Sonntag, 5. September 2021

Kissigs Kloogschieterei: Kurze Gedankenspiele über Chinas Crackdown, DAX-Reform, US-Arbeitsmarktdaten und die Apple-Dekade (die streng genommen Microsofts Dekade war)

Der regulatorische Crackdown durch Chinas Regierung hält weiter an und Peking nimmt weitere Branchen ins Visier. Mit Meituan trifft es Chinas führenden Essenslieferdienst, bei dem die Fahrer künftig versichert werden und den Mindestlohn verdienen müssen. Beim führenden Ride Hailing Unternehmen Didi Global, das durch seinen US-Börsengang Chinas KP gegen sich aufgebracht hatte, soll es nun einen Staatseinstieg geben mit weitreichenden Einflussmöglichkeiten. Bei der Tiktok-Mutter Bytedance war Peking kürzlich auf ähnliche Weise eingestiegen. Und um mehr Einfluss geht es auch für die Gewerkschaften, die es nun bei JD.com und Didi Global gibt; weitere Unternehmen werden wohl folgen, darunter Alibaba und Tencent.

Staats- und Parteilenker Xi Jinping hatte zuletzt immer schärfer gegen das "barbarische Wachstum" gewettert und die "Rückgabe an die Gesellschaft" eingefordert, also die klassische Umverteilungsagenda linksautoritärer Regime. Und die Konzerne überschlagen sich fast, um diesem "Wunsch" nachzukommen...

So will der Internet-Händler Pinduoduo €1,3 Mrd. für die Entwicklung der ärmeren ländlichen Regionen Chinas bereitstellen und Tencent und Alibaba machen sogar umgerechnet €6,5 und €13 Mrd. an "Spenden" locker. Allerdings ist dies nicht das Geld ihrer Gründer, wie Jack Ma von Alibaba, sondern das Geld der Unternehmen selbst, also der Aktionäre. Während sich in den USA und Europa schon länger der Fokus vom Shareholder Value hin zum Stakeholder Value verschiebt, also der Integration der Zielsetzungen aller wichtigen Anspruchsgruppen eines Unternehmens in die Geschäftspolitik, geschieht dies in China durch Drohungen und Staatseingriffe. Der Unterschied zwischen den westlichen Demokratien und einem autoritären Regime wie China wird auch hier deutlich: auf der einen Seite öffentliche Diskussionen und gesellschaftlicher Druck zu Veränderungen, auf der anderen Seite Repressalien, die Schutzgelderpressungen der Mafia gleichen.

Wer in solchen Ländern Geld investieren will, wie China oder Russland, muss dies in Kauf nehmen. Die gute Nachricht ist, dass die Börsen diese neue Realität hinsichtlich China inzwischen eingepreist zu haben scheinen. Die Kurse der Unternehmen fallen nicht mehr hemmungslos, sondern stabilisieren sich. Die Börsen waren schon immer pragmatisch, weil die Unternehmen sich anpassen und auch künftig gutes Geld verdienen werden. Und das ist letztlich der Grund, weshalb man dort Aktionär ist.

Starke US-Arbeitsmarktdaten

Während also die China-Sorgen zur Alltäglichkeit werden und damit ihren Schrecken zumindest teilweise verlieren, gibt es auch andernorts interessante Entwicklungen. In den USA standen die Arbeitsmarktdaten an. Die Arbeitslosenquote fiel mit 5,2 Prozent auf den tiefsten Stand seit Ausbruch der Pandemie und die Zahl offener Stellen überschreitet die Anzahl der Jobsuchenden um 1,7 Millionen. Ein neuer Rekordwerte und dennoch lagen diese Zahlen unter den Erwartungen und versetzte den Börsen am Freitag einen Dämpfer.

Das dürfte die US-Notenbank nicht davon abhalten, zum Jahresende hin ihre Anleihekäufe etwas zu drosseln, da die Konjunktur ansonsten brummt, aber die Sorge vor einem nachhaltigen Wechsel der Zins- und Liquiditätspolitik schwindet wieder. Und das treibt die Börsenkurse weiter an, vor allem die Technologieaktien. Während der Dow Jones leicht abgab, konnte der S&P 500 leicht zulegen. Einen ordentlichen Satz um mehr als vier Prozent legte wieder die NASDAQ hin.

Die Apple-Dekade

Als Steve Jobs das Zeitliche segnete und Tim Cook zu seinem Nachfolger wurde, waren sich alle Beobachter einig: das Ende von Apple zeichnet sich ab. Der Innovator, der Erfindungsgeist hatte das Unternehmen verlassen und die Ikone würde fortan von einem blassen Verwalter und Bürokraten gelenkt.

Nun, alle haben Recht bekommen, jedenfalls zum Teil. Apple war Jahre lang nicht mehr innovativ, bevor es dann die Apple Watch im dritten Anlauf zum Supererfolg machte. Die früheren Wachstumserfolge beim Iphone gehören der Vergangenheit an, aber Apple verkauft noch immer hohe Stückzahlen - und die Zahl der aktiven Devices nimmt von Jahr zu Jahr zu. Gut für Apples Ökosystem, das immer mehr zu Umsatz und Gewinn beiträgt.

Apples Erfolg unter Tim Cook zeigt sich an einem anderen Vergleich ganz besonders: blickt man auf das Börsengewicht der zehn größten Aktien im Jahr 2011, so lag es vor zehn Jahren bei zusammen $2,7 Billionen und unter den zehn Spitzenwerten fanden sich mit Apple auf Platz drei und Microsoft auf Platz zehn lediglich zwei Technologieriesen. Heute bringen es die zehn Börsenschwergewichte auf zusammen $13,9 Billionen Dollar und auf den führenden Plätzen liegen Apple, Microsoft, Alphabet, Saudi Aramco, Amazon und Facebook. Das Beeindruckendste daran ist nicht, dass Apple inzwischen das wertvollste Unternehmen der Welt ist, sondern dass es mit $2,55 Billionen Dollar heute beinahe so viel an Börsenwert auf die Waagschale bringt, wie die zehn größten Börsenunternehmen im 2011 zusammen!

Für die Apple-Aktionäre hat sich der Wechsel an der Führungsspitze also bisher keinesfalls als negativ herausgestellt. Einziger Wermutstropfen könnte sein, dass der "ewige Rivale" Microsoft noch besser dasteht. Auch bei diesem gab es einen Führungswechsel, als Satya Nadella den glücklosen Steve Ballmer beerbte und den Windows-Konzern einem grundlegenden Strategiewechsel unterzog. "Mobile first, colud first" war mehr als ein Leitspruch, es wurde zur neuen Leitkultur. Und Microsoft wieder zu einem der innovativen und erfolgreichsten Unternehmen der Welt. 2011 lagen die Redmonder auf Platz zehn der wertvollsten Unternehmen der Welt, 2021 hat man sich auf Platz zwei vorgekämpft. Mit $2,25 Billionen Börsenwert liegt man zwar um einiges hinter Apple, aber man kann auf einen größeren Zuwachs innerhalb der letzten zehn Jahre zurückblicken - sowohl in absoluten Zahlen als auch prozentual. Eine enorme Leistung!

Ob die beiden Konkurrenten auch im Jahr 2031 noch um die Spitzenposition rangeln werden, steht heute noch nicht fest. Sicher dürfte aber sein, dass sie sich gegenseitig nichts schenken werden und auch in zehn Jahren noch miteinander darum ringen werden, welcher der beiden Begründer des PC-Zeitalters die Nase vor haben wird.

So oder so, die Aktionäre konnten sich in den letzten zehn Jahren über üppigste Kursgewinne freuen.  Trotz so mancher Durststrecke und Kursrücksetzer, die die Aktien der beiden in den Jahren zu überstehen hatten. Hier zeigt sich, dass man mit Buy & Hold in Quality Investments auf lange Sicht am besten fährt. Eine gute Aktienauswahl und Geduld sind die Erfolgsgaranten an der Börse. Die Geduld, den Unternehmen auch in schwierigen Phasen die Chance zu geben, sich anzupassen und wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden. Wer hingegen meint, mit Markettiming und Aktientrading besser zu fahren, wird kaum jemals bessere Renditen erzielen als diejenigen, die einfach an ihren besten Aktienwerten festhalten - solange sich deren fundamentale Aussichten nicht grundlegend und/oder dauerhaft negativ verändert haben. Ein sklavisches Festhalten an Gewinneraktien, die ihre außergewöhnliche Qualität eingebüßt haben, zahlt sich selten aus. Die Aktionäre von Sears oder General Electric und vielen weiteren ehemaligen Börsenikonen können ein Lied davon singen.

Deutschland zwischen DAX-Reform und EuGH-Backpfeife  

In Deutschland wird am 20. September die ganze DAX-Familie einer Reform unterzogen und auf 40 Werte aufgestockt. Die Aufsteiger aus dem MDAX sind Airbus, Brenntag, HelloFresh, Porsche Holding, Puma, Qiagen, Sartorius, Siemens Healthineers, Symrise und Zalando. Der MDAX wird im Gegenzug um 10 Werte auf 50 reduziert und verliert beinahe die Hälfte seines Börsengewichts. Und damit auch kräftig an Bedeutung.

Ein bahnbrechendes Urteil sprach der Europäische Gerichtshof, als er die mangelnde politische Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als Verstoß gegen Europarecht einstufte. Die Behörde müsse völlig frei von Bundesvorgaben entscheiden dürfen, entschied der EuGH. Damit dürfte die Energiewende stärker und schneller Fahrt aufnehmen in Deutschland und dem gesamten GreenTech-Sektor zusätzlichen Rückenwind geben. Dies ist auch unter ESG-Gesichtspunkten interessant, zumal die Fondsgesellschaft DWS gerade wegen "Greenwashings" ins Fadenkreuz der US-Börsenaufsicht SEC geraten ist. Auch die BaFin prüft, ob Deutsche Bank-Tochter seine nachhaltigen Investmentprodukte falsch ausgewiesen und so Anleger getäuscht hat. Nun ist die gesamte Fondsbranche aufgeschreckt und überprüft ihr eigenes Verhalten. In der Folge dürften viele ESG-Produkte wieder "umgelabelt" werden müssen, was den Druck erhöht, wirkliche Aktien in die Fonds zu kaufen und nicht nur ein ESG-Etikett draufzukleben. Und da es nur eine begrenzte Anzahl an solchen Unternehmen gibt, wird sich die Nachfrage nach ihren Aktien spürbar erhöhen. Und damit ihre Aktienkurse. Denn die Anleger wollen ESG-konform anlegen, das zeigt die stark steigende Nachfrage nach diesen Produkten.

Anleger sollten diese Entwicklungen in ihre mittel- und langfristigen Anlageentscheidungen mit einbeziehen, denn innerhalb von Trends zu investieren erhöht die Wahrscheinlichkeit auf Rendite und reduziert das Risiko.

Disclaimer: Habe Alphabet, Amazon, Apple, Facebook, HelloFresh, Microsoft, Qiagen, Zalando auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

2 Kommentare:

  1. Danke für dein Wochenrückblick und deine aktuellen Einschätzungen / Gedanken!
    Ich hoffe, dass Format bleibt so erhalten :)

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  2. Ja, wieder mehr zum Markt und der Politik. Denn die bestimmt die Kurse, mehr als die Unternehmen selber. Wären die Börsen auch auf Höchstständen bei strengem tapering oder gar Zinserhöhungen?

    China kann man sich als seriöser Investor auch klemmen. Denn der Staat dort agiert nicht seriös, sondern ideologisch getrieben.

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