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Aktien Report Nr. 146 vom 01.09.2023
Wind of Change: Banken galten als Opfer der FinTechs. Und jetzt?
Bisher war die Lesart eindeutig: Die aufstrebenden FinTechs und Neobanken machen den etablierten Banken das Leben schwer und jagen ihnen vor allem mit auf die jungen Kunden ausgerichteten innovativen Angeboten zunehmend Marktanteile ab. Vor allem im Online- und Mobil-Nachfrageschub im Zuge der Corona-Pandemie verstärkte sich dieser Trend noch. Es standen aufgrund des ultrabilligen und in rauen Mengen verfügbaren Notenbankgeldes ausreichend Mittel zur Verfügung, jeder auch noch so waghalsigen Geschäftsidee ordentlich Antrieb zu verschaffen.
Doch das ist längst vorbei, seitdem die Notenbanken Mitte 2022 zur Inflationsbekämpfung einen 'hawkischen' Kurs einschlugen mit starken Zinsanhebungen und Liquiditätsentzug. Geld kostet wieder eine Risikoprämie (aka Zinsen) und geldverbrennende Geschäftsmodelle kollabierten reihenweise ohne neue Mittelzuflüsse.
"Kredit ist wie Sauerstoff. Ist er vorhanden, bleibt seine Anwesenheit unbemerkt. Fehlt er, ist das alles, was bemerkt wird. Schon eine kurze Phase ohne Kredit kann ein Unternehmen in die Knie zwingen."
Aber nicht alle FinTechs darben, nicht alle etablierten Banken stehen mit dem Rücken zur Wand und die Fronten in diesem mehrdimensionalen Wettringen verschieben sich beinahe täglich. Viele etablierte Finanzwerte notieren am Allzeithoch, während die Kurse der vormals angesagten FinTechs abgestürzt sind. Zeit, sich die Spieler und das Spielfeld mal anzusehen…
Mastercard und VISA sind (nicht nur) Buffetts Lieblinge
Warren Buffett ist bei Mastercard und VISA investiert. Beide Unternehmen sind schon mehr als 50 Jahre am Markt und aus Kooperationen verschiedener US-Banken hervorgegangen, die Kreditkarten ausgaben. Im späteren Verlauf öffnete man sich immer weiter anderen Banken und heute treten beide als Partner fast aller Banken auf und das weltweit. Die Banken geben Kreditkarten mit dem Logo von VISA oder Mastercard heraus, die Kreditverpflichtungen gehen dabei allerdings die Banken ein. Mastercard und VISA wickeln nur die Zahlungen ab und erhalten hierfür von den Banken einen Teil der Jahresgebühr und von den Zahlungsstellen eine Umsatzprovision. Diese Zahlungsstellen sind die POS, die Points-of-Sale, also der Laden um die Ecke, der Supermarkt oder wo auch immer der Kunde einkauft.
Über die letzten Jahre sind VISA und die kleinere Mastercard schier unaufhaltsam gewachsen, denn immer mehr Menschen bezahlen ohne Bargeld, immer mehr Geschäfte akzeptieren bargeldloses Bezahlen und insbesondere der Onlinehandel greift immer mehr Anteile am weltweiten Handel ab – das Bezahlen erfolgt hier natürlich bargeldlos und sehr häufig über Kreditkarten. Zusammen haben die beiden Unternehmen inzwischen rund 7,5 Mrd. Kreditkarten ausgegeben und die Anzahl aller Kreditkarten soll bis 2025 weltweit auf über 30 Mrd. ansteigen. 2022 wurden über die Zahlungsnetzwerke der vier großen VISA, Mastercard, American Express und Diners Club rund 130 Mrd. Kreditkarten-Transaktionen abgewickelt. Ein gigantischer und weiter wachsender Markt.
"Kein Wort ist herausragend genug, die operativen Gewinnspannen oder die Kapitalrendite (von Mastercard oder VISA) beschreiben zu können."
In den letzten Jahren gab es vor allem dank neuer Technologien eine Reihe von Herausforderern. Es wird häufiger mobil bezahlt und Apple und Google haben eigene Pay-Systeme samt Wallets eingeführt. Block (früher Square) bietet kleinen Händlern seine Payment-Hardwarelösung an, PayPal setzt auf QR-Code-Scans. Doch Mastercard und VISA bleiben selten außen vor, denn die Bezahlvorgänge sind in eine Reihe von Einzelschritten unterteilt, die oft von unterschiedlichen Dienstleistern wahrgenommen werden. An allen wird mitverdient und zumeist üppig. Weswegen die Wettbewerbsbehörden immer häufiger gegen die hohen Provisionen und Gebühren vorgehen und teilweise saftige Strafen verhängen. Das beschneidet die Margen, aber das wachsende Zahlungsvolumen gleicht das wieder aus.
Die beiden Zahlungsnetzwerkspezialisten Mastercard und VISA haben soeben wieder neue Allzeithochs markiert und ein Ende der Klettertour ist nicht abzusehen.
Doch während die Aktien in Buffetts Portfolio bei Berkshire Hathaway eher überschaubare Größen aufweisen, sind sie bei Value Investor Chuck Akre prägend: Mastercard liegt mit fast 20 % Gewichtung an der Spitze, VISA mit knapp 10 % auf dem vierten Rang. Buffett setzt viel stärker auf Wettbewerber American Express, an dem er etwas mehr als ein Fünftel aller Anteile hält und die hinter Apple und Bank of America seine drittgrößte Position darstellt.
Neben der reinen Zahlungsfunktion können Kreditkarten bei den Nutzern vor allem mit ihren Loyalty-Programmen punkten. Und die hängen weniger davon ab, ob es sich um eine VISA oder Mastercard handelt, sondern um den herausgebenden Partner. Ob dies nun Lufthansa ist oder der ADAC oder Amazon, die auf VISA setzen oder Goldman Sachs, die im Hintergrund bei der Apple-Kreditkarte werkeln. Über Kickback-Programme, vergünstigte Einkaufsmöglichkeiten oder Boni wollen die Herausgeber Kunden zum Kaufen verleiten und so an ihren Daten verdienen. Doch hinter den Kulissen wird um jeden Cent gerungen.
So wird Amazon seine VISA-Karte in Deutschland einstampfen, weil man keinen Partner mehr gefunden hat, der das zu den gewünschten Konditionen hinkriegt. Die LBB ist aus dem Geschäftsfeld komplett ausgestiegen, was auch der ADAC zu spüren bekam. Andere Anbieter waren wohl nicht bereit, die harten Amazon-Bedingungen zu akzeptieren.
Und Goldmans Sachs will aus seinem Vertrag mit Apple raus. Goldman Sachs ist die letzte verbliebene reinrassige Investmentbank an der Wall Street. Bear Stearns musste sich im Zuge der Globalen Finanzkrise in die Arme von JPMorgan Chase retten, Morgan Stanley brauchte eine milliardenschwere Finanzspritze der japanischen Mitsubishi Financial Group und kooperiert seitdem mit der Citigroup, während Merrill Lynch von der Bank of America übernommen wurde. Und Lehman Brothers… fand seinen ganz eigenen Eintrag in die Geschichtsbücher. Seitdem wird bei Katastrophen gern vom 'Lehman-Moment' gesprochen. R.I.P.
Alternative Zahlungsnetzwerke
Zu den alternativen Zahlungsnetzwerken, die sich in den letzten Jahren etabliert haben, zählt die niederländische Adyen. Bekannt wurde das Unternehmen den meisten Menschen, als der Onlinehandelsplatz Ebay seine vorherige Tochter PayPal und bisherigen Zahlungsabwickler gegen Adyen austauschte. PayPal hat die Selbständigkeit von Ebay sehr gut getan, der Verlust der Zahlungsumsätze belastete die Geschäftszahlen aber mehrere Jahre lang.
Adyen hat ein Zahlungsnetzwerk und ansonsten... nicht viel zu bieten. Daher ist man leicht(er) ersetzbar und gerät zunehmend unter Wettbewerbs- und Kostendruck durch die zunehmende Konkurrenz. In den USA verliert man bereits Marktanteile, nicht nur, weil Ebay sich wohl nach günstigeren Alternativen umsieht, sondern auch weil die inzwischen zum PayPal-Konzern gehörende Braintree immer stärker punkten kann.
Wie hart dieser Wettbewerb ist, zeigte ausgerechnet ein deutsches Negativbeispiel: Wirecard hat in diesem Bereich nie Geld verdient und deshalb ziemlich frühzeitig auf Porno und Glücksspiel gesetzt, weil die Anbieter hier üppige Margen akzeptierten, um überhaupt Zahlungen ihrer Online-Kunden vereinnahmen zu können. Die Behörden standen von Anfang im kritischen Austausch mit Wirecard und verhängten des Öfteren Strafen. Später setzte Wircard dann lieber auf gefakte Umsätze und schaffte es so bis in den deutschen Leitindex DAX. Aber das ist eine andere Geschichte…
Kommen wir lieber zurück zu PayPal. Die haben rund 450 Mio. Kunden, also Leute mit einem aktiv genutzten Account. Das ist ein Asset, das man monetarisieren kann. Kritisch kommt zuletzt an, dass PayPal kaum noch wächst. Die Kunden- bzw. Kontenzahlen stagnieren und sind sogar leicht rückläufig. Andererseits legt das Zahlungsvolumen weiter zu, wenngleich weniger rasant als früher. Und je Kunde bleibt mehr hängen. Die aktiven Kunden kaufen häufiger ein und für größere Summen. Die Profitabilität von PayPal gewinnt an Kraft. Aus dem Wachstumsunternehmen wurde ein Value-Investment. Dem Aktienkurs hat das bisher nicht auf die Sprünge geholfen, aber das sollte sich irgendwann ändern.
Manche Leute meinen, PayPal wäre überflüssig. Weil man inzwischen in den meisten Online-Shops seine Kreditkartendaten hinterlegen und damit bezahlen kann. Ganz ehrlich? Beinahe jeden zweiten Tag ist von einer erfolgreichen Cyberattacke zu lesen, wo Kunden- und Kreditkartendaten abgegriffen worden sind. Durch Work-from-Home ist das Risiko für Netzwerke durch Cyberangriffe exponentiell hochgeschnellt. Und – einfach gedacht – es reicht ein einziger Datenabgriff aus in nur einem der vielen Online-Shops, um an die Daten heranzukommen.
Ich selbst nutze (auch deshalb) PayPal, weil ich gerade nicht in jedem Onlineshop meine Kreditkartendaten hinterlegen will. Bei PayPal wiederum habe ich meine Kreditkarte als Standardzahlungsoption hinterlegt und wenn es mal zum Problem kommt, habe ich gleich zwei Ansprechpartner (PayPal und VISA), von denen ich mir mein Geld zurückholen kann. Hosenträger und Gürtel! So funktioniert doppelte Sicherheit.
Apple Pay und Google Pay
Apple Pay ist eine Herausforderung für alle. Doch Tim Apple (sic!) sagt selbst, das iPhone werde es in 10 Jahren nicht mehr geben: Tablets und Watch werden es ersetzen. Oder eine Datenbrille oder was weiß ich. Jedenfalls kann/muss man bei Apple auch Zahlungsdaten hinterlegen, also eine Kreditkarte oder ein anderes Konto. Apple setzt auf Partner. Immer. Aber nur solange, bis man es selbst besser kann oder glaubt, hier dauerhaft viel Geld verdienen zu können. Amazon denkt hier ähnlich.
"Deine Marge ist meine Chance."(Jeff Bezos, Amazon-Gründer)
Bisher macht Apple keine Anstalten, ein eigenes Zahlungsnetzwerk aufzubauen. Aber die üppigen Margen von Mastercard und VISA dürften schon reichlich verlockend sein. Die Alternative dazu deren Margen direkt abgreifen zu wollen, sind unverschämt gute Konditionen von einem anderen Partner. Was uns zurück zu Goldmans Sachs bringt. Die Investmentbank verdient fett am Investmentbanking, aber diese Erträge schwanken stärker, weil sie von der Börsenlaune abhängen. Also wollte Goldman sein Business ‚verstetigen‘ und schuft eine virtuelle Konsumentenbank und benannte sie nach Firmengründer Marcus Goldman: Marcus. Doch fünf Jahre später zog man die Reißleine. Außer Milliardenverlusten hat man nicht viel vorzuweisen. Und ein Relikt aus dieser (kurzen) Ära ist die Kreditkarten-Kooperation mit Apple und Mastercard. Für die Apple-Kreditkarte überweist Goldman viel Geld an den iPhone-Konzern und Mastercard verdient an den Provisionen. Für Goldman Sachs bleiben die Kredite, die aktuell um die 20 % pro Jahr an Zinsen einspielen. Und genau diese Kreditgenerierung war Goldmans Zielsetzung, nur inzwischen will man davon nichts mehr wissen. Und Geld verdient hat man damit unterm Strich auch nicht. Dummerweise hat man vor gar nicht langer Zeit die Kooperation mit Apple um 5 Jahre verlängert und findet nun, wo man unbedingt aus dem Deal raus will, natürlich niemanden, der zu ähnlichen unvernünftigen und unrentablen Konditionen einzusteigen bereit ist. Also wird Goldman Sachs in den nächsten Jahren weiter viel Geld verbrennen. Und dabei soll es um einen Milliardenbetrag gehen, also nicht gerade 'Peanuts'.
Und dann noch Asien, Afrika, Lateinamerika…
Aber das Gesagte gilt weitgehend nur für die Industriestaaten bzw. die entwickelten Staaten, wie sie heute genannt werden. In Afrika, Asien, Südamerika haben die Menschen zumeist weder Bankkonto noch Kreditkarte. Aber auch hier ist das Bargeld kräftig auf dem Rückzug, der 'War on Cash' tobt auch hier. Allerdings werden ein oder gleich zwei Entwicklungsstufen übersprungen und das Smartphone wurde zur Bank. Die Menschen werden sofort von Apps eingefangen, wie das Wachstum von PagSeguro, StoneCo, Nu Holdings und MercadoPago, dem Finanzarm von MercadoLibre, zeigt. In Afrika kann Opera punkten (ja, genau, der norwegische Browser-Hersteller), in Asien AliPay oder die Payment-Tochter von Sea Limited. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die auch in die Industriestaaten vordringen. Allerdings… setzt auch Meta Platforms darauf, seine weltweit 3 Mrd. MAU (Monthly Active User) stärker zu monetarisieren und führt in seine Dienste (Facebook, Instagram, WhatsApp) zunehmend Bezahlfunktionen ein. In Indien und Brasilien ist man bereits am Start (mit Partner Mastercard) und wird auch schnell in Nordamerika und Europa punkten.
Mein Fazit
Ich habe keine Ahnung, wie es in diesem Bereich weitergeht. Alles ist im Fluss und die Halbwertszeit von Einschätzungen sinkt beinahe täglich. Die Favoriten von heute sind die Opfer von morgen, während Totgesagte sich wieder aus der Asche erheben. Das hat nicht nur mit dem immer schnelleren technologischen Fortschritt zu tun, sondern auch mit der immer geringeren Loyalität der Kunden gegenüber ihrer Bank. Früher hatte man eine 'Hausbank', das Girokonto führte man dort über Jahrzehnte. Als ich zuletzt (online) in den Duden geschaut habe, fand sich der Begriff Hausbank dort noch. Aber das war eher eine Überraschung.
Doch es gibt auch einige Gewissheiten, die Bestand haben: Wer, wie PayPal, Apple, Amazon, die Kunden(konten) hat, ist klar im Vorteil. Aber man muss auch was draus machen und zwar jetzt/sofort, sonst wird man vom Leader zum Auslaufmodell wie einst MySpace, Yahoo, Ebay. Und wer sich unverzichtbar macht, verdient am meisten. Dazu gehören, allen Unkenrufen zum Trotz, auch noch immer Mastercard und VISA. Als einzige Aktie aus dieser Runde notiert nur PayPal 80 % unter ihrem Höchststand. PayPal hält eine Reihe von Trümpfen in der Hand und wenn es gelingt, diese schlau auszuspielen, könnte PayPal bald wieder zu den Gewinnern gehören. Aber Vorsicht: man kann auch mit einem guten Blatt das Spiel verlieren, wenn man sich rausbluffen lässt oder seine Karten einfach zu blöd ausspielt…
Wer das nicht glaubt, kann sich am Wochenende ja mal den 1965er Filmklassiker 'Cincinnati Kid' mit Steve McQueen und Edward G. Robinson in den Hauptrollen ansehen. Da kann man einiges lernen über Pokern, Psychologie, Gewinnen und Verlieren. Im Grunde ist das nicht weit weg vom Börsengeschehen…
Disclaimer: Habe Alphabet, Amazon, Apple, Berkshire Hathaway, Mastercard, MercadoLibre, Nu Holdings, PayPal, Sea Ltd, StoneCo auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.
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