Sonntag, 31. Oktober 2021

Kissigs Kloogschieterei: Kurze Gedankenspiele zu Lieferkettenstörungen, Earnings Season, Weihnachtsgeschäftschlamassel, Inflation, Zinswende und Alternativen Asset Managern

Am Ende folgte der Oktober seinem Ruf als Crashmonat nicht. Auch wenn es in der ersten Hälfte teilweise deutliche Kursrücksetzer gab, machte die zweite Hälfte diese mehr als wett. Dabei legten die US-Indizes erheblich stärker zu als DAX oder TecDax.

Das dürfte auch daran liegen, dass Dow Jones, S&P 500 und vor allem der NASDAQ viel stärker von Wachstums- und Technologieaktien geprägt werden als unsere heimischen Indizes. Und gerade die Technologiewerte behaupten sich zuletzt ziemlich gut, während konjunktursensible Unternehmen unter Druck stehen.

Hintergrund sind die zunehmenden Störungen in der weltweiten Lieferkette. Diese führt zu immer häufigeren Produktionsausfällen in immer mehr Branchen, was deren Umsätze und Gewinne schmälert. Gleichzeitig sorgen die zunehmenden Staus an Containerschiffen vor den Häfen für weitere Verzögerungen und erheblich steigende Frachtkosten.

In der gerade Fahrt aufnehmenden Earnings Season schlägt sich das auf die Ergebnisse durch. Immer mehr Unternehmen berichten über Störungen und Einschränkungen und auch wenn diese sich teilweise im dritten Quartal noch nicht allzu sehr negativ bemerkbar gemacht haben, fällt der Ausblick der Unternehmen auf das vierte Quartal und darüber hinaus doch zumeist pessimistischer aus. Dabei leiden nicht nur Mittelständler, sondern auch globale Konzerne, wie Apple oder Amazon, deren Kurse beide mächtig unter Druck gerieten. Im Gegenzug konnten die softwarelastigen Giganten Microsoft und Alphabet mit starken Zahlen und besserem Ausblick glänzen.

Industrieunternehmen, wie General Electric, oder Autobauer und –zulieferer sowie Einzelhandelsunternehmen leiden besonders und müssen ihre Prognosen senken. An der Börse wird zwar die Zukunft gehandelt, so dass der Markt heute die Erwartungen einpreist, die in 12 oder 18 Monaten gelten, aber da ein Ende der Lieferkettenproblematik nicht absehbar ist, besteht auch die Unsicherheit fort. Und das belastet die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen. Anderen erwächst eine zusätzliche Chance aus der Lage, denn je digitaler ein Geschäft aufgestellt ist, desto besser kommt es durch die gegenwärtige Lage...

Eher düster sieht es hingegen für das Weihnachtsgeschäft und damit für den Einzelhandel aus. Denn die bestellten Produkte aus Asien stecken irgendwo auf See in Containern fest und viele Produkte werden es nicht rechtzeitig in die Läden und damit unter den Weihnachtsbaum schaffen. Vermutlich wird 2021 das Jahr der Geschenkgutscheine, aber auch eines der Tränen und Enttäuschungen. Unternehmen, die auf Saisonware angewiesen sind, wie der Modeeinzelhandel, wird es besonders hart treffen. Wieder einmal, denn gerade diese Branche hatte schon unter den Coronalockdowns mit am stärksten zu leiden.


Kreditnachfrage im Mittelstand sinkt

Die Folge der Produktionsausfälle und Engpässe bei der Belieferung im Handel sind vielfältig. Zwar steigen die Auftragsbestände an, aber auch deshalb, weil bestehende Aufträge nicht vollumfänglich abgearbeitet werden können oder Aufträge zeitlich verschoben werden. Dem entsprechend sinkt die Kreditnachfrage des Mittelstands weiter. Im Coronajahr 2020 waren viele Investitionen zurückgestellt worden und trotz Nachholbedarf bleiben die Unternehmen vorsichtig. Auf der anderen Seite schauen die Banken bei der Kreditvergabe jetzt sehr viel genauer hin, zumal die Coronahilfen und auch das Insolvenzmoratorium auslaufen.

Hier bietet sich für aufstrebende Fintechs und Alternative Asset Manager eine gute Gelegenheit, denn diese unterliegen nicht der strengen Bankregulierung und deren teurer Eigenkapitalvorschriften, so dass sie flexibler agieren können. Das wird die Banken auf mittlere und lange Sicht weitere Marktanteile kosten.

Hier droht ein Teufelskreis, denn die Unternehmen müssten gerade jetzt ihre Digitalisierung vorantreiben, um nicht noch stärker abgehängt zu werden. Dadurch wächst der Druck auf sie weiter.

Auch hier werden Finanzinvestoren zu den Gewinnern zählen. Sie sind mit viel Kapital ausgestattet und auf der Suche nach lukrativen Übernahmezielen. Der Markt für Firmenübernahmen wächst nicht erst seit dem Coronaeinbruch stark an und die Notlage vieler Firmen bei gleichzeitig restriktiverer Kreditvergabepraxis der Banken eröffnet ihnen große Chancen. Sowohl als strategische Minderheitsgesellschafter bei gut laufenden Unternehmen, aber auch als Sanierungsexperten bei strauchelnden Firmen. Und natürlich beim ohnehin wachsenden Bedarf der Unternehmensnachfolgen, wenn Unternehmensgründer keine Nachfolger im Familienkreis finden und daher ihr Unternehmen verkaufen müssen.

Es schlägt die Zeit von Unternehmen wie Berkshire Hathaway, der Blackstone, KKR, Apollo Global Management, MBB, Mutares. Auch wenn ihre bestehenden Tochterunternehmen selbst auch von den Problemen bei den Lieferketten und von Produktionsausfällen betroffen sind.

Da die Inflationsrate gestiegen ist und auch dank hoher Energiepreise noch einige Zeit auf erhöhtem Niveau verharren wird, steuern wir auf die Zinswende zu. Steigende Zinsen bei erhöhter Inflation und nicht stark wachsender Wirtschaft ist kein Goldlöckchenszenario mehr, an das sich die Börsen so lange gewöhnt hatten. In ihm behaupten sich Unternehmen aus dem Finanzsektor und solche mit robusten Geschäftsmodellen und Preissetzungsmacht am besten.

An der Börse dürfte sich die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern weiter vergrößern und Anleger sollten ihr Portfolio auf die neue Wirklichkeit ausrichten. Liebgewonnene Gewissheiten müssen überprüft werden, Gewinneraktien auf die Zukunftstauglichkeit ihres Geschäftsmodells hin abgeklopft werden. Dabei darf man nicht den Fehler begehen und Aktien nur deshalb zu kaufen, weil der Kurs um vom Höchststand 50% oder mehr gefallen ist. Wenn das Geschäftsmodell nicht mehr fliegt, sind 50% Kurseinbruch vielleicht erst der Anfang. Handelt es sich allerdings nur um vorübergehende Probleme, kann der niedrigere Aktienkurs sich als günstige Gelegenheit erweisen.

Warren Buffett formulierte es so: "Große Anlagemöglichkeiten kommen immer dann, wenn hervorragende Unternehmen vorübergehend in schwieriges Fahrwasser geraten und deshalb unterbewertet werden". Ob es sich so verhält, muss der Anleger herausfinden – und zwar, bevor er die vermeintlich günstigen Aktien kauft und dann sein blaues Wunder erlebt. Oder er investiert in Unternehmen, die genau auf das Aufspüren und Ausnutzen solcher günstigen Gelegenheiten spezialisiert sind: Alternative Asset Manager


Disclaimer: Habe Alphabet, Apollo Global Management, Apple, Berkshire Hathaway, General Electric, KKR, MBB, Microsoft, Mutares auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

5 Kommentare:

  1. Marc Ellerich01.11.21, 11:07

    Hallo Michael, also ich fand Apples Zahlen gigantisch, einfach nur gigantisch. Ich kann's überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb alle Welt von schwachen Zahlen spricht oder schreibt. September-Record-Quarter! Unter den gegebenen Umständen?! Und sie hätten noch sechs Milliarden mehr umsetzen können, wie Cook meinte, wenn die Umstände nicht so wären, wie sie eben grad sind. Und fürs nächste Quartal waren sie im Forecast auch nicht gerade defensiv. Was also ist daran schwach? Baki Irmak vom DLF hat eine sehr interessante Analyse zu Apple veröffentlich. Klar kann man Apple als teuer bewertet bezeichnen, ohne Frage, aber trotzdem oder gerade: Was ist das für ein Powerhouse?! Ich hab jedenfalls erstmal nachgekauft.
    Und dass Amazon wegknicken würde, is bzw. war ja angesichts der Pandemie keine Überraschung. Dafür hamse sich nicht mal sooo schlecht geschlagen. Aber die Underperformance wird ja angesichts der Lieferkettenproblematik, der hohen Investitionen usw. ja auch anhalten - letztlich auch nicht wirklich erstaunlich.
    Den Grundtenor deines Artikels teile ich ansonsten übrigens. Morgen kommen ja KKR und APO, mal schauen, was das gibt. Lieben Gruß! Marc

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  2. Aurelius gibt heute gleich zwei Käufe per Ad-hoc bekannt.
    Ist Aurelius nicht auch ein Profiteur der jetzigen Situation?

    VG
    Jürgen R.

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    1. Ja, auch Aurelius profitiert von der gegenwärtigen Lage. Bei Aurelius stört mich aber, dass man als Aktionär nur am Venture Capital-Arm beteiligt ist und nicht an der Holding/Mutter, wo z.B. die ganzen Beratungsprovisionen landen. Auch deshalb ziehe ich Mutares ausdrücklich vor.

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  3. Hallo Michael,
    vielen Dank für Deine Mühe, die Du dir gibst, eine profunde Einschätzung der Situation so regelmäßig zu teilen.
    Heute habe ich aber auch eine konkrete Frage. Ich hätte gern gewußt, ob Du unter Fianztitel auch Visa verstehst. Ich habe seinerzeit zur gleichen Zeit wie Du investiert und bin, ehrlich gesagt, von der Performance ziemlich enttäuscht. Trotz Bitcoin-Engagement, trotz Burggraben, trotz Ausweitung alternativer Finanztools tut sich seit 1 1/2 Jahren nichts. Ich bin geneigt zu verkaufen. Ich würde mich über Deine Einschätzung freuen.

    Danke und viele Grüße von
    Isabella

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    1. Moin Isabelle,
      VISA und Mastercard zählen nicht zu den Finanzwerten, die in diesem Artikel zu Favoriten erklärt habe.

      Meine Einschätzung zu MA/V hatte ich gerade andernorts schon abgegeben; ich stelle sie heir als Antwort nochmals ein: Ich bekomme langsam Zweifel, ob sich Mastercard und VISA (aber auch AMEX) auf Dauer weiterhin so gut schlagen werden. Ihr großer USP war und ist ja, dass sie die POSs haben, die Point-of-Sales, wo die Kunden den Händler bezahlen. Square baut hier mit seinen Geräten Konkurrenz/ Alternativen auf, andere Fintechs ziehen nach. Im Bereich des Onlinehandels werden Kreditkarten bzw. die Zahlungsnetzwerke von MA/V nicht unbedingt benötigt und der Onlinehandel nimmt zu. Bis hierhin ist das alles bekannt und MA/V profitieren auch vom wachsenden Marktvolumen bei Digital Payments.

      Doch nun scheint Amazons Technik der kassenlosen Läden zu funktionieren, Tesco und andere erproben dies schon. Wenn die Technik wirklich weitestgehend reibungslos funktionieren sollte, dann könnten die Handelsunternehmen hier riesige Summen an Personalkosten (Kassen) einsparen, während sie gleichzeitig das Einkaufserlebnis verbessern (Schlangestehen und Bezahlen sind ja nun wahrlich keine Highlights). Für MA/V zieht hier ein Tornado auf, weil mit den Kassen auch die POS verschwinden. Die Zahlung erfolgt ja über eine digitale Wallet und damit nicht mehr zwangsweise über das MA/V-Zahlungsnetzwerk.

      Dieses Szenario ist sicher keines, das in den nächsten 5 Jahren große Relevanz erfährt. Aber über diesen Zeitraum hinaus, könnte es das Business von MA/V zunehmend negativ beeinträchtigen.

      MA/V verdienen auch in anderen Abschnitten des digitalen Bezahlvorgangs Geld und expandieren in andere Bereiche, um Kunden an sich zu binden und neue zu gewinnen. Fast überall verdienen sie beide ziemlich üppige Margen. Ich erinnere an Amazon-Gründer Jeff Bezos, der sagte: "Deine Marge ist meine Chance". Bisher gab es keine Alternative zu den Zahlungsnetzwerken und Diensten von MA/V, aber das ändert sich zunehmend, vor allem durch die vielen aufstrebenden Fintechs. Da diese Margen von den Händlern aufzubringen sind, haben MA/V bei denen keine großen Verbündeten und wenn ein anderer Anbieter vergleichbare Lösungen zu geringeren Kosten anbietet, ohne dass der Kunde hierdurch einen Nachteil hat (finanziell und/oder in der "Userexperience"), dann geraten MA/V schnell in die Defensive. Entweder sie verlieren ihre Händlerkontrakte oder sie reduzieren die Preise. Beides keine positiven Aussichten.

      MA/V verdienen ordentlich Geld und erzielen üppige Cashflows, mit denen sie vor allem Aktien zurückkaufen. Die größten Anteilseigner der beiden sind die ganzen (US-)Banken, die deshalb wiederum weniger Interesse daran haben, dass sich hier grundlegend etwas ändert. Aber alle anderen (also die Fintechs, Nutzer, Händler) sind nicht mit MA/V verheiratet und profitieren nicht von deren üppigen Margen.

      Die Geschäftsmodelle von MA/V könnten also mittelfristig "kippen" und aus Wachstumsunternehmen etablierte Unternehmen im Verteidigungsmodus machen. Aus Aktionärssicht sind das wenig verheißungsvolle Aussichten, denn die beiden Aktien sind wie Wachstumsunternehmen bewertet und eine Bewertungsanpassung an das eines etablierten Unternehmens würde wohl zu deutlichen Kursabschlägen führen - je nachdem, wie lange es dauert. Zumindest würden künftige Kurssteigerungen wohl erheblich niedriger ausfallen oder ausbleiben.

      Daher sind MA/V für mich als Investment weniger interessant als andere Unternehmen aus dem Bereich digital Payments. Ganz verabschiedet habe ich mich aus den beiden aber noch nicht, weil mich meine Gedanken hierzu zwar umtreiben, ich aber noch nicht endgültig sicher bin, dass ich alles bedacht habe. Akuter Handlungsbedarf besteht jedenfalls nicht, aber die Entwicklungen sollte man schon genauer im Auge behalten...

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