Montag, 13. März 2023

Kissigs Aktien Report: IONOS und Porsche – Ein Memo über Chancen und Risiken bei Börsengängen

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" im Email-Postfach und man kann sich ▶ hier beim "Geld Anlage Report" anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 125 vom 04.03.2023

IONOS und Porsche – Ein Memo über Chancen und Risiken bei Börsengängen

Börsengänge elektrisieren, sie fachen die Fantasie an, denn es kommt was Neues an die Börse, das man bisher nicht kaufen konnte. Und an positiven Einschätzungen fehlt es selten, da die PR-Maschinerie der involvierten Banken alles dafür tut, den Börsengang zu einem Erfolg zu machen. Dabei ist das kaum möglich, denn die Interessenslage der wesentlichen Beteiligten ist viel zu verschieden.

IPO (Initial Public Offering)

Beim klassischen Börsengang werden Aktien eines Unternehmens Interessierten institutionellen und privaten Anlegern zur Zeichnung angeboten. Es gibt eine Reihe von Konsortialbanken, die das IPO begleiten und zu einem Erfolg machen sollen. Dem emittierenden Unternehmen sichern sie in der Regel den Verkauf aller Aktien zu, gehen also ggf. selbst ins Risiko, falls nicht alle Aktien bei der Emission verkauft werden können. Dann übernehmen die Konsortialbanken die überschüssigen Aktien auf eigene Rechnung und verkaufen sie nach und nach über die Börse.

Das Interesse des Unternehmens ist in der Regel, frisches Geld in die Kasse zu bekommen, um damit Schulden zu tilgen und/oder seine Wachstumspläne verfolgen zu können. Das ist aber nur der Fall, wenn auch junge Aktien des Unternehmens bei der Emission ausgegeben werden, es also eine Kapitalerhöhung gibt. Je höher der Emissionspreis, desto mehr Geld nimmt das Unternehmen ein.

Daneben gibt es zumeist abgabewillige Altaktionäre, die beim Börsengang einfach Kasse machen wollen. Insbesondere bei Startups und jungen Wachstumsunternehmen haben die Gründer und frühen Investoren jahrelang das Unternehmen finanziert und die Risiken und Verluste getragen, während es nur geringe Gehälter gab und die Entlohnung meistens über Aktien und Aktienoptionen erfolgte. Der Börsengang ist für sie also oft die erste Gelegenheit, ein (bisschen) Geld zu verdienen. Je höher der Emissionspreis, desto mehr Geld nehmen die Gründer und Frühphaseninvestoren ein.

Und auch die Konsortialbanken haben ein Interesse an einem möglichst hohen Emissionspreis. Denn daran bemisst sich ihre Provision. Zudem haben sie dem Unternehmen zuvor vermutlich einen ziemlich hohen Wert zugesprochen und damit einen besonders hohen Emissionspreis, um an den Auftrag zu kommen. Wie bei einem Immobilienmakler: wer das zu verkaufende Eigenheim mit 600.000 Euro taxiert, während andere Makler nur 500.000 Euro aufrufen, bekommt den Zuschlag. Dass dieser Preis am Markt im Zweifelsfall nicht zu realisieren ist, merkt der Kunde erst später, wenn die Bude nicht zu verkaufen ist und der Makler zu einer Preisreduzierung rät. Beim Verdrängungswettbewerb unter den Banken läuft das Spiel nicht anders.

Es wird also Wert in die Aktie gezaubert, eine trendige Equitystory erzählt und das Anlegerinteresse gepusht. Denn diesen Anlegern muss die Geschichte gefallen, sonst stehen alle Beteiligten doof da.

Doch die Anleger haben andere Interessen. Sie wollen Qualität zu einem niedrigen Preis. Also keine aufgeblähte Equitystory mit einem aufgepumpten Emissionspreis, sondern ein solides, attraktives Unternehmen, deren Aktien sie zu einem fairen Preis erwerben können.

Warum? Weil die meisten Anleger die Aktien zeichnen, um sich langfristig zu engagieren. Je niedriger der Ausgabepreis, desto höher die Wahrscheinlichkeit für höhere Kurse. Der Gewinn liegt auch bei einem IPO im Einkauf. Diese Interessenslage haben dabei auch die Spekulanten, die "nur" auf einen schnellen Zeichnungsgewinn aus sind und die Aktien gleich nach dem IPO wieder verkaufen und weiterziehen.

Ein ungleicher Kampf, denn das Unternehmen, das Management, die Altinvestoren und die Konsortialbanken haben die weitaus besseren Informationen und können viel besser einschätzen, was das Unternehmen und damit die einzelne Aktie wert ist. Doch sie haben alle dasselbe Eigeninteresse: sie wollen viel Geld kassieren und deshalb setzen sie auf einen möglichst hohen Emissionspreis.

Ob das Unternehmen halten kann, was es beim Börsengang verspricht, muss es erst noch beweisen. Aber das ist dann das Problem der Aktionäre – die jungen Aktionäre haben allerdings nicht das "Trostpflaster" in petto, beim Börsengang viel Geld für überteuerte Aktien kassiert zu haben, sollten die Versprechungen zu hochgeschraubt worden sein und der Aktienkurs infolge der enttäuschten Erwartungen einbrechen.

"Du brauchst dich nicht wirklich darum zu kümmern was bei IPOs eigentlich los ist. Leute gewinnen jeden Tag im Lotto."
(Warren Buffett)

Buffett hat es mal wieder treffend auf den Punkt gebracht. Und auch gleich den Beweis geliefert (wobei das Investment wohl auf Ted Weschler zurückgeht, einen seiner „Investmentleutnants“), denn beim Brasilianischen FinTech Nu Holdings ("Nubank") stieg Berkshire Hathaway unmittelbar vor deren Börsengang im Dezember 2021 ein und bezahlte rund 9 USD und damit doppelt so viel, wie der Aktienkurs momentan hergibt.

Börsenlisting

Es gibt für Aktiengesellschaften auch einen anderen Weg an die Börse. Sie können einfach ihre Aktien zum Handel an einer Börse anmelden und diese können nach Handelsaufnahme von jedem Anleger gehandelt werden. Es wird keine Konsortialbank benötigt, kein Wertpapierprospekt und es muss keine Werbetrommel gerührt werden. All das spart eine Menge Geld.

Aber es kommt kein frisches Geld in die Unternehmenskasse und auch die Altaktionäre können keine Aktien versilbern beim Börsengang. Das können sie allerdings nachholen, sobald die Aktien an der Börse handelbar sind.

Interessierte Anleger müssen sich selbst um Informationen über das „neue“ Unternehmen bemühen. In der Regel berichtet die Wirtschaftspresse über den Börsenneuling und das Unternehmen muss spätestens mit Aufnahme des Börsenhandels seiner Aktien die Regularien des jeweiligen Börsenplatzes erfüllen, also Geschäftsberichte usw. auf seiner Website veröffentlichen.

Diesen Schritt gehen zumeist etablierte Unternehmen und der große Vorteil für interessierte Anleger ist, dass es keinen hochgejubelten Emissionspreis gibt, sondern der Preis sich von Anfang an ausschließlich aus Angebot und Nachfrage bildet. Was nicht bedeutet, dass der Kurs nicht nach Handelsaufnahme fallen kann. Doch hängt das zumeist von der allgemeinen Börsenlage ab und weniger vom Unternehmen selbst.

IONOS

Die IONOS Group SE gehört zum United Internet-Konzern und ist der führende europäische Anbieter von Hosting-Dienstleistungen, Cloud-Services und Cloud-Infrastruktur und verfügt über mehr als 8 Mio. Kundenverträge und 90.000 Server weltweit. IONOS bietet neben seinen europäischen Aktivitäten insbesondere in Nordamerika Web Presence- & Productivity-Lösungen sowie Cloud-Infrastruktur und Cloud Solutions an. Das Produktportfolio reicht von Domains und Webhosting über klassische Websites und Do-It-Yourself-Angeboten, von E-Commerce und Online-Marketing-Tools bis hin zu vollwertigen Servern und IaaS-Lösungen.

Der Börsengang erfolgte Anfang Februar: Es wurden 24 Mio. Aktien zu 18,50 Euro ausgegeben, was am unteren Ende der Bookbuilding-Spanne von 18,50 zu 22,50 Euro lag. Der erste Kurs wurde mit 18,40 Euro notiert und seitdem geht es abwärts und erst bei 15,50 Euro erfolgte ein erster zaghafter Reboundversuch.

Ein erfolgreicher Börsenstart sieht anders aus. Und man ist geneigt zu sagen, das aufgezeigte Szenario hat sich mal wieder voll bewahrheitet: Eine tolle Equitystory gepaart mit reichlich Buzzwörtern (Cloud, SaaS, Wachstum) und schon schalten alle ihr Gehirn ab. Wer zum IPO gezeichnet hat und fast jeder, der seitdem die Aktien gekauft hat, sitzt auf Kursverlusten. Autsch. Klingt nach einem schlechten Deal. Doch man sollte nicht zu schnell urteilen. Der Börsengang erfolgte direkt nach einem saustarken Januar mit enormen Kursgewinnen und entsprechend hohen Erwartungen, während der sich anschließende Februar insgesamt für die Börsen Kursverluste einbrachte. Das hatte natürlich auch Auswirkungen auf den Kurs von IONOS und viele Erstzeichner, die sich mehr versprochen hatten, haben sich vermutlich schon panikartig aus ihrem Neuinvestment wieder verabschiedet.

Wie sich IONOS als Unternehmen schlägt, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen. Wichtig wäre, dass die ersten Unternehmenszahlen keine Enttäuschung werden, sondern die Versprechungen aus dem Börsengang einlösen. Das würde Vertrauen schaffen und eine solide Basis für künftige Kurssteigerungen etablieren. Zugleich erwarten viele Marktteilnehmer für die zweite Jahreshälfte eine Entspannung bei Inflation und Zinsen und damit eine Renaissance der Wachstumswerte. Und zu diesen gehört auch IONOS, so dass eine positive Börsenstimmung auch dieser Aktie Rückenwind verschaffen dürfte.

Porsche AG

Der letzte Börsengang vor IONOS war der Sportwagenhersteller Porsche AG aus dem Volkswagen-Konzern. Das war Ende September 2022 und es kamen 115 Mio. Vorzugsaktien zu 82,50 Euro an den Markt. Das Grundkapital der Gesellschaft ist hälftig in Stamm- und Vorzugsaktien aufgeteilt. 25 % der Vorzugsaktien wurden an die Börse gebracht und 25 % plus 1 Aktie der Stammaktien wurden an die Porsche Automobilholding SE verkauft, die Beteiligungsgesellschaft der Familien Piëch und Porsche. Mit einem Volumen von 9,4 Mrd. Euro war der Porsche-Börsengang der größte in Deutschland seit dem IPO der Deutschen Telekom im Jahr 1996.

Und die Aktie weiß zu begeistern, denn der Aktienkurs steigt seit dem IPO beinahe unaufhörlich auf inzwischen über 110 Euro und brachte geduldigen Erstzeichnern bisher 33 % an Kursgewinnen ein. Eine Erfolgsstory und ein Gewinn für alle Beteiligten. Der VW-Konzern hält weiterhin die Mehrheit der Stamm- und Vorzugsaktien und verzeichnet damit ordentliche Buchgewinne sowie eine erhöhte Visibilität seiner Vorzeigemarke. Die Porsche Automobilholding SE freut sich ebenfalls über die stattlichen Kurszuwächse und die Aktionäre dürften ebenfalls sehr zufrieden sein.

Diese Einschätzung macht sich natürlich am Emissionspreis von 82,50 Euro fest. Vielleicht hätte VW auch mehr aus der Aktie quetschen können und 90 oder gar 100 Euro aufrufen können. Und vielleicht wären die Aktien auch zu diesem Preis weggegangen. Aber dann wäre der Kurszuwachs ziemlich bescheiden und die Einschätzung würde kaum "Erfolgsbörsengang" lauten. Aber VW ist das Kunststück gelungen, (fast) alles richtig zu machen. In einem sehr schwierigen Wirtschafts- und Börsenumfeld eine große Emission zu platzieren, ohne beim Preis zu gierig zu sein und so genügend Potenzial für die Aktie zu lassen, um das Interesse der Anleger hoch zu halten. Gut Gemacht! Wir freuen uns schon auf Audi und Lamborghini als weitere Börsenaspiranten…

Mein Fazit

Augen auf beim Börsengang! Nur weil Aktien "neu" sind, sind sie noch lange kein gutes Investment. Es besteht stets die Gefahr, dass die interessierten Kreise (Unternehmen, Altaktionäre, Konsortialbanken) im Vorfeld Luftschlösser aufbauen, um den Emissionspreis möglichst hoch zu treiben. Den bezahlen dann die Anleger und zahlen oft drauf – weil die (zu) hohen geweckten Erwartungen selten zu erfüllen sind und damit Enttäuschungen quasi vorprogrammiert sind.

Man sollte sich also vor FOMO wappnen (Fear of missing out) und keine Angst haben, etwas zu verpassen. Stattdessen zahlt es sich aus, auf Warren Buffetts Rat zu hören und IPOs zu meiden und den Unternehmen nach dem Börsengang ein paar Quartale zu geben, in denen sie mit ihren Geschäftsergebnissen den Bewies für ihre Börsentauglichkeit abliefern können. Wenn sie diesen erbringen, dann lohnt sich ein späterer Einstieg, selbst wenn dann der Aktienkurs gegenüber dem IPO-Preis gestiegen sein sollte. Qualität hat immer einen höheren Preis und solide Geschäftsergebnisse und geschaffenes Anlegervertrauen sind solche Qualitäten, die für ein Unternehmen sprechen.

IONOS und Porsche sind beides Qualitätsunternehmen mit starker Markstellung. Das eine Unternehmen hat eine tolle Equitystory erzählt und muss diese nun auch auf die Straße bringen, während das andere eine kraftstrotzende Marke hat und seine PS schon lange in Vortrieb umsetzen kann. Porsche ist ein "proven winner", IONOS ein "potential winner". Kaufen kann man beide, Rendite bringt bisher nur einer. Aber das kann sich jederzeit ändern.

Disclaimer: Habe Nu Holdings, Porsche Automobilholding auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

3 Kommentare:

  1. Hi Michael,
    wodurch ist eigentlich der krass unterschiedliche Verlauf der Porsche AG und SE Aktien begründet? Danke.
    Viele Grüße, Basti

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    1. Porsche AG ist der ikonische Sportwagenbauer.

      Die SE ist nur das Investmentvehikel der Familienclans Porsche und Pieäch. Braucht man heute einfach nicht mehr.

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    2. Moin Basti,
      Jay hat es schon angeführt: das Konstrukt kommt bei den Börsianern nicht so gut an. Wer Porsche im Depot haben will, kann sich nun die Porsche Vorzugsaktien kaufen, wer von einem möglichen Audi- oder Lamborghini-Börsengang profitieren will, kann dies direkt über VW tun. Die Porsche Holding wird deutlich unter ihrem fairen Wert gehandelt, aber die Aktie lohnt sich nur, wenn sie diesen starken Abschlag auch irgendwann mal aufholt. Bisher ist diese Spekulation nicht aufgegangen. Und wie Martin Whitman sagte: Ein Schnäppchen, das ein Schnäppchen bleibt, ist kein Schnäppchen. Ich hatte mir von der Porsche Holding-Aktie auch mehr erwartet...

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