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Donnerstag, 28. September 2023

Kissigs Aktien Report: Mit deutschen Nebenwerten ist einfach kein Geld mehr zu verdienen. Naja, bei Mutares und Nynomic läuft’s…

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem 'Aktien Report' von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen und Themen vor. Die Ausgaben des 'Aktien Reports' und/oder 'Geld Anlage Reports' erreichen ihre Leser samstags kostenlos und 'druckfrisch' per Email und man kann sich ▶ hier beim 'Geld Anlage Report' anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 148 vom 22.09.2023

Mit deutschen Nebenwerten ist einfach kein Geld mehr zu verdienen. Naja, bei Mutares und Nynomic läuft’s…

Die EZB hat soeben die Leitzinsen weiter erhöht und die US-Notenbank hat bei der Zinseinschätzung das Motto 'higher for longer' ausgegeben. Mit anderen Worten: die Inflation ist hartnäckiger als gedacht und die Bremsspuren in der Wirtschaft reichen den Notenbanken noch nicht aus. Dabei steht die FED noch ganz gut da, denn die US-Wirtschaft zeigt sich relativ robust, der Arbeitsmarkt kollabiert nicht, die Gewinne der US-Firmen ebenso wenig.

In Europa und vor allem in Deutschland sieht die Lage trüber aus. Wirtschaftswachstum sucht man hier vergebens, es ist mittlerweile Rezession angesagt. Neben hohen Tarifabschlüssen fordern auch die wiedererstarkten Energiepreise ihren Tribut und ziehen eine Blutspur der Verwüstung durch die Gewinn- und Verlustrechnungen der Unternehmen. Viele Firmen entlassen Leute, während der zunehmende Fachkräftemangel einiges hiervon kompensiert. Aber das ist kein Zeichen vor Stärke, denn überall werden dieselben Qualifikationen gesucht, während Menschen mit geringem oder gar keinem Schulabschluss kaum noch Arbeit finden.

Nach der Automobilbranche als zweitgewichtigster Wirtschaftssektor Deutschlands steht inzwischen auch die Chemiebranche mit dem Rücken zur Wand. Und die ist der – noch – größte Wirtschaftszweig in Deutschland. Doch BASF und Co. fahren die Produktion hierzulande runter, auch dank doppelt so hoher Energiepreise wie andernorts, und verlagern ihre Produktion ins Ausland. Das hat Folgen, auch für viele Zulieferer und Produzenten von Vorprodukten. Eine Reihe von denen finden sich auf deutschen Börsenkurszetteln und man kann in diese Firmen investieren. Aber sollte man auch?

Nebenwerte haben über Jahrzehnte bessere Renditen abgeworfen als Standardwerte, aber seit der Finanzkrise hat sich das Verhältnis umgekehrt. Das liegt allerdings vor allem an der starken Entwicklung der großen US-Technologiewerte, die alles und jeden in Grund und Boden performt haben. Doch gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stehen die Aktien von Nebenwerten besonders unter Druck, denn die Anleger bekommen hier die größten Zweifel. Wenn es kriselt, verlieren sie das Gefühl der Sicherheit und je mehr Informationen sie bekommen, desto eher behalten sie Vertrauen. Analysten und Presse stürzen sich vor allem auf die großen Unternehmen und so fühlt man sich hier ständig gut informiert und Herr der Lage über seine Investmententscheidungen. Aber bei Nebenwerten? Da fließen die Informationen spärlich(er), nicht alle veröffentlichen Quartalsergebnisse und wenn, dann findet sich selten jemand, der diese kommentiert und einordnet. Also muss der Anleger selbst die Geschäftsberichte und Quartalsmitteilungen lesen und seine eigenen Schlüsse ziehen. Aber das ist nicht jedermanns Sache und so trifft so mancher Anleger die Entscheidung, sich lieber aus diesen vermeintlich unsicheren Unternehmen zu verabschieden. Und seine Verkaufsbereitschaft trifft auf einen ohnehin eher ausgetrockneten Markt mit entsprechend geringer Kaufnachfrage und ausgeweiteten Spreads zwischen An- und Verkaufskurs. Und so können schon mittelgroße Orders zweistellige Kurseinbrüche auslösen, die bei anderen Anlegern wiederum Panik auslösen, weil hier vermeintlich irgendeine Bombe hochgegangen ist – sonst würde der Kurs ja nicht fallen.
"Denke über die Geschäftsentwicklung des Unternehmens nach und nicht über die täglichen Schwankungen des Aktienkurses, denn diese enthalten keinerlei Informationen."
(Jeff Bezos, Amazon-Gründer)
Dabei sagt einem die Kursentwicklung überhaupt nichts über die Geschäftsentwicklung und Anleger werden nie die Gründe erfahren, warum andere Anleger die Aktien gekauft oder verkauft haben. Aber sie denken stets, die anderen wüssten mehr und besser Bescheid. Doch das ist selten der Fall. Fast immer ist die Kursentwicklung selbst die einzige Nachricht. Und das bietet gerade bei Nebenwerten nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Weil Anleger oft die richtig guten Entwicklungen in den Unternehmen übersehen, solange sie nicht von der Kursentwicklung mit der Nase drauf gestoßen werden.

Schauen wir uns also mal zwei deutsche Nebenwerte an, die interessante Wachstumsfelder besetzen und besonders stark positioniert sind: Nynomic und Mutares.

Nynomic

Nynomic ist ein führender Komplettanbieter im Bereich der berührungslosen optischen Messtechnik. Das Unternehmen betreut als Systemanbieter entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der einzelnen Komponente bis zum ganzheitlichen Gerät eine Vielzahl von Erstausrüstern (Original Equipment Manufacturer) in verschiedenen Endmärkten. Dank der erfolgreich umgesetzten Buy-and-Build-Strategie in den vergangenen Jahren ist Nynomic mit seinem diversifizierten Produktportfolio dabei in der Lage, zahlreiche Anwendungsfelder sowohl im B2B- als auch im aufstrebenden B2C-Bereich, wie etwa rund um die Megatrends 'Smart Home' und 'Intelligent Farming', zu bedienen, aber auch von der Cannabis-Legalisierung profitiert man kräftig. So kommt die Messtechnik unter anderem in der Medizintechnik, Chemischen Industrie, Pharmazie, Landwirtschaft, Umwelttechnik, der Halbleiterindustrie bis hin zu breitgefächerten Applikationsfeldern im gesamten Industriesektor zum Einsatz.

Der auf Miniaturisierung gründende Technologiewandel ist dabei die Ursache für das im Marktvergleich mittelfristig überdurchschnittliche Wachstum. Des Weiteren konzentriert sich die Gesellschaft zunehmend auf konjunkturrobuste unabhängige Märkte und agiert als Komplettanbieter in den Segmenten Life Science (23 % Umsatzanteil), Green Tech (16 %) und Clean Tech (61 %).

Dabei verfolgt Nynomic ein klares Vermarktungskonzept als Systemanbieter und ist mit eigenständigen Marken und Tochtergesellschaften global aufgestellt. Im Rahmen seiner Buy-and-Build Strategie plant Nynomic überproportionales Wachstum und zunehmende Synergie-Effekte zur Steigerung der Profitabilität im Konzern. Vor einigen Monaten hat man eine Kapitalerhöhung durchgeführt, um demnächst bei dem einen oder anderen attraktiven Zielunternehmen zuschlagen zu können.

Eigene Technologieplattform

Sämtliche Produktlösungen des Nynomic-Konzerns bauen auf einer Technologieplattform der spektralen Sensorik auf. Diese Messtechnik ermöglicht eine zerstörungs- und berührungslose Analyse von Produkteigenschaften, da die von einem Objekt reflektierte Wellenlänge gemessen wird. Anhand einer angekoppelten Datenbank können diese Werte spezifiziert und das Element eindeutig zugeordnet werden. Nynomic setzt auf enge Zusammenarbeit und begleitet seine Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette in diversen Endmärkten. So sammelt das Unternehmen umfangreiche Erfahrung in einer Vielzahl von Branchen und weist eine starke Lösungskompetenz im Bereich der prozessintegrierten Online-Messtechnik auf. Die Endnutzer werden auf diese Weise bereits auf Ebene des Frühstadiums der Produktentwicklung in den Prozess eingebunden und profitieren damit von Nynomics Technologie- und Know-how-Führerschaft.

Regionaler Schwerpunkt ist Europa mit rund 60 % Umsatzanteil vor den USA mit 27 % und Asien mit 13 %. Die Produktionsstätten befinden sich hauptsächlich in Europa, doch es existiert eine Vielzahl von Tochtergesellschaften und Vertriebsstätten auf anderen Kontinenten, was eine lokale und direkte Betreuung der Kunden ermöglicht.

Erfolgreiche Buy-and-Build-Strategie

Die vielen Übernahmen und die sich daran anschließende erfolgreiche Integration sind ein Erfolgsgarant für den Nynomic-Konzern. Dabei werden durchaus auch Firmen übernommen, mit denen man zuvor bereits erfolgreich zusammengearbeitet hat und/oder die in finanziellen Schwierigkeiten steckten. Durch die Integration und die Netzwerkeffekte im Nynomic-Konzern werden schnell Synergien gehoben und die Verluste reduziert. 'Cross-Selling' wird bei Nynomic groß geschrieben.

So basieren der Flecken- und der Cannabis-Scanner auf der Technologie der 2018 übernommenen Spectral Engines. Mit Purple PRO kann der THC- & CBD-Gehalt von Cannabis-Produkten gemessen werden und das mittels eines iOS- oder Android-Telefons via Bluetooth. Neben der Freigabe von Cannabis in immer mehr US-Bundesstaaten versprechen auch die in Deutschland Fahrt aufnehmenden Legalisierungsbestrebungen neue Absatzgebiete.

Im Juni bekam Nynomic den bisher größten Einzelauftrag im Bereich Pflanzenphänotypisierung und hat die Auslieferung im 2. Halbjahr 2023 mit dem Kunden vereinbart. Eine führende Universität in Nordamerika hat Nynomic beauftragt, ein hochflexibles State-of-the-Art Multi-Sensor-System zu liefern, das speziell entwickelt wurde, um den Durchsatz zu maximieren und Proben biologischer Samples in unterschiedlichsten Größen zu analysieren. Das Umsatzvolumen dieses Großauftrags liegt im mittleren einstelligen Millionenbereich. Durch die innovative Lösung wird die Kapazität des Kunden um das Hundertfache erhöht, was eine noch umfassendere und präzisere Analyse der Proben ermöglicht.

Doch das wohl größte Potenzial dürfte in der Partnerschaft mit Novartis stecken. Für den Pharmariesen entwickelte Nynomic einen Handscanner, um in Verdachtsfällen gefälschte Medikamente direkt vor Ort und ohne Labor zu erkennen. Für die Nirone genannte Lösung liefert Nynomic zudem die App und die Cloud-Infrastruktur, weshalb dank Pflege und Wartung künftig auch wiederkehrende Erlöse fließen. Weitere Pharmakonzerne zeigen bereits Interesse, während sich die Auftragsvolumina dem Vernehmen nach im zweistelligen Millionenbereich bewegen.

Durchwachsene Halbjahreszahlen

In den ersten 6 Monaten 2023 belief sich der konzernweite Umsatz auf rund 52,8 Mio. Euro und lag damit um 3 % unter dem sehr starken Vorjahreswert. Das EBIT des ersten Halbjahres betrug ca. 4,6 Mio. Euro und lag um 34 % unter dem Vorjahreswert. Dabei hatten nach einem sehr verhaltenen 1. Quartal Umsatz und Ergebnis im 2. Quartal deutlich angezogen, so dass Nynomic seine Jahresprognosen bestätigte mit einem Umsatzwachstum im einstelligen Prozentbereich bei einer weiteren EBIT-Margenausweitung. Der im Vergleich zum Rekordwert des Vorjahreszeitraums erneut leicht wachsende Auftragsbestand in Höhe von rund 80,9 Mio. Euro sorgt weiterhin für eine hohe Planungssicherheit.

Die Mittelfristplanung wurde hingegen deutlich angehoben: „Aufgrund zahlreicher aktueller Verhandlungen mit weltweiten Bestands- und Neukunden geht der Nynomic Konzern von einem deutlich höheren Wachstum in den kommenden Jahren aus, als bislang erwartet“. War die aktuelle Mittelfristplanung bislang auf die Ziele 150,0 Mio. Euro Jahresumsatz bei mindestens 15 % EBIT-Marge ausgerichtet, erwartet der Vorstand nunmehr in einem mittelfristigen Zeitkorridor von 3 bis 5 Jahren einen Jahresumsatz von mindestens 200,0 Mio. Euro bei einer EBIT-Marge von 16 bis 19 %. Das Wachstum soll, der sehr erfolgreichen Unternehmensstrategie weiterhin folgend, sowohl durch organisches als auch anorganisches Wachstum erreicht werden.

Mein Fazit: Der Aktienkurs hat im Herbst 2021 nach einer Verdreifachung bei über 50 Euro sein bisheriges Allzeithoch markiert und sich in der anschließenden Korrektur sogar bis Richtung 25 Euro verirrt. Anschließend setzte eine Erholung ein mit schon länger anhaltender Seitwärtsbewegung mit einem Boden zwischen 30 und 31 Euro. Die auf den ersten Blick enttäuschenden Zahlen des 1. Quartals haben die Euphorie gebremst, aber das Management hatte als Gründe vor allem Auftragsverschiebungen ausgemacht, und diese Sichtweise bestätigten die Zahlen im 2. Quartal. Die deutliche Anhebung der Mittelfristprognosen auf Basis der Gespräche mit Kunden und avisierten Vertragsabschlüssen zeigt, welches Potenzial in dem 'Hidden Champion' schlummert und dass die Kursziele der Analysten von Montega und NuWays (Hauck Aufhäuser Lampe) von 56 bzw. 57 Euro ihre Berechtigung haben.

Mutares

Anders sieht es bei Mutares aus. Die Mutares SE & Co. ist kein Nischentechnologieanbieter, sondern ein Sanierungsspezialist: man kauft angeschlagene Unternehmen oder ungeliebte Töchter von Konzernen günstig ein, um diese neu zu positionieren und auf Effizienz zu trimmen. Mutares darf nicht als Beteiligungsgesellschaft missverstanden werden, denn das Ziel ist nicht ein möglichst attraktives Beteiligungsportfolio aufzubauen, sondern nach erfolgreicher Sanierung ein gewinnbringender Exit.

Dabei fokussiert sich Mutares auf europäische Unternehmen mit einem Umsatz von 50 bis 500 Mio. Euro, die bereits ein etabliertes Geschäftsmodell und hohes Entwicklungspotenzial aufweisen. Man übernimmt diese Unternehmen für kleines Geld und bekommt meistens sogar noch eine Sanierungsmitgift obendrauf, die sogenannte 'Bargain Purchase'. Anschließend werden die neuen Töchter umstrukturiert und durch zielgerichtete Add-On-Zukäufe zu Branchenführern aufgebaut, um ihren Wert erheblich zu steigern. In dieser 'Erntephase' werden die neu positionierten Töchter dann ins Schaufenster gestellt und möglichst gewinnbringend verkauft. Zwischen An- und Verkauf liegen in der Regel etwa fünf Jahre und Mutares hat in der Vergangenheit in dieser Zeit sein eingesetztes Kapital im Schnitt mehr als versiebenfacht.

Das Mutares-Business

Mutares und seine Töchter bilden den Mutares Konzern. Die börsennotierte Mutares SE & Co. selbst ist die Muttergesellschaft und erbringt als Holding Beratungsdienstleistungen für ihre Tochterunternehmen. Neben den Honoraren erhält Mutares Gewinnausschüttungen von ihren Töchtern, jedenfalls von denen, die bereits bzw. wieder profitabel sind. Dritter Einnahmezweig ist die Transaktionstätigkeit. Einerseits nimmt man 'Bargain Purchases' ein, wenn der Verkäufer eines Unternehmens Mutares einen Sanierungszuschlag mit auf den Weg gibt, und am Ende des gemeinsamen Weges fließen Mutares bei Verkauf einer Tochter Verkaufserlöse zu.

Der Mutares Konzern weist meistens Verluste aus, weil Mutares angeschlagene Unternehmen kauft und saniert. Während der Sanierung werden die operativen Verluste der Töchter in der Konzernbilanz ausgewiesen, nach der Sanierung fließen entsprechend Gewinne - doch dann verkauft Mutares diese Töchter. In der börsennotierten Mutares Holding laufen die Beraterhonorare, Gewinnabführungen der Töchter und die Verkaufsgewinne auf.

Soeben konnte Mutares den größten Deal ihrer Geschichte abschließen und dem Unternehmen flossen durch den Verkauf der Special Melted Products Ltd. (SMP) 150 Mio Euro zu, wovon um die 100 Mio. Euro als Gewinn zu verbuchen sein dürften. Zur Einordnung: Mutares wird bei einem Kurs von 25 Euro mit 520 Mio. Euro von der Börse bewertet. Klingt spottbillig? Genau…

Mutares steht bei Dividendenfans ganz oben auf der Wunschliste, denn man schüttet seit Jahren üppige Dividenden aus. Für 2020 gab es 1,00 Euro als Basisdividende und 1,00 Euro als Partizipationsdividende oben drauf, für 2022 gab es zur Basisdividende 'nur' 0,75 Euro on top. Das lag daran, dass der Rekorddeal etwas länger auf die Zustimmung der britischen Wettbewerbsbehörden warten musste und somit nicht mehr in die Dividenden einfließen konnte. Aber dafür winkt eine noch sattere Ausbeute im nächsten Jahr. Und nicht nur das…

Mutares hat soeben die Dividendenpolitik aktualisiert. Anstelle der Basisdividende von 1,00 Euro wird es künftig eine Mindestdividende von 2,00 Euro geben. Beim aktuellen Kurs liegt die Dividendenrendite damit 'garantiert' bei 8 %. Dabei ist zu bedenken, dass die Mindestdividende ganz überwiegend aus den Beraterhonoraren gezahlt wird, die die Holding einnimmt. Gewinne aus Unternehmensverkäufen fielen hier eher wenig ins Gewicht. Doch auch diese steigert Mutares seit Jahren kräftig. Insofern können Anleger auch künftig mit einer fetten Partizipationsdividende rechnen und ich schätze diese für 2023 wegen des soeben erfolgten SMP-Deals auf mindestens 1,00 Euro, so dass Aktionäre mit 3,00 Euro Dividende auf eine aktuelle Rendite von 12 % kämen. Nach Fragen Wünsche offen?

Eigentlich nur die, ob es sich hier um eine Eintagsfliege handelt. Und meine Antwortet eindeutig: Nein!

Mutares kauft vor allem dort ein, wo es knirscht: im krisengepeinigten Automotivesektor. Zuletzt kaufte man von INDUS den Autozulieferer Selzer und formt aus mehreren Firmen die 'Ferral United' mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 Mrd. Euro. Die Sanierungsphase läuft, geerntet wird dann in drei oder vier Jahren.

Daneben schuf Mutares eine neue Plattform, indem man als 7. Akquisition des Jahres 2023 die SRT Group (Stuart) von DPD, einer Tochter der französischen Post, erwarb. Die neue Plattform-Akquisition dient der Stärkung des Segments Goods & Services und erzielte 2022 einen Umsatz von über 400 Mio. Euro. Stuart ist ein Anbieter von urbanen On-Demand-Lieferdiensten für Restaurants, Lebensmittel- und Einzelhandelsunternehmen, dabei aber kein reiner B2C Essenslieferdienst (Business-to-Consumer), sondern vielmehr ein Unternehmen, das lokalen Geschäften und Händlern Prime-Now Funktionalität bietet. Über eine App können lokale Geschäfte ihren Kunden innerhalb einer Stunde ihre Waren liefern, seien es Bücher, Schuhe, Bürobedarf oder Nahrungsmittel. Es geht also um Quick Commerce, einem Hype aus den letzten Jahren, wo es aktuell zu einer Pleite- und Konsolidierungswelle kommt. Dabei hat Stuart Verträge mit großen Anbietern wie z.B. McDonalds und bedient aktuell 126 Städte, überwiegend in Großbritannien und Frankreich. Bis vor einiger Zeit war Umsatzwachstum die einzige relevante Messzahl in dem Metier und Stuart selbst soll von 2021 auf 2022 von 141 auf 400 Mio. Euro Umsatz gewachsen sein. Gewinne spielten keine Rolle, doch die Lage hat sich inzwischen komplett geändert, weil der Strom endlosen billigen Geldes versiegt ist. Daher zählen auf einmal Effizienz und Kostenquote, was viele Startups einfach nicht leisten können. Auftritt Mutares, denn das ist deren Spielwiese. Mit Kapital und betriebswirtschaftlichem Rüstzeug im Rücken einen neuen Champion aufbauen, der in einigen Jahren Gewinne einspielt und dennoch kräftig wächst. Interessant.

Starke Halbjahreszahlen

Die Zahlen des 1. Halbjahrs konnten überzeugen – auch noch ohne die SMP-Millionen: Die Umsatzerlöse im Konzern stiegen um 30 % auf 2,274 Mrd. Euro, das bereinigte EBITDA wurde von -32,9 auf +41,2 Mio. Euro verbessert und die Umsatzerlöse aus Beratungsdienstleistungen und Management Fees der Mutares-Holding wuchsen um 82 % auf 52,1 Mio. Euro.

Die Transaktionspipeline ist mit einem Umsatzvolumen von rund 11 Mrd. Euro prall gefüllt und nährt die Zuversicht, dass Mutares seine Mittelfristziele erreichen wird: Bis zum Geschäftsjahr 2025 soll der Konzernumsatz auf rund 7,0 Mrd. Euro ansteigen und ein Jahresüberschuss in der Mutares-Holding zwischen 125 Mio. und 150 Mio. Euro eingefahren werden.

Und nun das: Der SMP-Verkauf macht alle Wetten ungültig. Es ist davon auszugehen, dass Mutares seine Jahresprognosen anheben werden muss und das dürfte auf dem eigenen Kapitalmarkttag am 12. Oktober erfolgen. Bisher peilte man einen Jahresüberschuss von 100 Mio. Euro an, das dürften nun eher 150 Mio. Euro werden. Verteilt man diesen Gewinn auf die ausstehenden 20,63 Mio. Aktien, ergäben sich 7,30 Euro je Aktie. Bei einem Kurs von 25 Euro läge das Kurs-Gewinn-Verhältnis damit bei unter 3,5. Und was sagt uns das? Ken Fisher rät dazu, die Gewinnrendite zu verwenden. Die ist einfach zu ermitteln, denn man teilt den Gewinn durch den Kurs (es ist also das umgekehrte KGV). Bei Mutares kämen wir damit auf 7,3 / 25 = 29 %. Diese 29 % Gewinnrendite bei Mutares vergleicht man mit dem 'risikolosen' Zins, den man mit Anleihen erzielen kann, um die Attraktivität des Investments festzustellen. Und da stehen nun 29 % für Mutares und 6 % bei Bundesanleihen. Jeder kann nun wählen, welche Rendite ihm attraktiver erscheint…

Aber natürlich hinkt der Vergleich ein wenig, denn die Bundesanleihe wirft ihre Rendite jedes Jahr ab, während Mutares seine Gewinne in jedem Jahr erstmal neu verdienen muss. Und die Gewinne schwanken, weil sich die Gewinne aus Beteiligungsverkäufen nicht exakt vorhersagen lassen, weder bzgl. ihrer Höhe noch des genauen Zeitpunkts. Ein gewisser Risikoabschlag für Mutares ist also durchaus angebracht, aber über 20 % erscheinen dann doch deutlich übertrieben.

Mein Fazit: Mutares ist auf Wachstumskurs und eröffnet in weiteren europäischen Ländern Dependancen. Durch die Sanierungserfolge der letzten Jahre hat man sich einen exzellenten Ruf erarbeitet und das gilt auch in den gewerkschaftlich viel stärker organisierten Ländern Frankreich und Italien. Mutares kommt hier nicht ohne Grund so oft zum Zug, gerade weil auch die Gewerkschaften die Erfolge honorieren.

Die Umsätze steigen, die Beraterhonorare steigen, die Gewinne steigen, die Dividende strebt zweistellige Regionen an – wie viel mehr kann man noch von einem Investment erwarten? Ach ja, dass der Kurs diesen operativen Erfolgen folgt. Da hat sich einiges an Aufholpotenzial aufgestaut. Aber die gute Nachricht ist, dass dies vermutlich nicht (lange) so bleiben wird.

Mein Fazit

Nebenwerte, insbesondere in Deutschland, haben aktuell einen schweren Stand. Die Konjunktur trübt sich ein, die Energiepreise sind hoch, die Finanzierungskosten drücken auf den Gewinn. Doch alle über einen Kamm zu scheren, ist nicht ratsam. Vielmehr sollte man sich die Unternehmen herauspicken, die trotz oder gerade wegen des herausfordernden Umfelds Erfolge feiern können und deren Aktien sollte man sich ins Depot legen. Mit einer langfristigen Perspektive, denn die Kurse steigen nicht sofort, nur weil man selbst gerade diese Aktien gekauft hat.
"Um Geld mit Aktien zu machen, brauchst Du den Weitblick, sie zu erkennen, den Mut, sie zu kaufen, und die Geduld, sie zu halten."
(George Fisher Baker)
Anleger müssen die nötige Geduld aufbringen, damit sich die Unternehmen entwickeln können. Der Aktienkurs wird letztlich dieser Entwicklung folgen. Manchmal braucht es Jahre, bis er endlich wachgeküsst wird, und dann manchmal nur Tage, um sein neues Niveau zu erreichen. Wer in diesen Tagen nicht investiert ist, verschenkt den Großteil der Rendite. Und das ist auch richtig so, denn diese Rendite ist die Belohnung für die Geduldigen.

Disclaimer: Habe Amazon, INDUS, Mutares, Nynomic auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

4 Kommentare:

  1. Zunächst DANKE, ohne dich hätte ich Mutares nie kennengelernt (und inzwischen auch sehr zu schätzen). INDUS dagegen ist ja leider das komplette Gegenteil von Mutares, hier kennt die Entwicklung und der Kurs ja seit Monaten nur eine Richtung ... ^^

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    1. Moin Thomas,
      beides ist richtig, bei Mutares läuft es super, allerdings gab es vor einem Jahr auch einen Kurseinbruch, eine nur halb platzierte Anleihe und Angst unter den Anlegern, Mutares würde eine Reihe von Töchtern an die Insolvenz verlieren. Das war alles übertrieben, wer genauer hingesehen hat, wusste dass es so nicht kommen wird, aber das Sentiment war schlecht. Bei 17 Euro wollte die Aktien damals keiner haben...

      INDUS läuft schlecht. Seit Jahren, weil man zulange an der Automotive-Sparte festgehalten hat und diese auch noch die dominierende Sparte war. Ende 2022 hat man dann endlich Konsequenzen gezogen, aber durch die Abschreibungen das Ergebnis kräftig belastet. Und in 2023 gab es eine Abwicklung und Verkäufe. Auch hierbei sind Werte zu berichtigen und das belastet die 2023er Zahlen. Das sieht alles nicht doll aus und der Kurs läuft so, als wäre diese Entwicklung der Normalfall. Ist es aber nicht, denn INDUS hat sich ja komplett neu aufgestellt und ambitionierte Wachstumsabsichten. Aber das sieht man noch nicht in den Zahlen. Die bergen erstmal noch negatives Überraschungspotenzial (wegen der Abschreibungen), dann aber künftig positives. Wenn die Altlasten erstmal "durch" sind, dann steht INDUS ganz anders da. Und dann wird sich auch die Wahrnehmung der Börse schnell ändern, da bin ich mir sicher. INDUS ist wie ein Auto, das zulange im Schuppen gestanden hat und nun unter eine Staub- und Dreckschicht nicht viel Gutes vermuten lässt. Doch der Motor springt noch an und nach einer anständigen Wartung der Zündkerzen und Dichtungen und einer gründlichen Reinigung erkennt man die Perle, die man gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Doch wenn sie erstmal wieder strahlt, findet sie jeder klasse. So hab ich mir die Geschichte jedenfalls vorgestellt, mal sehen, ob sie auch so geschrieben wird. Dann klappt's auch mit dem Kurs... ^^

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    2. Hallo Michael, zur Bewertung von INDUS: Ich sehe in der 1H2023 Bilanz 407 Mio EUR Goodwill sowie weitere 172 Mio "sonstige immaterielle Vermögenswerte" bei einem Eigenkapital von 680Mio. Im Berichtsjahr 2022 wurden bereits Wertminderungen
      auf Geschäfts- und Firmenwerte in Höhe von 39,4 Mio. EUR vorgenommen. Die hohen Energiekosten, die hohe Inflation sowie die Auswirkung der geldpolitischen Gegensteuerung durch Zinserhöhungen und Verknappung der Geldmenge sowie eine Rezession werden explizit als Risiken erwähnt - und sind aktuell ja alle zutreffend. Beunruhigt Dich das alles im aktuellen Umfeld bzgl. INDUS nicht?

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    3. Ja, der Goodwill in der INDUS-Blanz war immer ein Kritikpunkt. Allerdings hat INDUS diesen in den letzten beiden Jahren bereits deutlich zurückgefahren und er macht nun noch rund 20 % der Bilanzsumme aus. Und das dürfte sich nochmal reduzieren, der Verkauf der Selzer wurde erst im Juli gemeldet und Vollzug im September; Entkonsolidierung hat INDUS mit 31.08.23 angegeben, also wird hier der Rest wertberichtigt.

      Ansonsten steht INDUS mit seiner neuen Ausrichtung ganz gut da, auch wenn natürlich die von die genannten Effekte/Kosten belasten - wie viele Unternehmen. "Beunruhigen" tut mich das nicht über die Maßen, das gehört zum Geschäftsleben dazu. INDUS muss sich darauf einstellen und das Management tut dies. Natürlich ist nicht garantiert, dass die Anpassung erfolgreich verläuft. Aber die Chancen stehen nicht schlecht und der aktuelle Kurs könnte rückblickend betrachtet eine Kaufgelegenheit gewesen sein.

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