Der August gilt nach dem September als der schlechteste Börsenmonat des Jahres, doch bislang straft er die Geschichte Lügen. Denn erneut haben sich die Börsen in den USA und Deutschland auf neue Höchststände gezittert, ohne dabei allerdings überzeugen zu können. Der Fear-and-Greed-Index von CNN Money hat inzwischen das Angst-Territorium verlassen und ist wieder in neutralen Spektrum angelangt. Von Euphorie ist an den Börsen also nichts zu spüren.
Joe Biden hat endlich sein Infrastrukturpaket durchbekommen. Allerdings ist es wesentlich kleiner, als die 2,3 Billionen, mit denen er anfangs hausieren ging. Ob die USA in der gegenwärtigen starken Erholung der Konjunktur eine solche weitere Stimulanz brauchen, ist umstritten. Das Ziel, endlich die zugrunde gewirtschaftete Infrastruktur zu sanieren, allerdings nicht. Doch die konkreten Auswirkungen werden sich erst in einigen Monaten und Jahren zeigen, wenn entsprechende Umsetzungspläne und Ausschreibungen erfolgt sind und die Unternehmen dann mit der Umsetzung beginnen.
In China haben die regulatorischen Eingriffe der Regierung die Märkte verschreckt, doch inzwischen zeigt sich eine Art Gewöhnungseffekt und die Kurse stabilisieren sich. Mehrere prominente US-Investoren meldeten sich zuletzt zu Wort und bekräftigten ihr Engagement in China. Besondere Aufmerksamkeit erhielt Ray Dalio, Gründer und Chef der weltgrößten Hedgefonds-Gesellschaft Bridgewater Associates, der westliche Investoren auf dem Holzweg sieht. Sie würden die jüngste Entwicklung als neue antikapitalistische Linie von Chinas KP interpretieren, die die Erfolge der letzten 40 Jahre zurückdrehen werde.
Dalio zufolge würden die chinesischen Behörden jedoch lediglich versuchen, die richtige regulatorische Antwort auf ein sich schnell veränderndes Kapitalmarktumfeld zu finden. Und das sorge für Irritationen und Anpassungsschmerzen. Er rät Investoren daher, zwar vorsichtig zu sein, aber die sich bietenden Chancen dennoch nicht zu verpassen. Dabei müsse man im Blick behalten, dass der chinesische Staatskapitalismus nicht genauso sei wie der westliche Kapitalismus, woraus sich Risiken, aber auch Chancen ergäben. Warren Buffett hatte es einmal so ausgedrückt: "Risiko entsteht, wenn Anleger nicht wissen, was sie tun". Antizyklische Investoren greifen genau dann zu und warten ab, bis sich der Rauch gelegt hat und die Kurse sich wieder erholen.
An der fundamentalen Unterbewertung chinesischer Aktien gegenüber ihren westlichen Pendants besteht kaum ein Zweifel. Lediglich bei der Frage, ob und gegebenenfalls wann sie diese abbauen, liegen die Meinungen erheblich auseinander. Das chinesische Schriftzeichen für Krise besteht aus den beiden Symbolen für Chance und Risiko. Wie passend...
Was bezüglich China viele Marktteilnehmer und Beobachter meiner Meinung nach nicht realisieren, ist, dass die oberste Maxime des Regimes (genau das ist es) nicht die wirtschaftliche Prosperität des Landes, sondern schlicht der Machterhalt der Partei ist. Das Wirtschaftswachstum ist dabei nur Mittel zum Zweck und gleichzeitig ein Vehikel der politischen Elite, sich zu bereichern (unabhängig von dem Effekt, dass die breite Bevölkerung davon massiv profitiert).
AntwortenLöschenSobald wirtschaftliche Freiheiten oder, weniger abstrakt, die Interessen der Unternehmen bzw. einzelner Unternehmen den Interessen der Partei bedrohlich zuwider laufen, müssen Unternehmen mit massiven Konsequenzen rechnen. Die Entführung und das "Kaltstellen" von Jack Ma, willkürliches Verbieten von Börsengängen, Vernichtung ganzer Branchen über Nacht per Dekret sind beste Beispiele dafür und nicht mit schlichter rechtsstaatlicher "Regulierung" gleichzusetzen wie sie bspw. in den USA oder Europa stattfindet.
Kurz gesagt, in China gibt es keine vom Staat garantierten bzw. gesicherten Eigentumsrechte wie in einer westlichen Demokratie/Marktwirtschaft. Vielmehr muss man als Marktteilnehmer in China damit rechnen, dass man ab einem gewissen Erfolgsniveau abgestraft bzw. wirtschaftlich vernichtet wird ohne die Möglichkeit auf Ausgleichs- oder rechtsstaatliche Abwehrmechanismen zurückgreifen zu können.
Dieses Risiko, das sich seit einigen Monaten in China manifestiert (im Fachjargon "Political Risk" genannt), ist nichts Neues, aber in seinem Ausmaß und seiner Intensität so nicht antizipiert worden.
Dies hat aus meiner Sicht zwei gravierende Folgen: Zumindest mittelfristig werden chinesische Unternehmen noch deutlichere Bewertungsabschläge hinnehmen müssen als in der Vergangenheit (und das zurecht). Ich sehe auch keinen Grund, warum sich diese abbauen sollten. Sollten sie sich doch wieder abbauen, werden spätestens beim nächsten Durchgreifen des Staates die Kurse erneut drastisch einbrechen.
Zweitens leidet darunter langfristig die chinesische Wirtschaft, da der Anreiz der Marktteilnehmer zu investieren und effizient zu arbeiten bzw. im Sinne eines shareholder Value Ansatzes zu agieren deutlich verringert wurde. Auch deshalb werden chinesische Aktien tendenziell schlechter "laufen".
Man kann hier also nicht einfach von einer Unterbewertung von chinesischen Unternehme im Vergleich zu ihren westlichen Gegenspielern sprechen. Es gibt hier handfeste Gründe, warum das Bewertungsniveau (m.E. dauerhaft, solange das Regime keinen Wandel vollzieht, wofür es eher gegenteilige Anhaltspunkte gibt) niedriger bleiben wird. Höheres Risiko bedeutet auch nicht zwangsläufig höhere Renditen. Wäre dem so, wäre es kein Risiko...
Du beschreibst genau die gängige Interpretation des Geschehens und auch die wahrscheinlich(st)e Ableitung der Folgen.
LöschenAllerdings könnte man natürlich auch zu anderen Schlüssen kommen. Gerade weil dies die vorherrschende Meinung ist und chinesische Aktien ja (deshalb) schon länger eine deutliche Underperformance und Unterbewertung aufweisen. Man könnte also annehmen, dass diese zusätzlichen Risiken inzwischen komplett eingepreist sind und dieser Bewertungsabschlag "einfach" weiter anhält. Darauf aufbauend würde es dann für die künftige Entwicklung nur noch um die operativen Fortschritte gehen - und das haben die chinesischen Konzerne ja einiges zu bieten. Auch Alibaba und Tencent, die vor allem im nicht-chinesischen Ausland investieren und wachsen.
Die Regulatoren zwingen die beiden sich abschottenden Duopolisten, sich dem Wettbewerb zu öffnen - auch gegenseitig. Das könnte und sollte für beide nicht nur Risiken, sondern auch Chancen bieten. Natürlich auch für die vielen kleineren Wettbewerber. Und genau das ist das Ziel der KP, sie will nicht den Wettbewerb, das Wachstum, den Erfolg unterbinden, sondern verhindern, dass sich hier lediglich die beiden Platzhirsche behaupten können. Die Erfolge sollen auf eine breitere Basis gestellt werden, weil dies volkswirtschaftlich den größeren Nutzen bringt. Was übrigens in Europa und den USA ähnlich gesehen wird mit den Antimonopolbestrebungen gegen die (US-) Technologiekonzerne.
Diese "Staatslenkung" gesellschaftlicher Entwicklungen betrifft auch andere Bereiche und nicht nur China. Auch wenn sie dort gerade gehäuft auftreten. Was allerdings wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Entwicklung in China bisher kaum reguliert war. Bzgl. der Eingriffe in den privaten Bildungssektor tut China nicht viel anderes, als es Südkorea bereits vor zehn Jahren exerziert hat. Bei ganz ähnlicher gesellschaftlicher Fehlentwicklung; nämlich ausufernder Gehaltsanteile für Zwecke privater Bildung. China will nicht den privaten Bildungssektor abwürgen, sondern den staatlichen Bildungssektor stärken. Der zur Resterampe verkommen war. Ein grundsätzlich zu begrüßendes Ziel, wenngleich die Methoden fragwürdig und unangemessen hart sind. zumal es keine Übergangsfristen und Anpassungsmöglichkeiten für die Unternehmen gibt.
Interessanterweise hat Chris Davis als einer der größten Aktionäre von New Oriental Education seine Position im abgelaufenen zweiten Quartal nochmals deutlich ausgebaut...
"Man könnte also annehmen, dass diese zusätzlichen Risiken inzwischen komplett eingepreist sind und dieser Bewertungsabschlag "einfach" weiter anhält. Darauf aufbauend würde es dann für die künftige Entwicklung nur noch um die operativen Fortschritte gehen - und das haben die chinesischen Konzerne ja einiges zu bieten."
LöschenIn diesem Fall kann man aber nicht davon sprechen, dass an "der fundamentalen Unterbewertung chinesischer Aktien gegenüber ihren westlichen Pendants [...] kaum ein Zweifel" besteht, wie Du es oben im Artikel geschrieben hast. Das wäre ein Widerspruch. Die Chance, dass die Bewertung "fair" im Sinne von gerechtfertigt ist, ist m.E. höher als eine Unterbewertung.
Auch das Argument, es käme in diesem Fall nur noch auf die operative Entwicklung an, greift zu kurz. Die operative Entwicklung ist drastisch gehemmt, wenn Unternehmen künftig damit rechnen müssen, dass sie für ihre Innovationen/Erfolge künftig abgestraft oder sogar in ihrer Existenz bedroht werden. Die großen Tech-Unternehmen, die bei vielen Privatanlegern in den letzten Jahren so beliebt waren, werden sich künftig eher darauf konzentrieren, der Regierung bloß nicht auf die Füße zu treten statt voll und ganz auf die Entwicklung ihres Geschäfts. Du sagst es selbst, dass die chinesische Regierung versucht, die Duopolisten zugunsten kleinerer Unternehmen einzuschränken.
Bzgl. des Bildungssektors will China nicht nur den privaten Bildungssektor abwürgen, es hat ihn de facto "über Nacht" abgewürgt. Dass dies in Südkorea vor einigen Jahren ebenfalls passierte, nützt den Aktionären von New Oriental leider auch nicht viel.
Der Aufstieg der chinesischen Tech-Konzerne wurde durch die Regierung gefördert, wird andererseits aber nur bis zu einem gewissen Grad geduldet. Ein Eingriff des Staates war jederzeit möglich und wird es auch in Zukunft sein. Und noch einmal, das ist nicht mit westlicher Regulierung vergleichbar, die auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruht. Alphabet, Amazon, Microsoft und Co. können sich ggfs. gegen Regulierung juristisch zur Wehr setzen, was ja auch geschieht. Ich China hat ein Unternehmen diese Möglichkeiten nicht und ist jeglicher Willkür schutzlos ausgeliefert. Das dies volkswirtschaftlich nützlich sein soll, wage ich zu bezweifeln.
Ein weiteres drastisches Risiko zusätzlich zu den oben erwähnten besteht in der "Listing-"Frage und den Holding-Konstruktionen vieler chinesischer Unternehmen im Ausland. Auch hier können die Aktien vieler Anleger über Nacht wertlos werden, wenn die chinesische Regierung diese Konstruktionen verbieten sollte.
Ich habe den Eindruck, dass im Rahmen des China-Hypes der letzten zwei, drei Jahre, insb. viele Privatanleger sich der Gefahren nicht bewusst waren und sich der Gefahren immer noch nicht bewusst sind. Hier wurden sowohl qualitativ als auch quantitativ chinesische Unternehmen genauso bewertet wie bspw. amerikanische, was auch im obigen Artikel anklingt. Aber das ist nur meine bescheidene Meinung, natürlich kann ich mich irren.
Ich fand nur die aussage, dass chinesische Unternehmen ohne Zweifel unterbewertet sind im Vergleich zu ihren westlichen Pendants zumindest kritikwürdig.
Den Großteil Deiner Argumente teile ich. Die Bewertung chinesischer Unternehmen ist aber nunmal Fakt, wenn man die Kennzahlen zurate zieht. Es geht doch um die frage, ob sich diese Unterbewertung irgendwann auflöst, ansonsten bringt sie einem ja nichts. Und/oder die erhöhten Risiken die Aktien existenziell gefährden (nicht die Unternehmen). Also durch den möglichen US-Börsenauschluss chinesischer ADRs und/oder die Nichtanerkennung der VIE-Konstruktion durch China. Zumindest die ADR-Problematik kann man dadurch umgehen, dass man auch andere Börsen ausweicht, zB bei Alibaba auf das Hong Kong-Listing.
LöschenWo ich anderer Meinung bin und bleibe, ist die Gefahr durch Monopole. Ich sehe es volkswirtschaftlich nicht als positiv und erstrebenswert an, dass sich Monopole herausbilden. Ich bin zwar in einigen dieser Goliaths investiert, gerade auch weil sie aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung so enorme Cashflows und Gewinne erzielen (wie Alphabet, Amazon, Apple, Facebook, Microsoft), aber ich befürworte nicht, dass sie ihre Monopolstellung ungebremst ausbauen können/dürfen. Wie auch bei Tencent und Alibaba nicht.
Auf der anderen Seite, und da bin ich wieder ganz Deiner Meinung, mache ich mir bei den US-Unternehmen wenig(er) Sorgen bzgl. einer Zerschlagung. Wegen der Rechtsstaatlichkeit und der Entschädigung, die Anleger ggf. erhalten würden. Und weil sich die Unternehmen juristisch zur Wehr setzen können.
Hallo,
Löschen"Agree to disagree".
Danke für eure Diskussion (bis jetzt). Sehr interessant!
Ich persönlich habe ähnliche Bedenken wie LesGrossmann und sehe daher ein besseres Chancen-Risiko Verhältnis in nicht-chinesischen Aktien.
Gruß Jan
Ich glaube nicht das Sie verstanden haben, worüber LesGrossman schreibt. Er spricht ja davon das es keine Unterbewertung für chinesische Aktien gibt oder gab. Und das sehe ich genauso. Es gibt einfach zu viele Gründe wieso eher von einer Überbewertung der chines. Aktien bzw. ADR auszugehen war und jetzt durch die Korrektur (ausgelöst durch die Erkenntnis das chines. ADR ein deutliches höheres Risiko haben gegenüber ihren Amerikanischen Pendants) wieder die normale Bewertung eingetreten ist.
AntwortenLöschenDoch, ich habe ihn und seine Argumente sehr wohl verstanden. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass es bei der Bewertung von Unternehmen/Aktien mehrschichtig zugeht. Die objektive Ebene ist die der Kennzahlen; anhand der kann man auch prima Peergroupvergleiche anstellen. Und hiernach sind chinesische Aktien vergleichsweise günstig und amerikanische verglichen mit allen anderen Märkten eben teuer. Das ist aber nur ein teil der Analyse/Bewertung, dazu gesellt sich der "subjektive" Part. Wie systemische Risiken oder branchenspezifische oder länderspezifische usw. Und die Systemrisiken sowie die ADR/VIE-Problematik treffen auf China zu. Das kann, muss aber nicht, zu einem Abschlag bei der Bewertung führen. Hier kommt es darauf an, wie man dieses Risiko selbst (daher subjektiv) einschätzt. Ob es eintritt und ggf. wie heftig.
LöschenMASSIVES Gelddrucken und Infrastrukturpakete während boomender Wirtschaft?
AntwortenLöschen- Wahnsinn !
Und was China angeht, das politische Risiko ist mir zu groß. Die Partei wird ALLES tun, um ihren Allmachtsanspruch zu sichern. Bis zur völligen Vernichtung von Unternehmen und Existenzen. Wer hier "Chancen" wittert, ignoriert diesen historischen Fakt ganz einfach.
Was nicht heißen soll, dass man mit Chinaaktien nicht reich werden kann. Mir persönlich ist das Risiko nur viel zu groß. Mal davon abgesehen, dass ich das politische System und menschenbild der KP zutiefst verabscheue. Viel Erfolg euch allen mit euren Chinastonks
Ich habe die Kommentare ueberflogen; ich stimme ihnen nicht zu. Der Machtanspruch der Chinesischen Regierung beruht auf einem Pakt: wir sorgen fuer Wohlstand und Ordnung, dafuer kuscht Ihr politisch. China will aufsteigen, wieder zu alter Groesse gelangen, Weltmacht werden, die USA darin abloesen. Die spielen das kapitalistische Spiel mit, auf ihre Weise.
AntwortenLöschenZuviel China-Propaganda in Westmedien geschnieft?
LöschenEs gibt keinen Deal.
Es gibt nur die KP. Wer eine von der KP abweichende Meinung hat, wird ausgegrenzt oder verschwindet direkt.
Wer aufbegehrt, wird erschossen. Begehren viele auf, werden die von Panzern zerquetscht. Von eventuell besseren wirtschaftlichen Verhältnissen haben die Jungs in den Umerziehungslagern nicht viel.
Ich weiß, viele finden das Modell China beeindruckend. Toleriere ich auch. Ich finds aber menschenverachtend.
Erstens, ich unterscheide die Frage, ob ich ein politisches System persoenlich gut finde, von der, ob es sich lohnt, in dem land zu investieren.
LöschenZweitens, welche Westmedien meinen Sie da? Ich kenne die nicht.
Drittens, eine schnelle Google-Suche zeigt mir, welcher Anteil der Bevoelkerung in Gefaengnissen lebt: in China sind das 118 pro hunderttausend, in den "demokratischen" USA 737! Sogar wenn man die Menschen in den Umerziehungslagern mitzaehlt, verdoppelt sich der Anteil etwa, bleibt aber immernoch weniger als die Haelfte des Anteils der Gefangenen in den USA (und weniger als in Rusland).
Wie gesagt, ich will China nicht schoenreden. Die Frage ist doch, kann ich dort investieren oder nicht.