Und ewig grüßt das Murmeltier, könnte man meinen. Anfang Mai steht die nächste Sitzung der US-Notenbank an und die Augen der Märkte richten sich auf dieses Event. Dabei wird es genauso ablaufen wie immer: vor dem Termin wird dieser als extrem entscheidend für die Entwicklung der nächsten Wochen und Monate angesehen, aber wenn er dann stattgefunden hat, ist er fast umgehend abgehakt. "War schon eingepreist" heißt es dann üblicherweise.
Die heutige Lage entspricht selten den Erwartungen, die wir vor 6 Monaten hatten, während unsere Erwartung an die Situation in 6 Monaten sich nicht grundlegend von der heutigen unterscheidet. Und natürlich irren wir uns, ständig und immer wieder.
Die gegenwärtige Situation ist geprägt von negativen Entwicklungen. Die US-Konjunkturdaten haben enttäuscht, der Immobilienmarkt schwächelt noch immer, die Arbeitsmarktdaten waren ebenfalls nicht dazu geeignet, positive Stimmung zu verbreiten. Doch die Frühindikatoren zeichnen ein schöneres Bild: der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor und das verarbeitende Gewerbe lag deutlich über den Erwartungen.
Eigentlich sollte das die Börsenkurse antreiben. Eigentlich. Denn die positiven Frühindikatoren nähren die Angst davor, dass die Notenbank weiter und zu stark an der Zinsschraube drehen könnte. Und das wäre schlecht für die Wirtschaft und die Börse.
In den USA nimmt die Earnings Season Fahrt auf und die Technologieriesen haben bereits berichtet. Ihre Ergebnisse waren überwiegend stark, beim Ausblick sind sie zumeist eher verhalten und das enttäuscht die Anleger. Nicht alle stehen so solide dar, wie erhofft. Amazon starte stark ins Jahr, aber man verdient im Retailbereich kein Geld und das profitable Wachstum bei AWS schwächt sich weiter ab. Alphabet präsentierte starke Zahlen, doch bei YouTube kann man die Konkurrenz durch TikTok immer stärker im Nacken spüren und das Werbegeschäft bei Google steht unter massivem Druck von OpenAI mit ihrem Chatbot ChatGPT, zumal Samsung und Apple darüber nachdenken sollen, von Google zu Bing als ihrer voreingestellten Suchmaschine zu wechseln. Da Google weit mehr als 90 % von Alphabets Einnahmen und Gewinnen einspielt, sind die Bedenken nicht substanzlos. Was Microsoft erfreut. Deren Zahlen für das 2023er Auftaktquartal waren mehr als gut, die Cloudsparte ist hochprofitabel, wächst stark und gewinnt Marktanteile. Inzwischen stammen rund 42 % von Microsofts Umsätzen aus dem Cloudbereich und als Kraftquelle hinter OpenAI spielt man auch beim Thema Künstliche Intelligenz ganz weit vorne mit. Die sich weiter verzögernde Übernahme von Activision Blizzard sorgte daher kaum für Unruhe. Es läuft einfach und entsprechend ambitioniert ist die Bewertung der Microsoft-Aktie. Ein "Must-have" für jedes Depot, aber aktuell nicht unbedingt ein "Must-buy".
Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten. Der vor uns liegende Pfad ist nicht klar zu erkennen. Langfristig wächst die Wirtschaft und steigen die Aktienkurse - aber wie sehr künftige positive Entwicklungen bereits in den heutigen Kursen enthalten sind, ist nicht exakt zu ermitteln. Es bleibt daher unsicher, doch Unsicherheit ist auch die Basis für große Börsengewinne, denn in solche emotional geprägten Zeiten bekommt man vielfach interessante Unternehmen zu Schnäppchenpreisen. Auch wenn sie in dem Moment nicht unbedingt immer danach aussehen.
"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen", witzelte Mark Twain. Und so geht es uns allen, Privatanlegern, Profis, Analysten, wir alle wissen nicht, wie die Entwicklung sein wird. Trotzdem sind wir ihr nicht schutzlos ausgeliefert. Wir können einfach auf Qualitätsunternehmen setzen, die wir für einen fairen Preis kaufen können. Deren Management wird uns ziemlich sicher durch den Sturm steuern und wir können uns entspannt zurücklehnen - und vielleicht sogar die Reise genießen. Als Mit-Eigentümer.
Alles Gute für euer Geld!
Michael C. Kissig
Disclaimer: Habe Alphabet, Amazon, Microsoft auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.
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