Nun endet das Kapital Börse absehbar, denn Rocket Internet hat ein Delistingerwerbsangebot angekündigt und will sich von der Börse verabschieden. Der Angebotspreis soll beim gesetzlich vorgeschriebenen Mindestpreis von €18,57 liegen, der auf dem Durchschnittskurs der letzten sechs Monate basiert. Ein fairer Preis, könnte man meinen, aber der faire Wert je Aktie (NAV) liegt bei über €30 und daher erntet Samwer mit seinem "Angebot" deutlich Kritik. Zu Recht. Die Frage für Aktionäre ist allerdings, ob sie das zu erwartende Siechtum der Aktie erleiden sollten in Erhoffen eines satten Aufschlags oder ob sie nicht doch die spärliche Kollekte kassieren und woanders investieren. Auch für mich, denn ich bin seit einigen Wochen zum zweiten Mal bei Rocket Internet an Bord...
Zunächst aber ein paar Informationen zu einem Delistingerwerbsangebot. Momentan gibt es noch gar keins, sondern lediglich die Ankündigung, dass eines abgegeben werden soll. Bestimmen tut darüber die Hauptversammlung. Theoretisch kann sie das Ansinnen des Vorstands, für das er die Rückendeckung des Aufsichtsrats bekommen hat, auch ablehnen. Das wird aber nicht passieren, denn Oliver Samwer hat seine Mehrheit "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" schon sicher. Denn ihm gehören gut 4,5% an Rocket Internet und die ihm und seinen Brüdern zuzurechnende Global Founders GmbH kontrolliert weitere 45,11% des Grundkapitals. Und da bei einer Hauptversammlung nie alle 100% der Stimmrechte vertreten sind und sich auch noch alle übrigen Aktionäre einig sein müssten in ihrer Ablehnung des Vorschlags, wird dieser die Mehrheit bekommen.
Warum tut der das?
Das hat mehrere Gründe. Als Rocket Internet 2014 an die Börse kam, brauchte man Geld für neue Projekte und vor allem, weil die vielen Startups enorme Summen an Cash verbrannten. Man sonnte sich im Erfolg von Zalando, einem weiteren Samwer-Startup, doch der Lack war schnell ab. Den vielen "Clones" erfolgreicher US-Internetunternehmen wie HelloFresh, Home24, Westwing, Marley Spoon, Global Fashion Group usw. traute man keine Wiederholung des Zalando-Erfolgs zu und operativ konnten die Unternehmen auch jahrelang nicht punkten.Der Aktienkurs sank fast von Beginn der Börsenkarriere an und fand bei €16 seinen Tiefpunkt. In der Zwischenzeit hatte Oliver Samwer mehrfach Strategieschwenks verkündet, aber die zündende neue Idee blieb aus. So jedenfalls der Tenor der Öffentlichkeit. Das wurmt ihn, denn immerhin hat er aus dem (fast) Nichts ein Milliardenunternehmen geschaffen, das es bis in den MDAX gebracht hat.
Nun braucht Rocket Internet die Börse nicht mehr, denn man hat den Großteil der "reifen" Beteiligungen verkauft und sitzt auf einem Berg von Geld. Daher nun der Rückzug. Für Samwer selbst ist das ein tolles Geschäft, denn neben dem Delisting forciert Rocket Internet auch gleich ein weiteres Aktienrückkaufprogramm angekündigt, mit dem man bis zum 15. September 8,84% der eigenen Aktien zurückkaufen will. Wodurch Samwer am tag der Hauptversammlung die Mehrheit der Stimmrechte sicher ist.
Rocket Internet kauft also aktuell erneut Aktien für weniger als €19, die mehr als €30 wert sind. Für die Aktionäre ein super Sache. Vor allem natürlich für Oliver Samwer, da ihm ja 50% gehören.
Der Angebotspreis ist niedrig gewählt, daher werden ihn wohl viel nicht annehmen. Oliver Samwer geht aber auch nicht um eine hohe Annahmequote, er will das Delisting. Und die Mehrheit an Rocket Internet. Sein Ziel ist, möglichst alle Aktien zu bekommen. Doch die will er nicht (alle) aus seinem Privatvermögen bezahlen, sondern dafür will er auf die Milliarden von Rocket Internet zurückgreifen. Also will er CEO und Alleinbestimmer sein und es dürfte immer wieder neue Aktienrückkaufangebote geben in den nächsten Monaten und Jahren, so dass Rocket Internet Cash gegen (unterbewertete) Aktien tauscht. Und damit Oli Samwers Reichtum mehrt.
Was können Aktionäre tun?
Sie können ihre Aktien behalten. Ein Delisting ist kein Squeeze-out, es besteht keine Verpflichtung, die Aktien anzudienen. Allerdings endet irgendwann das Börsenlisting und man kann dann die Aktien nicht mehr über die Börse handeln. Allenfalls noch bei Valora oder vielleicht nimmt auch die Börse Hamburg eine Notiz auf.Es wird (noch) weniger Infos geben, denn RI wird kaum mehr als die Mindestpflichten einer SE erfüllen, was das Informieren ihrer Anteilseigner angeht. Es läuft auf ein viele Jahre andauerndes zähes "Spiel" hinaus, das nicht jedermanns Sache ist. Die Hoffnung, dass Samwer oder Rocket Internet in der Zukunft einen deftigen Aufschlag auf das jetzige mickrige Angebot draufschlagen werden, um an weitere Aktien zu kommen, schätze ich auch nicht besonders hoch ein. Und ein Wertgutachten muss es nicht geben; erst bei einem Squeeze-out kann dies nötig werden. Bis dahin fehlen aber noch rund 40% der Aktien, die Rocket Internet zurückkaufen kann/muss.
Was ich getan habe
Früher war ich ein Fan von Squeeze-outs, aber die Urteile sind zuletzt eher zulasten der enteigneten Aktionäre ausgefallen und die Spruchverfahren haben weniger eingebracht als zu früheren Zeiten. Das mussten auch Experten wie Scherzer oder Allerthal erfahren.Hinzu kommt, dass es andere interessante Gelegenheiten gibt, an der Börse Geld zu verdienen. Insofern fiel mir die Entscheidung nicht schwer: ich habe mich von meinen Rocket Internet-Aktien getrennt. Weil ich die Wahrscheinlichkeit, auch nur annähernd €30 für meine Aktien zu bekommen, also den wahren Wert, als ziemlich gering einstufe. Und wenn, dann erst nach vielen Jahren und einer entsprechenden Leidenszeit. Das will ich mir nicht (mehr) antun. Und dass ich damit genau das tue, Oliver Samwer möchte, das ist für mich kein wesentlicher Entscheidungsgrund.
Nach nur vier Woche habe ich Rocket Internet daher bei ihrem zweiten Gastspiel in meinem Depot mit 3,5% Rendite verkauft.
Meine Einschätzung
Es wird viel Kritik laut an Oliver Samwer, von Betrug, Abzocke ist die Rede und teilweise hagelt es wüste Beleidigungen. Dafür habe ich wenig Verständnis. Ich ärgere mich zwar über das Vorgehen und bin auch Leidtragender, aber Oliver Samwer tut nicht gesetzwidriges und nichts illegales. Noch nicht einmal etwas moralisch verwerfliches. Er hat 2014 das IPO forciert, aber jeder, der seitdem Rocket Internet-Aktien gekauft hat, hat dies aus eigener Entscheidung getan. Und dass Oliver Samwer nun, nachdem "die Börse" den Aktienkurs jahrelang meilenweit unterhalb des NAV bepreist hat, diese Situation zu seinem Vorteil nutzt, ist völlig legitim. Es muss ihm niemand seine Aktien verkaufen. Und ich behaupte, so gut wieder jeder von uns würde an seiner Stelle das gleiche tun. Er hat einen Weg gefunden, wie er etwas zu €19 kaufen kann, das €30 wert ist. Er macht genau das, was wir freien Aktionäre auch getan haben: er kauft Aktien mit einem deutlichen Abschlag auf ihren wahren Wert. Er bedient sich dazu nur anderer Mittel. Weil er es kann. Hätten wir diese Möglichkeiten, dann würden wir das auch tun, da bin ich mir sicher.Gefallen tut es mir trotzdem nicht, dass ich nicht selbst den wahren Wert heben kann. Aber darauf zu warten, dass dies vielleicht irgendwie doch noch passiert, ist mir als Investmentcase zu wenig...
Disclaimer
HelloFresh, Home24, Westwing, Zalando befinden sich auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/ Wikifolio.
Hallo Herr Kissig,
AntwortenLöschenda beurteilen Sie den Herrn Samwer sehr gnädig. Ich sehe das etwas anders. Ja, das Vorgehen ist legal, aber legitim? Ich würde die Börse jetzt nicht unter moralischen Gesichtspunkten bewerten, aber klar ist doch: Von den Aktionären, die jetzt von Samwer mit 18 Euro und ein paar Zerquetschten abgespeist werden, dürfte keineR ihm in der Zukunft noch einmal Geld geben für eine Unternehmung. Oder sich da über die Börse einkaufen. Das kann dem Mann egal sein - sofern er nicht mehr an die Börse will. Wenn doch, fällt ihm sein jetziges Verhalten auf die Füße. So nachtragend bin ich dann doch: Das würde ich ihm gönnen (wahrscheinlich ist das Szenario nicht).
Der Aktienkultur in diesem Land hat er damit jedenfalls nicht gedient.
Dass am Ende jeder selbst für seine Investments verantwortlich ist, bleibt davon unbenommen.
Beste Grüße
Lorenz
Wer Rocket Internet bzw. Samwer schon länger beobachtet hat, der dürfte meiner Meinung nach von den jetzigen Ereignissen nicht überrascht sein. Die Tatsache, dass Samwer sich nicht unbedingt für andere Aktionäre einsetzt, hatte auch Michael gerade noch einmal in seinem Artikel vom 03.08.2020 angesprochen, Zitat:
Löschen"Fangen wir mit dem Negativen an: Oliver Samwer hat noch immer kein Interesse daran, seine Mitaktionäre gut zu behandeln und das Unternehmen im Sinne des Shareholder Value transparent und aktionärsfreundlich zu führen. Das stört mich und es bleibt ein Punkt, der nicht wegzudiskutieren ist. Da muss man seinen Frieden mit machen (können), wenn man in dieses Unternehmen investieren möchte. Und das möchte ich wieder, natürlich aus anderen Gründen."
Jeder der also in Rocket Internet investiert war/ist, sollte dies in sein investment case als Möglichkeit bzw. Gefahr mit einbezogen haben. Deswegen kann ich die jetzige Aufregung über Herrn Samwer auch nicht ganz nachvollziehen. Klar ist doof wenn man investiert war, aber manchmal wird das Risiko bei einem Investment Case eben zur Wirklichkeit. Am besten abhaken und beim nächsten Mal vor dem Kauf sich besser über die Personen im Management informieren wie das ja auch Charlie Munger immer predigt..
Ich habe genau so etwas kommen sehen und mich deshalb von allen RI-Anteilen getrennt, als die ersten Gerüchte aufkamen, dass Samwer den großen Rundumschlag planen könnte. Ich denke, der Aktienkurs ist/war zu einem guten Teil ein Misstrauensbekenntnis gegenüber dem Hauptaktionär, der den Aktionären die Aktie in der jüngeren Vergangenheit ja dann auch durch eigene Äußerungen (von wegen mehr Cash als Ideen und so) ordentlich madig gemacht hat. Insofern alles gut - der Laden hat an der Börse einfach nix zu suchen.
LöschenBeste Grüße
Jens
Jeder der sich nur ein wenig über Geschäftsgebahren und Charakter von Herrn Samwer informiert hat, ist wohl kaum in Unternehmen aus seinem Umfeld investiert.
AntwortenLöschen...oder kann aus dem jetzigen Vorgehen lernen!
Kann man die Aktien noch halten und darauf hoffen, dass der doch große Aktienrückkauf von 8,84% bis 15.09.2020 die Kurse nochmal steigen lässt?
AntwortenLöschenBis zur Hauptversammlung am 24.09. werde ich auf jeden Fall noch warten, nach unten ist der Kurs ja schließelich auch abgesichert.
Drauf hoffen kann man, klar. Andererseits gibt es ja auch viele, die verkaufen müssen, weil sie keine delisteten Aktien halten dürfen. Wikifolios oder ETFs, Fonds. Das sorgt ggf. für gegenläufigen Abgabedruck und ich denke, genau aus diesem Grund wurde das ARP jetzt aufgelegt. Weil es eine erhöhte Abgabebereitschaft bzw-. -not gibt. Daher gehe ich nicht von deutlich steigenden Kursen aus; aber das Risiko nach unten dürfte auch begrenzt sein, da haste Recht.
LöschenHallo Michael,
AntwortenLöschenist ein Delisting denn mit einfacher Mehrheit der Hauptversammlung möglich? Wenn ja, wäre das für mich eine völlig unverhältnismäßige Einschränkung von Aktionärsrechten.
Lg, Andreas
Bin zwar nicht betroffen, aber erst Anleger zur Investition in das eigene Unternehmen für 42,50 Euro gewinnen, um notwendiges Kapital einzusammeln und diese dann unter Wert und unter Einfluss des Corona-Dips zu niedrigen Durchschnittskursen abzuspeisen, halte ich zwar für legal, aber moralisch für unterirdisch. LG Jan Ortmann
AntwortenLöschenSchau Dir an, was der Gerlinger gerade mit seiner German Startups Group abzieht. Da ist der Samwer noch ein Engerl dagegen!
LöschenEin klassischer Samwer-Move. Vertrauenswürdiges Management ist eine der Säulen eines jeden Investments. Warum Rocket Internet und Mutares immer wieder den Weg zurück zu dir finden, verstehe ich nicht - muss ich aber ja auch nicht. Wichtig ist schließlich, das am Ende ein "+" steht, und das hast du ja auch bei RI hier wieder einmal geschafft. Danke wie immer für deine Blogbeiträge, bleib gesund !
AntwortenLöschenIch stimme Stefan Waldhauser zu...
AntwortenLöschenDas ist legaler Betrug
VG aus Bayern
Joe