen wiederfinden wird. Andererseits wirkt sich die Notenbankpolitik zunehmend in allen Bereichen negativ aus, selbst wenn keine weiteren Zinserhöhungen mehr folgen. In den USA hält sich die Wirtschaft recht gut, auch dank Bidens Staats-Investitionsrekorden, während in Europa und Deutschland die Talfahrt weiter Geschwindigkeit aufnimmt. Es stellt sich die Frage, ob die Notenbank es nicht schon übertrieben und die Wirtschaft nachhaltig abgewürgt hat.
Eine schwierige Lage, aber (noch) nicht ganz hoffnungslos und mein Rat bleibt derselbe: Anleger sollten auf Qualitätsunternehmen setzen mit Preissetzungsmacht, die gestiegene Kosten an ihre Kunden weitergeben können, ohne dass die Nachfrage damit einbricht.
"Je höher die Bruttomargen eines Unternehmens sind, desto besser ist es gegen Inflation geschützt. Steigende Kosten für verkaufte Güter schaden Unternehmen mit hohen Gewinnspannen nicht so sehr wie Unternehmen mit niedrigen Gewinnspannen. Und wenn ein Unternehmen hohe, konstante Bruttomargen hat, ist dies ein guter Hinweis darauf, dass es auch über einen breiten ökonomischen Burggraben verfügt."
Dieser Moat, der ökonomische Burggraben, zahlt sich in herausfordernden Zeiten doppelt und dreifach aus und sollte daher immer ganz oben auf der (Aktien-) Einkaufsliste stehen. Ein laaaaangweiliger Ratschlag, ich weiß, aber auf lange Sicht erzielt man so die besten Renditen - und die entspanntesten...
Alles Gute für euer Geld!
Michael C. Kissig
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