"Brutaler Absturz" im September. Der S&P 500 erlebte gar den schlechtesten Börsenmonat seit dem März 2020 auf dem Hochpunkt der Coronapanik. Zu den am besten performenden Sektoren im S&P gehören in diesem Jahr Rohstoffe (+52,5 %), Schiffbau (+41,8 %), Pharmahandel (+37,7 %), Versorger (+25,8 %) sowie Öl- und Gasexplorer (+7,1 %).
Im 3. Quartal und besonders im September spitzte sich das Abdriften der Wirtschaft in eine Rezession deutlich zu, so dass nun auch die Sektoren mit der bisher hohen relativen Stärke zum Gesamtmarkt einbrachen, während die übrigen Branchen dies nicht kompensieren konnten, sondern ihrerseits weiter an Boden verloren. Doch es bleiben Hoffnungsschimmer...
(1.) Die Inflationsrate dürfte sich bald deutlich abschwächen. Zum einen begannen die besonders starken Preissteigerungen bei den Energiepreisen im 4. Quartal 2021, so dass sich damit in den nächsten Monaten die Vergleichsbasis erhöht und der Rückgang der Energiepreise in den letzten Wochen bremst die Inflationsrate demnächst ebenfalls merklich ab. Noch kommt dieser Effekt kaum bei den Verbraucherpreisen an, weil er sich zunächst immer bei den Unternehmen aufläuft und dort zu Kostensteigerungen führt (sog. Erzeugerpreise), die diese dann nach der Produktion ihrer Waren/Produkte an die Konsumenten weitergeben. Die Kostensteigerungen für die Unternehmen kommen also oft erst mit einigen Wochen Zeitverzögerung bei den Verbrauchern und somit in der Inflationsrate an.
(2.) Die Stimmung an den Börsen ist sehr schlecht und es gab bereits einige panikartige Ausverkäufe, bei denen Aktien unlimitiert auf den Markt geschmissen wurden; das kam einer Kapitulation gleich. Die Buy-the-Dip-Anhänger haben sich bereits mehrfach eine blutige Nase geholt und halten sich zunehmend zurück und die institutionellen Anleger ebenso.
Man könnte es also so deuten: Wer verkaufen wollte, hat bereits verkauft und das ist genau die Basis, von der aus die Kurserholung einsetzt. Die Käufer gewinnen die Oberhand, weil die Verkäufer aufhören zu verkaufen. Gut möglich, dass wir im 4. Quartal 2022 eine deutliche Börsenerholung sehen, obwohl die Nachrichtenlage noch immer kritisch ist. Dabei dürfte der Energiesektor auch weiterhin die Richtung vorgeben. So oder so...
In den letzten 4 Wochen ging es mit den Kursen jedenfalls kräftig bergab. Die aufflammenden Rezessionsängste ließen die Energiepreise kräftig sinken, während die anhaltende Diskussion um Übergewinnsteuern und Preisdeckel die Stimmung im Sektor ebenfalls belastete. Sowohl die Öl- und Gasaktien als auch die der regenerativen Erzeuger und Projektierer stehen dabei im Fadenkreuz.
Vermilion Energy ist bekanntlich mein Favorit im Sektor und gleichzeitig mein Hedge gegen die extrem hohen Gaspreise in Europa. Der extreme Preisschock bei Gas und in der Folge auch bei Strom in Deutschland resultierte zum Großteil aus Habecks "Kaufrausch", der die deutschen Gasspeicher so schnell wie möglich und zu jedem Preis auffüllen ließ. Nachdem dieses Ziel weitgehend erreicht wurde und die Übernachfrage abebbte, gab der Gaspreis - erwartbar - signifikant nach. Ich habe daher die VET-Position entsprechend reduziert. Dabei habe ich, wie schon beim vorherigen Nachkauf, nicht den besten Kurs erwischt, also weder am Tief gekauft noch auf dem Hoch verkauft. Die Volatilität in enorm und VET wurde zwischen 30 und 18 Euro gehandelt; aktuell sind es knapp 22 Euro.
TD Securities hat die Auswirkungen der EU-Übergewinnabschöpfung ermittelt, die VET 2022 (379 Mio. USD) und 2023 (532 Mio. USD) treffen werden, wodurch die Free Cashflow-Marge von 57 % auf 38 % zurückgehen ginge, was aber noch immer die höchste sei, die TD Securities im ihrem Coverage-Universum kenne. Damit sei einer der größten Unsicherheitsfaktoren aus dem Markt und das Urteil der Analysten lautet BUY mit Kursziel 45 CAD, also gut 33 Euro bzw. 50 % Kurspotenzial.
Mein Investmentcase für Vermilion Energy ist weiterhin intakt. Die wahrscheinliche Abschöpfung der Übergewinne ist zwar durchaus kostspielig, aber sie lässt VET genügend Spielraum, um schnell Schulden zu reduzieren und Aktienrückkäufe sowie Dividendenerhöhungen zu lancieren.
Die Anschläge auf beide Nordstream-Pipelines machen es noch unwahrscheinlicher, dass Deutschland wieder russisches Gas in signifikantem Volumen erhält und da auf der anderen Seite der Gasverbrauch nicht schnell und nur schrittweise gesenkt werden kann, wird man andernorts Gas kaufen müssen - und damit die Nachfrage und die Preise noch jahrelang hoch bleiben. Nicht so hoch wie zu den jüngsten Spitzenpreise, aber deutlich höher als Mitte 2021.
Bei meinen hoch gewichteten EE-Werten Energiekontor, PNE und clearvise gab es ein gemischtes Bild. Energiekontor verlor kräftig, clearvise moderat und PNE steht auf 20-Jahres-Hoch. Der Ausbau stockt weiterhin, was an langsam arbeitenden Behörden liegt und an Materialengpässen, im Bestand werden enorme Gewinne eingefahren.
Der September ergab sehr gute Winddaten mit insgesamt 8,065 Mrd. kWh an Windstrom, wovon 6,154 Mrd. kWh alleine onshore erzielt wurden. Im Solarbereich waren es gute 4,8 Mrd. kWh. Energiekontor hat zuletzt mehrere Windprojekte fertiggestellt und auch PNE, die diese in ihren Eigenbestand überführten. Bei clearvise dürfte die nächste Prognoseerhöhung vor der Tür stehen, während die Spannung hinsichtlich des Pacifico-Deals weiter zunimmt. Im Zuge der Transaktion benennt sich die Pacifico Renewables Yield AG in Tion Renewables AG um.
Die Börsenentwicklung
Der September schloss mit Verlusten auf breiter Front ab, denn Inflations- und Zinssorgen paaren sich nun mit deutlichen Bremsspuren in der Wirtschaft. auf. Besonders heftig erwischte es erneut Nebenwerte.
• Dow Jones: -8,84 % (YTD: -20,95 % // 1 Jahr: -15,12 %)• S&P 500: -7,95 % (YTD: -23,62 % // 1 Jahr: -15,49 %)• NASDAQ: -9,02 % (YTD: -31,59 % // 1 Jahr: -24,00 %)• DAX: -5,61 % (YTD: -23,74 % // 1 Jahr: -20,62 %)• MDAX: -14,45 % (YTD: -37,96 % // 1 Jahr: -36,88 %)• SDAX: -11,31 % (YTD: -35,89 % // 1 Jahr: -36,26 %)• TecDAX: -8,65 % (YTD: -31,87 % // 1 Jahr: -28,63 %)
Das sind deutliche Einbußen bei Aktien, doch andernorts war noch mehr zu verlieren. So brach der Bitcoin im Jahresverlauf bisher um 58,2 % und Cathie Woods ARKK sogar um 60,1 %. Der vermeintlich sichere Hafen und Inflationsschutz Gold hat ebenfalls mehr als 9 % verloren und hat sich damit sogar schlechter entwickelt als alle drei US-Börsen - bei denen sich die ausgeschütteten Dividenden die Performance noch etwas erhöhen würden. Und dank steigender Zinsen sind auch die Anleihen auf Talfahrt. Der Index für 10-jährige Bundesanleihen Rex10yP hat seit Jahresbeginn mehr als 15 % verloren.
Entwicklung meiner Wikifolios
Soweit mein kurzer Monatsrückblick. Jetzt kommen wir zur Entwicklung meiner drei Wikis:
Kissigs Nebenwerte Champions ▶ zum Wiki
Investiertes Kapital: 1.997.800,- EUR
109,56 (31.08.22: 131,47)
Rendite seit Start am 19.08.20: +9,6 %
Rendite 1 Monat: -17,7 %
Rendite in 2022: -26,4 % (YTD)
Rendite in 2021: +17,3 %
Rendite in 2020: +27,0 % (ab 19.08.)
Mein Nebenwerte Wiki hat stark gelitten, nicht nur wegen der hohen Gewichtung des Energiesektors, der mit rund 35 % Gewichtung der am stärksten gewichtete bleibt. Meine Aufstockung bei JDC Group und insbesondere bei Steico waren im Rückblick ziemlich mieses Timing und wegen des quasi Käuferstreiks im Immobiliensektor seit Mitte September litten die hier aktiven Werte Hypoport und Steico besonders. Die Cashquote mit beinahe 20 % ist für meine Verhältnisse außergewöhnlich, doch momentan warte ich erstmal die Updates der Unternehmen zur Geschäftsentwicklung ab, weil es hier die eine oder andere negative Überraschung geben könnte/dürfte (siehe Hypoport).
Kissigs Quality Investments ▶ zum Wiki
Investiertes Kapital: 761.900,- EUR
93,84 (31.08.22: 102,68)
Rendite seit Start am 13.08.20: -6,8 %
Rendite 1 Monat: -11,1 %
Rendite in 2022: -29,6 % (YTD)
Rendite in 2021: +24,0 %
Rendite in 2020: +7,0 % (ab 13.08.)
Bei den Quality Investments habe ich Apollo Global in weitere KKR-Aktien getauscht, weil ich beide für ähnlich aussichtsreich halten, aber KKR eine deutlich niedrigere Dividende ausschüttet. Und da Dividenden von US-Unternehmen bei Wikifolio leider "unterschlagen" werden, gibt es dort auch keinen Platz für meinen eigentlichen Sektorfavoriten Blackstone. Neu im Portfolio ist Starbucks, die nach ihrem Strategieupdate wieder auf Wachstum (vor allem in Chona) setzen und auf massive Aktienrückkäufe.
Kissigs Turnaround-Spekulationen ▶ zum Wiki
Investiertes Kapital: 78.500,- EUR
54,84 (31.08.22: 63,61)
Rendite seit Start am 12.10.21: -45,2 %
Rendite 1 Monat: -15,6 %
Rendite in 2022: -29,8 % (YTD)
Rendite in 2021: -9,4 % (ab 12.10.)
Bei meinen Turnaround Spekulationen ist weiterhin nicht viel zu holen in diesem Börsenumfeld. Dispositionen habe ich im September nicht vorgenommen, das Wiki ist dennoch weiter gefallen. Inzwischen liegen wieder alle Positionen im Minus, wobei Corestate Capital und Shop Apotheke besonders schlecht dastehen.
Ende, aus, vorbei...
Es war ein außergewöhnlicher und emotional fordernder Monat, nicht nur Börsenneulinge. Ich bedanke mich an dieser Stelle wieder bei allen Anlegern, die mir mit ihren Investments das Vertrauen aussprechen und in die drei Wikis zusammen knapp 2,9 Mio. EUR investiert haben. Das sind 500.000 EUR weniger als vor einem Monat und wohl vor allem der negativen Performance aller drei Wikis geschuldet, denn der Rückgang liegt mit etwa 7 % deutlich unter dem durchschnittlichen Rückgang der Wiki-Kurse, vor allem des mit Abstand größten, dem Nebenwerte-Wiki, das im September besonders gelitten hat.
Meine durchschnittliche jährliche Zielrendite ist 15 % und die wird in diesem Jahr kaum noch zu erreichen sein. Hinsichtlich meine "operativen Net Worth" habe ich in den letzten acht Jahren sechs Jahre mit Renditen zwischen 22 % und 37 % angeschlossen, während 2018 knapp 10 % Verlust einspielte. Und 2022 toppte dies mit -15,5 % per Ende Juni bisher - doch Ende Juli hatte sich das Minus weitgehend verflüchtigt und nach einem zwischenzeitlichen erfreulichen Ausflug in die Pluszone steht die Rendite per Ende September nun 11,25 % tiefer bei -13,5 %. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in die Berechnung meines Gesamtvermögens auch die geschäftlichen Aktivitäten meiner Firma (die sich weitgehend auch mit Aktien und Börse befassen) usw. mit einfließen - die GmbH steuert aktuell pro Monat einen "Free Cashflow" von mehr als 0,5 % (bezogen auf mein Gesamtvermögen bei). Geld, das ich zur freien Verfügung habe und dass ich meist/oft in Aktien investiere; mein persönlicher "Float". Insofern ist die Entwicklung meines operativen Net Worth meistens besser als die meines Investmentdepots und/oder der Wikis - allerdings nicht im September, wo die Aufstockungen zu Monatsanfang für zusätzliche Kursverluste sorgten.
Disclaimer: Habe die genannten Werte auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wikifolio.
Kopf hoch Michael. Buy and Hold von Qualitätsunternehmen. Bleib weiter deinem Weg treu. Wir müssen da alle durch.
AntwortenLöschenWenn sich meine Stimmung mal verschlechtert aufgrund von Kursverlusten, schaue ich mir gerne einen langfristigen Chart an. Das relativiert alles. Beste Grüße, Ernest
AntwortenLöschenMoin Michael,
AntwortenLöschenKeine einfache Zeit momentan.
Du hattest in der Vergangenheit mehrfach erwähnt, dass du immer voll investiert bist und Markttiming nicht möglich ist. Sind die 20% Cash nicht eine Art Markttiming? Auch bist du demnach nicht immer voll investiert
Beste Max
Moin Max,
Löschendas ist wohl eine Fehlinterpretation. Ich bin generell voll investiert, aber wenn ich Aktien verkaufe (in der Regel, weil sich die Faktenlage geändert hat und/oder mein Investmentcase nicht (mehr) aufgeht), dann füllt sich damit mein Cashkonto. Ich investiere dann ja nicht zwangsweise sofort in irgendwas (das könnte man als blindwütiges Buy-the-Dip bezeichnen), sondern ich investiere, wenn ich eine günstige Gelegenheit sehe. Eine strategische Cashreserve ist etwas anderes, als vorübergehend mal Cash auf dem Konto liegen zu haben.
Bei meinem Investmentkonto habe ich zuletzt bei den BDCs aufgestockt - die kommen wegen der Steuerproblematik mit US-Aktien für Wikis aber leider nicht infrage. Ich mache mir aber keine Sorgen, dass mir nicht bald wieder attraktive Investments vor die Flinte laufen...
Hallo Michael, bei Corestate ging es ja zuletzt wild zu... erst die vom Vorstand erwartete Insolvenz, jetzt scheinbar doch noch eine Einigung mit den Anleihegläubigern. Stark gefallene Kurse reizen ja immer zur Erwartung, es könne eigentlich nur wieder bergauf gehen, aber packt die Corestate das im neuen Zinsumfeld? Oder schrammt sie jetzt auf Jahre an der Insolvenz entlang? Habe da keinen Einblick, ob es noch echten Grund zur Zuversicht gibt, oder ob wieder nur Zeit gekauft wurde, ohne die grundlegenden Probleme zu lösen.
AntwortenLöschenhier die letzte Meldung: https://www.eqs-news.com/news/adhoc/corestate-capital-holding-s-a-glaubigerversammlungen-beschliesen-modifiziertes-restrukturierungskonzept/1701341
Naja, bei Corestate sind ja zwei Entwicklungen zu beachten. Einmal das Operative und ob Corestate hier die Kurve kriegt und dann auch die Frage, wie stark die Altaktionäre verwässert werden und ob für Aktionäre hier auf absehbare Zeit etwas zu holen ist. Das bewegt sich alles (alleine) im Bereich der Spekulation, gesicherte Erkenntnisse gibt es bisher keine/wenige. Zur Zeit ein reines Zockerpapier.
LöschenBesten Dank für die Einschätzung! Insgesamt schon krass, wie das Unternehmen in wenigen Jahren runtergewirtschaftet wurde. Habe den Eindruck, dass sich im Immobilienbereich die halbseidenen Typen und Geschäftspraktiken häufen...
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