Die Börsenkurse bröckeln, wie es vom September zu erwarten ist. Starke Aufwärtsimpulse fehlen, so dass negativen Nachrichten noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als ohnehin schon.
In Asien ist Feiertagszeit und viele maßgebliche Indizes sind oder werden für einen oder mehrere Tage mit dem Handel aussetzen. Das reduziert die Handelsvolumina und sorgt eher für Abgabebereitschaft, weil Anleger ungerne "long" in verlängerte Wochenenden gehen. Hinzu kam, dass Freitag großer Verfallstag für viele Optionen war und an einem solchen "Hexensabbat" die Börsenkurse generell überempfindlich reagieren.
Als wäre das noch nicht genug, steuert mit China Evergrande der zweitgrößte Immobilienkonzern Chinas auf die Pleite zu, wobei rund 300 Milliarden Dollar an Krediten im Feuer stehen. Seine Aktien- und Bond-Kurse sind bereits stark abgestürzt, so dass der Ausfall für die Aktionäre und Gläubiger nur noch zusätzliche finanzielle Schmerzen mit sich bringen würde, aber das Konglomerat ist sehr verschachtelt und seine Töchter spielen in vielen Branchen mit. Vor allem die internen Finanzverflechtungen sind kaum zu durchschauen und daher ist die größte Sorge, welche Finanzinstitute und staatlichen Kreditvergabestellen bei einem Kreditausfall in Mitleidenschaft gezogen werden. Crash-Propheten sehen die Welt auf einen 'Lehman-Moment' zusteuern und freuen sich über viel Aufmerksamkeit in der Presse, die meisten Marktbeobachter gehen allerdings nicht davon aus, dass Chinas Führung einen unkontrollierten Kollaps ansteuert oder auch nur zulässt.
Sehr lesenswert dazu ist der Artikel "EVERGRANDE SCHIEFLAGE: WIE WEIT WIRD PEKING GEHEN?" von Ali Masarwah auf der Seite des Digital Leaders Fund.
Der Hang Seng gab um weitere 5% nach, der Shanghai Composite um 2,4%. Nach seiner 10-prozentigen Rallye aus den Vorwochen legte der Nikkei eine Pause ein und blieb mit einem kleinen Zuwachs von 0,4% weitgehend stabil, während die Kurse in den USA und Europa ebenfalls deutlicher nachgaben. Die US-Technologiebörse NASDAQ verzeichnete am Freitag mit einem Minus von 1,18 Prozent sogar den größten Tagesverlust seit Mai.
Private Equity-Größen auf der Jagd nach Lebensversicherern
Positiv schlug sich der Finanzsektor und hier vor allem Alternative Asset Manager. Das gegenwärtige Wirtschafts- und Konjunkturszenario spielt ihnen in die Karten, da sie einerseits viele strauchelnde Unternehmen als Targets vor der Nase haben und auf der anderen Seite auf viel finanzieller Feuerkraft sitzen, mit der sie zugreifen können. Mit der Lebensversicherungsunternehmen strauchelt eine ganze Branche und das schon seit geraumer Zeit. Die bekommen zwar einen stetigen 'Float' aus Versicherungsprämien, den sie für sich arbeiten lassen können, bevor sie die Versicherungsleistungen auszahlen müssen. Aber viele Unternehmen geraten immer mehr in Schieflage. Die Menschen werden immer älter, daher erweisen sich viele früher abgeschlossene Rentenversicherungen als schlecht kalkuliert und reißen nun Löcher in die Kassen der Konzerne. Des Weiteren macht ihnen die anhaltende Niedrigzinsphase zu schaffen, dass sie oft auf Anleihen als Kapitalanlagen setzen. Hierbei sind immer weniger Zinseinnahmen zu erzielen; vielmehr stammen die Gewinne fast nur noch ausschließlich aus Kursgewinnen, die mit den Anleihen zu erzielen waren. Das sind aber nur kurzfristige Einmaleffekte und wenn die Zinsen nun anfangen, wieder zu steigen, dann ziehen die im bestand befindlichen Anleihezinsen natürlich nicht mit und die Kurse diese Anleihen gehen in den Keller. Müssen sie dann aufgelöst werden, um Versicherungsleistungen auszahlen zu können, müssen diese Kursverluste realisiert werden.
In Deutschland stehen bereits 20 von 80 Lebensversicherern unter strenger Aufsicht durch die BaFin. Und ein Blick auf die Anlagepolitik der Versicherer zeigt das Dilemma: nur 4% werden in Equity (Aktien) investiert, weitere 4% in Immobilien, aber 75% in Bonds (Anleihen). Der große Börsen- und Immobilienboom ging also wieder einmal an den Versicherungskonzernen und damit an den Versicherten vorüber. Stattdessen senken die Versicherer jedes Jahr die Garantieverzinsung ihrer Anlageprodukte weiter. Das kann für viele Versicherte, die mit den vollmundigen Renditeversprechungen ihrer Lebensversicherungen ihr Eigenheim finanziert haben zur finanziellen Todesfalle werden und in die Altersarmut führen.
Dass es auch anders geht, zeigt Warren Buffett mit Berkshire Hathaway, der den 'Float' seit Jahrzehnten in Unternehmen und Aktien investiert und so deutliche Überrenditen erzeugt. Der Zinseszinseffekt und/oder das Compounding wirkt wahre Wunder. Diesem Weg folgen nun auch Alternative Asset Manager, die ihrerseits reihenweise Lebensversicherungsunternehmen aufkaufen. Sie zielen auf deren Float ab und sichern sich so den Zugriff auf eine kaum versiegende Quelle an frischen finanziellen Mitteln, die sie in jede sich nur bietende Assetklasse investieren, wo sie viel Rendite wittern.
Im Juli 2020 kündigte KKR & Co. die Übernahme von Global Atlantic an, einem Lebensversicherer und einem der größten Anbieter von Rentenversicherungen. KKR erwarb Global Atlantic für $4,4 Mrd. und damit zum Buchwert.
Im Oktober 2020 boten Massachusetts Mutual Life Insurance und Athene Holding an, American Equity Investment Life (AEL) für $36 pro Aktie oder rund $3 Mrd. zu kaufen. Zu diesem Zeitpunkt hielt Apollo Global Management einen Anteil von 35% an seiner früheren 100%-Tochter Athene (beide fusionieren gerade). Obwohl der Kaufpreis fast 100% über dem Aktienkurs lag, lehnte das Management von AEL ab. Um dann einige Zeit später in die Arme von Brookfield zu flüchten. Der Asset Manager gab eine Partnerschaft mit AEL bekannt und übernahm einen Anteil von 19,9% an AEL, so dass AEL (erstmal?) selbständig bleibt.
Im März 2021 kündigte Apollo Global Management an, mit Athene in einem $11 Mrd. Dollar schweren Aktientausch fusionieren zu wollen. Apollo hielt bereits einen Anteil von 35% an Athene und erbrachte für Athene gegen Gebühren Dienstleistungen im Bereich der Vermögensallokation. Nach Abschluss der Transaktion, die voraussichtlich im Januar 2022 abgeschlossen sein wird, werden die Apollo-Aktionäre 76% des kombinierten Unternehmens besitzen.
Im August 2021 verkündete Brookfield ein Kaufangebot für die American National Group für $5,1 Mrd. bzw. $190 je Aktie. Die Bewertung läge damit bei 80% des Buchwerts. Zu den Produkten von ANAT gehören Lebens-, Kranken-, Renten- sowie Sach- und Unfallversicherungen. Diese Übernahme ist noch nicht abgeschlossen; es gibt bisher jedoch keine konkurrierenden Angebote.
Die Branche ist in Bewegung und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die international agierenden Private Equity-Größen auch in Deutschland ihre Klauen in die Lebensversicherungsbranche schlagen. Hier herrschen zwar restriktivere Vorgaben hinsichtlich der Anlageoptionen für die Versicherer, aber das vorhandene Potenzial wird bisher nicht einmal ansatzweise genutzt. Zur Zeit richtet sich ihr Fokus noch auf den "heimischen" US-Markt, weil dort gerade das Fell des Bären verteilt wird.
Aus meiner Sicht ist KKR der aussichtsreichste Spieler im Sektor, und daher entsprechend hoch gewichtet in meinem Depot und in meinem Quality Investments-Wikifolio. Apollo Global Management hinkt bzgl. der Aktienperformance seiner Peergroup kräftig hinterher, wofür es eine Reihe von Gründen gibt bzw. gab. Doch auf Sicht der nächsten sechs Monate dürfte die APO-Aktie das größte Kurspotenzial haben:
- Abschluss der Athene-Übernahme (die festgelegten Konditionen des Aktientauschs verhindern, dass der Athene-Kurs sein Potenzial entwickelt und somit bekommt Apollo Athene zu immer günstigeren Bedingungen).
- Zusammenlegung der unterschiedlichen Aktiengattungen und Umwandlung in eine "normale" C-Corp.
- Dann Aufnahme in den S&P 500 mit entsprechend großer Nachfrage durch institutionelle Anleger, Pensionsfonds und Indexfonds. Was dies bedeutet, kann man an den Kursen von KKR und Blackstone nachvollziehen, die nach Umsetzung genau dieser Schritte regelrecht explodiert sind.
Mein Branchenfazit: KKR steht am besten dar, APO hat das größte Aufholpotenzial.
Von der Konjunkturfront gab es gemischte Signale. In China deuten die Zeichen auf eine stagnierende Wirtschaft, während in den USA die Frühindikatoren eine schlechtere Lage erwarten ließen, als sie sich dann darstellte. Insbesondere von Seiten der Inflation stehen die Zeichen auf Entspannung und damit rückt eine Zinswende wieder in weitere Ferne.
In Deutschland wirken sich die Störungen der weltweiten Lieferketten immer deutlicher aus, so dass die Konjunkturprognosen für dieses Jahr erneut gesenkt wurden. Dafür gehen die Wirtschaftsforscher nun von einem deutlicheren Konjunktursprung in 2022 aus. Der Fokus richtet sich allerdings zunehmend auf die bevorstehende Bundestagswahl und das Ende der Ära Merkel. Rot-Rot-Grün ist dabei die Horrorvision für Wirtschaft und Börse und so dürfte jede andere Konstellation am Ende für Erleichterung sorgen. Selbst eine Fortsetzung der "Großen Koalition", die allerdings momentan wohl unter SPD-Führung und einem Bundeskanzler Scholz daherkäme.
Daneben wird am Montag die Umstrukturierung der DAX-Familie vollzogen. Die letzte Woche vor der Wahl wird also spannend – auch für die Börsen.
Disclaimer: Habe Apollo Global Management, KKR auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.
Stark wachsende Assetmanager? Gab es da nicht auch ein erfolgreiches Unternehmen in Deutschland? Irgendwas mit DIC. Da bist du irgendwann ausgestiegen :> Bleibt auch weiterhin mein größtes deutsches Investment.
AntwortenLöschenSchade, hatte mich immer über meine Beiträge gefreut. In letzter Zeit kaum noch was für mich dabei in deinem Blog. Völlig unüberschaubare Beteiligungsunternehmen, Firmen wo ich dem Management keinen Meter über den Weg traue wie Mutares oder LuS oder oder.
Und neuerdings auch noch China. Ein Markt, der komplett von einer Ideologie- und machtbesessenen kommunistischen Elite gesteuert wird...
Man findet kaum noch deutschsprachiges zu soliden Infratrukturanbietern, American Tower, American Water usw. Und die wenigen guten deutschen Unternehmen fliegen bei dir auch raus und werden durch Beteiligungsbuden ersetzt :D
So, genug gejammert. Jetzt wieder den Sonntag genießen, ich hoffe du tust das auch !
lieben Gruß
DIC Asset Manangement meinen Sie sicher.
LöschenSuper Artikel! Ich finde deine Kommentare zu Märkten, Unternehmen und aktuellen Geschehnissen sehr informativ!
AntwortenLöschenOb der deutsche Markt wirklich ganz außerhalb der Sichtweite der US Player ist? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es könnte reiner Zufall sein, dass die Allianz sich seit Kurzem und wahrscheinlich für die kommenden Jahre auf "volle Kooperation" mit US Behörden einstellen darf. Vielleicht auch nicht, und es soll da was sturmreif geschossen werden.
AntwortenLöschenDa haste mich wohl missverstanden. Ich schrieb ja: "Die Branche ist in Bewegung und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die international agierenden Private Equity-Größen auch in Deutschland ihre Klauen in die Lebensversicherungsbranche schlagen", insofern sehe ich den deutschen Versicherungsmarkt nicht "ganz außerhalb der Sichtweite der US Player". Ich denke nur, dass sie sich zuerst um die heimischen US-Lebensversicherungen balgen, bevor sie auch im Ausland auf Einkaufstour gehen. Wobei man natürlich nicht immer gleich das ganze Unternehmen kaufen muss; man kann ja auch "nur" die entsprechenden Risiken/Verträge übernehmen. Gerade deutsche Lebensversicherungen haben hier ja schon einige Altverträge weiterverkauft...
LöschenDas Geschäft mit "gebrauchten" Lebensversicherungen gibt es ja schon eine Weile - anfangs gab es diejenigen, die von den Versicherungsnehmern die Verträge mit hoher Garantieverzinsung aufkauften, die Verträge weiter bedienten und ihren Investoren damit eine aus heutiger Sicht sehr attraktive Verzinsung ihrer Gelder boten, ohne die Risiken etwa von Aktien - perfekt für Familiy Offices, Stiftungen und andere Unternehmen, die wiederkehrende Geldeinnahmen möglichst sicher anlegen wollen. Die andere Seite, die Vertragsabwickler, kaufen die Verträge von den Versicherern auf und zahlen (sehr wahrscheinlich) nur die Garantieverzinsung, während sie alles dafür tun, möglichst hohe Verwaltungskosten zu produzieren und dadurch natürlich eine geringe bis keine Überschussbeteiligung erreichen. Die BaFin schaut dem Treiben nach meiner Kenntnis bisher zu, weil (a) der IST Zustand besser ist als eine pleitegegangene Versicherung (man erinnere sich nur an die Unruhe, die damals die Mannheimer im Markt verursacht hatte, und das war Ende der 1990er/Anfang 2000) und (b) im Moment schlicht die personellen Kapazitäten fehlen, weil Wirecard dort wirklich hohe Wellen geschlagen hat, von denen wir (Wechsel der BaFin Leitung) nur das Unvermeidliche mitbekommen, und (c) da schlicht auch zukünftig einmal Steuern bezahlt werden - nicht für die ganz alten Verträge von vor 1999 (2000?), sondern für die jüngeren, für die die 12 Jahresregelung nicht mehr gilt - der zu versteuernde Ertragsanteil umfasst dort auch die Garantieverzinsung. What is not to like? Also, außer für den Anleger natürlich.
Löschen