Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" im Email-Postfach und man kann sich ▶ hier beim "Geld Anlage Report" anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.
Aktien Report Nr. 133 vom 19.05.2023
FinTechs Opendoor, StoneCo, SoFi - Are you ready for the Comeback?
Die heutige Ausgabe beschäftigt sich mit Halbwahrheiten. Die sind der Normalfall an der Börse, denn selten kennen Anleger alle Fakten und noch seltener finden sie Investments, bei denen es keinen Pferdefuß gibt. Irgendwas ist immer! Und wenn wirklich alles passt, kein Risiko unbeachtet und die Chancen offensichtlich sind, ja dann ist die Bewertung bestimmt entsprechend hoch und das tollste Unternehmen wird zu einem schlechten Investment, wenn man es zu teuer einkauft.
Dabei steigen die Börsen langfristig mit rund 8 % pro Jahr und da sind bereits die ganzen Crashs, kriege, Pandemien usw. eingerechnet. Sie stiegen an der 'Wall of Worries', der Mauer der Angst. Die gehört dazu, die spielt immer mit und Anleger müssen sie als Fakt akzeptieren. Oder die Finger von Aktien lassen. Eine weitere Alternative gibt es nicht.
Halbwahrheit: Börsen stürme Richtung Allzeithoch
Also zurück zu den Halbwahrheiten, mit denen wir gerade konfrontiert sind: Die Aktien nähern sich ihren Allzeithochs. Ja, der DAX notiert über 16.000 Punkten und damit beinahe auf Allzeithoch, der Dow Jones hat weniger als 10 % zu klettern bis zu seinem Allzeithoch bei 36.800 Punkten, die er Ende 2021 markierte und dem S&P 500 fehlt annähernd genauso viel, während die NASDAQ noch deutlich mehr aufzuholen hat. Und doch… es sind vor allem die großen Technologiewerte Apple und Microsoft, die US-Börsen nach oben gezogen haben, während die breite Masse an Aktien dem Aufschwung hinterher sieht. Es fehlt also an Marktbreite und das sollte durchaus als Risikofaktor angesehen werden.
Halbwahrheit: Kredite werden zur Mangelware
Eine weitere Halbwahrheit gefällig? Es ist ein eindeutiger Rezessionsindikator, dass Banken die Kreditvergabe einschränken. So war es bisher immer und das ist auch nachvollziehbar, denn Liquidität ist der Sauerstoff der Wirtschaft (und der Börse) und wenn die Banken Konsumenten und Unternehmen den Geldhahn zudrehen, dann werden deren Ausgaben und Investitionen abgewürgt und damit die gesamte Wirtschaft. Aber… Banken verlieren als Finanzierungsquellen für Privatleute und Unternehmen zunehmend an Bedeutung und dieser Trend beschleunigt sich seit einigen Jahren immer stärker. Das beklagt auch Jamie Dimon, CEO der größten US-Bank JPMorgan Chase und nach Aussage von Starinvestor Warren Buffett der beste Banker unserer Zeit. Angesichts der 'kleinen Finanzkrise' und strauchelnder Regionalbanken sind stärkere Regulierungsvorschriften in den USA absehbar und auch nötig. Dimon sieht das auch so, hofft aber, dass die Regulierer den Bogen nicht überspannen. Denn während die Banken inzwischen 'too big to fail' sind und als systemrelevante Institute unter ganz besonders starker Beobachtung und enger Kontrolle seitens der Aufsichtsbehörden stehen, etablieren sich alternative Finanzierungspartner als finanzstarke Wettbewerber und können bei Unternehmen und Bürgern ordentlich punkten.
"Das Bankensystem als Größe im Verhältnis zur Weltwirtschaft wird immer kleiner (...) Inzwischen hat man 80% des Hypothekengeschäfts außerhalb des Bankgeschäfts und es gibt eine immer größere Menge an Privatkrediten außerhalb des Bankwesens (...) und es werden immer mehr Bereiche, einer nach dem anderen, die das Bankgeschäft verlassen, weil sie draußen günstiger behandelt werden. Und die Aufsichtsbehörden (...) irgendwann werden sie die Banken aus dem Bankgeschäft herausreguliert haben."(Jamie Dimon im Dezember 2020)
Jamie Dimon beklagte diese Entwicklung bereits vor zweieinhalb Jahren und seitdem hat sich für ihn und seine Großbank die Situation noch verschärft. Denn Alternative Asset Manager wie Apollo Global Management, Blackstone Group oder KKR drängen immer stärker in den Markt für Immobilien-, Unternehmens- und Konsumentenfinanzierungen. Und sie unterliegen dabei nicht der strengen Bankenregulierung, so dass sie agiler sind und bessere Margen einfahren können.
Business Development Companies
Und sie alle haben längst das Feld der Business Development Companies für sich erschlossen und sind mit eigenen Unternehmen am Start. BDCs sind klassische Mittelstandsfinanzierer und wurden als Rechtsform als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise von 1929 ins Leben gerufen. Sie sind weitgehend steuerbefreit, solange sie den Großteil ihrer Gewinne als Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten. Die Dividendenrenditen sind entsprechend hoch: Die bis August 2022 als Apollo Investment firmierende BDC Midcap Financial Investment Corp. (MFIC) bringt es aktuell auf 13,2 %, Blackstone Secured Lending Fund (BXSL) auf 9,6 % und FS KKR Capital (FSK) inkl. der soeben verkündeten Sonderdividende sogar auf knapp 15 %. Und während die Banken sich die Taschen zugeknöpft haben bei der Kreditvergabe werden BDCs mit Anfragen von Unternehmen geradezu überlaufen. Da sie, wie die Alternativen Asset Manager selbst, fast alle auf hohen Geldbergen sitzen, verteilen dieses Geld liebend gern an die besten Kreditsuchenden. Zumeist zu variablen Kreditkonditionen, so dass sie von dem erhöhten Zinsniveau zusätzlich und ordentlich profitieren.
FinTechs
Es gibt aber auch noch eine Reihe von FinTechs, die im aktuellen Wirtschaftsumfeld richtig gute Geschäfte machen und dabei auch von der Kreditverknappung seitens der Banken profitieren. Wenngleich man es ihren Börsenkursen (noch) nicht ansieht, denn die sind allesamt implodiert!
Aber das liegt (Spoiler: es folgt eine weitere Halbwahrheit!) vor allem an der zuvor überbordend optimistischen Einschätzung der Börsianer und den teilweise astronomischen Bewertungen, die den FinTechs zugebilligt wurden. Ein Phänomen, das auf viele Technologiewerte zutraf.
Hier erfolgt mein beinahe schon obligatorischer Schwenk zum 'Ankereffekt', dem Wahrnehmungsverzerr und Renditekiller. Schaut man auf den Kursverlauf der meisten FinTechs der letzten Jahre, sieht man nach einem steilen Anstieg irgendwann in 2021 das erreichte Allzeithoch und danach einen gewaltigen Kursabsturz. Dieses Allzeithoch ist der (willkürliche) Anker für fast jeden, der in den letzten 12 bis 18 Monaten über FinTechs und Technologieaktien gesprochen hat. Von ihm aus wird die Kursentwicklung gemessen und die ist katastrophal. Deshalb denken auch die meisten Anleger, die Unternehmen hätten sich entsprechend schlecht entwickelt. Doch das eine hat nur bedingt etwas mit dem anderen zu tun. Denn die Kurse spiegeln weniger die wirkliche Unternehmensentwicklung wider als vielmehr die Erwartungen der Anleger – und die werden von Angst und Gier getrieben. 2021 war die Gier am größten, 2023 dominiert die Angst. Börsianer neigen zu Schwarz-Weiß-Sehen. Und beide Sichtweisen sind fast immer zu extrem und bescheren Minderrenditen.
Klar, die Unternehmen haben 2021 billigstes Notenbankgeld hinterhergeschmissen bekommen und Venture Capital-Spezialisten standen Schlange bei neuen Finanzierungsrunden zu jeder Fantasiebewertung. Diese Geldquellen sind allesamt versiegt und die Unternehmen fahren harte Sparkurse. Aber das ist nur die eine Seite der Wahrheit und die andere ist, dass sie durch den rigorosen Sparkurs schnell Richtung Profitabilität getrieben wurden – und teilweise bereits profitabel arbeiten. Vergleiche zum Platzen der Internetblase 2000 überlassen wir also als Trash den Crashpropheten!
Und nun kommt's: Wenn die FinTechs über genügend Geld verfügen, um nicht auf neue Quellen angewiesen zu sein, und wenn sie operativ profitabel arbeiten, dann… ja, dann haben sie gar kein Problem. Vielmehr können sie aus dieser Position der Stärke heraus in die bald anstehende wirtschaftliche Erholung hinein voll durchstarten.
Aber ist das auch wirklich so? Schauen wir uns mal ein paar ehemalige Börsensternchen an ob sie eher zum verglühenden Kometen werden oder als Megastars groß rauskommen könnten…
Opendoor Technologies
Opendoor ist der führende iBuying-Spezialist in den USA und bietet über seine App Verkaufswilligen ein Cash-Angebot für ihre Immobilie an. Dieses Angebot wird verbindlich abgegeben und basiert auf einen speziellen Algorithmus, den Opendoors CTO Ian Wong, ein Stanford-Absolvent und Datenspezialist entwickelt hat. Dieser Algorithmus greift auf öffentlich zur Verfügung stehende Daten zu und berücksichtigt dabei über 100 Datenpunkte; der Kunde muss nur einige wenige Angaben selbst ergänzen. Im Anschluss besichtigt Opendoor das Haus und überprüft, ob die Angaben der Wahrheit entsprechen. Treten hier keine Diskrepanzen auf, kann nach nur drei Tagen der Deal vollzogen werden.
Opendoor verlangt eine Provision zwischen 5 und 8 %, ist also nicht viel günstiger als die Immobilienmakler. Allerdings hat der Verkäufer die Garantie, dass er den Verkaufspreis sofort erhält. Mit der weiteren Abwicklung hat er nichts zu tun und die teilweise Nerv tötenden Besichtigungstermine beim klassischen Verkaufsprozess über einen Makler und das sich üblicherweise anschließende Gefeilsche um den Preis erspart er sich auch. Hinzu kommt die viel schnellere und einfachere Abwicklung. Nach dem Kauf bereitet Opendoor das Objekt für den Wiederverkauf vor, indem Renovierungsarbeiten durchgeführt werden usw. und anschließend wird das Objekt als "Haus zum Verkauf" in seiner Opendoor-App gelistet. Die Abwicklung des Kaufs über die App ist genauso einfach und zügig.
Natürlich ist Opendoors Geschäftsmodell nicht so stark skalierbar wie das einer Softwarefirma oder eines reinen Immobilienportals. Opendoor benötigt Personal vor Ort. Jemand muss die angebotenen Immobilien in Augenschein nehmen und die Angaben der Verkaufswilligen überprüfen. Und man benötigt Handwerksfirmen, die ohne Zeitverzug und fachgerecht die Renovierung der erworbenen Immobilien in Angriff nehmen, damit diese möglichst schnell wieder verkauft werden können.
Und genau das hat Opendoor das Spiel versaut. Die Zinsen stiegen, die Preise für Baumaterialien ebenso, Handwerker waren kaum noch zu bekommen – und die Immobilienpreise fielen kräftig. Daher kaufte Opendoor Immobilien zu teuer ein und behielt sie länger im Bestand als geplant. Die Folge waren massive Verluste, denen Opendoor durch starke Einsparungen, Entlassungen und Fokussierung auf seine Kernmärkte begegnete.
Und noch schlagen die Verluste aus den im Sommer 2022 viel zu teuer eingekauften Immobilien auf die Geschäftsergebnisse durch. Und das erzeugt bei den Anlegern immer wieder neue Sorgenfalten, ob denn der Algorithmus und das gesamte Geschäftsmodell überhaupt funktionieren. Die Zweifel kann man 'perfekt' am Aktienkurs ablesen.
Doch ein Ende des Dramas ist in Sicht, denn die teuren Altbestände sind beinahe restlos verkauft und die Einkäufe aus der jüngeren Vergangenheit erfolgten deutlich preiswerter und liegen näher an den aktuellen Marktpreisen. Anders ausgedrückt: Wir erleben seit 9 Monaten den schnellsten und stärksten Einbruch des US-Immobilienmarkts und Opendoor schafft es (inzwischen wieder), operativ nahe am Break-Even zu segeln. Das ist eine Meisterleistung und birgt gewaltiges Potenzial, sobald der Markt nicht mehr fällt oder sogar wieder in eine Aufwärtsbewegung umschwenkt.
Überraschend überzeugende Quartalszahlen
Der Umsatz des 1. Quartals 2023 fiel im Jahresvergleich von 5,15 Mrd. USD auf 3,12 Mrd., lag damit jedoch über dem Wert aus dem 4. Quartal 2022. Während des Quartals kaufte Opendoor 1.747 Wohnungen, ein Rückgang gegenüber den 3.427 Immobilien im Vorquartal und 81 % weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Bestand an Immobilien belief sich am Ende des Quartals auf 6.2621 Wohnungen im Gesamtwert von 2,1 Mrd. USD verglichen mit 12.788 Wohnungen im Wert von 4,5 Mrd. USD am Ende des 4. Quartals 2022.Die Betriebsausgaben wurden im 1. Quartal auf 294 Mio. USD gesenkt von 342 Mio. im Vorquartal und 417 Mio. im Vorjahreszeitraum. Das bereinigte EBITDA ging mit -341 Mio. USD durchs Ziel gegenüber -351 Mio. in Q4/22 und 176 Mio. in Q1/22. Unterm Strich blieb ein Ergebnis je Aktie (GAAP) von -0,16 USD übrig verglichen mit -0,63 in Q4/22 und $0,04 in Q1/22. Die Entwicklung hat sich also signifikant verbessert und auch die Erwartungen von -0,60 USD je Aktie wurde sehr deutlich übertroffen.
Für das 2. Quartal 2023 erwartet Opendoor einen bereinigten EBITDA-Verlust zwischen 180 und 200 Mio. USD und der Umsatz soll voraussichtlich zwischen 1,75 und 1,85 Mrd. USD liegen.
Also... Opendoor verliert mit seinem Business nach wie vor Geld. Aber die starken Verluste resultieren ganz überwiegend noch von den viel zu teuer eingekauften Immobilien aus dem Sommer 2022, also bevor der Immobilienmarkt kippte. Diese Liegenschaften sind inzwischen weitgehend verkauft und Opendoor kauft inzwischen weniger Immobilien an und agiert zurückhaltender und vorausschauender. Das Unternehmen hat zu spät auf den Umbruch reagiert und einen hohen Preis dafür gezahlt, aber es hat sich angepasst. Dazu gehört auch, dass der Mitgründer und bisherige CEO Eric Wu die Zügel an die Finanzchefin Carrie Wheeler übergeben hat. Angepeilt ist nun, im 2. Halbjahr 2024 den Break-Even beim Free Cashflow zu erreichen.
In den letzten Wochen haben die Zahlen bei Neubauten in den USA wieder spürbar zugelegt, die Stornierungen im Neubau sind markant zurückgegangen. Mit dem Einbruch beim Verkauf gingen steigende Mieten einher, so dass der Erwerb einer Immobilie im Vergleich wieder attraktiver geworden ist - trotz insgesamt gestiegener Kosten. Während die Preise nachgegeben haben, ist das Zinsniveau deutlich höher. Doch die Käufer kehren in den Immobilienmarkt zurück und damit verbessert sich die Marktlage für Opendoor spürbar.
Meine Einschätzung zu Opendoor
Opendoor ist eine Spekulation auf ein Ende des Einbruchs am US-Immobilienmarkt und darauf, dass das Geschäftsmodell in einem "normalen" Immobilienmarkt profitabel funktioniert und enorme Wachstumspotenziale birgt. Eine Turnaround-Spekulation; hier stehen sehr großen Chancen sehr große Risiken gegenüber, doch das Chance-Risiko-Verhältnis präsentiert sich als attraktiv. Auch wegen des bereits erfolgten Absturzes von Aktienkurs und Börsenwert. Immobilien sind nicht angesagt, Technologiewerte sind nicht angesagt. Und genau daran liegt die besonders große Chance.
Stone Pagamentos SA (StoneCo)
StoneCo ist ein brasilianisches Fintech-Unternehmen und offeriert in Südamerika digitale Zahlungslösungen für den Handel, sowohl online als auch mobil. Der Cloud-basierte Online-Zahlungsabwickler mit Sitz in Sao Paulo wurde erst 2012 gegründet und wächst seitdem mit atemberaubender Geschwindigkeit. StoneCo hat drei Hauptgeschäftsbereiche: es ist ein Zahlungsanbieter für kleine und mittlere Unternehmen (SMB), eine digitale Bank, die Kredite und Betriebskapitalfinanzierung anbietet, und seit der erfolgreichen Übernahme von Linx auch ein Anbieter von Leistungssoftware für den Einzelhandel.
Warren Buffetts Berkshire Hathaway stieg kurz vor dem IPO bei StoneCo ein und bezahlte für einen elfprozentigen Anteil rund 340 Mio. USD. Den Einstiegskurs von 24 USD ließ die Aktie schnell deutlich hinter sich, brach im Corona-Absturz aber sogar unter diese Marke ein. Danach erfolgte ein ebenso schneller Rebound mit neuen Höchstmarken. Denn die Geschäfte liefen rund, Brasilien ist mit Bankfilialen und Bankdienstleistungen hoffnungslos unterversorgt und Finanzdienstleistungen übers Internet oder Smartphone erfahren deshalb enormen Zuspruch.
Doch dann gab es viel Sand im Getriebe. Brasilien hat vor einiger Zeit ein neues landesweites Kreditregistrierungssystem eingeführt. Dieses versagte jedoch zunehmend aufgrund technischer Mängel und darüber hinaus haben einige Teilnehmer an dem System sich nicht an die neuen brasilianischen Regeln für Kreditsicherheiten und die Abrechnung von Geldern gehalten.
Auch StoneCos Kreditpraktiken gerieten hierbei unter Beschuss und man räumte schließlich Fehler bei seinen Kreditprodukten ein. Als Konsequenz wurde diese Sparte Ende 2021 eingestellt. Das tat den Geschäften bzw. deren Zukunftsaussichten und dem Aktienkurs nicht gut, hinzu kam die sich drehende Stimmung gegen Wachstums- und FinTech-Aktien. Mit 13,50 USD notiert der Kurs deutlich unter Berkshires Einstiegsterrain. Doch auch bei StoneCo scheint sich inzwischen Vieles zum Besseren zu wenden.
Starkes Wachstum, starke Quartalszahlen
Für das 1. Quartal 2023 meldete StoneCo einen Gesamtumsatz von 2,7 Mrd. brasilianischen Real (543,36 Mio. USD), was einem Anstieg von 31 % gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht. Neben dem starken Umsatzwachstum verzeichnete das Unternehmen auch einen bemerkenswerten Anstieg seiner Rentabilität, während der Nettogewinn von 203,80 Mio. auf 237 Mio. Real anstieg.
Das Unternehmen konnte im 1. Quartal netto 232.000 neue Zahlungsverkehrskunden hinzugewinnen, was eine Verbesserung gegenüber den 212.000 Netto-Neuzugängen im 4. Quartal 2022 darstellt. Dies ist ein vielversprechendes Zeichen, da es das anhaltende Wachstum des Unternehmens in einer Zeit unterstreicht, in der die brasilianische Wirtschaft schwächelt und unter hohem Inflationsdruck leidet. Ebenso hat sich die Zahl der aktiven Bankkunden von 510.000 auf 1,25 Mio. mehr als verdoppelt.
Bemerkenswert ist, dass StoneCo sein Kreditgeschäft wieder aufgenommen hat. Dieses Mal allerdings mit einem vorsichtigeren Ansatz, um die früher gemachten Fehler zu vermeiden. So wurden im 1. Quartal 6 Mio. Real des neuen Kreditprodukts ausgezahlt, wobei in der Anfangsphase der Produkteinführung nur maximal 200 Kunden bedient werden sollten.
Um das Kreditprodukt zu verbessern und die gewünschten Kreditvergabestandards zu erfüllen, führte StoneCo mehrere neue Funktionen ein, darunter voreingestellte monatliche Zahlungen, um den Verbrauchern mehr Transparenz zu bieten, ein neues persönliches Garantiemodell zur Erhöhung der Kreditsicherheit und neue Dashboards zur Verwaltung des Kreditportfolios. Darüber hinaus konzentriert sich StoneCo weiterhin auf die Verbesserung seiner Entscheidungsfindungs-Algorithmen, indem es sie mit präzisen, zeitnahen Daten versorgt.
Meine Einschätzung zu StoneCo
StoneCo bedient in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen in Brasilien. Das KMU-Segment bildet das Rückgrat der brasilianischen Wirtschaft, so dass das Unternehmen von der massiven Nachfrage nach Finanzsoftware und Zahlungslösungen profitiert, da diese Akteure aggressiv auf Online-Vertriebskanäle setzen. Statista geht davon aus, dass die E-Commerce-Branche in Brasilien bis 2027 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 14,6 % wachsen wird, unterstützt durch die steigende Internetverbreitung. Dieses starke Wachstum wird StoneCo zusätzlichen Rückenwind geben und StoneCo will neben den KMU auch Kleinstunternehmen ansprechen. Und dass in Brasilien noch immer über 30 Millionen Erwachsene keine Bankverbindung haben, bieten sich StoneCo weiterhin außerordentliche Chancen.
StoneCo hat 2021 als auch 2022 Verluste eingefahren, ist aber nun zurück in der Gewinnzone. Und auch in den drei vorangegangenen Quartalen hatte man operativ schon Gewinne erwirtschaftet, die allerdings noch von den laufenden Umstrukturierungsmaßnahmen überlagert wurden. Das wachstumsstarke Businessmodell ist gut skalierbar und das neue Kreditsegment dürfte die Gewinne zusätzlich antreiben. Umsatzwachstum bei steigender Profitabilität ist der Stoff, aus dem steigende Börsenkurse gewoben werden.
SoFi Technologies
Das FinTech ist ein schnell wachsendes amerikanisches Unternehmen für persönliche Finanzen, das Verbrauchern eine Reihe von Finanzprodukten direkt über seine App und Website anbietet. SoFi wurde um drei operative Segmente herum strukturiert: Kreditvergabe, Technologieplattform und Finanzdienstleistungen.
Die Kreditsparte macht dabei den mit Abstand größten Umsatzanteil aus und befasst sich mit Privat-, Immobilien- und Studentenkrediten. Die Technologieplattform besteht in erster Linie aus Galileo Financial Technologies, das SoFi im April 2020 für 1,2 Mrd. USD übernommen hatte. Dabei handelt es sich um eine API- und Finanzverarbeitungsplattform, die von einer Reihe von Fintech-Unternehmen wie MoneyLion, Skrill, Robinhood oder Interactive Brokers genutzt wird.
Zu den Finanzdienstleistungen von SoFi gehören die Aktienhandels-App und die noch junge SoFi-Kreditkarte, die 2 % unbegrenztes Cashback auf alle Einkäufe bietet, wenn die Nutzer dies in ein SoFi-Produkt einlösen. Dieses Cross-Selling von mehreren Finanzprodukten hilft SoFi, den Umsatz zu steigern und gleichzeitig die Abwanderung zu minimieren.
Starke Quartalszahlen
Im 1. Quartal fuhr SoFi einen Umsatz von 460 Mio. USD ein (+43,0 % ggü. Q1/22) und einen Verlust je Aktie nach GAAP von 0,05 USD. Das Kreditsegment erwirtschaftete einen Umsatz von 325 Mio. USD (+33 %), der Umsatz im Bereich Finanzdienstleistungen hat sich im Jahresvergleich auf 81 Mio. USD mehr als verdreifacht und der Umsatz im Bereich Technologie stieg um 28 % auf 78 Mio. USD.
Das bereinigte operative Ergebnis (EBITDA) belief sich auf 76 Mio. USD bei einer Marge von 16 % und übertraf damit sowohl das obere Ende der jüngsten Prognose des Unternehmens von 40 bis 45 Mio. USD als auch das vorherige Rekordquartal. Die Nettoverluste beliefen sich auf 34 Mio. USD, während die Nettogewinnmarge 54 % betrug.
Im Quartal kamen 433.000 neue Mitglieder hinzu, was die Mitgliederzahl auf rund 5,7 Mio. steigerte. Auch hierdurch stieg das Neugeschäft im Jahresvergleich um 7 % auf 3,6 Mrd. und die Einlagen um 2,7 Mrd. USD auf nun über 10 Mrd. USD. Die Barmittel und Barmitteläquivalente stiegen im Vergleich zum letzten Quartal um 1,1 auf 2,5 Mrd. USD. SoFi ist damit noch nicht profitabel, steht aber finanziell ziemlich solide da.
Für das 2. Quartal wird ein bereinigter Nettoumsatz im Bereich von 470 bis 480 Mio. USD erwartet, und das bereinigte EBITDA soll zwischen 50 und 60 Mio. USD liegen. Für das Geschäftsjahr 2023 hat das SoFi seine Prognose für den bereinigten Nettoumsatz auf eine Spanne zwischen 1,955 und 2,02 Mrd. USD angehoben, nachdem die vorherige Prognose zwischen 1,925 und 2,0 Mrd. USD lag. Das bereinigte EBITDA soll auf 268 bis 288 Mio. USD steigen anstelle von bisher geplanten 260 bis 280 Mio.
Meine Einschätzung zu SoFi Technologies
Als Game-Changer sollte sich die erworbene Banklizenz erweisen. Mit einer nationalen Banklizenz ist SoFi nicht nur in der Lage, Kredite zu noch wettbewerbsfähigeren Zinssätzen zu vergeben und seinen Mitgliedern hochverzinsliche Giro- und Sparguthaben anzubieten, sondern auch neue Finanzprodukte und -dienstleistungen einzuführen und zu vertreiben.
Allerdings birgt diese Entwicklung auch Risiken, denn bisher wurde SoFi vor allem als Technologiedienstleister und –plattform angesehen und viele Finanzunternehmen nutzen SoFis Blacklabel-Technologien. Mit seiner Vollbanklizenz wandelt sich SoFi nun allerdings gegebenenfalls vom reinen Technologiepartner zum direkten Wettbewerber, was seine Kunden durchaus dazu anregen könnte, sich mittel- und langfristig nach einem neuen Technologiepartner umzusehen. Eine von SoFi bewusst getroffene strategische Weichenstellung, deren Vorzüge sich schnell zeigen, während sich die Nachteile wohl erst aber auf lange Sicht einstellen, dann aber durchaus gravierend sein könnten.
Eine weitere Auswirkung ist, dass SoFi für die in die eigene Bilanz genommenen Kredite Risikovorsorge betreiben muss: 'Current Expected Credit Losses' (CECL). Danach müssen Kreditgeber im Moment der Kreditvergabe eine Rückstellung bilden in Höhe aller möglichen Ausfallrisiken über die gesamte Laufzeit dieses Kredits. Und zwar unabhängig von der Bonität oder Sicherheiten des Schuldners! Je nach allgemeiner Wirtschaftsentwicklung müssen sie diese Rückstellungen pauschal erhöhen oder verringern. Es erfolgt also keine individuelle Risikoeinschätzung mehr und das führt teilweise zu aberwitzigen Ergebnissen. Vor allem sorget es aber dafür, dass jeder neu vergebene Kredit zunächst einem einen Verlust erzeugt, denn die CECL-Rückstellung belastet das Ergebnis sofort und massiv, während die Erträge (also die Zinsen) ja über die gesamte Laufzeit verteilt in Raten eintrudeln. Selbst ein störungsfrei bedienter Kredit fährt erst nach längerer Zeit ins Plus und dem entsprechend belastet präsentieren sich die Quartalsergebnisse und die Gewinn- und Verlustrechnung. Zudem nährt die drohende Rezession in den USA die Furcht der Anleger vor einer Konkretisierung der Kreditausfallrisiken.# und das alles drückt den Aktienkurs.
Nach der Aufnahme der Börsennotierung via SPAC-Merger notierte die Aktie am 1. Juni 2021 um die 25 USD und konnte dieses Niveau später kaum überschreiten. Der Technologie- und FinTech-Abverkauf hat den Kurs bis an die Schmerzgrenze von 4 USD gedrückt, seit dem Jahresstart konnte er sich aber wieder etwas berappeln und notiert aktuell um die 5 USD. Bis zum Allzeithoch wäre also eine Verfünffachung nötig. Die ist nicht ausgeschlossen, dürfte aber schon einige Zeit in Anspruch nehmen – und reichlich gute Unternehmenszahlen in den nächsten Quartalen und Jahren.
Mein Fazit
Alle drei FinTechs haben den Hype miterlebt und sind in den letzten zwei Jahren massiv unter die Räder gekommen. Sie alle weisen attraktive Geschäftsmodelle auf und arbeiten in der Nähe der Profitabilität oder bereits in der Gewinnzone, nachdem sie sich gesundgeschrumpft haben. Dies ist als Pluspunkt zu werten, denn sie haben bewiesen, dass sie sich anpassen und auch auf schwierige Herausforderungen einstellen können. Sollte sich das Makroumfeld wieder aufhellen, könnten alle drei FinTechs zu den alten neuen Überfliegern gehören.
Aktuell ist Künstliche Intelligenz das neue Hype-Thema und Anleger überschlagen sich geradezu, den nächsten Mega-Profiteur zu entdecken. Opendoor, StoneCo und SoFi nutzen ausgeklügelte Algorithmen und das ist nur der alte Begriff für KI. Gut möglich also, dass Anleger auf der Suche nach dem nächsten KI-Boomer genau hier fündig werden…
Disclaimer: Habe Apollo Global Management, Apple, Berkshire Hathaway, Blackstone Group, KKR & Co., Microsoft, MidCap Financial Investment, Opendoor, StoneCo, SoFi Technologies auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.
Hallo Michael,
AntwortenLöschenes gibt ja eine ganze Reihe von ähnlich gelagerten Unternehmen aus diesem Bereich.
BöO hatte zuletzt Enova International vorgestellt, die weisen die "Besonderheit" auf, dass sie die letzten Jahre durchweg profitabel waren.
Viele Grüße
Christian
Hi Michael, würdest Du auch AIFINYO in diesem Zusammenhang als eine gute Option sehen?
AntwortenLöschenaifinyo spielt mit einer Marktkapitalisierung von knapp 60 Mio. Euro natürlich nicht einmal annähernd in der gleichen Liga wie die Milliarden-FinTechs Opendoor, SoFi und StoneCo. Deren Skalierungsmöglichkeiten hat aifinyo nicht und deshalb auch nicht die Chance auf eine ähnliche Profitabilität. Noch nicht, denn das Unternehmen ist 2022 stark gewachsen, auch durch weitere Übernahmen, und hat nun die Schwelle von 50 Mio. Euro Jahresumsatz geknackt; für 2023 ist weiteres zweistelliges Wachstum geplant. Dabei ist man durchgängig profitabel.
LöschenAls Mittelstandsfinanzierer profitiert aifinyo von der Zurückhaltung der Banken. Wenn die neuen Kunden erstmal auf den Geschmack gekommen sind und die aifinyo-Lösungen in ihrer Arbeits- bzw. Finanzierungsabläufe integriert haben, dürften sie kaum zur klassischen Banklösung zurückwollen. Insofern sehe ich für aifinyo weiterhin starkes Wachstum und dank des Kapitalmarktzugangs über die Börsennotierung auch ordentliches Potenzial für anhaltendes externes Wachstum durch sinnvolle Übernahmen. Habe eine kleine Position davon im Depot und bin mal gespannt, wie sich das Unternehmen in den nächsten Jahren entwickelt. Der "adressierbare Markt" ist ja enorm...