In meinen "Earnings-Quickchecks" schaue ich mir die aktuellen Geschäftszahlen der Unternehmen an und unterziehe sie einem kurzen Abgleich mit meinem Investmentcase.
Opendoor Technologies hat Zahlen für das 2. Quartal 2023 vorgelegt. Die Aktien des iBuying-Spezialisten sind daraufhin um mehr als ein Viertel eingebrochen. Doch der ausschließliche Blick in den Rückspiegel erzeugt ein großes Missverständnis...
Opendoor bietet über seine App Verkäufern ein Cash-Angebot für ihre Immobilie an. Dieses Angebot wird verbindlich abgegeben und basiert auf einen speziellen Algorithmus, den Opendoors CTO Ian Wong, ein Stanford-Absolvent und Datenspezialist entwickelt hat. Er greift auf öffentlich zur Verfügung stehende Daten zu und der Kunde muss nur einige wenige Angaben selbst ergänzen. Der Algorithmus berücksichtigt dabei über 100 Datenpunkte. Im Anschluss besichtigt Opendoor das Haus und überprüft, ob die Angaben der Wahrheit entsprechen. Treten hier keine Diskrepanzen auf, kann nach nur drei Tagen der Deal vollzogen werden.
Opendoor verlangt eine Provision zwischen 5 und 8 %, ist also nicht viel günstiger als die Immobilienmakler. Allerdings hat der Verkäufer die Garantie, dass er den Verkaufspreis sofort erhält. Mit der weiteren Abwicklung hat er nichts zu tun und die teilweise Nerv tötenden Besichtigungstermine beim klassischen Verkaufsprozess über einen Makler und das sich üblicherweise anschließende Gefeilsche um den Preis erspart er sich auch. Hinzu kommt die viel schnellere und einfachere Abwicklung.
Nach dem Kauf bereitet Opendoor das Objekt für den Wiederverkauf vor, indem Renovierungsarbeiten durchgeführt werden usw. und anschließend wird das Objekt als "Haus zum Verkauf" in seiner Opendoor-App gelistet. Die Abwicklung des Kauf über die App ist genauso einfach und zügig.
Natürlich ist Opendoors Geschäftsmodell nicht so stark skalierbar wie das einer Softwarefirma oder eines reinen Immobilienportals. Opendoor benötigt Personal vor Ort. Jemand muss die angebotenen Immobilien in Augenschein nehmen und die Angaben der Verkaufswilligen überprüfen. Und man benötigt Handwerksfirmen, die ohne Zeitverzug und fachgerecht die Renovierung der erworbenen Immobilien in Angriff nehmen, damit diese möglichst schnell wieder verkauft werden können.
Aus diesen Gründen kann Opendoor sein Angebot nicht einfach landesweit ausrollen, sondern expandiert jeweils gezielt nur in neue Städte und Regionen, wo es entsprechendes Personal rekrutieren konnte. Das begrenzt einerseits das Expansionstempo in neue Märkte und Regionen, andererseits sind die Zuwachsraten in den Bestandsregionen weiterhin hoch bei entsprechend großen potenziellen Marktvolumen.
Beachtliche Risiken und Nebenwirkungen!
Opendoor erzielt mit diesem Geschäftsmodell grundsätzlich Bruttomargen von über 10 %. Der Nachteil ist, dass der Kauf von Immobilien in den eigenen Bestand sehr kapitalintensiv ist und dabei immer das Risiko besteht, die Immobilien zu teuer einzukaufen und nicht wieder mit Gewinn verkaufen zu können. Und genau dieses Risiko hat sich konkretisiert und beschert dem Unternehmen seit Herbst 2022 große Verluste! Denn der Immobilienmarkt hat gedreht die schnelle Anhebung der Zinsen durch die US-Notenbank hat die Nachfrage kräftig ausgebremst und die Preis ins Sinken gebracht. Und das zeigt sich in den Quartalszahlen - erneut.
Zahlen zum 2. Quartal
Im 2. Quartal erzielte Opendoor einen Umsatz von 2,0 Mrd. USD, was einem Minus von 53 % gegenüber dem Vorjahresquartal und einem Minus von 37 % im Vergleich zum 1. Quartal darstellt. Dabei wurden insgesamt 5.383 Immobilien verkauft (-49 % ggü. 2Q22 und -35 % ggü. 1Q23), während die Zahl der angekauften Immobilien um 81 % auf 2.680 zurückging. Das Unternehmen rechnet damit, bis Ende des Jahres etwa 3.000 Häuser je Quartal zu erwerben.
Ende des Quartals wies Opendoor einen Immobilien-Bestand im Wert von 1,1 Mrd. USD auf; diese 3.558 Immobilien sind 83 % weniger als im Vorjahr und 46 % weniger als im 1. Quartal. Hinzu kommen am Quartalsende 1.390 abgeschlossene Kaufverträge, die aber noch nicht vollzogen wurden; ein Rückgang von 82 % ggü. dem Vorquartal, aber ein Anstieg von 22 % im Vergleich zum 2023er Auftaktquartal.
Es blieb im 2. Quartal ein Bruttogewinn von 149 Mio. USD und damit eine Bruttomarge von 7,5 %, gegenüber 11,6 % in 2Q22 und 5,4 % in 1Q23. Das bereinigte EBITDA lag bei -168 Mio. USD ggü. 218 Mio. in 2Q22 und -341 Mio. in 1Q23; das ergab eine bereinigte EBITDA-Marge von -8,5 % verglichen mit 5,2 % in 2Q22 und -10,9 % in 1Q23.
Der Nettoverlust belief sich auf -23 Mio. USD verglichen mit -54 Mio. in 2Q22 und -101 Mio. in 1Q23.
Wir sehen hier zwei unterschiedliche Entwicklungen, wobei nur die eine von der Börse wahrgenommen wurde und zu den massiven Abverkauf geführt hat.
Auf den ersten Blick sehen wir einen Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr von mehr als 50 % und auch beim Immobilienbestand ist der Rückgang gewaltig. Gleichzeitig hat das Unternehmen in den letzten 12 Monaten sehr viel Geld mit seinem Business verloren. Dabei ist es gelungen, diesen Verlust sehr stark zu reduzieren und beinahe schon auszugleichen - dank dem deutlichen Zurückfahren der Geschäftstätigkeit und kräftigen Personalreduzierungen. Das klingt alles nicht nach einer Erfolgsgeschichte.
Auf den zweiten Blick sehen wir ein Unternehmen, das in einem stark wachsenden Markt seine Geschäfte kräftig ausgeweitet hat. Das ging bis Mitte des 2. Quartals 2022 so, als die Notenbanken ihren Zinswürgegriff starteten, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Zu der Zeit stiegen die Preise für Baumaterialien zweistellig an, es fehlte vorne und hinten an Handwerkern und Immobilienfinanzierungen platzten wegen der stark steigenden Zinsbelastungen. Es folgten die schnellsten und stärksten Zinsanhebungen der Geschichte und ein massiver Nachfrage- und Preiseinbruch am Immobilienmarkt.
Das alles wissen wir heute, also in der Rückschau. Vor einem Jahr lag diese Entwicklung noch nicht klar vor uns und auch deshalb hat Opendoor (wie viele andere Unternehmen) nicht sofort und nicht schnell genug reagiert. Aber man hat reagiert. Indem die Zahl der Käufe runtergeschraubt wurde, indem die Kosten gesenkt wurden, indem man sich aus Märkten zurückgezogen hat, indem Profitabilität in den Fokus gerückt wurde anstatt Wachstum. Und man hatte Erfolg damit, auch das sehen wir heute in den Zahlen!
Und doch... sollte man die beiden Entwicklungen strikt voneinander trennen. Das eine ist die Rückschau, also das Ergebnis vergangener Zeiten. Beim Vergleich mit diesen Zahlen stehen starke Rückgänge im Vordergrund. Doch die sind für den Blick nach vorn oder die Beurteilung, ob das Geschäftsmodell funktioniert, nicht (mehr) relevant. Sich an sie zu ketten bedeutet, dem Ankereffekt auf den Leim zu gehen und das kostet bekannt ordentlich Geld. Wir müssen aber nach vorne blicken bei der Frage, wie sich ein Unternehmen entwickeln und ob seine Aktie dann irgendwann folgen wird.
"Wir haben das obere Ende unserer Prognose im zweiten Quartal übertroffen, da wir uns weiterhin auf das konzentrieren, was wir kontrollieren können, und in diesem Umfeld diszipliniert arbeiten. Unsere Ergebnisse spiegeln die Fortschritte wider, die wir bei der Stärkung unseres Angebots, der Steigerung der Kosteneffizienz und dem Risikomanagement gemacht haben."(CEO Carrie Wheeler)
Blenden wir also den Vergleich mit dem Vorjahr aus. Und auch das Vorquartal war von einem besonderen Effekt verzerrt, der fast schon vergessen scheint: die Pleiten mehrerer US-Regionalbanken hatte im Frühjahr eine 'kleine Finanzkrise' ausgelöst mit Bankrun, Panik und einem scharfen Einbruch bei der Kreditvergabe seitens der Banken. Das hat auch Opendoors Geschäfte belastet, war aber eben auch keine normale Entwicklung, sondern ein Einmalerlebnis. Die Nachwehen zeigten sich aber nicht nur im 1. Quartal, sondern auch noch im April und bis Mitte Mai. Doch seitdem hat sich die Lage weitgehend normalisiert. Und das gilt auch für Opendoors Business.
Seit Mitte Mai steigen die Margen deutlich an, die Opendoor mit dem Verkauf seiner Immobilien erzielt. Und sie wachsen weiter. Das Unternehmen hat seinen Algorithmus und seinen Businessplan angepasst und konzentriert sich auf profitable Deals. Dabei helfen die deutlich verbesserten Rahmenbedingungen natürlich auch. Denn die Preise für Baumaterialien sind deutlich gesunken und die Verfügbarkeit von Baufirmen und Handwerkern ist kräftig angestiegen. Deshalb verkürzt sich die Zeit zwischen an- und Verkauf einer Immobilien zusehends. Und je kürzer die Verweildauer im Opendoor-Bestand, desto geringer das Risiko bzw. im Umkehrschluss eine umso größere Chance auf einen Gewinn.
Was können wir für das 3. Quartal und darüber hinaus erwarten? Tja... Opendoor hat inzwischen 99 % der Objekte verkauft, die man viel zu teuer im 2. und 3. Quartal des Vorjahres eingekauft hatte und die so heftige Verluste eingespielt haben. Verluste, nicht Abschreibungen, das muss man realisieren. Es ist kein Buchungseffekt, sondern das Geld wurde verbrannt. Es wurden Immobilien für 500.000 USD gekauft und für 400.000 USD wieder verkauft. Deshalb ist der Cash-Bestand deutlich gesunken.
Aber... das ist nun vorbei. Opendoor kauft weniger Immobilien an und strapaziert damit seine Liquidität nicht unnötig. Gleichzeitig erzielt man operativ bereits Gewinne mit den Deals und das schon seit vielen Monaten. Was bisher nicht aufgefallen ist, weil die Verluste aus dem Altbestand alles überlagerten.
Für das 3. Quartal erwartet Opendoor einen Umsatz zwischen 950 und 1.000 Mio. USD. Im Vergleich mit dem Rekord-Vorjahresquartal wären das rund zwei Drittel weniger (aber wie wir wissen, muss uns diese Zahl nicht belasten). Unter dem Strich prognostiziert das Unternehmen einen bereinigten EBITDA-Verlust zwischen -60 und - 70 Mio. USD und damit weniger als im abgeschlossenen 2. Quartal, während die (negative) Gewinnspanne in etwa gleich bleiben soll.
Meine Einschätzung
Opendoor verliert mit seinem Business nach wie vor Geld. Aber... die starken Verluste resultieren ganz überwiegend noch von den viel zu teuer eingekauften Immobilien aus dem Sommer 2022, also bevor der Immobilienmarkt kippte. Diese Liegenschaften sind inzwischen beinahe vollständig verkauft und damit die größten Verlustbringer aus dem Bestand heraus. Alles, was anschließend gekauft wurde, hat zwar auch mit dem weiter gefallenen Immobilienmarkt zu kämpfen, doch die Margen erholen sich spürbar und die Verluste sind enorm geschrumpft. Im April steigerten sich die Bruttomargen bei den veräußerten Immobilien von 2 auf 5 %, im Mai schwankten sie um die 7 %, bis Ende Juni legten sie auf 9 % zu und von den 11 % Anfang Juli kletterten sie bis zum 23. Juli auf 13 %. Opendoor kauft weniger Immobilien an und agiert zurückhaltender und vorausschauender. Das Unternehmen hat zu spät auf den Umbruch reagiert und einen hohen Preis dafür gezahlt, aber es hat sich angepasst.
Die Zinsen haben wohl ihren Höhepunkt erreicht und allgemein wird von einer neuen Zinssenkungsrunde in 2024 ausgegangen. In den letzten Wochen haben die Zahlen bei Neubauten in den USA wieder spürbar zugelegt, die Stornierungen im Neubau sind markant zurückgegangen. Mit dem Einbruch beim Verkauf gingen steigende Mieten einher, so dass der Erwerb einer Immobilie im Vergleich wieder attraktiver geworden ist - trotz insgesamt gestiegener Kosten. Während die Preise nachgegeben haben, ist das Zinsniveau deutlich höher - noch. Doch die Käufer kehren in den Immobilienmarkt zurück und damit verbessert sich die Marktlage für Opendoor spürbar.
"Der Aktienmarkt ist die Geschichte von Kreisläufen und vom menschlichen Verhalten, welches für Überreaktionen in beide Richtungen verantwortlich ist. (...) Beim Investieren ist nichts sicher. Unsere besten Investitionen, die uns im Nachhinein wie geschenktes Geld vorkommen, schienen gar nicht so sicher zu sein, als wir sie tätigten. (...) Als Value Investoren ist es unser Job, die Schnäppchen zu kaufen, die es laut der Finanzmarkttheorie nicht gibt."
Der Kurs von Opendoor wurde seit seinem Börsenstart durch eine SPAC-Fusion im Dezember 2020 gnadenlos in den Keller gestampft - zu Recht - und versucht sich nach zwei Jahren anhaltender Kursverluste seit einem halben Jahr an einer Bodenbildung. Opendoor ist eine Spekulation auf ein Ende des Einbruchs am US-Immobilienmarkt und darauf, dass das Geschäftsmodell in einem 'normalen' Immobilienmarkt profitabel funktioniert und enorme Wachstumspotenziale birgt. Eine Turnaround-Spekulation; hier stehen sehr großen Chancen sehr große Risiken gegenüber, doch das Chance-Risiko-Verhältnis präsentiert sich als attraktiv. Auch wegen des bereits erfolgten Absturzes von Aktienkurs und Börsenwert.
"Turnarounds seldom turn."
Der Wind dreht sich. Die Zinsen steigen nicht mehr und werden wohl bald wieder fallen. Die Preise für Baumaterial steigen nicht mehr, sondern fallen, die Energiepreise haben sich ebenfalls deutlich entspannt im Vergleich zum Vorjahr. Handwerker sind wieder verfügbar und die US-Wirtschaft schwächelt zwar, aber es wird keine Rezession geben - selbst die Notenbank hat das eingestanden und wird der wirtschaftlichen Entwicklung künftig wieder mehr Aufmerksamkeit schenken.
Das alles sorgt bei Opendoor für Rückenwind. Das Unternehmen erzielt wieder attraktive Margen und beginnt damit, sein Business langsam wieder auszuweiten. Man agiert von einem deutlich reduzierten Niveau, kann von hier aus aber das Geschäft skalieren - im begrenzten Rahmen, da bei der Geschäftsausweitung auf andere Regionen auch Personaleinsatz ansteht und damit Kostensteigerungen. Doch anders als vor einem Jahr hat Opendoor diese Entwicklungen genau im Blick. Man verbrennt kein Geld mehr und kommt daher mit seinem - reduzierten - Cash-Bestand gut aus.
Immobilien sind momentan (noch) nicht angesagt. Aber das wird sich wieder ändern. Auch weil die Mieten im letzten Jahr weiter deutlich gestiegen sind, während die Immobilienpreise günstiger wurden. Wenn nun noch die Zinsen wieder zu sinken beginnen, dürfte die Nachfrage nach Immobilien wieder deutlich anziehen. Ob dies in 3 oder 12 oder 18 Monaten beginnt, ist dabei nicht entscheidend. Opendoor präsentiert sich als gut positioniertes FinTech, das kaum noch Verluste schreibt und enorme Wachstumsmöglichkeiten vor sich hat. Zumal die beiden größten Wettbewerber Zillow und Redfin aus den iBuying-Business ausgeschieden sind.
"Die besten Schnäppchen gibt es immer in angsteinflößenden Umgebungen."
Quelle: wallstreet-online |
"Jeder künftige Markteinbruch fühlt sich wie ein Risiko an; jeder vorangegangene Markteinbruch sieht nach einer Chance aus."(Tom Gardner, The Motley Fool)
Warren Buffett und Charlie Munger haben während der Globalen Finanzkrise 2008/09 massiv Bankaktien gekauft. Nicht, weil sie auf eine schnelle Kurserholung gesetzt haben, sondern weil sie nicht an einen Zusammenbruch des Finanzwesen glaubten, der damals in Wirtschaft, Gesellschaft und an den Börsen das Denken bestimmte. Sie verdienten viele Milliarden damit, denn die Lage normalisierte sich und die Banken hatten sich an die neuen Herausforderungen angepasst. Die Kurse ihrer Aktien haben diese Erholung begleitet. Ich bin davon überzeugt, dass in einigen Monaten oder Jahren, wenn sich die Lage am Immobilienmarkt längst normalisiert hat, viele Leute zurückblicken werden auf heute und die heutigen Aktienkurse von Werten aus der Immobilienbranche als große Chance einstufen werden. In der Rückschau, ohne das heutige Risiko und das heutige Risikoempfinden. Ich denke, die Aktie von Opendoor wird entlang dieser 'Wall of Worries' weiter steigen, weil das zugrunde liegende Business wieder deutlich zulegen wird. Nur eben profitabel...
Disclaimer: Habe Opendoor auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot /Wiki.
Genau, DAS Risiko schlechthin ist der Kollaps des Immobilienmarktes und dieser droht eben, solang die Zinsen hoch BLEIBEN.
AntwortenLöschenAls ich 1991 meine Bankausbildung gemacht habe und in der Kreditabteilung war, waren die 10-jährigen Zinsen gerade auf 9,8 % gefallen und damit unter den damaligen langfristigen Durchschnittswert. Als ich meine Immobilien finanziert habe Mitte der 1990er Jahre musste ich um die 6 % Zinsen bezahlen. Nun kostet Kredit wieder ein bisschen Zins, aber das sollte normale sein, da Zins der preis für das Kreditausfallrisiko ist. Die Immobilienpreise sind über 10 Jahre lang fast jedes Jahr zweistellig gestiegen. Und nun fallen sie mal um 10 % und es soll Panik herrschen? Es wurde doch bisher vielleicht gerade mal der Anstieg aus 2022 wieder abgegeben und man hat das Niveau von Mitte/Ende 2021. "Kollaps" sieht für mich anders aus. Ich sehe nicht, wo und weshalb sich so eine Entwicklung wie 2007-2009 einstellen sollte/könnte.
LöschenNaja, das Ganze ist ja ein Zusammenspiel aus Immobilienpreisentwicklung und Lohnentwicklung, wobei fairerweise die Reallöhne infolge der Teuerung der Verbrauchspreise herangezogen werden sollten. Und da wird das Missverhältnis deutlich. Die Immobilienpreise sind die letzten Jahrzehnte deutlich angestiegen. Die Reallöhne nicht (im geichen Maße). Das führt dazu, dass der Häuslebauer heute mehr vom Einkommen prozentual aufnehmen muss als früher. Ergo lassen sich einfach nur Zinssätze aus verschiednen Zeiten nicht wirklich vergleichen. Im Ergebnis können sich Stand heute weniger Leute ein Eigenheim leisten. Ob die somit nachlassende Nachfrage des Ottonormalverbrauchers durch Vermögendere ausgeglichen wird, ist eine andere Frage;-)
LöschenAlles Richtig, Herr Kissig. Ich wollte nicht darauf hinaus, dass der Kollaps bereits eingetreten ist, sondern droht. Dabei geht es um die Kalkulation: 500.000 $/€ zu 2 % = 10.000 $/€ Zins im Jahr plus Tilgungsrate; 500.000 $/€ zu 7 % = 35.000 $/€ Zinsen im Jahr plus Tilgungsrate. So eine 5-% Steigerung entsprechen nicht unrealistischerweise 25.000 $/€ mehr Zins im Jahr oder ca. 2.000 $/€ im Monat mehr als womöglich kalkuliert. Im Raum steht zwar, dass FED/EZB den Zins 2024 wieder senken, aber Tenor ist, dies in kleinen Schritten über 3 Jahre zu machen. Was ich mit Kollaps meinte ist, dass hier ein Risiko über dem Immobilienmarkt schwebt. Würde es viele Hausverkäufe geben, wäre Opendoor sicher nachgefragt. Könnte Opendoor denn auch mit fallenden Immobilienpreisen Geld verdienen und von einem Kollaps durch günstige Einkäufe profitieren? Die einzige Krux ist ja lediglich, dass sie 'schnell' wieder verkaufen wollen(müssen), um keine Verluste zu erzielen. Die Immobilienpreise, insbesondere für sanierte ('klimaneutrale') dürften auch in der Zukunft nicht geringer sein als heute.
LöschenNein, wie man in den letzten 12 Monaten gesehen hat, kommt Opendoor mit schnell steigenden Zinsen und stark fallenden Immobilienpreisen nicht gut klar.
LöschenDas Geschäftsmodell von Opendoor ist ein anderes, als Du es hier beschreibst: Opendoor kauft Online Immobilien an und das dauert für die Verkäufer nur wenige Tage und das ohne den ganzen bürokratischen Aufwand und die vielen Behördengänge, die es sonst erfordert. Das nimmt ihnen Opendoor alles automatisiert ab. Anschließend renoviert/saniert Opendoor das Gebäude und verkauft es dann wieder. Alles soll in möglichst kurzer Zeit stattfinden und einen schönen Gewinn einbringen. Das funktioniert, solange die Immobilienpreise nicht zu schnell sinken. Zu bedenken ist auch, dass in den USA überwiegend andere klimatische Bedingungen herrschen als bei uns und dass Holz der bevorzugte Baustoff ist, nicht Beton/Steine. Eine Renovierung/Sanierung ist daher deutlich schnell zu bewerkstelligen als bei uns.
@Heiner
LöschenRichtig, die Lohnentwicklung speilt eine wichtige Rolle und die Löhne sind in den letzten Jahren weniger stark gestiegen als die Immobilienpreise; was auch auf das besonders günstige Zinsniveau zurückzuführen ist. Allerdings sind zwei Aspekte durchaus zu beachten: (1.) Die Immobilienpreise sind zuvor über Jahrzehnte nicht gestiegen (2015 erreichten sie inflationsbereinigt erst wieder das Niveau von 1965) und (2.) steigt das vererbte Vermögen in Deutschland jedes Jahr weiter an. Das wird nicht als 'Einkommen' gewertet, ist aber Vermögenszuwachs. Und steht damit auch für den Kauf einer oder mehrerer Immobilien zur Verfügung. Lohnentwicklung und Immobilienpreise isoliert zu betrachten, verengt meines Erachtens damit das Bild.
Hallo Michael. Die Erbschaften habe ich unterschlagen, da gebe ich dir Recht. Und gerade in der heutigen Zeit und im Zuge des demografischen Wandels werden sehr hohe Werte vererbt.
AntwortenLöschenDie Inflationsbereinigten Immobilienpreise würde ich allerdings nicht berücksichtigen wollen, da ich ja de facto die aufgerufenen Preise (inkl. Inflation) auch aufwenden muss.
Viele Grüße