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Montag, 5. Juni 2023

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Funkwerk: Der Bahnausrüster ist zurück in der Spur…

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 6/2023 vom 02.06.2023

Aktienbesprechungen in dieser Ausgabe:

▶ Grenke, Funkwerk, GESCO, Ringmetall, Vossloh, Mensch und Maschine


Funkwerk: Der Bahnausrüster ist zurück in der Spur…

Funkwerk ist als Ausrüster für Funksysteme für den Bahnverkehr, Infoanzeigen in Bahnhöfen oder auch Videoüberwachungsanlagen tätig. Hier wachsender Markt auf, weil die Bahn massiv digital aufrüsten muss und will. Darüber hinaus expandiert Funkwerk in den Bereich Gebäudetechnik und nutzt seinen starken Cashflow auch gezielt für strategische Übernahmen.

Funkwerk ist eine Ostdeutsche Erfolgsgeschichte. Wieder. Seit 1948 produzierte das Unternehmen am Stammsitz im Thüringischen Kölleda Funkgeräte, Radios und sogar Hörgeräte. Im Jahr 1992 übernahm der bayerische Unternehmer Dipl.-Ing. Hans Hörmann das Unternehmen von der Treuhand und gründete die Hörmann Funkwerk Kölleda GmbH, aus dem im Jahr 2000 dann die Funkwerk AG hervorging.

Der Börsengang erfolgte im November 2000, als die Internetblase und der Neue Markt schon in die Tiefe gerauscht waren, aber der Funkwerkkurs verdoppelte sich innerhalb von sechs Monaten von 20 auf 40 Euro. Es folgte eine wahre Achterbahnfahrt für Unternehmen und Aktionäre, die beinahe in der Pleite endete; die Aktie des einstigen Highflyers siechte zwischen 2012 und 2016 zwischen 3,50 und 1,70 Euro vor sich hin. Seitdem hat sich viel verändert, das meiste zum Positiven.

Absturz nach dem Höhenflug

Das Unternehmen hatte sich eine radikale Schrumpfkur auferlegt und als sich erste Erfolge abzeichneten, kam Mehrheitsaktionär Hörmann Industries mit einem Delisting-Übernahmeversuch um die Ecke. Dabei setzte man den angebotenen Kaufpreis jedoch so niedrig an, dass kaum Aktien angedient wurden. Anschließend unterlag Hörmann einer fünfjährigen Sperrfrist, in der von ihm kein weiteres Angebot mehr vorlegt werden durfte.

Unter den neuen Vorstandschefin Kerstin Schreiber ackerte sich Funkwerk aus dem Jammertal heraus und setzte mit solider Arbeit neue Erfolgserlebnisse. Und der Aktienkurs folgte der Entwicklung und erreichte im Frühjahr 2022 mit 37,50 seinen Spitzenwert aus dem Jahr 2005 – höher, wenn auch nur geringfügig, notierte der Kurs nur 2001.

Das Unternehmen ist heute wieder solide aufgestellt und wirtschaftlich sehr erfolgreich. Die starken Geschäftszahlen aus 2020 und 2021 waren auch einem Sonder-Investitionsprogramm des Bundes geschuldet und so können die aktuellen Zahlen nicht ganz mithalten. Das bekam auch der Aktienkurs zu spüren, der Ende September 2022 auf 18 Euro eingebrochen war, von wo aus er sich inzwischen wieder auf 23 Euro erholt hat.

Zukunftweisendes Geschäftsmodell

Funkwerk ist ein technologisch führender Anbieter für innovative Kommunikationssysteme im Bereich der LTE-, GSM-R- oder analoge Funknetze. Darüber hinaus ist man ein anerkannter Hersteller von Fahrgastinformations– und Sicherheitslösungen. Unter dem Dach der Funkwerk AG sind heute mehrere Tochterunternehmen vereint, die gemeinsam maßgeschneiderte Systemlösungen für Bahnbetriebe, Fahrzeughersteller, Industrieunternehmen und Institutionen auf der ganzen Welt entwickeln und realisieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf professionellen Funkausrüstungen für Bahnbetriebe, den öffentlichen Personennahverkehr, die Binnenschifffahrt und Flughäfen, aber auch auf intelligenten elektronischen Informations- und Sicherheitssystemen zum Schutz von Gebäuden, Plätzen, Industrieobjekten, Anlagen und Personen.

Gut sortiertes Leistungsspektrum

Das Leistungsspektrum des Funkwerk-Konzerns ist in vier Geschäftsbereiche untergliedert. Unter 'Mobilfunk- und Kommunikationssysteme für schienengebundenen Verkehr' (Zugfunk) bietet Funkwerk Lösungen für die Sprach- und Datenkommunikation im Zugverkehr über analoge sowie digitale Mobilfunknetze (GSM-R, 4G, 5G) an. Dazu gehören Cab-Radios, die weltweit in mehr als 40 Ländern im Einsatz sind, Funkmodule, Daten- und Handfunkgeräte. Zielkunden sind globale Bahnunternehmen und Fahrzeughersteller.

Bei 'Reisendeninformation' geht es um stationäre visuelle und akustische Systeme für den Innen- und Außenbereich. Diese informieren aktuell, umfassend und konsistent mittels unterschiedlicher Medien über den gesamten Reiseverlauf und gewährleisten eine hohe Informationsqualität. Basis ist ein weltweit einsatzfähiges Softwaresystem, das individuell nach Kundenwunsch konfigurierbar ist.

Unter 'Videosysteme' werden professionelle Video-Sicherheitsanwendungen im Objektbereich zur Gebäude- und Prozessüberwachung angeboten. Sie werden unter anderem auf Bahnhöfen, im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), auf Autobahnen, in Produktionswerken, Botschaften oder Finanzhäusern eingesetzt. Funkwerk konzentriert sich insbesondere auf die maßgeschneiderte Auswertung und Aufbereitung der Daten über Managementsysteme, Videoanalytik oder intelligente Bildverarbeitung.

Das Segment 'Technische Dienstleistungen' kam durch die 2022 erfolgte Akquisition der Hörmann Kommunikation &Netze GmbH (KN) neu ins Angebotsspektrum. Als technischer Dienstleister in den Bereichen Kommunikationstechnik, Leitungsbau, Energie-Anlagen sowie Wartung und Service agiert KN als Full-Service-Partner für Kunden insbesondere aus dem Bereich der Kritischen Infrastrukturen. Als Partner für die Installation von Funkwerk-Produkten arbeitet das Unternehmen in diesem Geschäftsfeld bereits seit vielen Jahren erfolgreich mit Funkwerk zusammen. Die gute Marktstellung von KN eröffnet Funkwerk zum einen die Möglichkeit, Funkwerk-Lösungen breiter zu vermarkten, zum anderen können künftig komplexere Ausschreibungen bedient werden, die neben der reinen Lieferung von Systemen auch die Installation und kundenspezifische Full-Service-Konzepte mit kurzen Reaktionszeiten erfordern.

In allen Geschäftsbereichen implementiert Funkwerk zunehmend intelligente Analyse-Funktionen in die Anwendungen, Applikationen und Systeme. Abgerundet wird das Spektrum durch ein komplexes Serviceangebot, insbesondere Engineering- und Dokumentationsleistungen, Schulung, Support, Wartung und Instandhaltung sowie die Reparatur der Anlagen und Systeme.

Starke Perspektiven

Funkwerk ist ein indirekter Profiteur der neuen Politik, die auf die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft setzt. In ihrer Folge soll immer mehr Warenverkehr soll vom LKW auf die Schiene verlagert werden und Funkwerk profitiert davon, dass die Bahn ihre Schienenwege mit besserem Mobilfunk-Empfang ausrüstet und hierfür auf störfeste Komponenten und Systeme umrüsten lässt.

Des Weiteren sollen mehr Menschen den ÖPNV nutzen, die Innenstädte werden zunehmend autofrei gestaltet. Auch das spielt Funkwerk in die Karten.

Dabei rekrutiert sich Funkwerks internationaler Kundenkreis überwiegend aus Bahnbetreibern und Schienenfahrzeugherstellern, dem öffentliche Verkehrs- und Transportwesen, Industriebetrieben, Energie- und Versorgungsunternehmen, Behörden, Institutionen des Gesundheitswesens sowie Städten und Freizeiteinrichtungen. Dabei ist ein großer Anteil der Kunden der Kritischen Infrastruktur zuzuordnen, was erhöhte Anforderungen an die Sicherheit und Verfügbarkeit der Produkte und Lösungen stellen. Auf der anderen Seite stellt dies auch einen Wettbewerbsschutz gegenüber möglichen neuen Konkurrenten dar.

2022er Zahlen unter Vorjahr aber über Plan

Ende April hat Funkwerk Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr 2022 vorgelegt. Auf Zwischenmeldungen verzichtet das Unternehmen, weil die Notiz im untergeordneten Börsensegment es dazu nicht verpflichtet.

Zu berücksichtigen ist die erstmalige Einbeziehung der Hörmann Kommunikation & Netze GmbH ab dem 1. August 2022, die sich positiv auf Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage auswirkt. Der Konzernumsatz stieg 2022 um 7,8 % von 122,5 Mio. Euro auf 132,1 Mio. Euro (bereinigt um KN: 109,9 Mio. Euro), das Betriebsergebnis (EBIT) belief sich auf 28,3 Mio. Euro (bereinigt um KN: 27,3 Mio. Euro; Vorjahr: 35,0 Mio. Euro).

Der Vorjahresumsatz war geprägt von außergewöhnlich hohen Sonderumsätzen im Geschäftsbereich Zugfunk infolge des staatlichen Förderungsprogramms zur Umrüstung von Zugfunkendgeräten auf störfeste GSM-R-Systeme. Neben den daraus resultierenden Bestellungen zur Umrüstung bestehender Systeme bei Funkwerk gingen mehrere größere Aufträge in den Bereichen Reisendeninformation und Videosysteme ein.

Quelle: wallstreet-online.de
Zusätzlich enthielt der konzernweite Auftragseingang 2022, der sich gegenüber dem Vorjahr von 118,0 Mio. Euro auf 138,9 Mio. Euro erhöhte, die Bestellungen der KN. Der Als-Ob-Auftragseingang (exklusive KN) belief sich auf 124,5 Mio. Euro. Der Auftragsbestand des Konzerns stieg zum Jahresende 2022 auf 152,7 Mio. Euro (bereinigt um KN: 86,4 Mio. Euro, 31.12.2021: 71,9 Mio. Euro).

Die Ertragslage war im Berichtsjahr neben der Erweiterung des Konsolidierungskreises geprägt von den verschärften Störungen auf den weltweiten Beschaffungsmärkten. Zusätzlich zu Preissteigerungen insbesondere im Bereich Energie und bei einzelnen Zukaufprodukten, die durch den Krieg in der Ukraine nochmals erheblich verstärkt wurden, kam es vor allem auf dem Markt für elektronische Bauteile zu deutlichen Lieferproblemen. Trotz der zusätzlichen Belastungen übertraf das Betriebsergebnis (EBIT) des Funkwerk-Konzerns mit 28,3 Mio. Euro die geplante Bandbreite von 22 bis 25 Mio. Euro (Vorjahr: 35,0 Mio. Euro). In der Als-Ob-Rechnung, bereinigt um alle mit dem KN-Erwerb verbundenen Effekte, ergibt sich ein Betriebsergebnis von 27,3 Mio. Euro.

Solide Bilanz

Die Finanz- und Vermögenslage des Funkwerk-Konzerns stellt sich weiterhin sehr positiv dar. Die Eigenkapitalquote lag am Jahresende 2022 bei soliden 56,4 % (31.12.2021: 58,4 %), der Bestand an liquiden Mitteln belief sich auf 50,7 Mio. Euro (Vorjahr: 76,0 Mio. Euro). Der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit betrug 8,4 Mio. Euro (Vorjahr: 26,5 Mio. Euro). Der Mittelabfluss ging auch auf den Erwerb der KN zurück.

Der Auftragseingang lag 2022 bei 138,9 Mio. Euro (2021: 118,0 Mio) und der Auftragsbestand legte auf 152,7 Mio. Euro zu (31.12.2021: 71,9 Mio.). Dieser Zuwachs war auch, aber nicht nur, auf die KN-Übernahme zurückzuführen.

Durchwachsene Prognose für 2023

Funkwerk erwartet einen Umsatz von 140 Mio. Euro bis 145 Mio. Euro und ein EBIT zwischen 17 und 19 Mio. Euro. Der Umsatz soll also zulegen und zwar organisch um 5 bis 8 % nach Funkwerks Planungen, während der operative Gewinn weiter zurückgeht. Diese Kombination weckt erstmal keine große Euphorie.

Kräftiger Dividendenanstieg

Das sieht hinsichtlich der Dividenden schon anders aus. In der Vergangenheit zeigte sich Mehrheitsaktionär Hörman hier zugeknöpft und wenig interessiert an hohen Ausschüttungen. Inzwischen hat man aufgrund des strauchelnden Automotive-Segments durchaus Kapitalbedarf und auch unter diesem Aspekt dürfte der neue Dividendenvorschlag zu werten sein: Denn Vorstand und Aufsichtsrat werden der ordentlichen Hauptversammlung am 4. Juli 2023 eine laufende Dividende von 0,50 Euro (Vorjahr: 0,30 Euro) und eine Sonderdividende von 1,00 Euro (Vorjahr: 0,70 Euro) vorschlagen. Vorbehaltlich der Zustimmung der Hauptversammlung errechnet sich daraus eine Ausschüttungssumme von 12,1 Mio. Euro (Vorjahr: 8,1 Mio. Euro). Die Dividendenrendite läge damit bei beachtlichen 6 %.

Zukauf im Bereich Zugfunk

Mit den verbleibenden liquiden Mitteln weiß Funkwerk durchaus etwas anzufangen. Ende April wurde der 60-prozentige Einstieg bei der polnischen Radionika Sp.z.o.o. bekannt gegeben, womit Funkwerk seine internationalen Expertise im Bereich Zugfunk vergrößern will.

Radionika ist auf die Entwicklung und Herstellung von Zugfunkterminals unter der Marke Koliber und Funkkommunikationssystemen für Eisenbahninfrastrukturen spezialisiert. Im Durchschnitt der letzten vier Jahre erwirtschaftete das rund 20 Mitarbeiter zählende Unternehmen einen Umsatz im mittleren einstelligen Millionenbereich und eine attraktive EBIT-Marge.

Mit der Übernahme kann Funkwerk seine Entwicklungsressourcen sowie die vertrieblichen Optionen erweitern und seine internationale Stellung bei Mobilfunksystemen für den Schienenverkehr ausbauen. Zudem bieten sich neue Marktzugänge insbesondere im osteuropäischen Raum.

Bullcase vs. Bearcase

Funkwerk ist in einem wachsenden Markt tätig und expandiert. Negativ sind die langem Projektlaufzeiten und die Abhängigkeit von öffentlichen Ausschreibungen. Andererseits stellen diese auch hohe Wettbewerbshürden für neue Konkurrenten dar.

Das Unternehmen bringt nach dem Kursrückgang noch rund 185 Mio. Euro auf die Waage und ist damit kein Börsenschwergewicht. Die Kriegskasse ist auch nach Zahlung der Dividenden weiterhin gut gefüllt und bietet Raum für weitere Zukäufe. Die Bewertung sieht trotz der in absehbarer Zeit wohl rückläufigen Gewinne nicht unattraktiv aus und die Aktie könnte sich für geduldige Anleger als attraktive Depotbeimischung erweisen. Unter Berücksichtigung der Marktenge aufgrund des geringen Streubesitzes und der eingeschränkten Kapitalmarktinformation.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Funkwerk wissen muss

  1. Funkwerk ist in einem attraktiven Markt tätig, der von den politischen Strömungen Richtung Dekarbonisierung profitiert.
  2. Die Bilanz ist solide, die Eigenkapitalquote hoch und die gut gefüllte Kriegskasse bietet Raum für weitere Übernahmen in aussichtsreichen Branchen mit Synergiepotenzial.
  3. Der hoher Auftragsbestand und lange Projektlaufzeiten sorgen für ein gut prognostizierbare Entwicklung und günstige Finanzierungskonditionen bei den Banken.
  4. Funkwerk ist vergleichsweise günstig bewertet und neigt dazu, unterjährig seine oftmals zu konservativen Prognosen anheben zu müssen.
Disclaimer: Habe Funkwerk auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für den guten, zusammenfassenden Artikel!
    Eine Korrektur zu "Auf Zwischenmeldungen verzichtet das Unternehmen":
    Seit Q3/22 gibt es Pressemitteilungen zum jeweiligen Quartal. Dies aber nicht unter Investor Relations, sondern versteckt im "Newsroom" von Funkwerk:
    https://funkwerk.com/newsroom/

    Meldung zu Q1/2023: https://funkwerk.com/corporate-news/pressemitteilung-zum-quartalsbericht-01-2023/

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