Sicher, der Vergleich mit dem Vorjahr unterliegt noch einem Sondereffekt, denn Corona hat ja erst ab dem zweiten Quartal 2020 zugeschlagen, so dass die prozentuale Wachstumsrate des ersten Quartals "überbeeindruckend" ist und sie sich wegen des höheren Basiseffekts im Jahresverlauf abschwächen wird. Aber die vorgelegten vorläufigen Zahlen bieten eben auch mehr, als man auf den ersten Blick sieht.
Das mit dem Kopieren ist nicht so simpel, denn es geht nicht um Fertiggerichte und auch nicht um zubereitete Speisen. Trotzdem müssen die Zutaten stets frisch sein. Die Herausforderung für die Logistik ist also eine ganz andere (und viel größere) als für die Lieferhelden und Frostas dieser Welt. Das kann nicht jeder, nicht einmal (vermeintliche) Profis. Anders ist nicht zu erklären, dass HelloFresh in den USA längst unangefochtener Marktführer ist und Blue Apron weit enteilen konnte, obwohl diese früher am Markt waren und in ihrem Heimatmarkt auch Marktführer. Blue Apron hatte alle Trümpfe in der Hand und hats vergeigt. Die Pleite hat die Bude seit einiger Zeit stets vor Augen, während HelloFresh von Erfolg zu Erfolg eilt.
Im ersten Quartal 2021 verzeichnete HelloFresh ein über die internen Planungen hinausgehendes Kundenwachstum und weiterhin hohe Bestellraten. Basierend auf vorläufigen Indikationen rechnet die Gesellschaft mit einem Konzernumsatz für das erste Quartal 2021 zwischen €1,435 und €1.445 Mio. (Q1/20: €699,1 Mio). Auf Konzernebene rechnet HelloFresh mit einem AEBITDA für das erste Quartal 2021 zwischen €155 und €165 Mio. (Q1/20: €63,1 Mio.).
Aufgrund dieser starken Entwicklung erhöht die Gesellschaft ihre Prognose bezüglich des Konzernumsatzwachstums für das Geschäftsjahr 2021 auf währungsbereinigter Basis von bislang zwischen 20% und 25% auf nunmehr zwischen 35% und 45%. Zudem grenzt die Gesellschaft ihre Prognose bezüglich der Konzern-AEBITDA-Marge für das Geschäftsjahr 2021 von bislang zwischen 9% und 12% auf nunmehr zwischen 10% und 12% ein.
Meine Einschätzung
HelloFresh ist Marktführer bei Kochboxen mit einem Weltmarktanteil von über 50%. Das Management war von einem Umsatzwachstum von rund 70% für das erste Quartal ausgegangen, nun sind es über 100% gewesen. Damit wurden die eigenen Prognosen, aber auch die der Analysten sehr deutlich übertroffen. Es zeigt sich, dass die Nachfrage ungebrochen ist und zwar auch dort, wo der Lockdown bereits länger reduziert war - die Lebensgewohnheiten der Menschen haben sich grundlegend geändert und nicht wegen Corona, sondern dank Corona viel schneller. Allein im ersten Quartal gewann HelloFresh in den USA mehr als doppelt so viele Neukunden wie die nächsten drei Wettbewerber Blue Apron, Home Chef und Sun Basket zusammen.
HelloFresh nimmt weitere Märkte ins Visier, besonders Frankreich, wo man 2018 den Markteintritt wagte. Ziel ist, hier auf ähnliche Größenordnungen zu kommen wie in Deutschland, Großbritannien und Australien. Des Weiteren expandiert man nun auch nach Italien und Japan.
Darüber hinaus steigt man nun auch in den Markt für Fertiggerichte ein und hat hierzu im November in den USA für bis zu $277 Mio. in bar die US-Firma Factor75 übernommen. Factor75 ist von fertig zubereiteten, frischen Mahlzeiten und hat im Geschäftsjahr 2020 einen Umsatz von etwa $100 Mio. erzielt. Und mit HelloFresh Market bietet das Unternehmen "herkömmlichen" Supermarkt-Speiseprodukte an, wie Frühstücksprodukte, Fertigessen, Gebäck, Olivenöl und wächst zu einem vollwertigen Lebensmittellieferanten heran. Das vergrößert den "adressierbaren Markt" nochmals erheblich, wohingegen die eigene Logistik besser ausgelastet wird.
Kritisch angemerkt wird immer wieder, dass die Nachfrage nur wegen Corona so hoch und das Geschäftsmodell ganz einfach zu kopieren sei. Ja, Corona bringt spürbar positive Effekte. Aber die Prognosen des Unternehmens gehen auch davon aus, dass es dauerhaft eine hohe Fluktuation in der Nutzerschaft geben wird. Dem begegnet man mit Marketingmaßnahmen, was natürlich dauerhaft die Marge drückt. Das muss man also immer im Hinterkopf behalten.
Quelle: wallstreet-online.de |
Apropos eilen... HelloFresh hat sich entschieden, die Lieferung auf der letzten Meile selbst in die Hand zu nehmen. Der Aufbau der eigenen Last-Mile-Logistic liegt in einer besseren Kontrolle über die Auslieferung und somit ein besseres Kundenerlebnis. Hier gibt es bei HelloFresh wie auch anderen Lieferdiensten immer wieder Kritik. Das "neue" Konzept hat sich bereits in Australien und den Beneluxstaaten bewährt und es dürfte daher künftig in immer mehr Metropolen eingeführt werden. Damit hebt sich HelloFresh noch stärker von der Konkurrenz ab und verbreitert seinen Burggraben für potenzielle neue Wettbewerber. Und kleinere Konkurrenten können sich eine eigene Logistik gar nicht leisten und somit entgehen ihnen Skaleneffekte und Teile der Wertschöpfungskette.
HelloFresh ist inzwischen operativ profitabel und konnte in 2020 erstmals die Deckungsbeitragsmarge signifikant steigern. Hier beginnen nun also die Skalierungseffekte zu greifen. Große Investitionen, vor allem in eigene Fullfilmentcenter, werden getätigt in die Expansion ins Ausland und in die eigene Logistik. Dennoch erwirtschaftete HelloFresh in 2020 mehr als €500 Mio. an Free Cashflow und hat ein sattes Cashpolster von fast €750 Mio.; man agiert also inzwischen aus einer Position der Stärke heraus.
HelloFresh ist einer meiner Nebenwertefavoriten für 2021 und dürfte auch darüber hinaus ein attraktiver, stark wachsender Marktführer bleiben mit viel Raum für weiteres Wachstum - und Profite.
Disclaimer: Habe HelloFresh auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.
Erstaunlich, dass immer noch so viele Anleger die Aktie links liegen lassen. Selbst nach herkömmlichen Bewertungskriterien wie KGV (was bei ca. 25 liegt in 2021) ist die Aktie bei dem Wachstum extrem günstig
AntwortenLöschenIch hatte in einem WO (?) Forum einen kritischeren Beitrag gelesen, wo man sich etwas darüber beschwert hat, dass HelloFresh nur auf AEBITDA berichtet und nicht das klarer regulierte EBITDA ausweist. Das AEBITDA soll einfacher steuerbar sein durch das Unternehmen und somit weniger aussagekräftiger...
AntwortenLöschenHast Du davon gehört Michael und wie stehst Du zu der "Kritik"?
Gruß
Martin
Moin Martin,
LöschenCharlie Munger nennt auch das EBIDTA Bullshit und Verarschung, weil das Management auch hier schon wichtige Kostenpositionen einfach eliminiert.
Ich finde es bisweilen sinnvoll, zu adjustieren, zu bereinigen. Wenn es sich um einmalige Sonderfaktoren handelt. Am besten sollten dann aber beide Werte angegeben und genau erläutert werden, was und weshalb bereinigt wurde. So kann man sich als Anleger ein eigenes Bild machen und das ggf. nachvollziehen - oder zu einer abweichenden Einschätzung kommen.
Mal ein Beispiel. Wenn ein Unternehmen alle paar Jahre mal eine andere Firma übernimmt, dann ist es durchaus sinnvoll, die damit verbundenen Kosten gesondert auszuweisen, also die Kennzahlen zu bereinigen. So kann man trotzdem das operative Geschäft über die Jahre nachverfolgen. Wenn aber eine Beteiligungsfirma, die jedes Jahr mehrere Firmen kauft und verkauft, diese Kosten immer ausklammert, also die Kennzahlen bereinigt, dann ist das Anlegertäuschung. Denn diese Kosten gehören zum Geschäftsmodell, sie sind systemimmanent für das Business der Firma.
Bei HelloFresh steht Expansion an. Wenn man in neue Länder expandiert, entstehen zusätzliche Kosten, die mit dem operativen Geschäft eigentlich nichts zu tun haben. Andererseits ist es ja erklärte Strategie, in weitere Länder zu expandieren, so dass diese Kosten wohl in jedem Jahr anfallen werden. Also will ich als Anleger nicht nur die bereinigten Zahlen sehen, sondern auch die "wirklichen". Doch auch hier gibt es Aber. HelloFresh stellt auf das AEBITDA ab und zwar aus einem guten Grund: es gibt immer wieder Zweifel, ob sich mit dem originären Geschäft, dem Kochboxenversand, überhaupt Geld verdienen lässt. Und dies lässt sich am ehesten feststellen und nachweisen, in dem man die Kosten für den Aufbau der Logistik (die nicht zwingend nötig ist) und die Expansion ausklammert. Aber... wenn HelloFresh auch den marketingaufwand bereinigt, dann finde ich das wiederum bedenklich. Denn das Unternehmen sagt selbst, dass man immer eine hohe zahl an Kunden verlieren wird (ich habe da so die Zahl von 75% in drei Jahren im Kopf). Trotzdem will man die Netto-Kundenzahl ständig steigern (was ja auch hervorragend gelingt bisher) und dazu ist nunmal Werbung unerlässlich. Diese Kosten gehören also nicht bereinigt. Man kann sie separat aufschlüsseln, um das Zahlenwerk transparenter zu gestalten, aber unter den Tisch fallen lassen kann/sollte man sie nicht.
Wie gesagt, für mich ist wichtig, dass konkret und genau erläutert wird, um was (und warum) die Kennzahlen bereinigt werden. Dazu muss man dann nötigenfalls mehr lesen, als nur die zehnzeilige Adhoc-Meldung (HF verweist ja ausdrücklich auf seine AEBITDA-Definition aus dem Geschäftsbericht 2020).