Aktien Report Nr. 109 vom 07.10.2022
Franchise Group: Ein wirklich aussichtsreicher Business-Transformer!?
Unternehmer sein ist wirklich leicht: Man kauft etwas billig ein und verkauft es teurer weiter. Dazwischen verursacht man möglichst wenig Kostenaufwand und übrig bleibt ein schöner Gewinn. Doch natürlich ist es in der Praxis nicht ganz so einfach, sonst würden nicht so viele Unternehmen scheitern. Und scheitern werden sie alle, das steht fest. Doch einige überleben seit Jahrhunderten am Markt, andere überstehen nicht mal ein paar Monate."Amazon ist nicht zu groß, um zu scheitern […] Tatsächlich sage ich voraus, dass Amazon eines Tages scheitern wird. […] Wenn man sich große Konzerne ansieht, haben sie tendenziell eine Lebenserwartung von etwas über 30 Jahren und nicht von über 100."(Jeff Bezos, Amazon-Gründer)
Mit seiner Aussage überraschte Jeff Bezos vor einigen Jahren und sie wurde natürlich sofort so gedeutet, als sage er das unmittelbar bevorstehende Scheitern von Amazon voraus. Hat er natürlich nicht! Seine "Lösung" für ein langes und gesundes Unternehmensleben präsentierte er auch gleich mit: Neugierig bleiben und innovativ, ausprobieren, scheitern, von vorn beginnen, nie aufgeben. Unternehmen, die sich mit dem Erreichten zufriedengeben, werden vom Jäger zum Gejagten und dann zum Opfer. Das trifft auch Weltmarktführer.
So war Sears Holding mal der wertvollste Konzern der Welt. Das Unternehmen hatte den Versandhauskatalog erfunden und in gewisser Weise damit auch den Onlinehandel – auch wenn "online" damals Telefonleitung und nicht Internet bedeutete. Doch Waren über das Telefon zu verkaufen war eine Sensation, wo doch damals ausschließlich in Ladengeschäften eingekauft wurde.
An Versandhauskataloge von Quelle oder Otto erinnern sich wohl nur noch die Älteren während die nach 2000 Geborenen vielleicht gar nicht wissen, wovon ich hier rede. Macht aber nichts, denn genau darum geht es. Sears schien unbezwingbar und war Trendsetter; man schuf sich seinen eigenen Markt und dominierte diesen lange Zeit, trotz der vielen Nachahmer. Aber dieser Markt ist tot! Er wurde disruptiert vom "modernen" Onlinehandel, also von Amazon. Hätte Sears die Zeichen der Zeit erkannt und entsprechend gehandelt, könnte man selbst das Amazon von heute sein. Die Geschichte lief bekanntlich anders und Sears rutschte in die Insolvenz, während Amazon einer der wertvollsten Konzerne der Welt ist und sein Gründer Jeff Bezos zeitweilig der vermögendste Mensch der Welt.
Sears ist aber kein Einzelfall. Auch General Electric war einmal das wertvollste Unternehmen der Welt. Doch inzwischen sind 22 Jahre vergangen und GE ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die wohl größte Schmach ereilte das Unternehmen, als es vor einigen Jahren als das letzte verbliebene Gründungsmitglied des Dow Jones Index aus diesem herausflog.
Mobile first, cloud first
Vor mehr als 10 Jahren verfasste der frühere Netscape-Entwickler und heutige Hedgefonds Manager Marc Andreessen sein inzwischen berühmtes Memo "Software eats the world", in dem er die Entwicklung genau vorhersagte, die seitdem passierte. Die meisten Geschäftsbereiche und Branchen erleben eine digitale Verwandlung, lösen sich vom althergebrachten kapitalintensiven Wirtschaften und setzen auf digitale, softwarebasierte Anwendungen.Microsofts CEO Satya Nadella gab bei seinem Amtsantritt 2015 das neue Credo des Konzerns vor mit "mobile first, cloud first" und er entfesselte damit den Windows- und Office-Dinosaurier geradezu, der bis dahin quasi schon auf den Meteoriteneinschlag gewartet hatte. Doch Nadellas Starkstromimpuls rettete den Dino vor dem Aussterben und hauchte ihm neues Leben ein. Heute ist Microsoft wieder an der Spitze in vielen Bereichen und zählt zu den innovativsten Unternehmen der Welt. Es hätte auch anders kommen können, wenn der Konzern weiter auf den Spuren von Nadellas Vorgänger gewandelt wäre: Steve Ballmer. Kaum erwähnenswert ist, dass Microsoft im Jahr 2000 das wertvollste Unternehmen der Welt war und dann abstürzte. Doch anders als Sears und General Electric konnte man den Thron in 2021 wieder zurückerobern, wenn auch nur für kurze Zeit und dann im Wechselspiel mit dem alten großen Rivalen Apple. Und auch Apple hatte Mitte der 1990er Jahre vor dem Aus gestanden – und wurde damals ausgerechnet von Microsoft-Gründer und "Erzfeind" Bill Gates mit einer Finanzspritze gerettet. Aber das ist eine andere Geschichte…
Mehr als Zufälle
"Geschäft ist Krieg" heißt es in Japan und die Geschäftswelt ist wirklich ein Dschungel, in dem nur der stärkste und agilste überlebt. Sich anzupassen, sich immer wieder selbst infrage zu stellen und sich zu verbessern, ist der Schlüssel zum Erfolg. Dabei kann der Impuls hierzu intern erfolgen oder extern, zum Beispiel durch ein neues Management. Und natürlich durch Zufälle. So wie beim Pharmakonzern Pfizer, der schon mehrfach durch glückliche Umstände in die Erfolgsbahn geschubst wurde. So scheiterte man mit der Erforschung des Wirkstoffs Sildenafil, mit dem Bluthochdruck und Angina Pectoris behandelt werden sollte. Doch es gab einen unerwarteten Nebeneffekt, der den Wirkstoff unter dem Namen Viagra zu einem der erfolgreichsten Potenzmittel der Welt machte.Ein weiterer "Glückstreffer" ereilte Pfizer während der Corona-Pandemie, denn man war Partner der deutschen Biotech-Schmiede BioNTech, die an mRNA-Wirkstoffen arbeitete. Und BioNTech brachte mit Comirnaty den ersten und effektivsten Corona-Impfstoff auf den Markt – zusammen mit Partner Pfizer. Die Entwicklung war nicht Pfizers Verdienst, aber als Logistikpartner war man für BioNTech und damit die ganze Welt letztlich ein Segen.
Franchise Group
Auf Zufälle setzt Brian Khan nicht, sondern auf kühles Kalkül. Mit seinem Investmentvehikel Vintage Capital Management übernahm er vor einigen Jahren die Kontrolle über die Firma Liberty Tax und fusionierte sie anschließend mit Buddy's Home Furnishings – daraus entstand die Franchise Group, deren Großaktionär (27 %) und CEO Brian Khan heute ist.Die Franchise Group ist ein Sammelsurium unterschiedlicher Unternehmen aus diversen Branchen, die auf den ersten Blick wenig gemein haben – und einen auch nicht gerade vom Hocker reißen. Doch davon sollte man sich nicht blenden lassen, denn hinter der "zusammengewürfelten Resterampe" verbirgt sich ein spannendes und bisher sehr erfolgreiches Geschäftsmodell.
Khan, der aus der Private Equity-Szene kommt, entwickelte die ursprünglich börsennotierte Steuerberaterfirma Liberty Tax durch eine Reihe aggressiver Übernahmen in ein skalierbares Franchise-Holdingkonglomerat. Dieses Konglomerat besteht inzwischen aus dem Rent-to-Own-Einzelhändler Buddy's, dem Gesundheits- und Wellness-Einzelhändler The Vitamin Shoppe, dem Einzelhändler für günstige Möbel American Freight, dem Einzelhändler für Heimtierbedarf Pet Supplies Plus, dem Nachhilfedienstleister Sylvan Learning und dem Einzelhändler für Heimtextilien W.S. Badcock. Von den meisten Unternehmen dürfte man noch niemals gehört haben, jedenfalls nicht hier in Deutschland.
Klingt erstmal nicht so beeindruckend, denn es ist keine große Leistung, irgendwelche Firmen zusammenzukaufen, die wenig Synergien bieten. Und doch steckt Kalkül dahinter. Denn Khan kauft Unternehmen in "distressed" Phasen, also wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen und billig zu bekommen sind. Er zahlt wenig und anschließend stößt er Teilbereiche ab, um die Übernahme zu finanzieren. Zurück bleibt dann ein Rumpfgeschäft, das Teil der Franchise Group bleibt.
Das erinnert an die Anfänge der Corporate Raiders aus den 1980er Jahren, als Carl Icahn, Ivan Boesky, Sir James Goldsmith und Henry Kravis von KKR & Co Firmen unter maximaler Ausnutzung des Kredithebels aufkauften und anschließend gewinnmaximierend zerschlugen. Oliver Stones Filmepos "Wall Street" zeichnet diese Zeit treffend nach und Ivan Boesky war eines der Vorbilder für die Hauptrolle Gordon Gekko, den Michael Douglas Oscar-prämiert verkörperte.
Quelle: wallstreet-online.de |
Dieser Deal ist die Blaupause für alle anderen: Khan setzt auf schlecht geführte und/oder in Problemen befindliche Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich verschlanken und anschließend gut skalieren lässt. Durch den Verkauf von Assets refinanziert er den Kaufpreis, so dass die Franchise Group nicht dauerhaft steigende Kreditverpflichtungen schultern muss; der aktuelle Nettoschuldenstand liegt bei 1,1 Mrd. USD und damit auf Augenhöhe der Börsenkapitalisierung. Gleichzeitig ist man auch nicht auf ständige Kapitalzuführungen, zum Beispiel durch Kapitalerhöhungen, angewiesen.
Zudem steuern die Unternehmen operativ zum Ergebnis der Gruppe bei und zum stark steigenden Cashflow. Dieser Cashflow steht für weitere Akquisitionen bereit. Ich dürfte nicht der einzige sein, den dieses Vorgehen im weiteren Sinne an Warren Buffett und seinen "Float" aus den von Berkshire Hathaway dominierten Versicherungsunternehmen erinnert.
Kurzfristig trübe Aussichten
Nun bewegen sich auch Khan und die Franchise Group nicht in ihrem eigenen Universum, sondern in unserer Realität. Und diese Realität besteht aus Wirtschaftsabschwung, Zinssteigerungen, hoher Inflation und Energiepreisschock. Dem entsprechend werden auch die aktiven Tochterunternehmen der Franchise Group negativ getroffen, so dass das Unternehmen Anfang August seine Jahresprognosen reduzieren musste.Im 2. Quartal hat FRG seine Umsätze zwar im Jahresvergleich um 27,5 % auf 1,1 Mrd. USD gesteigert, die Erwartungen aber verfehlt. Das bereinigte EBITDA betrug 103,4 Mio. USD. Beim Ergebnis je Aktie auf Non-GAAP-Basis lag man mit 0,19 USD sogar um 9 Cents hinter den Erwartungen zurück.
Im Geschäftsjahr 2022 soll der Umsatz nun zwischen 4,3 bis 4,45 Mrd. USD liegen und damit unter den bisherigen Prognosen. Gleiches gilt für das bereinigte EBITDA, das zwischen 390 und 450 Mio. USD erwartet wird und den Non-GAAP-Gewinn je Aktie von 4,00 bis 5,00 USD.
Der Aktienkurs hat entsprechend negativ reagiert und ordentlich nachgeben; seit Jahresbeginn summiert sich der Kursverlust nun bereits auf 50 %. Und für das gerade abgelaufene 3. Quartal ist wenig Besserung zu erwarten, denn die Geschäfte dürften eher schleppend gelaufen sein. Vor allem die größte Beteiligung American Freight steht unter Druck. Gut möglich also, dass FRG seine Prognosen nochmals nach unten revidieren wird müssen.
(Erstmal) gescheiterte Übernahme von Kohl's
Am Selbstvertrauen von Brian Khan hinterlässt dies keine Kratzer. Im Gegenteil: Er hat soeben versucht, den strauchelnden Einzelhändler Kohl's zu übernehmen. Franchise Group hatte zuletzt 53 USD je Aktie geboten, doch das war dem Kohl-Management zu wenig. Kohl's Aktienkurs lag im April noch bei 60 USD und stürzte seitdem kräftig ab; aktuell versucht er sich an einer Bodenbildung bei 25 USD. Vermutlich ist hier also das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn FRG war der letzte verbliebene Bieter, mit dem dann auch exklusive Gespräche geführt worden waren.Zur Einordnung: bei einem Übernahmepreis von 53 USD je Aktie würde Kohl's mit 6,2 Mrd. USD bewertet und damit mit dem mehr als Fünfeinhalbfachen der Franchise Group. Das ist schon eine gewaltige Relation und erinnert ebenfalls an die wilden 1980er Jahre, als "Leveraged Buyouts" (LBOs) der größte Hit waren und kleine Unternehmen dank Junk Bond-Finanzierungen sogar Weltkonzerne übernehmen konnten.
Mein Fazit
Hieraus ergeben sich Chancen und Risiken. Das Geschäftsmodell ist grundsätzlich sehr attraktiv, lebt aber vor allem von der One Man-Show Brian Khan. Durch das Erwerben unterbewerteter Firmen und dem schnellen Verkauf von werthaltigen Assets, wie Immobilien, bindet FRG sein Kapital nur für einen begrenzten Zeitraum und baut anschließend das operative Restgeschäft der neuen Konzerntochter kräftig aus.Der Übernahmeversuch von Kohl's zeigt, dass Khan inzwischen auch Elefanten ins Visier nimmt, doch damit steigt das Risiko. Verspekuliert er sich, könnte dies als Klumpenrisiko die gesamte Franchise Group in Schieflage bringen. Auf der anderen Seite winken besonders hohe Gewinne, wenn so ein Big Deal nach dem bewährten Muster funktioniert.
Shareholder Return
Das EBITDA pro Aktie hat Khan in den letzten Jahren um das Dreifache gesteigert. Unternehmenspolitik ist, 25 % des EBITDA als Dividende an die Aktionäre auszuschütten; diese liegt derzeit bei 2,50 USD, was einer Jahresrendite von beinahe 10 % entspricht. Zudem läuft ein Aktienrückkaufprogramm im Volumen von bis zu 500 Mio. USD, was ausreichen würde, zum aktuellen Kurs von 27 USD beinahe die Hälfte (!) aller ausstehenden Aktien zurückzukaufen.Mir gefällt das Geschäftsmodell, mir gefällt Khans Track-Record, mir gefällt das starke Wachstum von operativem Ergebnis und Cashflow und ebenso der hohe Shareholder Return. Trotzdem reicht es für die Franchise Group erstmal nur zur Watchlist, denn momentan gibt es operativ kräftig Gegenwind und das könnte bei den nächsten Unternehmenszahlen noch einmal für eine bittere Überraschung sorgen. Mit entsprechend negativen Folgen für den Aktienkurs.
Ich warte also mit Blick auf die Zahlen erstmal ab und entscheide mich dann, ob die Gelegenheit günstig (genug) ist, um mir einen Anteil an Khans Universum zu sichern.
Disclaimer: Habe Amazon, Apple, BioNTech, General Electric, KKR, Microsoft auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen