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Aktien Report Nr. 113 vom 04.11.2022
Erfolgreiches Investieren ist... die Kunst, nicht zu verkaufen
Schon das ganze Jahr lang fallen die Börsenkurse, auch wenn zwischenzeitliche Bärenmarktrallyes immer mal wieder für Hoffnung sorgen. Die anziehende Inflation, auch dank der explodierenden Energiepreise, führte zu einer zweistelligen Inflationsrate und diese veranlasste die Notenbanken zu einer – sehr späten – Zinswende. Seitdem heben Fed und EZB die Zinsen kräftig an, zuletzt beide um jeweils 0,75 %. Und ein Ende ist noch nicht in Sicht.
Die Auswirkungen auf die Wirtschaft und inzwischen auch den Immobilienmarkt sind verheerend; eine Rezession ist kaum noch zu verhindern. Die Unternehmen leiden entsprechend, sie verlieren Umsatz und ihre Gewinne lösen sich in Luft auf oder verkehren sich in Verluste. Als Reaktion fahren sie ihre Investitionen runter, streichen Stellen, reduzieren ihre Ausgaben und tun damit genau das, was die Notenbanken sich erhoffen: sie fahren ihre Wirtschaftsleistung runter und verhalten sich damit preisdämpfend.
An der Börse kommt das alles nicht gerade positiv an. Und obwohl dieser Pfad seit vielen Monaten vorgezeichnet ist und die Nachrichten voll von entsprechenden Meldungen sind, reagieren die Anleger weiterhin hoch emotional und bisweilen verschreckt, wenn Unternehmen diese Realitäten in ihren Geschäftsergebnissen ausweisen.
Aktuell läuft wieder die Earnings Season in den USA und die Unternehmen legen reihenweise ihre Quartalsberichte vor. Wer die Erwartungen nicht erfüllt, wird gnadenlos abgestraft. Und wenn der Ausblick auf das nächste Quartal oder auf das nächste Jahr verhalten daherkommt, dann erfolgt ein zusätzlicher Räumungsverkauf bei den Aktien. Meta Platforms hat das gerade erlebt, Amazon und Adobe ebenfalls, aber auch Microsoft und Alphabet durften zusehen, wie ihre Aktienkurse zusammengestutzt wurden.
Dabei sind bisher eigentlich nicht viele Überraschungen aufgetreten, die Ergebnisse und Entwicklungen sind weitgehend bekannt und erwartbar. Vielleicht nicht in der zweiten Nachkommastelle, aber grundsätzlich eben schon.
Es stellt sich also die Frage, ob die teilweise brutalen Kurseinbrüche oder auch der eine oder andere zweistellige Kurssprung gerechtfertigt sind, oder ob die Anleger hier viel zu schnell und zu emotional handeln. Und wenn ich zu schnell sage, meine ich zu unüberlegt. Denn schnell handeln die Anleger eigentlich nicht. Die Informationen, die Entwicklungen sind seit Monaten öffentlich bekannt, aber wenn sie dann von den Unternehmen in Form der Quartalsergebnisse und/oder Ausblicke präsentiert werden, drücken sie den Verkaufsknopf. Nicht schnell, sondern zu spät. Das hätten sie wochen- und monatelang schon tun können, wenn es denn relevant und richtig gewesen wäre. War es aber wohl nicht, sonst hätten sie die Aktien ja nicht die ganze Zeit über behalten.
Sie verkaufen ihre Aktien, weil sie gerade fallen und alle anderen sie auch verkaufen. Klingt nicht unbedingt clever und ist es auch nicht. Sie hegen dabei insgeheim die Hoffnung, sie irgendwann später (und natürlich noch sehr viel billiger) wieder zurückzukaufen, wenn das Unternehmen wieder bessere Zahlen präsentiert. Und auch das klappt natürlich nicht. Denn sollte dies der Fall sein, dann hat der Aktienkurs bereits lange vorher gedreht und mit dem Steigen begonnen.
Mit derartigem Markttiming Geld zu verdienen, erweist sich für die meisten Anleger als Illusion. Aber was dann?
Ignoriere Quartalsergebnisse!
Nun, man sollte sich von den Quartalsergebnissen lösen und lieber auf Jahresergebnisse schauen oder besser noch auf die Entwicklung über 3, 5 oder 10 Jahre. Dann sind die langfristigen Entwicklungen zu erkennen, während die kurzfristigen Herausforderungen keine allzu große Rolle mehr spielen. Diese muss nicht der Aktionär bewältigen, sondern das Management. Und in den meisten Fällen kriegt es das auch ganz gut hin.
"Unternehmen, die die Konsensschätzungen der Analysten 'verfehlen', können ihren Aktienkurs einbrechen sehen. Aber ist das Gewinnziel von Quartal zu Quartal wirklich wichtiger als die Fähigkeit eines Unternehmens, den Unternehmenswert langfristig zu steigern?"
Man sollte lieber auf den Unternehmenswert achten als auf den Preis, also den Aktienkurs. Dieser wird meistens durch Emotionen getrieben, durch Angst oder Gier. Der Unternehmenswert hingegen verändert sich nicht so schnell.
"Die wirklich herausragenden Investoren waren keine Investoren; sie waren Unternehmer, die nicht verkauft haben."
Und daraus folgt, dass es wenig sinnvoll ist, seine Aktien nur wegen eines Kurseinbruchs zu verkaufen. Selbst wenn die Erwartungen mal verfehlt wurden oder der Ausblick auf das nächste Quartal enttäuschend klingt. Wer geduldig bleibt und seinem Unternehmen, also seinen Aktien, die Treue hält, fährt meistens besser.
Schaut man auf die Liste der reichsten Menschen der Welt, wird sie von Menschen angeführt, die genau dieses Prinzip beherzigen. Elon Musk wurde erst mit PayPal reich und nach dessen Verkauf an eBay steckte er sein Geld in Tesla. Der enorme Kursanstieg seines Aktienpaketes spülte ihn an die Spitze der Reichenliste.
Bill Gates gründete Microsoft und verdankt seinen Reichtum vor allem deren Kursanstieg. Jeff Bezos erging es mit Amazon genauso, Warren Buffetts Reichtum stammt aus seiner Beteiligung an Berkshire Hathaway und Bernard Arnault ist Großaktionär von LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton.
Um Vermögen aufzubauen, muss man nicht das ganze oder den größten Teil dieser Unternehmen besitzen, sondern es reicht aus, sich eine ordentliche Portion davon ins Depot zu legen – und diese Aktien nicht zu verkaufen!
"Eines der schwierigsten Dinge für Anleger ist, der Versuchung zu widerstehen, ein Unternehmen zu verkaufen, wenn seine Aktie stark gestiegen ist oder wenn die Performance nachlässt."
Doch das ist gar nicht so einfach, denn Verkaufsneigung kriegt man als Anleger nicht nur dann, wenn schlechte Quartalszahlen präsentiert werden, sondern manchmal auch dann, wenn der Aktienkurs sich zu weit in die Höhe gewagt hat. Dann machen viele Anleger den Fehler, ihre Aktien zu verkaufen und zwar mit dem Gedanken, dass sie jetzt zu teuer sind, aber man sie ja später billiger wieder zurückkaufen kann. Was in der Praxis leider nur selten gelingt. In der Realität ist das häufigste Ergebnis, dass man das Geld eingestrichen, aber den Wiedereinstieg in das Top-Unternehmen verpasst hat. Stattdessen hat man woanders investiert, aber eben nicht in gleichwertige Qualität. Ärgerlich!
Ein Paradebeispiel, wie man es richtig macht, ist Warren Buffetts Coca-Cola-Engagement. Er stieg ein, als der Aktienkurs gerade stark eingebrochen war und stockte später weiter auf. Dabei war die Aktie auch nach dem Einbruch nicht günstig bewertet, aber eben deutlich niedriger als zuvor. Warren Buffett kaufte Qualität zu vergleichsweise günstigem Preis, zumindest in der historischen Kursbetrachtung.
Anschließend kam es zur Kursexplosion und Buffets Aktienpaket vervielfachte sich innerhalb von Monaten. Dann platzte die Internetblase und ab 2000 fiel der Kurs stark zurück. Und Buffett hat nicht verkauft; er hat seit Jahrzehnten seinen Aktienbestand nicht angefasst. Klar, in der Rückschau hätte er einen schönen Gewinn einstreichen können, wenn er in der Übertreibungsphase teuer verkauft und nach dem Absturz wieder günstig gekauft hätte. Hat er aber nicht. Stattdessen schlummert sein Aktienpaket in seinem Depot vor sich hin. Mit zwei Effekten: (1.) Sein Anteil am Unternehmen steigt immer weiter an, obwohl er keine weiteren Aktien kauft. Aber Coca-Cola tut dies durch Aktienrückkäufe. Und damit steigt Buffetts Anteil am Unternehmen und dessen Gewinn immer weiter an. (2.) Coca-Cola zahlt Quartalsdividenden und inzwischen erhält Buffett jedes Jahr rund 75 % seiner Ursprungsinvestition in Coca-Cola in Form von Dividenden zurück. Das ist die geballte Kraft des Compoundings und Buffetts Partner Charlie Munger lüftete einmal das wichtigste Element dieser Zauberformel: es nicht unnötig zu unterbrechen. Mit anderen Worten, man solle die Aktien nicht verkaufen, es sei denn, es wäre absolut notwendig (wenn das Unternehmen also auf eine Insolvenz zusteuert oder so etwas Gewaltiges).
Kaufe Qualität!
Das Prinzip, nicht zu verkaufen, kennt man auch als Buy & Hold. Aber es ist eben kein Buy & Forget. Es geht darum, die richtigen Aktien auszuwählen und diese zu behalten. Ist man bei der Auswahl bereits sorgfältig genug, kommt man gar nicht erst in die Verlegenheit, zu oft verkaufen zu müssen. Kauft man hingegen spontan und querbeet, liegt man entsprechend oft falsch und kann es sich nicht leisten, diese möglichen Rohrkrepierer im Depot versanden zu lassen. Ansonsten sammeln sich eine Menge Depotleichen an und das ist keinesfalls eine Erfolgsstrategie.
"Wir kaufen großartige Unternehmen, weil man relativ leicht herausfinden kann, was wahrscheinlich passieren wird. Aber nicht, wann. Wir wollen uns nicht zu sehr auf das Wann konzentrieren, wir konzentrieren uns auf das Was. Denn wenn wir mit dem Was richtig liegen, müssen wir uns über das Wann nicht allzu viele Sorgen machen."(Warren Buffett)
Buffett und Munger setzen also auf ausgesuchte Qualitätsunternehmen mit breitem ökonomischen Burggraben und Preissetzungsmacht. Die sind selten günstig zu bekommen, aber bei heftigen Börseneinbrüchen regieren die Emotionen und da werden auch die Qualitätsaktien kurzfristig zu Schnäppchenkursen angeboten. Und genau dann greift Buffett zu. Anleger können genauso vorgehen und das sollten sie auch.
Es ist so, wie bei Kleidung. Wenn man das billigste Zeug kauft, spart man erstmal Geld. Aber wenn nach zwei, drei Wäschen die Farbe verblichen und die Passform auf schlabberig mutiert ist, muss Ersatz her. Der kostet erneut Geld und so ist es zumeist sinnvoll, sich lieber hochwertigere Kleidung zu kaufen, die länger hält. Und sofern es nicht um Saisonmode geht, fährt man damit meistens besser.
Ähnlich ist es mit Küchenmessern. Man kann ein Billiges kaufen, das schneidet auch. Jedenfalls am Anfang und dann schärft man es ein paar Mal, bevor es den Geist aufgibt. Alternativ kann man gleich ein Qualitätsmesser erwerben und mit entsprechend pfleglichem Umgang dann jahre- und jahrzehntelang verwenden. Der höhere Preis für Qualität zahlt sich aus – auf lange Sicht.
Mein Fazit
Die meisten Anleger geben bei Umfragen an, langfristig zu investieren. In der Realität sinkt die durchschnittliche Haltedauer von Aktien mit jedem Jahr weiter ab und beträgt inzwischen nur noch wenige Wochen. Das liegt nicht nur am immer stärkeren Aufkommen des automatisierten Hochfrequenzhandels, sondern auch an der zunehmenden Schnelllebigkeit unserer Zeit; Aktien sind hierbei keine Ausnahme. Die Informationen fließen immer schneller, die Aufmerksamkeitsspanne sinkt immer weiter, der Druck, immer häufiger zu agieren oder zu interagieren steigt. Zudem empfinden wir Kursverluste als Scheitern, als eigenes Versagen und daher trennen sich Anleger immer schneller und immer häufiger von ihren Aktien.
Was der wesentliche Grund dafür ist, dass nur wenige den Markt schlagen. Fakt ist, dass die meisten Anleger unterdurchschnittliche Ergebnisse aufweisen, sowohl die Privatanleger als auch die Profis.
Weniger (traden) ist mehr (Rendite).
Das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir die nächste Agenturmeldung sehen zum Quartalsergebnis 'unseres' Unternehmens und uns die unmittelbar darauf folgende Kursbewegung zum Handeln anstachelt.
Lass (die Gewinne) laufen.
Hat man die richtigen Unternehmen im Depot und sorgfältig ausgewählt, dann kann man auch Kurseinbrüche relativ gelassen verkraften. Auf lange Sicht setzt sich Qualität durch.
Amazon brach vom 2000er Allzeithoch um mehr als 90 % ein und brauchte mehr als 15 Jahre, um dieses Kursniveau wieder zu erreichen und dann auch deutlich zu übertreffen. Amazon-Gründer Jeff Bezos hatte seine Amazon-Anteile die ganze Zeit im Depot – und wurde damit der reichste Mensch der Welt.
Der Microsoft-Kurs spielte ähnlich verrückt. Im Jahr 2000 war Microsoft kurzzeitig mal das wertvollste Unternehmen der Welt. Dann brach der Kurs extrem ein, um gut 80 % vom Hoch aus gesehen. Und auch Microsoft-Gründer Bill Gates hielt an seinen Aktien fest und wurde so vor einigen Jahren wieder an die Spitze der Superreichenliste gespült.
Und auch Bernard Arnaults LVMH hat in den Jahrzehnten unter seiner Führung Höhen und Tiefen gesehen. Doch er steigerte den Wert des Luxus-Imperiums immer weiter, ungeachtet von dessen Aktienkurs, und ist auf dem besten Weg, demnächst einmal der reichste Mensch der Welt zu werden. Viel fehlt dazu nicht bei einem geschätzten Vermögen von 158 Mrd. Euro.
Ihr Erfolgsrezept (wenn auch nicht das einzige): Sie haben nicht verkauft!
Frei nach Buffett: Wenn Du die richtige Aktie gekauft hast, ist die richtige Zeit zum Verkaufen: nie. So investiert man mit Sicherheit erfolgreich. Und jeder kann das; er muss "nur" die nötige Disziplin dafür aufbringen und die wenigen, aber wichtigen, Grundprinzipien befolgen. Also los…
Disclaimer: Habe Adobe, Alphabet, Amazon, Berkshire Hathaway, Microsoft, Tesla auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.
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