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Aktien Report Nr. 141 vom 14.07.2023
Gewinnwarnung bei BASF: Wenn die Chemie nicht mehr stimmt
Chemie gehört zu den zyklischen Branchen und ist damit besonders stark vom Auf und Ab der Wirtschaftskonjunktur abhängig. Die hartnäckige Inflation und hohe Zinsen bremsen die Wirtschaft, so dass inzwischen von Rezession die Rede ist. Es kann also nicht verwundern, wenn in der Chemiebranche eher Tristesse herrscht und Unternehmen ihre Prognosen nur schwer erfüllen können. Oder auch mal kräftig verfehlen.
Das ist zuletzt einer Reihe Unternehmen passiert und fand nun mit BASF seinen – vorerst – traurigen Höhepunkt. Doch es alleine auf die Konjunktur zu schieben, ist deutlich zu kurz gesprungen, denn die Probleme gehen deutlich tiefer.
Weltmarktführer BASF
Die Ludwigshafener sind dem Umsatz nach das größte Chemieunternehmen der Welt und eines der größten Unternehmen in Deutschland. Der Konzern ist in 80 Ländern tätig und beschäftigt rund 110.000 Mitarbeiter. Im DAX hat BASF mit seiner Marktkapitalisierung von rund 42,4 Mrd. Euro eine Gewichtung von 2,8 %.
Chemie ist ein sehr konjunktursensibles Geschäft und BASF hängt zudem stark von der Automobilindustrie ab. Dabei ist Chemie noch vor der Automobilindustrie der wichtigste Wirtschaftszweig Deutschland – oder war. Denn seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs und der damit einhergehenden Explosion bei den Energiekosten steht ein nicht unerheblicher Teil der Produktion still – und es gibt immer weniger Hoffnung, dass sich dies bald wieder ändert. Oder überhaupt.
BASF gliedert sein Business in sechs Segmente.
Das Herzstück von BASF ist das Segment Chemicals, das für 18 % des Umsatzes steht. Es beliefert auch die übrigen Segmente des Konzerns mit Basischemikalien und Zwischenprodukten für Arzneimittel, Kunststoffe oder Pflanzenschutzmittel.
Im Segment Materials, das rund 20 % des Umsatzes einspielt, werden moderne Werkstoffe und deren Vorprodukte hergestellt. Darunter fallen Produkte für neue Anwendungen und Systeme, wie Polyamide, anorganische Grundprodukte oder Isocyanate. Kunden dieses Segments sind die Kunststoff-, Automobil- und die Baubranche.
Das Segment Industrial Solutions mit 12 % Umsatzanteil entwickelt und vermarktet Inhalts- und Zusatzstoffe für industrielle Anwendungen. Hauptabnehmer der Produkte wie Pigmente, Harze, Elektromaterialien und Additive sind neben der Automobilindustrie auch die Kunststoff- und Elektroindustrie.
Das Segment Surface Technologies steuert inzwischen über 30 % zum Umsatz bei und wurde in den letzten Jahren sukzessive deutlich ausgebaut. Dieser Bereich umfasst chemische Lösungen für Oberflächen. Im Produktportfolio sind Lacke, Katalysatoren und Batteriematerialien für die Automobil- und chemische Industrie. Die Katalysatoren werden als Fahrzeug- und Prozesskatalysatoren verwendet. BASF will hier zu einem führenden und innovativen Anbieter von Batteriematerialien aufsteigen und auch das Thema Recycling wird im Bereich Batterien immer stärker zum Zukunftsthema.
Das Segment Nutrition & Care bringt 8 % Umsatzanteil auf die Waage. Zu den Kunden zählen Nahrungs- und Futtermittelhersteller, sowie Hersteller von Kosmetik- und Reinigungsmittel.
Das Segment Agricultural Solutions trägt etwa 11 % zum Umsatz bei. Die Produktpalette dieses Segments besteht aus Herbiziden, Insektiziden, Fungiziden sowie Vitaminen und Säuren. Die Sparte wurde durch die Übernahme des Saatgut- und Pflanzenschutzmittelgeschäfts von Bayer für 7,6 Milliarden Euro kräftig vergrößert, die Bayer infolge der Monsanto-Übernahme verkaufen musste. Zumindest für BASF hat sich dieses Übernahme-Fiasko also positiv ausgezahlt.
Wintershall DEA unter Feuer
Und dann gab es früher noch das Segment Öl & Gas, das aber unter dem Namen Wintershall DEA vom Konzern abgespalten wurde. Dennoch belastet die Tochter die BASF-Bilanz. Anfang des Jahres sah sich der Öl- und Gaskonzern Wintershall DEA zum Rückzug aus seinem Geschäft in Russland gezwungen. Für den Mutterkonzern BASF bedeutete das einen Milliardenverlust. Unter dem Strich verbuchte BASF für das Geschäftsjahr 2022 einen Fehlbetrag von rund 1,4 Mrd. Euro, der hauptsächlich auf Abschreibungen auf Wintershall DEA in Höhe von 7,3 Mrd. Euro zurückging. Allein im 4. Quartal 2022 musste BASF 5,4 Mrd. Euro wegen der Entkonsolidierung der russischen Explorations- und Produktionsaktivitäten seiner Tochter abschreiben. Die einstige Ertragsperle des Konzerns ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Und doch nur eines von vielen Problemen im BASF-Konzern.
Drastische Umsatz- und Gewinnwarnung
Die vorläufigen Zahlen für das 2. Quartal 2023 zeigen einen deutlichen Umsatzrückgang von einem Viertel auf 17,3 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahreswert. Grund waren insgesamt deutlich niedrigere Preise und Mengen zusammen mit negativen Währungseffekten. Der Gewinn brach auf 499 Mio. Euro ein, während BASF vor einem Jahr noch gut 2 Mrd. Euro verdient hatte.
Für 2023 peilt BASF nun nur noch einen Umsatz zwischen 73 und 76 Mrd. Euro an, nach bisher geplanten 84 bis 87 Mrd. Im Vorjahr betrugen die Erlöse noch 87,3 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis (bereinigtes EBIT) soll nur noch mit 4,0 bis 4,4 Mrd. Euro durchs Ziel gehen statt bisher geplanter 4,8 bis 5,4 Mrd. Euro. Auch dieses Ziel war schon ein erheblicher Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von 6,9 Mrd. Euro.
Zudem läge BASF umsatzmäßig damit auf dem Niveau der Jahre 2012 bis 2015 – allerdings hat man damals ein EBIT zwischen 6,5 und 8,1 Mrd. eingefahren und damit wesentlich mehr verdient als nun noch möglich scheint. Hieran zeigt die große und zunehmende Abwärtsdynamik!
Deindustrialisierung Deutschlands
Schenkt man ifo-Chef Clemens Fuest Glauben, ist die befürchtete Deindustrialisierung in Deutschland bereits voll im Gange. Vor allem die teuren Energiekosten und hohe Steuern würden Schlüsselindustrien wie die Automobil- und die Chemiebranche vertreiben. Die Automobilindustrie schrumpfe bereits seit mehreren Jahren, "ihre Produktion entspricht heute nur noch etwa zwei Dritteln des Niveaus von 2018", bemängelt Fuest. Mehr Bürokratie, hohe Unternehmenssteuern und der in Zukunft noch größere Mangel an Fachkräften sprächen gegen Deutschland. Und mit Subventionen ließen sich Standortschwächen nicht ausgleichen, warnt der Ökonom.
Weitere Problemzonen
Die starke Entwicklung im Vorjahr hat viele in falscher Sicherheit gewiegt und BASF-Chef Martin Brudermüller steht nicht alleine im Regen. Inzwischen leeren sich in der chemischen Industrie die Auftragsbücher mit beängstigender Geschwindigkeit. Auch Lanxess, Evonik, DSM, Croda und Clariant haben ihre Prognosen einkassieren müssen. Evonik-Chef Christian Kullmann beklagte in diesem Zusammenhang: "Derart schwache Absatzmengen haben wir lange nicht erlebt, über solch einen langen Zeitraum vielleicht noch nie". Fast alle großen Abnehmerbranchen haben Probleme, weil die Inflation die Laune in der Konsumgüterindustrie drückt, die Bauindustrie unter hohen Materialpreisen und wegbrechenden Aufträgen leidet und selbst in der noch gut laufenden Autoindustrie sich die pessimistischen Erwartungen bereits in der Einkaufsstrategie niederschlagen. Zusätzlich kommt die Konjunktur in China nicht in die Gänge, dem mit Abstand größten Chemikalienmarkt der Welt. Und die deutschen Autohersteller geraten 'im Reich der Mitte' ebenfalls immer stärker unter Druck und belasten mit ihrer Nachfrageschwäche auch indirekt BASF.
Produktionsverlagerung ins Ausland
BASF und sein norwegischer Konkurrent Yara prüfen nun den Bau einer gemeinsamen Ammoniak-Anlage an der amerikanischen Golfküste. Diese Meldung hat Geschmäckle, denn BASF hatte seine Ammoniak-Produktion am Stammsitz Ludwigshafen erst kürzlich geschlossen und dafür sogar Mitarbeiter entlassen. In Deutschland sei damit einfach kein Geld mehr zu verdienen, da die Gaspreise schlicht zu hoch seien. Im Februar stellte der der Chemiegigant weltweit 2.600 Mitarbeiter frei.
Mangelhafte Kapitalallokation
Mit 45 Euro liegt der Aktienkurs auf dem Niveau von 2007. Also vor der Globalen Finanzkrise, vor der Corona-Pandemie und vor der Zinswende. Die globale Wirtschaftsleistung ist jedoch 15 Jahre später trotz aller Probleme deutlich höher und BASF als das weltweit führende Chemieunternehmen sollte dem entsprechend wesentlich besser dastehen. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Allein in den letzten 3 Jahren hat BASF kumuliert 9,3 Mrd. Euro an Free Cash Flow erwirtschaftet. Gleichzeitig wurden allerdings 9,1 Mrd. Euro an Dividenden ausgeschüttet und weitere 1,3 Mrd. Euro für Aktienrückkäufe ausgegeben. Der gesamte zur Verfügung stehende Free Cashflow, und sogar noch etwas mehr, wurde also 'verbraten'. Nun sind Aktienrückkäufe eine gute Sache und wertsteigernd - wenn das Geld nicht im Unternehmen gebraucht und sinnvoll(er) verwendet werden kann. Angesichts der enormen Herausforderungen, mit denen BASF seit Jahren und auch heute und morgen konfrontiert ist, hätte es ganz offensichtlich bessere Verwendungsmöglichkeiten gegeben und damit hat der Vorstand um Martin Brudermüller hier keinen guten Job gemacht.
Für Aktionäre zählt am Ende die Gesamtrendite aus Dividenden und Kursentwicklung. Und die ist bei BASF mangelhaft bis ungenügend. Bezieht man noch die Geldentwertung durch Inflation mit ein, hätte es haufenweise attraktivere Möglichkeiten gegeben sein Geld loszuwerden, als es in BASF-Aktien anzulegen.
Mein Fazit
Rund um den Corona-Einbruch herum, Anfang und Ende 2020 stand der Aktienkurs bei 68 Euro. Jetzt sind es 45 Euro und damit ein Drittel weniger. Und das Unternehmen steht mit dem Rücken zur Wand und muss sich aus der Defensive heraus seiner Wettbewerber erwehren. Von denen kommen nicht wenige aus den USA, wo die Unternehmenssteuern und die Energiekosten niedriger sind und große staatliche Fördermittel bereitstehen für ansiedlungswillige Unternehmen.
Der Schmerz wird nicht geringer. Nicht für BASF und nicht für seine Aktionäre. Viele der großen Unwägbarkeiten haben nicht nur BASF getroffen, sondern auch die Wettbewerber. Und doch stehen diese zumeist besser da, insbesondere die US-Firmen.
BASF hat bisher nicht die richtigen Antworten auf die enormen Herausforderungen gefunden. Und wie die jüngste Umsatz- und Gewinnimplosion zeigt, ist das kein Ausrutscher, sondern das Playbook eines schon länger anhaltenden Niedergangs. Der Aktienkurs zeichnet dieses Bild leider korrekt nach.
Die Hoffnung 'es wird schon werden' reicht als Investmentcase nicht aus. BASF war viele Jahre lang ein Underperformer und hat das Zeug dazu, dies zur Tradition zu machen. So traurig dieses Fazit auch ist…
Disclaimer: Habe BASF weder auf meiner Beobachtungsliste noch im Depot/Wiki.
Sehr guter Kommentar. Hatte BASF auf meiner Beobachtungsliste wegen der sehr hohen Dividendenrendite, was ich jetzt aber schnell korrigiert habe. Ein großes Unternehmen hat auch eine große Fallhöhe.
AntwortenLöschenHenrik
Hallo Michael,
AntwortenLöschenich würde mich über deine grundsätzliche Einschätzung zur bereits beginnenden Deindustrialisierung in Deutschland und die daraus ableitbaren Folgen für Deutschland im Allgemeinen und den Aktienmarkt im Besonderen freuen.
VG
Andrej
Moin Andrej,
Löschen'die beginnende Deindustrialisierung Deutschlands' wäre ja ein abendfüllendes Thema. ;-) Generell leidet Deutschland (und Europa) unter einer massiven Überregulierung und viel zu vielen staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft. In den USA wird etwas erfunden und auf die Menschheit losgelassen. Es entwickelt sich, es wird entwickelt, es scheitert, wird verbessert, wird zum Erfolg. Und irgendwann wird die Idee/das Produkt zu groß, zu mächtig und dann beginnt man mit der Regulierung. Bei uns läuft es genau umgekehrt. Sobald jemand eine Idee laut äußert, kommen zuerst die Bedenkenträger und torpedieren jeden konstruktiven Ansatz. Dann kommen regulierende Behörden und Politiker und der Datenschutz - und das Ding ist tot, bevor es richtig angefangen hat zu laufen. Europäische Paymentinitiative als Gegenpart zu VISA/Mastercard? Nach mehr als 10 Jahren der Diskussion totogeritten. Europäische Ratingagentur als Gegenstück zu Moody's und Standard & Poors? Nach 10 Jahren Debatte am Ende. Wäre Corona nicht gewesen, würde BioNTech vermutlich heute noch nicht auch nur eine Freigabe für mRNA haben. Es hat schon seinen Grund, weshalb ein Mainzer Unternehmen an die NASDAQ gegangen ist und kein Börsenlisting in Deutschland hat (hier werden nur ADRs der US-Aktien gehandelt). Das Zeitalter der Digitalisierung haben wir total verpennt. Weiteres Beispiel? Die elektronische Gesundheitskarte - was für eine trostlose Lachnummer. Oder die Behörden-Digitalisierung, die ist sogar gesetzlich vorgeschrieben. Sollte jetzt quasi flächendeckend umgesetzt sein, aber nix is. Das Kompetenzgerangel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hat das Teil von Anfang ohne Herzklappen auf die Reise geschickt.
Und dann die Energiewende... sündhaft teure regenerative Energie ersetzt günstigen Atomstrom. Aber nur in Deutschland, denn überall sonst auf der Welt werden neue Atomkraftwerke gebaut. Hier war Deutschland mal technologisch führend, aber auch das haben wir (die Grünen) verk*ckt. Jetzt sind wir nicht Stromexportland, sondern müssen Unmengen an Strom importieren: aus Kohle, aus Gas und aus Atom. Aber wir Deutschen, wir haben ja die saubere (unbezahlbare) Energie.
Und dann diese Bullshit-Gesetzeserlasse. Handwerklich zusammengestümperte Gesetze werden beschlossen und zwar mit kürzestmöglichen Umsetzungszeiten für die betroffenen Unternehmen. Und dann werden die Gesetz kurzerhand wieder einkassiert oder müssen kräftig nachgebessert werden. Erst denken, dann handeln - das gilt leider nicht mehr in Deutschland.
Es ist unglaublich, was sich dieses Land leistet. Und kein Wunder, dass wir immer weiter abgehängt werden.
So, das waren ein paar Gedanken auf die Schnelle. Und jetzt muss ich mich erstmal wieder abregen...
Dem ersten (langen) Abschnitt stimme ich voll zu. Der Teil über die Energiewende enthält m.E. aber falsche Aussagen:
Löschen- "sündhaft teure regenerative Energie ersetzt günstigen Atomstrom" - stimmt nicht, regenerative Energie ist die bei weitem günstigste Erzeugungsart.
- "Jetzt sind wir nicht Stromexportland, sondern müssen Unmengen an Strom importieren" - stimmt ebenfalls nicht, wir sind netto weiterhin Stromexportland, vor allem weil wir im Sommer halb Europa mit Solarstrom versorgen, während die vielen französischen Atomkraftwerke wg. niedriger Flusspegel trocken laufen.
Guter Artikel. Meiner Meinung lohnt sich gerade jetzt antizyklisch ein Einstieg in die Chemiebranche. Aktuell vergleiche ich mehrere Kandidaten. Eine ähnliche Situation gab es beispielsweise während Corona bei den Ölaktien.
AntwortenLöschenWelche Unternehmen meinste, wenn Du von "Chemiebranche" sprichst? Die Branche an sich als antizyklisches und konjunktursensibles Investment und damit (auch) US-Werte ist ja etwas anderes als ggf. in deutsche Chemieaktien zu investieren. Wegen der unterschiedlichen Rahmen -und Standortbedingungen sind BAF & Co. ja gleich doppelt gekniffen momentan.
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