Freitag, 30. April 2021

Good News bei... Funkwerk: Solides Umsatzwachstum, deutlicher Gewinnsprung, aber (noch) keine Prognoseerhöhung

Funkwerk begleite ich bereits seit gut fünf Jahren, zunächst als (äußerst erfolgreiche) Turnaround-Spekulation und nun als Langfristinvestment. Der Kurs hat sich in dieser Zeit ziemlich erfreulich entwickelt und ist einer der "Tenbagger" auf meiner Beobachtungsliste; diesen Begriff für einen Kursverzehnfacher prägte Peter Lynch in seinem empfehlenswerten Buch "Der Börse einen Schritt voraus".

Noch besser als der Kurs lief allerdings die operative Entwicklung und auch der soeben vorgelegte Geschäftsbericht für 2020 zeigt, wie gut - trotz Corona, dessen Auswirkungen auch Funkwerk deutlich beeinträchtigt (hat). Der Konzernumsatz stieg moderat um 4,1% auf €98,8 Mio., aber das Betriebsergebnis um satte 25,3% auf €20,4 Mio. Die im August 2020 nach oben korrigierte Prognose wurde damit deutlich übertroffen; sie ging von einem Umsatz von €93 Mio. bis €97 Mio. und einem Betriebsergebnis auf Vorjahresniveau aus.

Der lesenswerte 2020er Geschäftsbericht enthält aber eine Reihe von interessanten Informationen, die die verhaltene 2021er Prognose des Vorstands eines "erneut erreichbaren Betriebsergebnisses auf Vorjahresniveau" erneut für den Preis "Tiefstapler des Jahres" qualifizieren...

Funkwerk profitiert davon, dass die Bahn ihre Schienenwege mit besserem Mobilfunk-Empfang ausrüstet und hierfür auf störfeste GSM R-Komponenten und-Systeme umrüsten lässt. Als einer der führenden Anbieter für diese Technik profitiert Funkwerk von dem Förderprojekt und erwartet daraus im laufenden Geschäftsjahr ein einmaliges zusätzliches Umsatzvolumen. Da das Förderpaket Ende 2021 ausläuft, stellt Funkwerk diese Umsätze als einmalig dar und als ob in diesem Sektor kein weiterer Bedarf bestünde. Das dürfte eher tiefgestapelt sein, denn 5G wird inzwischen flächendeckend ausgerollt und die Bahn muss hier die Lücken schließen - zumal die Bahn einen Boom erleben muss. Denn das Bundesverfassungsgericht hat soeben die bisherigen Klimaschutzbeschlüsse der Bundesregierung als unzureichend verworfen, weil diese den Großteil der von der EU vorgegebenen CO2-Einsparungen auf die zeit nach 2030 verlagern würden. Die Folge ist, so das BVerfG, dass die ganz heftigen Einschnitte dann zwischen 2030 und 2050 erfolgen müssten und das würde die Freiheitsrechte der jüngeren Generation in unzulässiger Weise einschränken. Bähm! Ohrfeige mit Fliegenklatsche!

Es muss also mehr getan werden und das schnell. Dazu ist unzweifelhaft der Ausbau des ÖPNV sowie die Verlagerungen von Verkehr auf die Schiene (und zwar von Personen und Gütern) nötig. Moderne Logistik bringt aber inzwischen eine Vielzahl an Sensoren und Tracking mit sich und damit diese kommunizieren können, benötigen sie Netze. Der Neubau- und Ausbau von Gleisnetzen ist kostspielig und sehr langwierig, da vergehen zwischen Idee, Planung und Fertigstellung gern mal 20, 30 Jahre. Also wird die Bahn gar nicht anders können, als die bestehenden Netze besser auszulasten. Und das geht ohne ein deutliches Hochrüsten der Funknetze nicht. Hier wird es also für Funkwerk in den nächsten Jahren viel zu tun geben. Und das nicht nur in Deutschland. Oder wie Funkwerk es selbst beschreibet: "Ausgelöst durch die Corona-Krise wird zudem ein deutlicher Schub für digitale und serviceorientierte Geschäftsmodelle erwartet".

Hierzu nimmt Funkwerk am Pilotprojekt "Digitale Schiene Hamburg" teil, bei dem auf einer Teilstrecke der S-Bahn der hochautomatisierte fahrerlose Betrieb von insgesamt vier Zügen realisiert wird. Funkwerk trägt mit einem speziell konzipierten 5G-Modem dazu bei, das im Projekt als Kommunikationszentrale zum Einsatz kommt. Durch die Teilnahme an dem Konzept positioniert Funkwerk sich frühzeitig im Bereich FRMCS (Future Railway Mobile Communication System), das den bisherigen Standard GSM-R ablösen soll.

Das 2020er Zahlenwerk

Aber nun zu den Zahlen. Funkwerk teilt mit, dass durch die Covid-19-Pandemie alle Geschäftsbereiche des Funkwerk-Konzerns mit neuen Herausforderungen konfrontiert waren und sind. Obwohl insbesondere die Logistikabläufe und die Aufrechterhaltung der Lieferketten deutlich anspruchsvoller und aufwendiger waren, sei die Belieferung der Kunden jederzeit gewährleistet gewesen und es hätte 2020 an keinem Standort der Funkwerk-Gruppe Kurzarbeit in Anspruch genommen werden müssen.

Der Konzernumsatz stieg um 4,1% auf €98,8 Mio. (Vorjahr: €94,8 Mio.) und das Betriebsergebnis um 25,3% auf €20,4 Mio. (Vorjahr: €16,3 Mio.). Auch bei der Auftragslage hatte Funkwerk keine größeren Einbußen zu verkraften, da die Projekte im Investitionsgütermarkt von langen Vorlauf- und Umsetzungsphasen geprägt sind und konjunkturelle Strömungen in der Regel nachgelagert abgebildet werden. 2020 blieb der konzernweite Auftragseingang mit €97,7 Mio. zwar rund 2,7% hinter dem außerordentlich guten Vorjahreswert zurück (Vorjahr: €100,4 Mio.), entsprach damit aber den Erwartungen. Der Auftragsbestand per 31. Dezember 2020 belief sich auf €75,7 Mio. (Vorjahr: €76,1 Mio.).

Die Eigenkapitalquote verbesserte sich von 46,8% am Vorjahresstichtag auf 50,0% und der Bestand an liquiden Mitteln von €37,6 Mio. auf €52,5 Mio. Der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit betrug €22,0 Mio. (Vorjahr: €19,7 Mio.). Der Free Cashflow (Summe aus Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit und Cashflow aus Investitionstätigkeit) belief sich auf €17,6 Mio.(Vorjahr: €12,1 Mio.). Der Cashflow aus der Finanzierungstätigkeitlag nahezu stabil bei -€2,7 Mio. , wobei der überwiegende Teil davon auf die gegenüber dem Vorjahr unveränderte Dividendenzahlung von €2,4 Mio. entfiel. Insgesamt erhöhte sich der Finanzmittelbestand im Funkwerk-Konzern zum Jahresende 2020 erheblich um €14,9 Mio. auf €52,5Mio. (Vorjahr: €37,6 Mio.).

Soweit so erfolgreich. Damit kommen wir zum Konzernjahresüberschuss. Dieser stieg auf €13,6 Mio. (Vorjahr: €8,2 Mio.) und das klingt stark. Allerdings fiel im Vorjahr die Totalabschreibung auf die Euromicron-Beteiligung an, die das Ergebnis mit €5,8 Mio. belastet hatte. Ohne diese wäre der Konzernüberschuss also um €0,4 Mio. zurückgegangen. Wie kann das sein?

Naja, es passiert das gleiche wie schon seit einigen Jahren: Funkwerk bilanziert "extrem konservativ" und reduziert den Jahresüberschuss, wo es nur geht.

»Der Reingewinn ist der Teil der Bilanz, den der Vorstand beim besten Willen nicht mehr vor den Aktionären verstecken kann.«
(Carl Fürstenberg)

Im Bereich Zugfunk haben wir im Oktober2020 die Übernahme des Geschäftsfelds Zugfunk der STRABAG Infrastructure & Safety Solutions GmbH (SISS) vollzogen und in unseren Geschäftsbereich Zugfunk integriert. Die SISS ist spezialisiert auf technische Infrastrukturlösungen sowie Sicherheits- und Kommunikationssysteme. Die im Rahmen des Asset Deals für Produkte und Produktrechte erworbene Firmenwert wurde sofort komplett €0,7 Mio. Euro außerplanmäßig abgeschrieben. Bedeutet: kein Goodwill in der Bilanz, was bei anderen Firmen üblich ist. Belastet natürlich einmalig das Ergebnis und wäre nicht nötig gewesen. Andererseits schlummert so keine "tickende Zeitbombe" in der Bilanz, die dann im unpassendsten Augenblick hochgeht, wenn man eh mit dem Rücken zur Wand steht. Also alles gut...

Leider hat Funkwerk keine nennenswerten steuerlichen Verlustvorträge mehr zu bieten, so dass man nun "normale" Ertragsteuern zahlen muss - und zwar auf das deutlich verbesserte Ergebnis. Diese stiegen daher deutlich von €1,4 Mio. auf €6,0 Mio. Das wirkt sich entsprechend auf die Steuerquote aus und zwar dauerhaft.

Die Rückstellungen beliefen sich am Bilanzstichtag auf €43,0 Mio. nach €37,2 Mio.am Jahresende 2019. Davon entfielen €6,3 Mio. auf Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (31.12.2019: €6,1 Mio. ) und €34,0 Mio. auf sonstige Rückstellungen (31.12.2019: €28,6 Mio.). Sie wurden hauptsächlich für die anhaltend hohen Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit, notwendige Zulassungsaufwendungen und Projektrisiken sowie juristische Auseinandersetzungen gebildet.

Die Rückstellungen wurden also nochmals aufgeblasen und jedes auch nur erdenkliche Risiko hineingezaubert. Wie das Vorjahr mit dem Euromicron-Desaster gezeigt hat, kann hier aber der Zug auch ganz schnell wieder in die andere Richtung laufen, wenn "Not am Mann" ist. Denn die Euromicron-Abschreibung von €5,8 Mio. direkt vor dem Jahresende konnte, oh Wunder!, innerhalb weniger Tage "weggezaubert" werden, so dass trotzdem ein verbessertes Jahresergebnis dabei übrig blieb.

Der zweite Blick auf die Zahlen

Wir sehen also ein Unternehmen, das seinen Umsatz trotz größter Herausforderungen im mittleren einstelligen Prozentbereich steigern kann. Diese Umsätze sind durch langläufige Projekte abgesichert und der Auftragseingang ist stabil - trotz Corona-Belastungen.

Wir sehen eine erhöhte Steuerquote, weil er keine steuerlichen Verlustvorträge mehr gibt. Allein hieraus ergibt sich eine zusätzliche Ergebnisbelastung von €4,6 Mio. Und, wie ich oben geschrieben habe, muss man diesen Faktor im Vergleich mit dem Vorjahr heranziehen, so dass das Plus beim Konzernjahresüberschuss also auf gleicher Steuerbasis nicht €0,4 Mio., sondern €5 Mio. betragen hätte.

Wir sehen eine Sofortabschreibung von €0,7 Mio. auf immaterielle Vermögenswerte beim Zukauf SISS, der möglich, aber nicht nötig war, sich jedoch ergebnisbelastend auswirkt.

Wir sehen eine auf über 20% erhöhte EBIT-Marge. Und das dürfte keine Eintagsfliege sein, denn die höchsten Margen erzielt Funkwerk im Segment Funksysteme, dessen Umsatzanteil steigt. 

Wir sehen einen deutlich gestiegenen Nettofinanzbestand, der unter Berücksichtigung der Pensionsverpflichtungen alleine rund €6,50 je Funkwerk-Aktie ausmacht.

Wir sehen eine EBIT-Prognose des Vorstand für 2021 von rund €20 Mio, doch wenn sich der Vorstand "nur" in gleichem Maße wie in den Vorjahren verschätzt, dann dürfte das EBIT real am Jahresende bei €25 Mio. durchs Ziel gehen.

Meine Einschätzung

Wir sehen... einen Konzern, der hervorragend läuft, Umsätze und Ergebnisse steigert und von seinem Vorstand - wie üblich - deutlich unter Wert verkauft wird. Als Aktionär kann, aber muss ich mich nicht daran stören. Denn ich weiß ja um den wahren Wert "meines" Unternehmens und dieser wird seit Jahren deutlich gesteigert. Trotz der Unterbewertung, die noch als Zusatzgewinn für mich on top kommt, sollte sie sich jemals auflösen. Der Vorstand tut nicht viel dafür, dass der Kurs sich seinem fairen Wert annähert und das scheint auch durchaus im Interesse der Mehrheitsaktionärs Hörmann Industries zu liegen. Was dieser mit seinem Anteil vorhat, welche Entwicklungsperspektive er hier verfolgt, ist mir unbekannt. Und auch schleierhaft. Es belastet mich aber auch nicht, denn es bietet mir die Chance, an einem sehr günstig bewerteten, aussichtsreichen Unternehmen beteiligt zu sein.

Quelle: wallstreet-online.de
Der Konzernjahresüberschuss ist bei Funkwerk nicht die wesentliche Kennzahl, sondern Cashflow und Betriebsgewinn. Beide haben 2020 massiv zugelegt; allein der Betriebsgewinn lag um 25,3% über dem Vorjahreswert und ebenso über den - erhöhten - Prognosen des Vorstands.

Wir erinnern uns, dass Funkwerk in den letzten Jahren in jedem einzelnen Jahr mindestens einmal seine Prognosen deutlich nach oben anpassen musste. Auch im Coronajahr! Insofern brauchen wir auch in 2021 auf den verhaltenen Ausblick des Vorstands nicht viel zu geben, denn er plant hier wieder eine große Sicherheitsmarge mit ein. Und zur Not, das hat 2019 mit dem Euromicron-Desaster gezeigt, kann man die üppig dotierten Rückstellungen melken, um das Jahresergebnis zu pimpen. Ich bin daher überzeugt, dass Funkwerk spätestens zum Herbst seine Jahresprognosen erhöhen müssen wird.

Ach ja, ein Wort noch zur Dividende. Diese soll für 2020 erneut unverändert €0,30 je Aktie betragen. Kaum erwähnenswert, in jeder Hinsicht. Anders als der Rest...

Unter Einbeziehung des Netcashs und der erwarteten Gewinnsteigerung bewertet die Börse die Funkwerk-Aktie bei einem Kurs von €24 mit einem KGV von unter 10. Also wie Unternehmen in einem sterbenden Markt ohne Wachstum und stagnierenden Gewinnen. Ein absoluter Bewertungswitz! 

Kurse von €24 werte ich daher als Schnäppchen - obwohl sie gerade ihren Höchstkurs aus 2007 ansteuern, der bei rund €26 lag. Bis zum Allzeithoch aus 2001 bei €40 ist aber noch reichlich Luft. Fundamental wäre ein Kurs von €40 je Funkwerk-Aktie allerdings durchaus gerechtfertigt; das Kurspotenzial läge somit also bei 67%.

Disclaimer: Habe Funkwerk auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

3 Kommentare:

  1. Die Sonstigen Rückstellungen i.H.v. 34 Mio. EUR machen 35% der Bilanzsumme aus. Das gibt es in keinem weiteren mir bekannten Unternehmen ... Wenn man die Summe Ernst nimmt, würde das heissen, dass Funkwerk ein hochsensitives Geschäft betreibt bzw. das Management viel Mist baut ... Aber welchen Teil davon muss man ernst nehmen. Denn das Geld, das auf der Aktivseite der Bilanz liegt, ist die Hinterlegung dieser Rückstellungen. Insofern stimmt aus meiner Sicht die Netcash-Überlegung in dieser Größenordnung nicht. Würde sich die Hälfte der Rückstellungen materialisieren, wären ca. 17 Mio. EUR liquide Mittel weg.

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  2. Moin Michael,
    der Markt in Summe ist spannend. Hast du dich auch schon mal mit der init innovation in traffic systems SE als Digitalisierungsexperte für Busse und Bahnen beschäftigt? Die Zahlen und Aussichten sehr sehr vielversprechend aus...
    Beste Grüße

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    1. Moin Dennis,
      Init und auch IVU habe ich immer so nebenbei mit auf dem Zettel. Ich habe mich aber seinerzeit (2016) für die beiden Turnarounds SBF und Funkwerk entschieden und damit den Sektor recht gut abgedeckt. Ich gebe Dir Recht, dass auch von IVU und Init in den nächsten Jahren viel Positives zu erwarten sein dürfte.

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