Für die Leser meines Blogs hat das Ganze auch einen direkten Nutzen: nach Erscheinen des Magazins darf ich eine meiner Analysen dann auch hier veröffentlichen. Vielen Dank dafür an Simon Betschinger, Gründer und Geschäftsführer von Traderfox.
Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 08/2022 vom 17.05.2022Ernst Russ: Mit Schifffahrt lässt sich wieder richtig Geld verdienen
Die Ernst Russ AG ist eine börsengehandelte international agierende Reederei und ein maritimer Investmentmanager mit Sitz in Hamburg. Die Unternehmensgeschichte geht in Teilen zurück in das Jahr 1893. Derzeit betreut die Unternehmensgruppe eine Flotte von 28 vollkonsolidierten Schiffen. Der Fokus liegt dabei auf Containerschiffen der Größenklassen zwischen 700 und 6.600 TEU. Die Ernst Russ AG baut ihre Flotte kontinuierlich aus und sichert Aktionären somit stabile und nachhaltige Wertzuwächse.
Vor den großen Häfen der Welt stauen sich die Containerschiffe und das sorgt für Chaos in den globalen Lieferketten. Die Schiffe sind in Wartestellung und das bedeutet, dass sie weder Be- noch entladen werden können. Die Waren, die sich in ihren Containern befinden, finden damit nicht den Weg zum Verbraucher, aber auch die Container selbst stehen nicht zur Verfügung. Von den Schiffen ganz zu schweigen. Die Kapazitäten sind also mehr als ausgebucht und das treibt die Frachtraten massiv in die Höhe. Daher lässt sich mit Schiffen und Containern wieder richtig viel Geld verdienen.
Doch bevor wir uns mit dieser attraktiven Marktkonstellation befassen, müssen wir kurz zurückblicken.
In der Folge wurde überall Kapital abgezogen und so trockneten weitere Märkte aus. Auch die bei Anlegern und Steuersparfetischisten beliebten Medien-, Flugzeug-, Immobilien- und Schifffahrtsfonds gerieten reihenweise in Schieflage und konnten ihre Anleger nicht mehr auszahlen. Die Abwärtsspirale drehte sich weiter, da diese Fonds bei den Banken auch hohe Kredite aufgenommen hatten, die sie nun nicht mehr bedienen konnten und damit die Kreditkrise bei den Banken nochmals verschärften.
In die Röhre schauten hierbei nicht nur die Banken, sondern auch die Fondsanleger, die zumeist ihren gesamten Kapitaleinsatz verloren haben und sich im Nachgang sogar mit Forderungen des Finanzamt herumschlagen mussten, das in guten Jahren gezahlte Ausschüttungen zurückverlangte.
Am Aktienkurs lassen sich der Niedergang und das folgende lange Siechtum sehr gut ablesen. Das war nicht nur dem daniederliegenden Schifffahrtsgeschäft geschuldet, wo HCI langsam wieder die Kurve kriegte, sondern auch den erheblichen Risiken in der Bilanz. Das Unternehmen wurde jahrelang von seinen ehemaligen Investoren auf Schadensersatz verklagt und hätte diese Forderungen nicht bedienen können. Jedes Investment in die Aktie hing damit unter dem Damoklesschwert.
Doch mit der Zeit waren die Klagen abgearbeitet oder verjährt und damit verringerten sich auch die Bilanzrisiken. Ende 2015 wurde ein Kapitalschnitt durchgeführt mit anschließender Rekapitalisierung und das Unternehmen nahm mit frischem Geld und neuem Management langsam wieder Fahrt auf.
Zum Jahresanfang 2016 erfolgte die Übernahme des Konkurrenten König & Cie. als strategisch sinnvolle Ergänzung des Leistungsspektrums der HCI Gruppe, die sich als Investment- und Assetmanager mit Schwerpunkt im maritimen Bereich positionieren wollte.
Im April 2016 kaufte HCI Capital im Wege einer Sacheinlage die bereits seit 1893 bestehende Hamburger Traditionsreederei Ernst Russ und erweiterte so seine eigene Schiffsflotte.
Im Mai 2016 erwarb HCI Capital im Zuge einer Portfoliotransaktion gemeinsam mit zwei weiteren Investoren aus dem Aktionärskreis 13 Schiffe aus dem Kreditportfolio der HSH Nordbank.
Im Juli 2016 übernahm HCI Capital die Mehrheit der Anteile an der Westfonds Immobilien-Anlagegesellschaft von der Erste Abwicklungsanstalt AöR (EAA), der damaligen Rechtsnachfolgerin der WestLB. Westfonds betreute damals rund 12.000 Anleger in insgesamt 17 Fonds mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 540 Mio. EUR.
Dem Neustart wurde dann auch noch durch die Umfirmierung Rechnung getragen und Ende Juli 2016 wurde aus der HCI Capital die Ernst Russ AG.
Aus heutiger Sicht war der Fokus auf den Schifffahrtsbereich ein voller Erfolg, auch wenn Ende 2020 der folgende starke Rückenwind durch die gestörten Lieferketten und die massiv steigenden Frachtraten noch nicht absehbar waren.
Die Flotte des Unternehmens umfasst derzeit 28 vollkonsolidierte Schiffe sowie verschiedene Minderheitsbeteiligungen. In der Verwaltung geschlossener Fonds im Auftrag großer Treuhandgesellschaften und Fondsanbieter ist man nur noch in geringem Umfang tätig.
Man baut sein Portfolio an Schiffen weiter aus, auch wenn opportunistisch einzelne Schiffe veräußert werden, um versteckte Gewinnpotenziale zu heben. Die kontinuierliche Flottenerweiterung verbessert die Diversifizierung in Bezug auf Schiffsklassen, Charterlaufzeiten und Restlebensdauer der Schiffe weiter.
Die gute Finanzlage von Ernst Russ und der Zugang zum Kapitalmarkt stellen einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht börsennotierten Anbietern dar in Bezug auf Flexibilität und Finanzierungskosten der eingesetzten Assets. Die enge Anbindung an die Peter Döhle-Gruppe ermöglicht eine hohe Expertise und den Zugang zu lukrativen Chartergeschäften oder Schiffstransaktionen.
Der Cashflow aus der Geschäftstätigkeit versiebenfachte sich auf 36 Mio. EUR und deckte alle Investitionen und Akquisitionen ab. Dementsprechend verbesserte sich auch die Bilanz der Gruppe. Trotz einer größeren Flotte blieb die Nettoverschuldung mit 54 Mio. EUR nahezu unverändert und die Eigenkapitalquote stieg von 49 % auf 54 %.
Zusätzlich zu den unveränderten fundamentalen Treibern, also einer größeren Flotte im Einsatz und höheren Charterraten, die für das laufende Jahr bereits weitgehend festgeschrieben sind, wird das Unternehmen auch Buchgewinne in Höhe von 26 Mio. EUR verbuchen, die hauptsächlich auf den Verkauf von drei Schiffen zurückzuführen sind.
So hatte Ernst Russ Ende März verkündet, sich von ihren Anteilen an dem Containerschiff MS "Music" trennen zu wollen. An dem 2007 gebauten Schiffs hält die Gesellschaft 55 % der Anteile. und die Veräußerung wird im 2022er Konzernabschluss der Ernst Russ Gruppe zu einem sonstigen betrieblichen Ertrag von rund 12,3 Mio. EUR führen. Für 2022 war von dem Schiff ein Umsatzbeitrag von 4,6 Mio. EUR und ein Ergebnisbeitrag vor Zinsen und Steuern von 2,5 Mio. EUR erwartet worden.
Für 2022 erwartet Ernst Russ nun einen Gewinn vor Zinsen und Steuern zwischen 72 und 77 Mio. EUR und damit 10 Mio. EUR mehr als bisher. Die Erwartungen hinsichtlich aller übrigen, prognostizierten Kennzahlen haben sich nicht verändert.
Vor den großen Häfen der Welt stauen sich die Containerschiffe und das sorgt für Chaos in den globalen Lieferketten. Die Schiffe sind in Wartestellung und das bedeutet, dass sie weder Be- noch entladen werden können. Die Waren, die sich in ihren Containern befinden, finden damit nicht den Weg zum Verbraucher, aber auch die Container selbst stehen nicht zur Verfügung. Von den Schiffen ganz zu schweigen. Die Kapazitäten sind also mehr als ausgebucht und das treibt die Frachtraten massiv in die Höhe. Daher lässt sich mit Schiffen und Containern wieder richtig viel Geld verdienen.
Doch bevor wir uns mit dieser attraktiven Marktkonstellation befassen, müssen wir kurz zurückblicken.
Die Immobilien- und Finanzkrise
2008/09 ist vielen noch als Katastrophenzeit in Erinnerung. Banken und Versicherungen gingen Pleite oder mussten von Staaten gerettet werden ebenso viele Immobilienkonzerne. Die Welt blickte in den Abgrund des Finanzsystems, das Misstrauen im System war so groß, dass niemand dem anderen mehr Geld geliehen hat aus Angst, dieser würde schon am nächsten Tag Insolvenz anmelden. Dass die US-Regierung die Investmentbank Lehman Bros. in die Pleite schickte, und sie nicht mit Staatsgarantien und –kapitalspritzen am Leben hielt, wie so viele andere, war der Todesstoß für die Finanzmärkte.In der Folge wurde überall Kapital abgezogen und so trockneten weitere Märkte aus. Auch die bei Anlegern und Steuersparfetischisten beliebten Medien-, Flugzeug-, Immobilien- und Schifffahrtsfonds gerieten reihenweise in Schieflage und konnten ihre Anleger nicht mehr auszahlen. Die Abwärtsspirale drehte sich weiter, da diese Fonds bei den Banken auch hohe Kredite aufgenommen hatten, die sie nun nicht mehr bedienen konnten und damit die Kreditkrise bei den Banken nochmals verschärften.
Schifffahrtskrise
Die Immobilien- und Finanzkrise wurde auch zu einer Schifffahrtskrise. Doch im Gegensatz zu den Banken, Versicherungen und Immobilien erholte sich der Markt nicht. Die Banken schichteten ihre Schifffahrtskredite in Bad Banks um und verkauften diese wickelten die Schifffahrtskredite dann mit horrenden Verlusten ab. Bei Schiffsfinanzierungen waren deutsche Kreditinstitute weltweit führend, vor allem die staatlichen Landesbanken. Ob WestLB, NordLB oder die HSH Nordbank, aber auch die Commerzbank, sie alle mussten Milliardenverluste hinnehmen. Nutznießer waren vor allem die Private Equity-Investoren Blackstone, KKR, Ares, Apollo, die den Forderungsbestand antizyklisch zu Niedrigstpreisen aufkauften und sich dann an die Verwertung der Sicherheiten machten – und die zugrundeliegenden Schiffe verkauften.In die Röhre schauten hierbei nicht nur die Banken, sondern auch die Fondsanleger, die zumeist ihren gesamten Kapitaleinsatz verloren haben und sich im Nachgang sogar mit Forderungen des Finanzamt herumschlagen mussten, das in guten Jahren gezahlte Ausschüttungen zurückverlangte.
Aus HCI Capital wird Ernst Russ
Das ist alles Schnee von gestern, könnte man denken. Und doch ist es die Geschichte von Ernst Russ bzw. der Vorgängergesellschaft HCI Capital. Diese war eine der Gesellschaften, die solche (zumeist geschlossenen) Investmentfonds als Steuersparmodelle vertrieben hat. Die Fonds gingen allesamt Pleite und die Investoren versuchten auf dem Klagweg, zumindest einen Teil ihres Kapitals zurückzubekommen. Was selten gelang. Allerdings konnten die am Ende doch einige Erfolge verbuchen wegen der Prospekthaftung – die Fondsaufleger hatten nicht selten nur wenig bis ungenügend über die mit der Investition verbundenen Risiken aufgeklärt und ihr Fondsvertrieb schon mal gar nicht.Am Aktienkurs lassen sich der Niedergang und das folgende lange Siechtum sehr gut ablesen. Das war nicht nur dem daniederliegenden Schifffahrtsgeschäft geschuldet, wo HCI langsam wieder die Kurve kriegte, sondern auch den erheblichen Risiken in der Bilanz. Das Unternehmen wurde jahrelang von seinen ehemaligen Investoren auf Schadensersatz verklagt und hätte diese Forderungen nicht bedienen können. Jedes Investment in die Aktie hing damit unter dem Damoklesschwert.
Doch mit der Zeit waren die Klagen abgearbeitet oder verjährt und damit verringerten sich auch die Bilanzrisiken. Ende 2015 wurde ein Kapitalschnitt durchgeführt mit anschließender Rekapitalisierung und das Unternehmen nahm mit frischem Geld und neuem Management langsam wieder Fahrt auf.
Zum Jahresanfang 2016 erfolgte die Übernahme des Konkurrenten König & Cie. als strategisch sinnvolle Ergänzung des Leistungsspektrums der HCI Gruppe, die sich als Investment- und Assetmanager mit Schwerpunkt im maritimen Bereich positionieren wollte.
Im April 2016 kaufte HCI Capital im Wege einer Sacheinlage die bereits seit 1893 bestehende Hamburger Traditionsreederei Ernst Russ und erweiterte so seine eigene Schiffsflotte.
Im Mai 2016 erwarb HCI Capital im Zuge einer Portfoliotransaktion gemeinsam mit zwei weiteren Investoren aus dem Aktionärskreis 13 Schiffe aus dem Kreditportfolio der HSH Nordbank.
Im Juli 2016 übernahm HCI Capital die Mehrheit der Anteile an der Westfonds Immobilien-Anlagegesellschaft von der Erste Abwicklungsanstalt AöR (EAA), der damaligen Rechtsnachfolgerin der WestLB. Westfonds betreute damals rund 12.000 Anleger in insgesamt 17 Fonds mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 540 Mio. EUR.
Dem Neustart wurde dann auch noch durch die Umfirmierung Rechnung getragen und Ende Juli 2016 wurde aus der HCI Capital die Ernst Russ AG.
Fokus auf Schifffahrt
In der Folgezeit entwickelte sich das Unternehmen mit seinen beiden Standbeinen Immobilien und Schifffahrt recht anständig. In 2020 erfolgte dann ein weiterer tiefgreifender Schritt, da sich Ernst Russ AG noch stärker auf maritime Kapitalanlagen konzentrierte. Zunächst wurde der Bereich Wohnungsbau veräußert und dann zum Jahresende auch die Tochter Assetando Real Estate und weitere Gesellschaften des Bereichs Fonds- und Asset-Management Immobilien an die Deutsche Fonds Holding (DFH) verkauft. Assetando war im Jahr 2012 gegründet worden und fungierte seit 2016 als zentrale Immobilien-Management-Einheit der Ernst Russ AG.Aus heutiger Sicht war der Fokus auf den Schifffahrtsbereich ein voller Erfolg, auch wenn Ende 2020 der folgende starke Rückenwind durch die gestörten Lieferketten und die massiv steigenden Frachtraten noch nicht absehbar waren.
Der Schiffsmanager
Die "neue" Ernst Russ investiert auf eigene und fremde Rechnung in Schiffsprojekte mit dem Ziel, langfristig stabile Erträge aus Chartereinnahmen zu generieren. Das Leistungsspektrum umfasst die Identifizierung und den Kauf geeigneter Schiffe, die Strukturierung der Finanzierung, die Entwicklung einer Einsatzstrategie, die Auswahl der Partner (technisches Management, Crewing) und das Monitoring.Die Flotte des Unternehmens umfasst derzeit 28 vollkonsolidierte Schiffe sowie verschiedene Minderheitsbeteiligungen. In der Verwaltung geschlossener Fonds im Auftrag großer Treuhandgesellschaften und Fondsanbieter ist man nur noch in geringem Umfang tätig.
Wettbewerb
Auf die Chartergesellschaften entfallen mehr als 50 % der gesamten Containerschiffskapazität. Die Angebotsseite ist stark zersplittert mit verschiedenen kleinen Akteuren, von denen jedoch keiner dominiert. Ernst Russ stellt rund 0,3 % der weltweiten Chartertonnage.Man baut sein Portfolio an Schiffen weiter aus, auch wenn opportunistisch einzelne Schiffe veräußert werden, um versteckte Gewinnpotenziale zu heben. Die kontinuierliche Flottenerweiterung verbessert die Diversifizierung in Bezug auf Schiffsklassen, Charterlaufzeiten und Restlebensdauer der Schiffe weiter.
Die gute Finanzlage von Ernst Russ und der Zugang zum Kapitalmarkt stellen einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht börsennotierten Anbietern dar in Bezug auf Flexibilität und Finanzierungskosten der eingesetzten Assets. Die enge Anbindung an die Peter Döhle-Gruppe ermöglicht eine hohe Expertise und den Zugang zu lukrativen Chartergeschäften oder Schiffstransaktionen.
Aktionärsstruktur
Größter Aktionär ist heute die Döhle Gruppe aus Hamburg, die 38,2 % der Anteile hält. Mit 9,1 % folgen die JaJo Beteiligungsgesellschaft und mit 6,4 % die MS Cordula Schifffahrtsgesellschaft. 46,3 % sind dem Streubesitz zuzurechnen.Starke Ergebnisse für das Geschäftsjahr 2021
Das Unternehmen hat den zuvor mehrfach angehobenen Ausblick übererfüllt. Der Konzernumsatz stieg um 66 % auf 92 Mio. EUR, während sich der Gewinn je Aktie auf 0,49 EUR fast vervierfachte. Der Anstieg resultiert aus dem kontinuierlichen Ausbau der Flotte, die allein in 2021 um vier Schiffe aufgestockt wurde, und aus der Erneuerung von Charterverträgen zu besseren Konditionen sowie einer nochmals höheren Kapazitätsauslastung, die um weitere 2 Prozentpunkte auf 97,9 % gestiegen ist. Hinzu kamen geringerer Liege- und Ausfallzeiten.Der Cashflow aus der Geschäftstätigkeit versiebenfachte sich auf 36 Mio. EUR und deckte alle Investitionen und Akquisitionen ab. Dementsprechend verbesserte sich auch die Bilanz der Gruppe. Trotz einer größeren Flotte blieb die Nettoverschuldung mit 54 Mio. EUR nahezu unverändert und die Eigenkapitalquote stieg von 49 % auf 54 %.
(Noch) höhere Gewinne
Auch im laufenden Jahr ist ein deutliches Gewinnwachstum zu erwarten, doch in der Folgezeit dürfte sich der Rückenwind etwas legen und die Rückkehr zur Normalität anstehen.Zusätzlich zu den unveränderten fundamentalen Treibern, also einer größeren Flotte im Einsatz und höheren Charterraten, die für das laufende Jahr bereits weitgehend festgeschrieben sind, wird das Unternehmen auch Buchgewinne in Höhe von 26 Mio. EUR verbuchen, die hauptsächlich auf den Verkauf von drei Schiffen zurückzuführen sind.
So hatte Ernst Russ Ende März verkündet, sich von ihren Anteilen an dem Containerschiff MS "Music" trennen zu wollen. An dem 2007 gebauten Schiffs hält die Gesellschaft 55 % der Anteile. und die Veräußerung wird im 2022er Konzernabschluss der Ernst Russ Gruppe zu einem sonstigen betrieblichen Ertrag von rund 12,3 Mio. EUR führen. Für 2022 war von dem Schiff ein Umsatzbeitrag von 4,6 Mio. EUR und ein Ergebnisbeitrag vor Zinsen und Steuern von 2,5 Mio. EUR erwartet worden.
Für 2022 erwartet Ernst Russ nun einen Gewinn vor Zinsen und Steuern zwischen 72 und 77 Mio. EUR und damit 10 Mio. EUR mehr als bisher. Die Erwartungen hinsichtlich aller übrigen, prognostizierten Kennzahlen haben sich nicht verändert.
Ausblick
Ernst Russ nutzt mit dem Verkauf die stark gestiegenen Preise für Second-Hand-Tonnage und setzt einen Teil seiner stillen Bilanzreserven frei. Für die zum Jahresende 2021 betriebene Flotte schätzt das Analysehaus Warburg hier ein Aufschlagspotenzial von rund 300 Mio. EUR auf den ausgewiesenen Buchwert, was nach Abzug der Minderheitsanteile der übrigen Schiffseigner eine stille Reserve von 5,86 EUR je Aktie ergäbe.Bullcase vs. Bearcase
Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Denn der Substanzwert des Schiffes ist das eine, der Ertragswert das andere. Und der Ertragswert ist momentan extrem hoch wegen der hohen Auslastung und der hohen Charterraten. Sollte hier eine – erwartbare – Abkühlung einsetzen, sinkt auch der Ertragswert wieder und die Schiffe werden mit zunehmendem Alter in Unterhalt und Instandhaltung immer teurer.Zusätzlich werden ab Ende 2022 neue Schiffskapazitäten auf den Markt kommen. Der branchenweite Auftragsbestand im Verhältnis zur Flotte liegt derzeit bei ca. 22 % und damit mehr als doppelt so hoch wie zum Jahresende 2020. Der Auslieferung neuer Schiffe stehen verstärkte Abwrackaktivitäten entgegen und kompensieren den Volumenzuwachs bei der Tonnage damit ein Stück weit. Dennoch dürfte sich die derzeitige angespannte Kapazitätslage entspannen.
Der Zuwachs stammt allerdings vor allem von den großen Containerschiffen. Das Nettokapazitätswachstum für das für Ernst Russ relevante Segment der Schiffe unterhalb von 7.000 TEU dürfte damit deutlich unter dem Marktdurchschnitt liegen. Dementsprechend dürfte es auch nur einen moderaten Rückgang in den Folgejahren geben, so dass die Erträge immer noch deutlich über dem historischen Durchschnittsniveau liegen werden.
Das KGV für 2022 wird mit unter 5 ausgewiesen, das sieht extrem günstig aus. Für 2023 ist mit einer deutlichen Verschlechterung dieser Kennzahl zu rechnen, wenn sich die Ergebnisse normalisieren. Allerdings stecken noch die erheblichen stillen Reserven in der Bilanz und wenn Ernst Russ noch das eine oder andere Schiff zu Höchstpreisen zu veräußern, wäre dies ein weiterer starker Gewinntreiber.
Eine Dividende sollten Aktionäre nicht erwarten. Diese wurde 2008 eingestellt und auch für die Hauptversammlung am 18. Mai schlägt das Unternehmen vor, den gesamten Gewinn auf neue Rechnung vorzutragen. Der von einem Aktionär vorgelegte Gegenantrag zur Ausschüttung von 0,10 EUR je Aktie dürfte angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse keine Mehrheit finden.
Bei Ernst Russ spekulieren Anleger daher auf dauerhaft attraktive Frachtraten und hohe Auslastungen bei den Bestandsschiffen. Des Weiteren auf den fortgesetzten Erfolg des Managements bei der Bewirtschaftung des Portfolios, mit dem es die letzten Jahre große Erfolge feiern konnte.
Trotz der Versechsfachung des Aktienkurses in 2021 weist Ernst Russ nur eine Marktkapitalisierung von 200 Mio. EUR auf und interessierte Anleger sollten daher streng limitiert ordern. Der Börsenhandel ist gering und größere Orders können die Kurse stärker beeinflussen – in beide Richtungen.
Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Ernst Russ wissen muss
- Ernst Russ investiert auf eigene und fremde Rechnung in Schiffsprojekte mit dem Ziel, langfristig stabile Erträge aus Chartereinnahmen zu generieren.
- Das Leistungsspektrum umfasst die Identifizierung und den Kauf geeigneter Schiffe, die Strukturierung der Finanzierung, die Entwicklung einer Einsatzstrategie, die Auswahl der Partner (technisches Management, Crewing) und das Monitoring.
- Die Flotte umfasst derzeit 28 vollkonsolidierte Schiffe sowie verschiedene Minderheitsbeteiligungen; in der Bilanz könnten 300 Mio. EUR stille Reserven stecken.
- Die hohen Frachtraten und die starke Auslastung treiben die Gewinne; eine absehbare Normalisierung könnte dämpfend wirken, opportunistische An- und Verkäufe von Schiffen hingegen das Ergebnis treiben.
Schön, dass Sie die Firma auch wieder auf dem Schirm haben. Wenn ich mich recht erinnere war dies vor Jahren mal eine Turnaround Spekulation von Ihnen. An welches Potential glauben Sie bei der Aktie?
AntwortenLöschenSie schreiben: „Das KGV für 2022 wird mit unter 5 ausgewiesen, das sieht extrem günstig aus. Für 2023 ist mit einer deutlichen Verschlechterung dieser Kennzahl zu rechnen“ mir stellt sich die Frage, warum das so sein sollte. Die abgeschlossenen Charterverträge laufen doch nicht nur ein paar Monate. Hier sollte man doch eigentlich von Abschlüssen für Jahre ausgehen können, was Ertragssicherheit bringen sollte.
LöschenDie Frachtraten sind hoch, weil die Lieferketten gestört sind und Container nutzlos in den Häfen herumstehen und/oder auf den Containerschiffen vor den Häfen auf ihre Abfertigung warten. Diese Sondersituation wird sich irgendwann wieder auflösen - aktuell wurde sie durch den harten Lockdown in Shanghai ausgelöst bzw. verschärft. Die Charterverträge laufen nicht alle nur für ein Jahr, richtig. Da gibt es unterschiedliche Laufzeiten und jeder auf dem aktuellen Niveau abgeschlossene neue Vertrag spült Ernst Russ richtig viel Geld in die Kasse. Aber... das ist ja alles längst bekannt und daher auch im Kurs eingepreist. Bis auf die Dauer der "Misere". Je länger sie anhält, desto höher die Einnahmen für Ernst Russ und desto wertvoller die Aktie.
LöschenIrgendwann werden die Charterraten sich wieder (zumindest teilweise) normalisieren und damit die Einnahmen bei Ernst Russ merklich sinken. Und damit auch der Wert der Schiffe. Zuletzt hat Ernst Russ mehrere ältere Schiffe zu hohen Preisen und mit enormen Gewinnen verkauft. Das hat den Gewinn in 2021 erhöht. Es ist für 2022 und darüber hinaus nicht klar/sicher, dass weitere Deals anstehen und wenn keine weiteren gewinntreibenden Schiffsverkäufe realisiert werden, wird folglich der Gewinn in 2022 niedriger ausfallen in 2021. Diese großen Einmaleffekte kann das gut laufende operative Geschäft nicht ausgleichen. Und selbst wenn in 2022 noch hohe Gewinne aus Schiffsverkäufen erzielt werden können, werden sie in 2023 nicht mehr die Gewinne treiben. Dieses Szenario ist endlich, da die Frachtraten nicht endlos weiter in die Höhe steigen werden/können.
Und was Ernst Russ heute als neue Schiffe kauft, bekommt man ja nicht zu Schnäppchenkursen, sondern zu marktgerechten Preisen. Hieraus sind künftig eher keine/geringere Wertzuwächse zu erwarten.
Ernst Russ fährt mit außerordentlichem Rückenwind - der absehbar nachlassen wird. Das Unternehmen wird am Ende bilanziell viel besser dastehen als zuvor, vermutlich schuldenfrei sein und eine deutlich größere Flotte betreiben. Und wenn sich die Preise wieder normalisieren, wird Ernst Russ gute Geschäfte machen. Doch allzu starke Kurssteigerungen erwarte ich jetzt nicht mehr, sondern eher stetige Zuwächse, solange die gewinne noch auf diesem hohen Niveau sprudeln.
Containerschiss 😀 made my day
AntwortenLöschenÄh ja, ich schieb der Fehler mal auf die Autokorrektur und hab ihn nun manuell behoben. ^^
LöschenWenn das mal nicht eine Wertung ist…😅 „So hatte Ernst Russ Ende März verkündet, sich von ihren Anteilen an dem Containerschiss MS "Music" trennen zu wollen“
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