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Donnerstag, 23. Mai 2024

Value Investor Chuck Akre über "die Kunst, nicht zu verkaufen"

Die Kunst, nicht zu verkaufen ist einer der wesentlichen Faktoren für nachhaltigen Börsenerfolg. Auch die besten Anleger der Welt liegen selten bei mehr als 50% ihrer Investments richtig. Und von denen, die dann ein Plus einspielen, sind nur ganz wenige dabei, die zu Tenbaggern werden, zu Verzehnfachern oder Verhundertfachern oder Vertausendfachern. Wer auf die zehntausenden von Prozenten schaut, die Amazon, Apple, Microsoft eingebracht haben in den letzten 25 Jahren, der sieht an ihren Charts aber auch die Phasen, in denen es zwischendurch mal um 50% oder mehr in den Keller ging oder wo der Kurs eine längere Zeit konsolidierte. Bei den "Superaktien", wie Ken Fisher sie nennt, entnervt auszusteigen, nur weil der Kurs mal zu schnell vorausgeilt ist, ist selten die richtige Entscheidung, wie auch Value Investor Chuck Akre betont...

Man meint zwar, durch Timing noch besser abzuschneiden, am Hoch zu verkaufen und billiger wieder einzusteigen, aber das klappt fast nie. Man verpasst in den meisten Fällen den rechtzeitigen Wiedereinstieg und damit den renditeträchtigsten Teil der Entwicklung. Also sollte man es bleiben lassen!

»Eines der schwierigsten Dinge für Anleger ist, der Versuchung zu widerstehen, ein Unternehmen zu verkaufen, wenn seine Aktie stark gestiegen ist oder wenn die Performance nachlässt
(Chuck Akre)

Auf meiner Beobachtungsliste finden sich viele Aktien, die sich verdoppelt, verdreifacht, verzehnfacht haben. Fast alle von ihnen haben hierfür viele Jahre gebraucht. Und fast alle hatten zwischenzeitlich Phasen durchzustehen, in denen es mit dem Kurs abwärts ging oder er vor sich hindümpelte, manchmal über Jahre. Der Durchschnittsanleger verkauft noch einiger Zeit entnervt; ihm fehlt die Geduld, weil "die Schietaktie nicht macht, was sie soll". Doch wenn man versteht, dass man in ein Unternehmen investiert, nicht bloß eine Aktie kauft, dann achtet man nicht so sehr auf die Kursentwicklung, sondern auf die Entwicklung des Unternehmens. Und solange die auf Erfolgskurs ist, behält man auch die Aktie. Weil einem solange nämlich ein Teil dieses Erfolgsunternehmens gehört.

»Oft gibt es keine Korrelation zwischen dem Erfolg der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens und dem Erfolg seines Aktienkurses, manchmal über Monate oder sogar Jahre. Langfristig besteht eine hundertprozentige Korrelation. Diese Diskrepanz ist der Schlüssel zum Geldverdienen. Es zahlt sich aus, geduldig zu sein.«

Dabei kann es schon mal vorkommen, dass der Aktienkurs vorauseilt und die Bewertung zu sportlich wird. Bei großartigen Unternehmen sollte man auch dann an seinem Anteil festhalten, denn der Aktienkurs ist nicht mehr als der tägliche Preis, den der manisch-depressive "Mr. Market" bereit ist, für diesen Unternehmensenteil zu bezahlen. Über seinen Wert sagt der Preis nichts aus. Man sollte sich lieber vorstellen, diese Aktie wäre das gesamte Unternehmen und zwar das des Familienunternehmens, das man von seinem Vater vererbt bekommen hat. Würde man dieses gut laufende Unternehmen verkaufen, nur weil einem gerade jemand etwas mehr bietet, als es wert ist? Würde man wirklich nur auf den Preis schauen oder würden nicht das Unternehmen selbst eine viel gewichtigere Rolle bei der Entscheidung spielen? Ich denke schon...

»Compounding findet nicht innerhalb von ein oder zwei oder gar fünf Jahren statt und kann es auch gar nicht. Compounding erfordert Jahrzehnte. Turbulente Märkte und Kursrückgänge muss man nicht genießen, aber für erfolgreiches Compounding muss man sie ertragen.«
(Chuck Akre)

Also, lasst das Market Timing und übt euch in der Kunst des Nichtverkaufens, the Art of not Selling. Praktiziert Buy & Hold, solange das Unternehmen sich positiv entwickelt und eure ursprünglicher Investmentcase noch fliegt. Nur wenn das Unternehmen gegen die Wand fährt, dann zieht man die Notbremse, nicht wenn die Strecke hügeliger und kurvenreicher wird.

Denkt dran: man muss nach dem Ausstieg erstmal einen besseren Zug auf einer schnelleren Strecke finden. Und es ist eben nicht egal, welchen Zug man besteigt...

••• Überarbeite Fassung eines Artikels aus Dezember 2021

4 Kommentare:

  1. Sehe ich auch so und halte mich bisher auch daran mit dem entsprechenden Erfolg. Allerdings ist es trotzdem nicht leicht, im Fall der Fälle den Stecker zu ziehen. Denn handelt es sich jetzt nur um eine temporäre 3, 5 oder gar 10jährige Schwächephase, die man besser stoisch aussitzt oder ist das Unternehmen in 5 Jahren pleite? Als Kleinanleger ist es nicht selten schwierig, diese Nuancen rechtzeitig zu identifizieren. Deshalb bleibe ich in der Regel, wenn ich keine Eindeutigkeit in dieser Frage finden kann, einfach investiert. Zur Not ist das Investment weg. In der Regel fangen sich die Unternehmen aber wieder. Außerdem kann ich nur 100% verlieren, aber theoretisch viele tausend Prozent nach oben machen. Die Risikogewichtug ist für mich also eher immer bullisch. Außerdem habe ich rund 100 Unternehmen im Depot, also 1% Risiko pro Unternehmen. Insofern kann ich alle 10 Jahre oder so mal einen Totalausfall verkraften, was allerdings bisher noch nie vorgekommen ist. Wie immer: Nur meine subjektive Sichtweise.

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  2. Man kann sich so einige Totalausfälle leisten, häufiger als alle 10 Jahre. Ist natürlich auch eine Frage der Gewichtung und des Erfolgs der anderen Aktien.

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  3. Neulich hast du Tim Schäfer erwähnt. Er zeigt regelmäßig sein Depot und betreibt „Buy and Hold extreme“. Was ich mitbekommen habe: Oft sammelt er Blue Chips ein, die zeitweise ein Tief haben und behält sie dann. (Vielleicht guckt er sich gerade Starbucks oder Boeing an?) Ein recht einfacher Ansatz, der eine gute Rendite verspricht. Die meisten erholen sich und gleichen die Nieten mehr als aus. Bei Boeing kann ich mir z. B. gut vorstellen, dass sie langfristig wieder auf Kurs kommen und die jetzige Phase als sehr gute Kaufgelegenheit angesehen wird.
    Man muss aber auch sagen, dass einige wenige Aktien sein Depot tragen - er profitiert sehr von seinem frühen Einstieg bei Netflix und Eventim.
    Ich finde den ganzen Ansatz charmant und habe oft feststellen müssen, dass sich ein Verkauf im Nachhinein als „falsch“ herausgestellt hat.

    Wie stehst du dazu?

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    1. Moin Florian,
      Tim Schäfers extremer Buy & Hold-Ansatz ist nicht mein Weg, aber für ihn scheint er hervorragend zu passen. Ich bin da vielleicht durch das Platzen der Internetblase geprägt, denn damals habe ich die Aktien einiger Neuer Markt-Werte im Depot herumliegen lassen mit dem Gedanken, "die werden sich vielleicht mal wieder erholen". Es war totes Kapital, nicht mehr viel, aber woanders hätte es Rendite erwirtschaften können. Tim kauft nicht gerade die heißesten Zockerbuden (wie viele der Firmen am Neuen Markt es waren), daher besteht durchaus die Chance auf Erholung. Dennoch trenne ich mich lieber von Unternehmen, bei denen ich falsch liege (und das sagt mir nicht zuvorderst der Kurs, sondern ob die Entwicklung und mein Investmentcase zusammenpassen).

      Tims Ansatz und meiner entscheiden sich aber auch, weil wir andere Rahmenbedingungen haben. Er hat meines Wissens nach einen ziemlich hohen Cashflow aus Einnahmen für seine vielen Artikel/Vorträge usw. und setzt stärker auf üppige Dividenden - bei Tim kommt also viel mehr Kohle regelmäßig rein, die er dann investieren kann (und muss). Und dann pickt er sich die gerade in Ungnade gefallenen Standardwerte heraus. Das wiederum ist sehr erfolgversprechend - man muss "nur" diesen starken Cashflow haben. Und den habe ich nicht. Stattdessen bin ich voll investiert und muss für neue Positionen alte verkaufen. Und ich habe keine guten Erfahren damit gemacht, meine aussichtsreichsten Werte zu reduzieren, um ausgebombte (und gerade nicht erfolgreiche) Unternehmen zu kaufen. Ich setze lieber auf die Gewinner und bleibe an Bord solange sie Gewinner bleiben.

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