Steht uns ein Crash bevor? Während die Börsen haussieren und beinahe täglich neue Allzeithochs markieren, geht die Wirtschaft in den zweiten Corona-Lockdown und liegt am Boden. Crash-Propheten haben dem entsprechend wieder Hochkonjunktur. Aber auf die sollte man nicht hören, wie uns schon Bernard Baruch lehrte, als er mahnte: "Die Bären machen Schlagzeilen, die Bullen machen Geld".
Doch es gibt nicht nur marktschreierisch kreischende Apokalyptiker, sondern auch Star Investoren, die zur Vorsicht raten. Zu diesen gehört Jeremy Grantham, der das Platzen dreier Aktienblasen korrekt vorhergesagt hat: die Blase am japanischen Aktien- und Immobilienmarkt in den späten 1980er Jahren, die Internetblase 2000 sowie die Blase am Immobilienmarkt 2008 sowie die sich anschließende weltweite Kreditkrise. Wenn Jeremy Grantham nun vor einer "epischen Blase" spricht, vor allem bei den Technologiewerten, dann sollte man schon genauer hinhören...
"Die fünf teuersten Worte auf dem Gebiet des Geldanlegens sind: dieses Mal ist alles anders", warnt Sir John Templeton, den das US-Finanzmagazin 'Money' 1999 zum 'wohl größten globalen StockPicker des 20. Jahrhunderts' kürte. Und Templeton hat Recht. Daher formuliere ich es so: Dieses Mal ist vieles anders (als 1929, 2001, 2008/09).
Dieses Mal ist alles vieles anders
Ich schätze Granthams Meinung sehr und finde, man sollte ihm immer sehr genau zuhören. Was ich nicht schätze, sind unsinnige Vergleiche und das Hinschleudern irgendwelcher Jahreszahlen als Beleg dafür, wie eine Entwicklung ab nun aussehen wird.
Um es klar zu sagen: wir befinden uns in einer Blase, es wird einen Crash geben und erhebliche Kurseinbrüche. Nicht nur bei den Technologiewerten.
Aber... niemand weiß, wann das passiert. Wir wissen nur, dass es passieren wird. Unweigerlich, denn es ist Teil unseres Lebens, unseres Wirtschaftssystems und der Börse, dass es zu 'periodischen Phasen des Wahnsinns' kommt, wie John Kenneth Galbraight es formulierte. Und der hat sich als Forscher intensiv mit dem Crash von 1929, seinen Folgen, aber vor allem seinen Ursachen befasst.
Der Verweis auf die Tulpenmanie oder die Südseeblase ist einfach unsinnig, weil sie viele Jahrhunbderte zurückliegen und damals völlig andere Bedingungen herrschten als heute. Kann man also abhaken.
1929: Der Crash und die große Depression
Auch den Crash von 1929 und die große Depression hat doch kein heute lebender Mensch mehr erlebt, der damals bereits erwachsen und Investor tätig war. Aber hier sind wir bereits an dem Punkt wo, es "anders" ist. Die Ursache für den Crash von 1929 ist zwar das Platzen einer Bewertungsblase, aber die sich anschließende große Depression ist die Folge der damaligen Notenbankpolitik. Die USA haben 1929 nämlich als Antwort auf den Crash die Zinsen erhöht und die Geldmenge stark verknappt! Das hat man 2001, 2008/09 und 2020 nicht getan, sondern das Gegenteil: die Zinsen wurden gesenkt und die Geldmenge ausgeweitet. 1929 ist also kein geeigneter Vergleich mit heute.
2000: Das Platzen der Internetblase
2000 und das Platzen der Internetblase wird ebenfalls gerne als Vergleich herangezogen, um eine (angebliche) vorliegende Überbewertung und einen anstehenden Crash herbeizureden. Und auch das passt nicht wirklich. Zunächst hatte die US-Notenbank bereits 1999 damit begonnen, die Zinsen mehrfach deutlich anzuheben - das hat den Crash mit verursacht. Dann gab es damals einen Hype bzgl. der sog. 'New Economy': was heute Realität ist (Onlinehandel, Smartphones usw.) wurde damals als Realität eingepreist - 15 Jahre vor der Zeit. Es gab aber noch nicht einmal UMTS (also die 2G). Es konnte noch niemand Bilder, Videos usw. über das Handy empfangen, mit Handys konnte man telefonieren und SMS verschicken. Ende. Viele Startups drängten an die Börse und die hatten keinerlei Aussicht, in den nächsten Jahren irgendwann mal Geld zu verdienen. Ihr Erfolg basierte ausschließlich darauf, dass sie durch immer neue Kapitalerhöhungen (über die Börse) frisches Geld zum Verbrennen bekommen. Und, wie gesagt, die FED hatte den Geldhahn zugedreht.
Und dann muss man mal genauer hinsehen. 2000 platzte die Internetblase, aber die großen Verluste kamen erst später! Der Tiefpunkt war irgendwann 2002/03 erreicht. Dazwischen lagen die Terroranschläge auf das World Trade Center vom 11. September 2001. Dieses Ereignis hat eine Wirtschaftskrise ausgelöst, zu totaler Verunsicherung und zum Absturz des Verbrauchervertrauens geführt. Auch 2000-2003 ist nicht mit der aktuellen Lage vergleichbar.
2008/09: Die Immobilien- und Finanzkrise
Die Finanzkrise 2008/09 hat Grantham nicht explizit erwähnt, aber auch damals war vieles anders. Aber auch vieles gleich. Die FED hatte aus der Vergangenheit gelernt und den Markt mit Geld geflutet, um der Kernschmelze des Bankensystem entgegenzuwirken (obwohl die US-Regierung dann mit dem Fallenlassen von Lehman Brothers genau diese nicht gewollte Kettenreaktion selbst auslöste). Es gab staatliche Garantien für die Banken, das schuf wieder Sicherheit. Es gab damals Massenentlassungen und die Wirtschaft stürzte beispiellos ab. Ebenso die Börsenkurse. Doch die erholten sich ab Frühjahr 2009 wieder, während die Wirtschaftsdaten noch weiter sanken. Kaum jemand hat damals dazu geraten, Aktien zu kaufen. Weltuntergangs- und Crashpropheten hatten Hochkonjunktur. Doch die Börse stieg.
Das ist genau so wie heute! Wirtschaftsdaten und Börsenkurse scheinen sich entkoppelt zu haben. Aber das haben sie nicht, die Börse nimmt "nur" die Entwicklung von 12 oder 18 Monaten voraus.
2018: Markteinbrüche im Frühjahr und am Jahresende
Der Beinahe-Crash Ende 2018 wird oft vergessen, jedenfalls seit Corona wütet. Doch 2018 war ein schlechtes Börsenjahr. Ausgelöst wurden die Kurseinbrüche durch... die Notenbankpolitik der FED. Die hatte nämlich die Zinswende eingeläutet und in mehreren Schritten die Zinsen angehoben und das Geld verknappt. Wie 1999... und das Ergebnis war das gleiche: die Liquidität floss aus Markt. Und auch die Reaktion der FED war die gleiche wie nach dem 2000er Crash: sie senkte die Zinsen wieder und pumpte Geld ins System. Und die Börsenkurse erholten sich schnell wieder.
2020: Corona-Pandemie
Corona verändert unser Leben. Es wird in Zukunft viel weniger Geschäftsreisen geben, es wird viel mehr Onlinekonferenzen geben und die Menschen werden viel öfter online einkaufen. Das ist eine Entwicklung, die nicht wieder weggeht. Und sie bedeutet für Konsumenten, aber auch für Unternehmen, dass sie viel Geld einsparen (für Hotels, Flugreisen, Spesen). Die Effizienz der Unternehmen steigt. Gleichzeitig sind die Zinsen niedrig und das werden sie noch länger bleiben. Nicht "für immer", klar, aber noch einige Jahre. Alte Schulden laufen aus und werden durch neue ersetzt. Und die Zinnsätze sinken dann von 4% auf 1% mit entsprechend mittel- und langfristigen positiven Auswirkungen auf das Finanzergebnis der Unternehmen und damit auf die Gewinne.
Höhere Margen und Gewinne lassen höhere Bewertungen zu. Niedrige Zinsen ebenso - auch weil es keine Alternativen gibt. Wer seine Aktien verkauft, kann es heute nicht auf dem Tagesgeldkonto "anlegen". 2000 gab es dort 6%, 2008/09 um die 4%, aber heute? Nix, nada, niente, 0%. Also Immobilien? Die Immobilienpreise sind ebenfalls enorm gestiegen. Bitcoins? Gold? Tja, so sehen die "günstigen Alternativen" zu Aktien aus. Oder eben nicht.
Mein Fazit
Der Crash kommt. Irgendwann. Ich kaufe Aktien von Unternehmen, die den Crash überstehen werden und dann ist es, wie 2018, wie 2020 egal, ob ihre Kurse stark einbrechen. Ich bin Miteigentümer an Apple, an Amazon, an Microsoft, an MBB und anderen Unternehmen mit soliden Bilanzen, starken und steigenden operativen Cashflows und einem robusten Geschäftsmodell mit möglichst breitem ökonomischen Burggraben.
Dazu habe ich am 19. Februar 2020 und damit unmittelbar vor dem Beginn des Corona-Crashs diesen Artikel verfasst: "The easy way of investing: Besiege deine Angst vor Kursverlusten". Es war meine Anleitung, wie man relativ unbeschadet durch einen Börsencrash kommt. Dass dies nur wenige Tage später einem Praxistest unterzogen wurde, habe ich damals nicht wissen können. Aber ich war und bin natürlich erfreut, dass meine Gedanken richtig und meine Handlungen erfolgreich waren.
»Es braucht drei Bärenmärkte, um zu wissen, was zu tun ist. Der erste löscht dich fast aus, im zweiten lernst du zu überleben und den dritten packst du am Genick und genießt es.«(Crispin Odey)
Und genau das ist mein Rat: Anleger müssen akzeptieren, dass es Kurseinbrüche geben wird und (nur) in die Aktien investieren, die das "mir an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" überstehen. Dann braucht man sich nicht wirklich um den Crash zu kümmern, wenn er denn mal wieder passieren sollte. Und dass wieder ein Crash kommt, ist sicher. Nur eben nicht, wann...
Merke: Geld verliert nicht, wer im Crash Aktien hat, sondern wer im Crash Aktien verkauft!
Disclaimer: Habe Amazon, Apple, MBB, Microsoft auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.
Amen ! :-)
AntwortenLöschentop!
AntwortenLöschenMicrosoft, Oracle, Disney, Cisco, Apple und Amazon haben die Kurseinbrüche von 2000 überstanden. Sie waren in den späten 90ern schon weltweite Marktführer mit soliden Bilanzen und riesigen Burggräben. Aber sie waren hoffnungslos überbewertet. Mit Price/FCF Kennziffern von bis zu 100.
AntwortenLöschenAnleger haben dann dennoch bis zu 15 Jahre darauf warten müssen, ihre Kaufkurse von 99/00 wiederzusehen. Buffet sagte damals: "Price is what you pay, value is what you get". Stimmt immer noch.
Danke, Michael! Ich mag deine nüchternen und unaufgeregten Gedanken - vor allem, weil sie auf Erfahrung beruhen.
AntwortenLöschenWünsche mir zum Geburtstag eine Diskussionsrunde per Livestream mit Grantham, Kissig, Buffet und Markus Krall.
AntwortenLöschen"Ich bin Miteigentümer an Apple, [...] an Microsoft, [...] "
AntwortenLöschen... an zwei der blödsinnigsten Blasenwerte überhaupt, deren Bewertungen längst jenseits von Gut und Böse liegen. Herzlichen Glückwunsch dazu!
Die größte Blase, die ich zur Zeit sehe, ist die beim Bitcoin, zumal jetzt angeblich auch professionelle Investoren da investieren. Wenn die mal platzt, dann wird das auch andere Märkte mit runterziehen.
AntwortenLöschenHallo Herr Kissig, wie sehen Sie die eignen Wikifolios im Crash? Die Zerfikate von L&S sind besichert. Wie sehen Sie das Wikifolio von Stefan Waldhauser, dass sie auf ihrer Empfehlungsliste haben?
AntwortenLöschenIn einem Crash fallen die Aktienkurse. Damit auch das Wiki, genauso wie mein Investmentdepot. Ich gehe davon aus, dass viele Wiki-Investoren dann kalte Füße bekommen und das Wiki verkaufen - unabhängig davon, welche Werte sich im Wiki befinden und/oder welche Aktionen der Wikifoliotrader unternimmt.
LöschenBeim Wiki von Sefan Waldhauser konnte man nun schon zwei Crashs live miterleben und nachvollziehen. Ich bezeichne den starken Markteinbruch Ende 2018 als Crash, auch wenn darüber gestritten werden kann, ob es nur eine sehr starke Korrektur war oder ein Crash. Geht dabei um einige wenige Prozentpünktchen. Angefühlt hat es sich aber für die meisten wie ein Crash.
Bei Stefans Wiki passierte genau das, was ich beschrieben habe: die Aktien sanken, der Wiki-Kurs sank und die Anleger haben das Wiki verkauft. Nachdem die Aktienkurse und auch der Kurs des Wikis sich wieder erholt hatten und stark angestiegen waren ging auch die Nachfrage nach dem Wiki wieder enorm hoch. Ich wage zu behaupten, dass viele Anleger hier viel Geld verloren haben - nicht wegen Stefans Handlungen und/oder seiner Aktienauswahl, sondern weil sie sein Wiki zu Tiefstkursen verkauft und später viel teurer wieder zurückgekauft haben.
Dies ist meine Erkenntnis aus mehreren miterlebten Crashs: wenn man Unternehmen im Depot hat, die absehbar nicht Pleite gehen, dann ist die beste Handlungsoption in einem Crash, nichts zu tun. Nichts! Denn die meisten werden zum falschen Zeitpunkt verkaufen (viel zu spät) und falschen Zeitpunkt kaufen (viel zu spät). Zwischen beiden Zeitpunkten liegt ihr (großer) Verlust.
Deine Aussage zur Besicherung der Zertifikate habe ich jetzt nicht einordnen können.
Vielen Dank für die schnelle Antwort. Es geht mir bei der Besicherung um die Frage, wie stabil L&S da steht. Ich möchte ungern Geld in etwas investieren, wenn das Zertfikat nach einem Crash nichts mehr Wert ist.
AntwortenLöschenSonst sind aus meiner Sicht die Wikifolios eine tolle Sache Geld anzulegen, wenn die Strategie des Verwalters passt!
Mich wundert es auch ein wenig, dass bisher mehr Leute Geld in die Nebenwerte stecken, als in Ihr Quality Investments Wikifolio, obwohl ich dies interessanter finde!
Zur Besicherung der Wikifoolio-Zertifikate verweise ich mal auf die FAQs von wikifolio, da ist das sehr gut erklärt.
Löschen1. Wie sicher sind Investitionen in wikifolio-Zertifikate? (klick)
2. Was bedeutet die Besicherung der wikifolio-Zertifikate für mich als Anleger? (klick)
Weshalb das Nebenwerte-Wiki bisher etwas die 2,5-fache Nachfrage (also Anlagesumme) aufweist, könnte an mehreren Faktoren liegen.
1. Ich habe beide Wikis ja annähernd zum gleichen Zeitpunkt gestartet und das Nebenwerte-Wiki liegt mit 32,9% Zuwachs nach fünf Monaten deutlich vor dem Quality Investing-Wiki mit 10,3%.
2. Durch den starken Anstieg des Nebenwerte-Wikis wird dieses in mehreren Wiki-Kategorien geführt: "Rising Star", "Bestseller", "Kontinuierliches Wachstum", aber vor allem unter "High-Performance". Ich vermute, dass Wiki-Anleger gezielt nach solchen Merkmalen suchen, um interessante Wikis zu finden.
3. Vermutlich gibt es im Bereich der Quality Investments, die sich ja hauptsächlich auf US-Werte beziehen, viel mehr Konkurrenz mit anderen Wikis, wo viele der Werte ebenfalls enthalten sind. Wobei der am zweithöchsten gewichtete Wert Hypoport natürlich aus Deutschland kommt und mit 21,5% auch die zweitbeste Performance aufweist (hinter Square mit 65,1% und vor PayPal mit 21,0%).
4. Bei den Nebenwerten trauen sich viele Anleger selbst nicht das Research und Stock Picking zu und setzen hier lieber auf ETFs oder Wikis, um diese Assetklasse abzudecken. Bei den US-Werten gibt es viel mehr und häufigere News/ Berichte/ Analysen, so dass Anleger sich hier sicherer fühlen wenn sie direkt in die Aktien investieren.
"Alle" warnen vor einem, oder reden von einem Crash 2021. Ist das eigentlich nicht der beste Indikator dafür, dass keiner kommen wird?
AntwortenLöschenDas werden wir erst in der Rückschau wissen. Es gibt viele Argumente, weshalb die Kurse fallen sollten/müssten. Aber auch für weiter steigende Kurse. Schaut man auf die Charts aus 2009 ff. kann man auch Parallelen ziehen: die Wirtschaft lag noch am Boden, Millionen Arbeitslose mehr. Und es war der Start in den längsten Bullenmarkt aller Zeiten. Und 2021? Wir starten gerade in Jahr 1 des neuen Bullenmarkts. Wie lange der anhält? Keine Ahnung. Tendenziell steigen Aktien in 66% der Monate und unterm Strich steigen sie länger und stärker, als sie zwischenzeitlich mal wieder fallen. Es zahlt sich nie/kaum aus, auf fallende Kurse zu setzen oder sein Geld aus dem Aktienmarkt abzuziehen. Mit etwas Zeit und Geduld (und den richtigen Aktien im Depot!) läuft die Rendite immer ins Plus...
LöschenDann warte ich geduldig auf den nächsten Schwarzen Schwan, um wieder billig auf Einkaufstour gehen zu können. Hatte ja gehofft, dass ich ggf. bis 2022 Zeit hätte, um gemütlich einkaufen zu können.
LöschenSir John Templeton meinte: "Die beste Zeit für die Geldanlage ist dann, wenn man Geld hat. Die Geschichte deutet nämlich darauf hin, dass nicht der Zeitpunkt zählt, sondern die Zeit". Oder anders ausgedrückt: "Time in the Market beats timing the Market". Ich bin da völlig Templetons Meinung und daher auch immer vollständig investiert, um nicht unnötig Rendite zu verschenken durch eine unsinnige Cashquote.
LöschenSehe ich ganz genauso. Ich bin immer zu 100% investiert. Nur macht das Shoppen bei Preisnachlässen mehr Spaß. :-D
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