Donnerstag, 31. März 2022

Mutares im Krisenmodus: Goldgräberstimmung beim Sanierungsspezialisten?!

Beim Sanierungsspezialisten Mutares nimmt der Deal-Flow wieder Fahrt auf, nachdem die große Kapitalerhöhung im Herbst die Kassen prall gefüllt hat. Die explodierenden Preise in allen Bereichen, auch und vor allem bei den Energieträgern, und der Ukraine-Krieg mit seinen massiven Auswirkungen auf die Lieferketten und die Verfügbarkeit von Roh- und Betriebsstoffen sowie Arbeitskräften und Getreide sendet zusätzliche Schockwellen durch die europäischen Volkswirtschaften. Kaum ein Unternehmen spürt nicht die Einschränkungen und leidet und umso mehr Firmen stehen vor einer ungewissen Zukunft. Im Hinblick auf die aktuelle und künftige Lage, die Unternehmensnachfolge oder "einfach nur" als Sparte eine Konzerns, der sich auf andere Bereiche fokussieren will.

Für Mutares sind das "Goldgräberzeiten". Böse Zungen könnten von Krisenprofiteuer sprechen, eine freundlichere Formulierung wäre "Neustartermöglicher". Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen und bietet auch für Anleger interessante Perspektiven...

Mutares erwirbt Randaktivitäten von Konzernen, ertragsschwache Unternehmen oder solche, bei denen im Zuge der Unternehmensnachfolge eine Veräußerung angestrebt wird. Man fokussiert sich auf europäische Unternehmen mit einem Umsatz von €50 Mio. bis €500 Mio., die bereits ein etabliertes Geschäftsmodell haben und hohes Entwicklungspotenzial aufweisen.

Der Aktienkurs hat in den letzten Monaten noch die Nachwehen einer großen Bezugsrechtskapitalerhöhung zu erleiden gehabt, doch Mutares hatte gute Gründe, ausgerechnet jetzt so viel zusätzliches Kapital einzusammeln.

Mutares ist ein Spezialist für die Sanierung angeschlagener Unternehmen. Man kauft entweder Firmen aus der Insolvenz heraus oder wenn sie kurz davor stehen oder aber Randaktivitäten großer Konzerne, die diese abgeben, aber nicht schließen möchten. Mutares übernimmt diese Unternehmen für kleines Geld und bekommt manchmal sogar noch eine Mitgift oben drauf, um sie anschließend neu zu strukturieren und durch zielgerichtete Add-On-Zukäufe zu Branchenführern zu machen und ihren Wert erheblich zu steigern. In dieser "Erntephase" werden die neu positionierten Töchter dann ins Schaufenster gestellt und möglichst gewinnbringend verkauft.

Zwischen An- und Verkauf liegen in der Regel etwa fünf Jahre und Mutares hat in der Vergangenheit sein eingesetztes Kapital im Schnitt versiebenfacht. Das klingt ziemlich lukrativ, aber das Geschäftsmodell birgt neben außerordentlichen Chancen auch erhebliche Risiken und Anleger sollten sich genau überlegen, wie sie persönlich das Chance-Risiko-Verhältnis einschätzen.

Das Mutares-Business

Dazu muss man natürlich verstehen, auf welche Art Mutares sein Geld verdient. Mutares ist keine Beteiligungsgesellschaft. Man übernimmt neue Töchter und bringt diese in separate Tochter-GmbHs ein. So reduziert man das Risiko für die Mutter, falls die Sanierung schief geht und mit Verlusten endet. Dann ist gegebenenfalls das investierte Kapital verloren, aber es kein weiteres Kapital mehr nachgeschossen werden.

Mutares erbringt als Holding Beratungsdienstleistungen für seine Tochterunternehmen. Dazu werden eigene Unternehmensberater ins Unternehmen geschickt die dort die Prozesse vereinfachen und umstrukturieren und das Unternehmen wieder fit machen. Hierfür rechnet Mutares Beraterhonorare ab, die unabhängig vom Sanierungserfolg fließen. Je mehr Töchter Mutares hat und je mehr Umsatz diese machen, desto höher sind die Provisionen, die Mutares zufließen.

Neben den Honoraren erhält Mutares Gewinnausschüttungen von seinen Töchtern, jedenfalls von denen, die bereits bzw. wieder profitabel sind. Und leiht bisweilen den Töchtern Geld zu für Mutares attraktiven Zinsen. Die Dividenden, die Honorare und die Zinseinnahmen speisen gemeinsam die Basisdividende, die Mutares bei einem Euro angesiedelt hat und regelmäßig steigern möchte.

Als dritten Einnahmezweig hat Mutares dann die Transaktionen. Einerseits nimmt man "Bargain Purchases" ein, wenn der Verkäufer eines Unternehmens Mutares einen Sanierungszuschlag mit auf den Weg gibt. Böswillig könnte man auch sagen, dass sich der Verkäufer freikauft, denn Mutares übernimmt ja im Gegenzug die Pflicht, gegebenenfalls strukturelle Veränderungen wie Entlassungen oder Werkschließungen mit den Mitarbeitern und Gewerkschaften auszuhandeln und durchzusetzen.

Und am Ende des gemeinsamen Weges fließen Mutares dann Verkaufserlöse zu, wenn man eine Tochter abgibt. Dieser zweite Erlösstrom ist weniger gut planbar und schwankungsanfälliger, so dass die hieraus gespeiste Erfolgsdividende ebenfalls von Jahr zu schwanken kann.

Dealflow

Das Coronajahr 2020 hat auch bei Mutares Bremsspuren hinterlassen und dennoch seine Aktivitäten ausbauen können. In 2021 ist die Anzahl der Transaktionen nochmals gesteigert worden und Mutares strebt inzwischen durchschnittlich einen An- oder Verkauf pro Monat an.

Dabei bietet die gegenwärtige Lage aus Coronabelastungen und Auslaufen der Coronahilfen, billigem Geld, drohenden Zinserhöhungen und immer mehr Unternehmen mit Nachfolgeproblemen beinahe paradiesische Zustände für Mutares. Klingt nicht nach einem Problem, doch Mutares hat einfach zu wenig Geld, um die vielen Chancen zu nutzen.

Bisher konnte Mutares aufgrund der noch überschaubaren Größe seiner Übernahmeziele oft ohne oder nur mit sehr geringem eigenen Kapitaleinsatz Firmen übernehmen. Inzwischen bewegt sich Mutares aufgrund seines großen Erfolgs der letzten Jahre allerdings auf einem Niveau, wo die Verkäufer eine signifikante eigene Kapitalbeteiligung erwarten. Deshalb benötigt Mutares zusätzliches Eigenkapital, da die Alternative wäre, die vielen sich bietenden lukrativen Chancen auszulassen und rein organisch zu wachsen.

Darüber hinaus bringt es das Geschäftsmodell von Mutares mit sich, dass jeder neue Kauf das Ergebnis belastet, denn er generiert zunächst negative Margen (zwischen 5% und 20%) und damit operative Verluste. Dies kehrt sich erst nach einiger Zeit um, wenn die Sanierung Früchte trägt.

Kapitalerhöhung und Uplisting

Der Vorstand erkennt in der aktuellen Wirtschaftslage "enorme Chancen", vor allem auf der Kaufseite, und will daher seine Schlagzahl noch weiter erhöhen. Dazu ist auch eine (schnellere) Expansion ins angrenzende Ausland geplant.

Mutares hat dafür das Grundkapitals der Gesellschaft gegen Bareinlage durch Ausgabe von etwas mehr als 5 Mio. Aktien zum Preis von €19,50 je Aktie erhöht. Dabei ist man alle Aktien losgeworden, auch wenn Vorstand und Großaktionäre im Vorfeld erklärt hatten, nur zu einem gewissen Grad bei der Kapitalerhöhung mitzuziehen; Mutares-CIO Laumann sprach von einer "echten Bezugsquote von 99%", also ohne die Garantieübernahme seitens der Konsortialbanken. Ziel war, den Streubesitz von Mutares zu erhöhen. Denn mit der Kapitalerhöhung zusammen wurde auch ein Uplisting der Aktien in ein höheres Börsensegment der Frankfurter Börse vollzogen, den Prime Standard.

Damit gehen erhöhte Veröffentlichungs- und Berichtspflichten einher und das höhere Börsensegment macht die Mutares-Aktie für institutionelle Anleger investierbar(er) machen, vor allem aus dem angelsächsischen Raum und gerade dort will sich Mutares künftig stärker den Investoren präsentieren.

Durch die Kapitalerhöhung floss der Gesellschaft ein Bruttoemissionserlös von rund €100 Mio. zu und Mutares beabsichtigt, den Nettoemissionserlös aus der Kapitalerhöhung für Plattformakquisitionen von neuen Portfoliounternehmen, Add-on-Akquisitionen zur Stärkung bestehender Portfoliounternehmen im Rahmen der Buy-and-Build Strategie sowie Investitionen in bestehende Portfoliounternehmen zu verwenden.

Umsatzziel von drei auf €5 Mrd. erhöht

Am Markt ist von potenziellen Deals im Volumen von mehr als €7 Mrd. (Umsatz der Zielunternehmen) die Rede, die Mutares gerade auf dem Tisch haben soll. Zum Vergleich: Mutares hat kürzlich seine Mittelfristplanung erhöht und will nun 2023 anstatt €3 Mrd. Umsatz bereits €5 Mrd. umsetzen (auch hier gilt der Umsatz der Tochterunternehmen).

Diese Umsatzmarke ist nicht ganz unwichtig, denn Mutares peilt mittel- bis langfristig ein Nettoergebnis auf Holdingebene von 1,8% bis 2,2% des Konzernumsatzes an. Beim Mittelwert würde dies bei der für 2023 anvisierten Erlösuntergrenze von €5 Mrd damit auf einen Überschuss von rund €100 Mio. hinauslaufen. Zur Einordnung: 2019 lag der Jahresüberschuss bei €20,8 Mio., 2020 bei €27,1 Mio.

Plattformmodell

Mutares übernimmt die neuen Unternehmen entweder als neues Plattforminvestment oder gliedert sie einem solchen bestehenden an. Der Fokus richtet sich hierbei auf die drei Segmente Automotive & Mobility, Engineering & Technology sowie Goods & Services.

In den letzten Wochen gab es eine Reihe von Meldungen über Transaktionen.

Am 29.9.21 gab Mutares den Abschluss des Erwerbs der Innomotive Systems Hainichen GmbH bekannt. Die Akquisition stärkt das Segment Automotive & Mobility und hat zahlreiche Synergien mit dem Portfoliounternehmen KICO GmbH. Das Unternehmen mit Produktionsstandorten in Deutschland und China beschäftigt insgesamt rund 450 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von €120 Mio. Als führender Anbieter von Aluminiumscharnieren für Automobilanwendungen stellt Innomotive Systems Hainichen anspruchsvolle und hochpräzise gefertigte Türscharniere aus Stahl oder Aluminium sowie komplexe Scharniere für Motorhauben, Heckklappen und -deckeln her.

Am 04.10.21 gab Mutares den Verkauf ihrer Tochtergesellschaft Norsilk an Protac bekannt, ein französisches Unternehmen der Groupe Rose. Norsilk war 2015 von der finnischen Metsä-Gruppe übernommen worden und nach einem erfolgreichen Restrukturierungsprozess 2019 in die Donges Group integriert, das dem Segment Engineering & Technology angehört.

Am 11.10.21 gab Mutares den erfolgreichen Abschluss der Übernahme der Rasche Umformtechnik GmbH & Co. KG bekannt. Das Unternehmen stellt Schmiedeteile aus Stahl u. a. für die Automobil-, Luftfahrt- und Agrarindustrie her und erwirtschaftet einen Umsatz von etwa €30 Mio. Als Add-on-Investment für PrimoTECS, die dem Segment Automotive & Mobility angehört, wird Rasche einen zusätzlichen Zugang zu kleineren Seriengrößen mit manuellen Schmiedepressen ermöglichen und das Wachstum der Gruppe weiter vorantreiben. Im Zuge der aggressiven Wachstumsstrategie und des umgesetzten Buy-and-Build-Ansatzes wächst PrimoTECS nun auf einen konsolidierten Umsatz von rund 150 Millionen Euro und kann sein Kundennetzwerk und Produktportfolio mithilfe seiner 180 Mitarbeiter weiter ausbauen.

Am 22.02.22 hat Mutares die Übernahme der Toshiba Transmission & Distribution Europe S.p.A. vom Toshiba-Konzern erfolgreich abgeschlossen. Der Engineering-Procurement-Construction (EPC)-Dienstleister für Energieübertragung und -verteilung ist ein Add-on-Investment für die Balcke-Dürr Gruppe. Das Unternehmen, das in Balcke-Dürr Energy Solutions umfirmiert wurde, und der Toshiba-Konzern werden auch in Zukunft als Technologiepartner bei der Abwicklung bestehender Projekte sowie bei neuen Geschäftsmöglichkeiten zusammenarbeiten. Balcke-Dürr Energy Solutions ist ein renommierter Anbieter von schlüsselfertigen Projekten im Energiebereich, der hauptsächlich in Europa und den Mittelmeerländern tätig ist. Es liefert schlüsselfertige Projekte wie Hoch- und Mittelspannungsschaltanlagen, Batteriespeichersysteme, Smart Grids-Lösungen und Anlagen für erneuerbare Energien und hat in den vergangenen Jahren Projekte im Wert von über €350 Mio. durchgeführt. Die Add-on-Akquisition ermöglicht der Balcke-Dürr den Einstieg in das Geschäft mit erneuerbaren Energien, was im Einklang mit der Strategie der Balcke-Dürr steht, sich zu einem nachhaltigen Lösungsanbieter zu entwickeln.

Am 28.02.22 hat Mutares ihre Tochtergesellschaft BEXity erfolgreich an die Raben Group veräußert; der Deal war bereits zum Ende 2021 avisiert worden. Die Raben Group ist eines der größten Logistikunternehmen Europas mit Sitz in den Niederlanden. BEXity ist ein führendes Logistikunternehmen in Österreich und wurde 2019 von der Österreichische Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft (ÖBB) übernommen. Das Angebot des Unternehmens umfasst grenzüberschreitende Transportlogistik in den Bereichen Stückgut und Charter sowie Warehousing-Dienstleistungen. BEXity verfügt über ein flächendeckendes Netzwerk in Österreich mit rund 650 Mitarbeitern und hat 2020 einen Umsatz von etwa €180 Mio. generiert. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde das zum Zeitpunkt der Übernahme defizitäre Geschäft der BEXity mithilfe des Mutares Teams transformiert und in die nachhaltige Profitabilität geführt. Zu den wichtigsten Maßnahmen für den erfolgreichen Turnaround gehörten die Reorganisation des Unternehmens, die Repositionierung am Markt als neue Marke BEXity sowie als Qualitätsführer, die Fokussierung auf profitable Kundensegmente und die Prozessoptimierung. Zusätzlich wurde bereits im April 2020 die damalige Tochtergesellschaft in Tschechien veräußert, um sich vollständig auf die österreichischen Standorte zu fokussieren.

Am 03.03.22 hat Mutares ein unwiderrufliches Angebot zum Erwerb von Vallourec Bearing Tubes ("VBT") von Vallourec unterzeichnet. Das Unternehmen wird das Segment Engineering & Technology als neue Plattform-Investition stärken. Der Abschluss der Transaktion wird nach der Anhörung der Betriebsräte und vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden im zweiten Quartal 2022 erwartet. Vallourec Bearing Tubes hat seinen Hauptsitz in Montbard, Burgund, in Frankreich, und beschäftigt mehr als 200 Mitarbeiter, die einen Umsatz von rund €50 Mio. erwirtschaften. Das Unternehmen ist in Europa führend in der Herstellung von nahtlosen Präzisionsstahlrohren, die nach den anspruchsvollsten Standards gefertigt werden. VBT bietet ein umfassendes Produktsortiment und maßgeschneiderte Abmessungen nach Kundenwunsch. Als zweitgrößter Akteur auf dem europäischen Markt für Lagerrohre liefert das Unternehmen seine Produkte an verschiedene Branchen wie Maschinen- und Gerätebau sowie Öl und Gas. Mit der Übernahme von Vallourec Bearing Tubes untermauert Mutares seine starke Position auf dem französischen Markt uns sichert sich ein aussichtsreiches Asset, das als Plattform das bestehende Portfolio insbesondere im Hinblick auf PrimoTECS synergetisch ergänzt.

Am 03.03.22 unterzeichnete Mutares auch noch eine Vereinbarung zur Übernahme des Sheffield-Geschäfts von Allegheny Technologies Incorporated (ATI) unterzeichnet. Diese Akquisition wird das Segment Engineering & Technology als neues Plattform-Investment stärken. Der Abschluss der Transaktion wird bis zum Ende des ersten Quartals 2022 erwartet, sofern die üblichen behördlichen Genehmigungen erteilt und weitere Bedingungen erfüllt sind. Es ist eine Umfirmierung des Unternehmens in Special Melted Products Limited geplant. Das Unternehmen mit Sitz in Sheffield, Großbritannien, beschäftigt rund 190 Mitarbeiter und erwartet für das Jahr 2022 einen Umsatz von etwa €80 Mio. ATI Sheffield nutzt das Vakuum-Induktionsschmelzen, das sekundäre Umschmelzen und das Rotations-Präzisionsschmieden zur Herstellung einer Reihe von robusten Qualitätsprodukten aus niedrig legierten Stählen, rostfreien Stählen und Superlegierungen auf Nickelbasis. Dank seiner umfassenden internen Kompetenzen in der Metallurgie und im Schmiedeprozess kann Sheffield Operations eine breite Palette von Produkten liefern und die Komplexität der Lieferkette für seine Kunden reduzieren, indem es als "One-Stop-Shop" auftritt.

Starke Zahlen

Geschäftszahlen für das Gesamtjahr 2021 hat Mutares noch nicht vorgelegt, aber die starken Halbjahreszahlen und die hohe Transaktionsaktivität im 2. Halbjahr lässt hier neue Rekorde erwarten. 

Im ersten Halbjahr 2021 hatte Mutares ein Umsatzwachstum auf €22,8 Mio. (H1/20: 14,4 Mio.) und ein Wachstum des Konzernumsatzes auf €1,094 Mrd. (H1/20: 620,5 Mio.) verbuchen können. Das Nettoergebnis der Mutares beläuft sich, geprägt durch den Ergebnisbeitrag aus dem Verkauf der Anteile an der STS Group AG, für das erste Halbjahr 2021 auf €19,9 Mio. (H1/20: -4,8 Mio.). Der deutliche Umsatzzuwachs basiert vor allem auf der hohen Transaktionsaktivität im ersten Halbjahr 2021 mit bereits sieben abgeschlossenen Akquisitionen.

Das Konzern-EBITDA lag mit €411,5 Mio. (H1/20: 41,5 Mio.) um 891,5% über dem Wert des Vorjahres. Das Adjusted EBITDA belief sich auf -€4,6 Mio. (H1/20: -16,7 Mio.) und verbesserte sich dank der Restrukturierungsfortschritte in den Portfoliounternehmen, insbesondere bei der Donges Group, der Elastomer Solutions Group, der KICO Group und der BEXity, deutlich.

Die liquiden Mittel im Konzern betrugen zum 30. Juni 2021 €246,1 Mio. (31.12.20: 145,3 Mio.), die Eigenkapitalquote des Konzerns erhöhte sich daher signifikant auf 26% gegenüber 16% zum Jahresende 2020. Die zusätzlichen Mittel aus der Kapitalerhöhung sind hierin noch nicht enthalten.

Umsatzwachstum in allen Segmenten

Im Segment Automotive & Mobility konnten die Umsatzerlöse im ersten Halbjahr 2021 auf €353,0 Mio. (H1/20: 216,4 Mio.) gesteigert werden. Ursächlich hierfür sind einerseits das organische Wachstum gegenüber dem von COVID-19 beeinträchtigten Vorjahreszeitraum und die Plattform-Akquisitionen von SFC Solutions und iinovis, die im Juli bzw. November 2020 abgeschlossen wurden. Das EBITDA des Segments lag mit -€2,6 Mio. (H1/20: 2,4 Mio.) unter dem Vorjahreswert, der von Bargain Purchases in Höhe von €18,6 Mio. positiv beeinflusst war. Das Adjusted EBITDA des Segments konnte auf €4,7 Mio. (H1/20: -13,8 Mio.) gesteigert werden, was insbesondere auf die Optimierungserfolge bzw. positiven Ergebnisbeiträge bei der STS Group, der Elastomer Solutions Group und der KICO Group zurückzuführen ist.

Das Segment Engineering & Technology verzeichnete im ersten Halbjahr 2021 einen Umsatzanstieg auf €413,0 Mio. (H1/20: 241,6 Mio.). Maßgeblich zum Anstieg beigetragen haben vor allem die neuen Plattform-Akquisitionen Lacroix + Kress sowie Royal De Boer und Japy Tech im vierten Quartal 2020, die Akquisitionen des Berichtszeitraums (Clecim und La Rochette Cartonboard) sowie die in 2020 erfolgten Add-on-Akquisitionen für die Donges Group und die Balcke-Dürr Group. Das EBITDA des Segments stieg im ersten Halbjahr 2021 auf €35,3 Mio. (H1/20: 23,1 Mio.) und war im Wesentlichen begünstigt vom Erwerb von Clecim und dem Veräußerungsgewinn von Balcke-Dürr Rothemühle. Das Adjusted EBITDA des Segments lag aufgrund des negativen Marktumfelds bei EUPEC und der Gemini Rail Group sowie den noch negativen Ergebnisbeiträgen von Royal De Boer und Japy Tech bei -€7,1 Mio. im ersten Halbjahr 2021 nach €0,7 Mio. ersten Halbjahr 2020.

Die Umsatzerlöse im Segment Goods & Services kletterten im ersten Halbjahr 2021 auf €327,9 Mio. (H1/20: 162,5 Mio.). Der Umsatzanstieg ist im Wesentlichen auf den Erwerb von Lapeyre, der gemessen am Umsatz und an der Anzahl der Mitarbeiter größten Akquisition der Mutares-Historie, sowie auf die im zweiten Halbjahr 2020 abgeschlossenen Plattform-Akquisitionen von der Terranor Group und SABO zurückzuführen. Das EBITDA des Segments belief sich auf €404,5 Mio. (H1/20: 23,2 Mio.). Hier wirkten sich vor allem der Erwerb von Lapeyre sowie die Veräußerung von Nexive positiv aus. Das Adjusted EBITDA des Segments lag nach sechs Monaten im Geschäftsjahr 2021 bei -€3,8 Mio. (H1/20: -1,5 Mio.). Die noch negativen Ergebnisbeiträge von EXI und Repartim/Maisoning Group überkompensieren noch die Restrukturierungserfolge bei BEXity sowie der Plattform-Akquisitionen Terranor Group und SABO.

Lukrative Verkäufe vor der Tür?

Mutares stuft einige seiner Portfoliounternehmen in die "Harvest-Phase" ein. Für diese zur Ernte reifen Unternehmen sucht Mutares den richtigen Käufer, der nicht nur einen angemessenen und möglichst hohen Preis bezahlt, sondern der die Unternehmen auch strategisch-konzeptionell weiterentwickeln kann.

Hier standen zuletzt ein Volumen von €150 Mio. im Raum und als heiße Exit-Kandidaten werden keeeper und die Donges Group eingestuft. Aufgrund des Ukrainekriegs ist die Verunsicherung vieler Marktteilnehmer hoch und die Kaufbereitschaft dem entsprechend niedriger. Mutares ist nicht unter Zeitdruck und wartet auf die richtige Gelegenheit für den Exit. CIO Laumann kommentierte die Lage jüngst so: "Ich brauche nicht zehn Käufer, ich brauche nur einen". Und da die Exit-Kandidaten profitabel sind und Ergebnisse an die Konzernmutter abliefern, kann Mutares sie auch gut etwas länger im Portfolio behalten bis sich die beste Gelegenheit zum Verkauf bietet.

Der letzte Exit gelang mit BEXity, die man an den Logistikkonzern Raben verkauft hat und damit das  Ziel eines ROIC von 7-10 übertreffen konnte.

Risiken beachten

Bei allen positiven Aussichten muss man sich das Risiko vor Augen führen, dass das Geschäft von Mutares mit sich bringt. Mutares erwirbt keine florierenden Unternehmen, sondern Sanierungs- und Umstrukturierungsfälle. Trotz aller erwiesener Expertise auf diesem Gebiet gehen Businesspläne nicht immer auf und der Spielraum für Fehler ist bei diesen angeschlagenen Unternehmen gering. Die Pleite von Tochterunternehmen nach einem Sanierungsmisserfolg gehört zum Geschäft. Mutares entgehen dann nicht nur die erhofften Gewinne, sondern das eingesetzte Kapital ist dann verloren.

Mutares sichert sich dagegen ab, indem es separate Töchter gründet, so dass die Pleite einer Tochter sich nicht auf die übrigen oder den Konzern als Ganzes auswirkt. Dennoch kann eine Ballung von Pleiten auch Mutares insgesamt in Mitleidenschaft ziehen. Ein starker Konjunktureinbruch wie bei der Finanzkrise 2008/09 oder im Coronaabsturz 2020 würde auch Mutares schwer treffen und könnte zu einer erhöhten Zahl an Pleiten unter den Konzerntöchtern führen.

Auf der anderen Seite bieten solche Phasen auf der Buy-Side immer auch große Chancen und deshalb hat sich Mutares durch die Kapitalerhöhung so üppig mit zusätzlichen Geldmitteln ausgestattet.

Meine Einschätzung

Mutares ist kein Sprint, sondern man muss über die lange Distanz gehen. Die Sanierer kaufen sich in den dreckigen, unbeliebten, krisengeschüttelten Branchen ein und picken sich die "hässlichen Entlein" heraus, um das in ihnen schlummernde Potenzial zu heben und ihre wahre Schönheit wieder hervorzuzaubern. Man bekommt daher einerseits die Targets billig und zumeist mit üppiger Mitgift, hat andererseits auch harte Problemfälle am Bein, wobei nicht jede Sanierung zum Erfolg führen kann und wird. Gerade im Bereich Automotive schwächt die Strukturkrise rund um manipulierte Abgaswerte, Absatz- und Produktionseinbrüche wegen Chipmangels sowie die Unsicherheit bzgl. der neuen Antriebstechnologien alle Hersteller und sorgt für Entlassungen, Pleiten und fallende Aktienkurse vor allem bei den Zulieferunternehmen.

Auf der anderen Hand bieten diese Sanierungsfälle im Erfolgsfall große Chancen. Mutares will sich dabei nicht in Richtung einer Industrieholding entwickeln, die die sanierten Unternehmen langfristig im eigenen Portfolio behält, sondern hat seinen Fokus alleine auf dem Sanieren und Wiederaufpeppeln, um dann die Erfolge einzufahren und die Unternehmen wieder zu veräußern.

Da der Zeitpunkt für gewinnbringende Verkäufe nicht exakt planbar ist, hier aber die größten Gewinnpotenziale gehoben werden, schwanken die Ergebniszahlen bei Mutares stark. Zudem belasten Zukäufe das operative Ergebnis der Gruppe, da sie anfangs deutlich Verluste einfahren und erst nach erfolgreicher Sanierung Deckungsbeiträge beisteuern. Je mehr Mutares auf Einkaufstour geht, desto schlechter werden auf kurze Sicht die operativen Ergebnisse ausfallen. Davon darf man sich nicht abschrecken lassen, denn das ist das Wesen von Mutares Business.

Wer diese Faktoren akzeptieren kann, findet in Mutares ein aussichtsreiches und stark wachsendes Unternehmen in einem boomenden Segment mit der Aussicht auf üppige Dividenden und deutliche Kurssteigerungen.

Disclaimer: Habe Mutares auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

1 Kommentar:

  1. Sehr gut geschrieben.
    Lese ihre Beiträge, die Sie als Sir Mike schreiben, im Mutares-Forum sehr gerne.
    Weiter so!

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