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Aktien Report Nr. 137 vom 16.06.2023
Kein Scherz: Dividenden sind überhaupt nicht der Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Dividendenstrategie
Dividenden sind beliebt bei Anlegern und das aus vielen Gründen. Zunächst einmal sind sie als Gewinnbeteiligung unmittelbarer Ausdruck des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens und sie stellen auch einen Einkommenszufluss dar. Angesichts immer schwindsüchtiger werdender Leistungen der gesetzlichen Rentenkassen wächst die Bedeutung alternativer Einkommensflüsse, um der Altersarmut zu entgehen. Mieten, Zinsen, Dividenden sind hier die Klassiker.
Auch die Statistik lässt aufhorchen, denn Aktien von Unternehmen mit Dividendenausschüttungen performen auf lange Sicht besser als die von Dividendennudisten. Und das trotz der starken Performance von Amazon, Alphabet und vergleichbaren Nicht-Dividendenzahlern.
Dank der zeitweilig galoppierenden Inflation können Sparer inzwischen wieder messbare Zinserträge einstreichen. Jedenfalls wenn man nicht so genau hinsieht. Die Notenbanken haben in einer bisher ungeahnten Geschwindigkeit die Zinssätze von Null auf über 3 % gehievt und die Banken geben diese – widerwillig – weiter. Aber natürlich nicht so sehr, wie die Leitzinsanhebungen es zuließen. Und dann ist da ja noch die hartnäckige Inflation, die sich bei rund 5 % festgebissen hat. Netto verlieren Sparer also weiterhin Geld. 3,5 % Zinsen einzustreichen bei einem gleichzeitigen Kaufkraftverlust von 5 % ist ein Minusgeschäft. Zumal die Zinsen auch noch versteuert werden müssen!
Dividenden sind (nicht mehr) der neue Zins
'Dividenden sind der neue Zins' war ein geflügelter Begriff geworden als die Zinsen um die Nullmarke notierten und Banken und Sparkassen von Otto Normalkunde sogar Strafzinsen (auch 'Verwahrentgelt' genannt) auf dem Privatgirokonto einforderten. Wenn das Tagesgeld oder das Sparbuch keine Zinsen mehr bringt und Anleihen ebenso wenig, sehen Dividendenrenditen von drei Prozent und mehr entsprechend verlockend aus. Also eine sichere Sache, sollte man meinen. Wirklich?
Kritiker wenden ein, Zinsen seien 'sicher'. Man erhält sie während der gesamten Laufzeit der Anlage und am Ende auch sein eingesetztes Kapital zurück. Dividenden hingegen würden ja direkt nach der Ausschüttung durch den sogenannten Dividendenabschlag vom Kurs abgezogen, so dass Aktionäre hier keinen Vorteil hätten. Im Gegenteil, durch den sofortigen Steuerabzug gehen direkt mehr als 25 % an das Finanzamt.
Bei Anleihen läuft es allerdings auch nicht anders. Kauft man diese, bezahlt man zusätzlich zum Kurs die sog. Stückzinsen. Also den Zinsanteil, der bis zum Kauftag im jeweiligen Jahr bereits angefallen ist. Verkauft man die Anleihe vor dem Zinszahlungstag, erhält man dem entsprechend die aufgelaufenen Stückzinsen gutgeschrieben. Auch hier verändert sich also der Wert der Anlage und es fallen Steuerabzüge an. Und wie Anleiheanleger inzwischen am eigenen Leib erfahren haben, wirken sich steigende Zinsen nicht gerade positiv auf börsennotierte Anleihekurse aus. Eine alte Erkenntnis, die aber viele Anleger neu lernen mussten in den letzten anderthalb Jahren.
"Alles in allem ziehe ich Aktien vor. Die Leute machen sich Sorgen über das Risiko von Aktien, aber Anleihen können genauso riskant sein. Schauen Sie sich an, was mit dem Kurs eines Rentenfonds passiert, wenn die Zinsen das nächste Mal um 2 % steigen."(Peter Lynch, 1997)
Aktien bieten gegenüber Anleihen noch einen weiteren, ganz entscheidenden Vorteil: Bei Aktienanlagen handelt es sich nicht um Fremdkapital, sondern um Eigenkapital, das man dem Unternehmen zur Verfügung stellt. Man ist daher am Gewinn beteiligt. Anleihen begrenzen die Renditechancen von vorherein auf den fest vereinbarten Zinssatz (sofern man nicht mit börsennotierten Anleihen an der Börse 'jongliert'), während die Gewinne eines Unternehmens grundsätzlich nicht in der Höhe beschränkt sind. Die Kehrseite ist natürlich, dass fallende Gewinne oder gar Verluste die Dividende in Gefahr bringen können, während die Zinsen für die Anleihe weiter bedient werden (müssen).
Der Blick aufs Risiko
Und dann bleibt noch die Risikobetrachtung. Zinsen sind der Preis für das Risiko, das mit der Anlage über die gesamte Laufzeit einhergeht. Bei Sparbüchern oder Tagesgeldkonten sind Einlagen bis zu bestimmten Obergrenzen durch die Einlagensicherung abgesichert. Das Risiko ist also verhältnismäßig niedriger als bei Anleihen oder Aktien. Bei einer Aktiengesellschaft ist man Miteigentümer und damit als letzter in der Reihe, wenn es bei einer Pleite noch etwas zu verteilen gibt. Als Anleihegläubiger steht man vor den Aktionären in der Schlange, aber die Quoten bei Pleiten sind ebenfalls verschwindend gering und selten über 20 %. Man schaue einfach mal auf die vielen sogenannten 'Mittelstandsanleihen', von denen ein Großteil die Anleger um enorme Summen gebracht hat. Chance und Risiko gehen auch bei der Geldanlage immer Hand-in-Hand. Der langfristige Erfolg von Aktien, und insbesondere von Unternehmen mit Dividendenzahlungen, spricht indes ganz klar für Aktien als Anlage. Vor allem, solange das Zinsniveau nicht nachhaltig über 4 % ansteigt.
Der Dividendeninvestor
An dieser Stelle kommen wir zu einer besonderen Spezies unter den Aktienanlegern, dem Dividendeninvestor. Bei diesem steht nicht die Aussicht auf Kurssteigerungen im Zentrum seiner Aktienauswahl, sondern das Erzielen von Dividendeneinnahmen. Die Aktien und ihre Kurse sind für ihn dabei nur Mittel zum Zweck. Das klingt zunächst nicht schlüssig, denn hohe Dividendeneinnahmen machen einen nicht reich, wenn gleichzeitig die Aktienkurse in den Keller abstürzen. Trotz dieses Widerspruchs ist die Dividendenstrategie ziemlich erfolgreich und das hat handfeste Gründe. Aber andere, als man denkt.
Dem Dividendeninvestor geht es um einen stetigen Dividendenstrom, also nicht um einmalige hohe Dividendeneinnahmen, sondern eine kontinuierlich sprudelnde Einnahmequelle, die möglichst das ganze Jahr über ein zusätzliches Einkommen generiert. Und da man dafür nicht arbeitet, spricht man von passivem Einkommen. Dividendeninvestoren generieren also ihren eigenen Cashflow.
Der Fokus bei dieser Strategie liegt also darin, Aktien auszuwählen mit attraktiven - und sicheren, am besten steigenden - Dividendenzahlungen und seine Investments so zu streuen, dass sich die einzelnen Dividendenzahlungen zu einem stetigen Einkommensstrom ergänzen. Auch aus diesem Grund finden sich in den Depots der Dividendeninvestoren zumeist amerikanische Unternehmen viel stärker gewichtet als deutsche. Denn in den USA ist es üblich, quartalsweise oder sogar monatlich Dividenden anteilig auszuschütten, während es in Deutschland in der Regel nur einmal jährlich eine Dividende gibt.
Die Dividendenstrategie schränkt allerdings auch die Auswahl an möglichen Investments weiter ein, weil zyklische Branchen starken Schwankungen unterliegen und somit auch ihre Dividendenzahlungen. Die Stahlindustrie oder die Chipbranche haben stark schwankende Unternehmenszyklen und daher sind ihre Aktien zur Generierung eines stetigen Dividendenstroms nicht wirklich geeignet. Viel eher kommen Konsumgüteraktien infrage, weil deren Produkte in jeder Konjunkturlage gekauft werden. An Windeln, Zahnpasta, aber auch Nahrungsmitteln und Medikamenten spart man nicht, nur weil das Geld knapper wird. An Reisen oder Neuwagen hingegen schon.
Allerdings gilt auch für Dividendeninvestoren das Gesetz von Angebot und Nachfrage und die zunehmende Beliebtheit der Dividendenstrategie, aber auch die immer zahlreicheren Nachahmer von Value Investoren wie Warren Buffett führen dazu, dass die Kurse dieser sogenannten defensiven Aktien tendenziell höher notieren und sie deshalb nicht gerade als preiswert bezeichnet werden können. Was für Value Investoren zu Problemen führt, für Dividendeninvestoren hingegen nicht unbedingt. Denn diese orientieren sich am Dividendenstrom, nicht so sehr am Kaufpreis für ihre Aktien.
Regelmäßige Sparraten
Nun wissen auch Dividendeninvestoren natürlich, dass sie bei niedrigen Kursen mehr Aktien kaufen können. Und mehr Aktien erzeugen auch einen höheren Dividendenstrom. Hier kommt ein weiterer Faktor ins Spiel, die Sparquote. Denn die meisten Dividendeninvestoren geben Monat für Monat einen Teil ihres Einkommens nicht aus, sondern kaufen stattdessen regelmäßig weitere Dividendenaktien. Das bringt den Vorteil des sogenannten Cost-Average-Effekts, den man auch vom Fondssparen her kennt. Wenn man jeden Monat den gleichen Betrag in einen Fondssparplan einzahlt, verlieren Kursschwankungen einen Teil ihres Schreckens. Denn fallen die Kurse, kauft man für den gleichen Betrag mehr Fondsanteile. Und so ist es auch bei den Dividendeninvestoren und ihrer Sparquote. Sie kaufen ständig weitere Aktien hinzu und erhöhen damit ihr Dividendeneinkommen. Und je höher das passive Einkommen aus Dividenden ansteigt, desto mehr steht auch aus dieser Quelle für weitere Investments zur Verfügung. Im Grunde wird hier der Zinseszinseffekt genutzt, so dass steigendes passives Einkommen weiteres steigendes passives Einkommen generiert.
Allerdings sollte man sich von dem Mythos verabschieden, der Cost-Average-Effekt bringe Kostenvorteile mit sich und/oder ermögliche niedrigere Einstiegskurse. Das ist Tinneff, Bullshit, Volksverdummung! Den Quatsch haben sich die Drückerkolonnen der Investmentfondsverkäufer in den 1980er Jahren ausgedacht, um ihre Produkte an den Mann (oder die Frau) bringen zu können. Aber einen, nein eigentlich sogar zwei entscheidende Vorteile bietet das regelmäßige Investieren doch:
Vorteil Nr. 1: Man legt überhaupt Geld an!
Indem man monatlich freies Geld in Aktien investiert, erhöht man sukzessive seinen Aktienbestand und natürlich auch seinen Dividendenstrom. Aktien bringen inflationsbereinigt zwischen 7 und 9 % Rendite pro Jahr. Und hierbei sind bereits alle Crashs und Kursrücksetzer mit eingerechnet. Crashs, bei denen man mit seiner Sparrate dann auch zu äußerst günstigen Kursen viel mehr Aktien kauft! Durch die regelmäßigen Aktienkäufe verpulvert man das Geld nicht für etwas anderes, was die meisten Menschen ansonsten unweigerlich tun.
Vorteil Nr. 2: Man überlistet das elendige Thema Markettiming!
Darüber hinaus sorgt regelmäßiges Aktiensparen dafür, dass der Anleger nicht versucht, den günstigsten Zeitpunkt für die Aktienanlage zu treffen. Zwar denkt jeder, dass er dieses Markettiming drauf hätte, aber die Realität sieht anders aus: Fast jeder Anleger ist eine Vollniete beim Markettiming und kauft und verkauft immer mit der breiten Masse und damit zum genau falschen Zeitpunkt. Der Erfolgsgrundsatz lautet: 'Time in the market beats timing the market'.
"Man benötigt kein perfektes Timing, um überragende Renditen zu erzielen. Zeit im Markt schlägt Timing des Marktes."
Buy & Hold wirkt. Wirklich!
Als nächsten Pluspunkt können wir einen psychologischen Faktor verbuchen: Wer auf regelmäßiges Aktiensparen setzt, unterliegt seltener der Versuchung, Aktienpositionen in seinem Depot auszutauschen. Gerade weil man bei gesunkenen Aktienkursen mehr Aktien für die gleiche Sparrate kauft, wird das Verlangen, Verlustpositionen aus dem Depot zu werfen, unterdrückt.
Der Aktiensparer starrt also nicht so sehr auf die Börsenkursschwankungen, sondern fährt de facto einen klassischen Buy-and-Hold-Investmentansatz: Kaufen, liegenlassen, Gewinne zählen. Und zwar solange, wie das Unternehmen nicht in Schieflage gerät oder sich grundlegende Dinge zum Negativen hin entwickeln.
Das ist ein entscheidender Faktor, auch für Einkommensinvestoren. Nur, weil der Fokus auf Dividenden liegt, darf man keinesfalls die Qualität der Unternehmen ausblenden.
"Dividendenzahlungen bieten keine absolute Sicherheit, denn sie können gekürzt oder ganz gestrichen werden und Dividenden zahlende Unternehmen können Pleite gehen."(Ken Fisher)
Stehen die Gewinne in einem Unternehmen im Feuer, verliert es seine Fähigkeit, Dividenden auszuschütten. Und wenn es dies doch tut, geht das zulasten der Substanz und schädigt das Unternehmen. Auf lange Sicht die verlässlichste Abfahrt in die Pleite!
Anleger müssen also stets ihre Unternehmen im Blick behalten und überprüfen, dass diese die Qualitäten, die bei der Aktienauswahl entscheidend waren, weiterhin beibehalten. Diese Qualitätskontrolle ist sowohl während der Sparphase nötig, aber natürlich auch vor dem ersten Kauf. Auch als Dividendeninvestor sollte man (nur) auf die besten Unternehmen setzen, von Anfang an, denn das reduziert die Notwenigkeit, später einmal Aktien austauschen zu müssen.
"Die erste Regel beim Compounding ist, es nie unnötig zu unterbrechen."(Charlie Munger)
Setzen Dividendeninvestoren nicht auf regelmäßiges Aktiensparen, sondern bevorzugen Einmalinvestments, dann steuern sie ihre Nachkäufe oftmals über die Dividendenrendite. Wenn diese außergewöhnlich hoch ist, greifen sie zu. Denn dies impliziert, dass entweder die Dividende gerade deutlich angehoben wurde, oder - in den meisten Fällen - der Aktienkurs gerade eingebrochen ist. Antizyklisches Kaufen verspricht die höchsten Renditen!
So clever das klingt, sollte man allerdings auch hier immer zuerst auf das Risiko schauen und nicht zuvorderst auf die Rendite. Also erstmal in Erfahrung bringen, weshalb der Kurs so eingebrochen ist. Und wenn es handfeste Gründe dafür gibt, wie eine anstehende Pleite oder ähnliches, dann lieber eine andere Aktie für den Kauf aussuchen. Denn auch Dividenden können gekürzt oder ganz gestrichen werden, weil sie ja ‚nur‘ Teil des Unternehmensgewinns sind. Und für eine nachhaltige, nicht Substanz verzehrende, Dividendenpolitik muss das Unternehmen erstmal Gewinne machen...
"Compounding ist schwierig, weil sich ein schlechter Monat länger anfühlen kann als ein gutes Jahrzehnt."
Zuletzt schützt eine konsequent angewandte Dividendenstrategie nicht davor, auf ein Depot mit vielen blutroten Vorzeichen blicken zu müssen. Solche Phasen passieren immer mal wieder, Crashs und Bärenmärkte kommen alle paar Jahre vor. In solchen Phasen konsequent weiter seinen freien Cashflow in die besten Dividendenaktien zu investieren, ist auf lange Sicht erfolgversprechend. Mehr für das gleiche Geld bekommen und gleichzeitig sein Dividendeneinkommen noch stärker auszubauen, das klingt doch wirklich viel versprechend.
Mein Fazit
Die Dividendenstrategie vereint also gleich mehrere Faktoren in sich, die Experten wie Warren Buffett oder Charlie Munger als grundlegende Erfolgsgaranten für einen langfristigen Erfolg an der Börse benennen. Man muss sich keine Gedanken darüber machen, ob Dividendenausschüttungen eher positiv oder negativ einzuschätzen sind; die Dividendenstrategie diszipliniert ihre Anwender in den entscheidenden Punkten und macht sie so zu besseren, erfolgreicheren Anlegern.
Die Dividendenstrategie funktioniert - aber anders als man vermuten sollte. Während zumeist davon ausgegangen wird, dass es alleine darum geht, die besten Aktienwerte auszuwählen, spielt sie ihre Stärken ganz woanders aus: sie trickst die Psychologie aus, die Anlegern seit Erfindung der Börse immer wieder im Weg steht. Die Dividendenstrategie fördert das regelmäßige Investieren in Aktien und füttert die Kraft des Zinseszinses zusätzlich an. Das sind ihre Erfolgsfaktoren. Aber letztlich ist ja egal, was wirkt, wenn es denn wirkt. Und die Dividendenstrategie wirkt!
"Investieren ist eine lebenslange Reise, die man gar nicht früh genug beginnen kann."(Tom Gardner, Gründer von 'The Motley Fool')
Und dabei ist sie so simpel, dass sie auch Privatanleger ohne große Börsenexpertise schnell verstehen und umsetzen können. Und so schließt sich der Kreis und wir landen wieder bei Warren Buffett, der Anlegern rät: 'Keep it simple'. Also, einfach mal loslegen, je früher, desto ertragreicher…
Disclaimer: Habe Berkshire Hathaway auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.
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