Value Investor Tom Russo gehört quasi zur Enkelgeneration von Benjamin Graham, dem Urvater der Fundamentalanalyse. Bei Graham ging auch Warren Buffett in die Lehre und arbeitete später sogar eine Zeit lang für dessen Investmentfirma.
Während seines Studiums bei Graham an der Columbia Universität lernte Buffett auch William Ruane kennen und schätzen. Dieser machte sich 1969 selbstständig, nachdem er 20 Jahre lang für das Bankhaus Kidder Peabody gearbeitet hatte, und gründete mit Rick Cunniff die Investmentgesellschaft Ruane, Cunniff & Co. Buffett wiederum hatte zu dieser Zeit seine ursprünglichen Investment-Partnerships aufgelöst und konzentrierte sich auf Berkshire Hathaway. Seinen Partnern riet er auf die Frage, wo diese nun ihr Geld investieren sollten: bei Berkshire Hathaway. Oder sie sollten es Bill Ruane anvertrauen. Was für ein Ritterschlag!
Tom Russo selbst studierte in Stanford, wo einen Vortrag von Warren Buffett über das Quality Investing hörte, der seine Investmentphilosophie entscheidend prägte. Buffett erklärte, er würde "wunderbare Unternehmen zu wunderbaren Preisen kaufen" und zusätzlich mit einer Sicherheitsmarge investieren, also unter dem inneren Wert kaufen, um mögliche Fehler auszugleichen.
Nach dem Studium verdiente sich Russo seine Sporen als Analyst bei Ruane, Cunniff and Goldfarb, wie das Unternehmen inzwischen hieß - er hatte Buffett sehr gut zugehört. 1989 stieg Russo dann bei einer erst fünf Jahre zuvor gegründeten Investmentfirma ein und führt seitdem die Geschäfte von Gardner Russo & Gardner. Und das sehr erfolgreich. Denn Russo kann auf eine durchschnittliche Jahresrendite von gut 15 % verweisen, die er in den letzten rund 30 Jahren für seine Investoren erzielen konnte. Nicht schlecht...
Doch kommen wir zunächst zurück zu Buffetts Vortrag an der Standford-Universität. Dort erläuterte dieser in einem Beispiel seinen Kauf von See's Candy im Jahr 1972. Das Unternehmen erwirtschaftete einen Gewinn vor Steuern von etwa 4 Mio. USD und Berkshire Hathaway zahlte 25 Mio. USD. für das Unternehmen. Auf den ersten Blick ein ziemlich stolzer Preis. Buffett begründete seinen Kauf damit, dass die starke Marke des Unternehmens eine Art "wirtschaftlichen Geschäftswert" und eine ungenutzte Preissetzungsmacht darstellte. See's Candy erhöhte daraufhin jedes Jahr seine Preise, denn Buffett war sich sicher, dass Ehemänner ihren Frauen zu romantischen Anlässen wie dem Valentinstag wahrscheinlich keine "billigeren" Süßigkeiten kaufen würden. Und er hatte vollkommen Recht! Buffetts Partner Charlie Munger bezeichnet See's Candy heute als das erste Quality Investment, das Buffett und er jemals getätigt hätten.
Preissetzungsmacht
Russo nutzte diese Lektion über die Preissetzungsmacht von Marken für seine weitere Karriere. Er sucht nach starken Marken mit Preissetzungsmacht. So geben die Menschen für Jack Daniel's Whisky mehr aus als für einen billigeren Whisky einer anderen Marke, was Jack Daniel's höhere Margen erlaubt und auch Preiserhöhungen.
Russo ist der Meinung, dass viele Luxusmarken wie Rolex und Cartier gar nicht zyklisch sind, wie viele Leute glauben. Sie würden oft von wohlhabenden Privatpersonen oder als Geschenke für Hochzeiten usw. gekauft werden und ihre Kundschaft ist oft so vermögend, dass sie von den normalen Konjunkturschwankungen wenig beeinflusst wird.
Familiengeführte Unternehmen
Ein weiterer Aspekt von Russos Strategie besteht darin, in familiengeführte Unternehmen zu investieren. Russo ist überzeugt, dass diese Unternehmen dazu neigen, eine längerfristige Perspektive einzunehmen und ihre Entscheidungen nicht von kurzfristigen Rentabilitätseinbußen abhängig machen, um die Wall Street zufrieden zu stellen. Russo legt den Fokus auf langfristige Wertsteigerungen und nicht auf kurzfristige Gewinnzuwächse.
Fehler schnell und konsequent beheben
Eine Eigenschaft, die der Russo von seinem Mentor Bill Ruane lernte, war der sofortige Verkauf von Aktienpositionen, wenn er sich geirrt hatte und/oder sich die Dinge zum Schlechten wandten. Russo wandte diese Strategie in den letzten Jahren konsequent bei Wells Fargo und Altria Group an.
Der Tabakkonzern Altria hatte 2018 für 12,8 Mrd. USD eine Beteiligung an dem E-Zigarettenunternehmen JUUL erworben. Darüber hinaus investierte es einige Milliarden, um Menschen dabei zu helfen, mit dem Rauchen aufzuhören, was sein Hauptgeschäft direkt kannibalisieren würde. Russo gefiel die Tatsache nicht, dass Altria sich verschuldet und diese riskanten Investitionen getätigt hatte, weshalb er sofort verkaufte.
Bei Wells Fargo stieg Russo nach Bekanntwerden des großen Skandals um Fake-Konten und Manipulationen aus. Er sah ein erhöhtes "Reputationsrisiko" und auch noch viele laufende Strafzahlungen aufgrund von Fehlverhalten während der Finanzkrise 2008 auf das Unternehmen zukommen.
Geduld
Russo handelt nicht viel und verfolgt damit genau die bevorzugte Handlungsempfehlung von Charlie Munger, Warren Buffetts kongenialen Partner.
»Jedes intelligente Investieren ist das Investieren in Werte - mehr bekommen als das, wofür du bezahlst. Investieren ist, wenn du einige großartige Unternehmen findest und dann auf deinem Hintern sitzt.«(Charlie Munger)
Dieses Herumsitzen zeigt sich bei Russo in einer ungewöhnlich niedrigen Turnoverrate. In einem Quartal wechselt er selten mehr als 3 % seines Portfolios aus; er agiert also sehr zurückhaltend und ist dabei langfristig orientiert.
Fokussiertes Portfolio
Diese geringe Handelsaktivität ist allerdings nicht auf einen Mangel an Ideen zurückzuführen, sondern auf seine Überzeugung, immer nur die besten Unternehmen auszuwählen und an diesen dann festzuhalten. Hier folgt er den Spuren des legendären Investors Philip A. Fisher, einem großen Befürworter Focus Investing.
»Anleger sollten peinlich genau darauf achten, nicht die meisten, sondern die besten Aktien zu halten.«(Philip A. Fisher)
Stets voll investiert
Auch in einem anderen Charakterzug folgt er einem legendären Investor, nämlich Philip Carret, dem Gründer des Pioneer Fonds.
»Ich habe nicht genug Gefühl dafür, wann ich Bargeld anlegen soll, deshalb ist unser gesamtes Vermögen immer in Aktien angelegt.«(Philip Carret)
Diesem Motto folgend ist Tom Russo stets mit 100 % seines Anlagekapitals im Markt investiert. Er unterlässt jeden Versuch, den Markt zu timen und/oder Krisen vorwegzunehmen und setzt stattdessen auf die langfristige Wertschöpfungskraft der Börsen. Mit anderen Worten: Er reitet den Zinseszinseffekt wie kaum ein zweiter und nutzt die Macht des Compounding. Und seine Performance über mehr als drei Jahrzehnte und mehrere Börsencrashs hinweg gibt ihm Recht!
Mir gefällt Russos Investmentansatz und ich finde viel von meinen eigenen Überlegungen darin wieder. Auch deshalb ist Tom Russo häufig zu Gast in meiner Reihe "Portfoliocheck", in der ich regelmäßig die Depots der besten Value Investoren unserer Zeit unter die Lupe nehme.
Berkshire Hathaway
Übrigens... Russo ist nicht nur ein großer Fan von Buffett, sondern auch schon seit Jahrzehnten dessen Mitaktionär. Seine erste Aktie von Berkshire Hathaway kaufte Tom Russo 1982 bei einem Kurs von 900 USD. Zurzeit steht sie bei 400.000 USD und lag vor einem dreiviertel Jahr auch schon deutlich über 500.000 USD. Ende des 2. Quartals standen die beiden Berkshire-Aktiengattungen für knapp 18 % in Russos Portfolio und brachte zusammen rund 1,6 Mrd. USD auf die Waage. Geduld, Qualität, Compounding...
Börsenweisheiten von Tom Russo
- "Die beste langfristige Sicherheitsmarge ergibt sich nicht aus dem Preis einer Investition, sondern aus dem Wert eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils eines Unternehmens über einen sehr langen Zeitraum. Nur darum geht es beim Quality Investing."
- "Wenn Ihnen ein Unternehmen vollständig gehört, haben Sie kein Interesse daran, den offiziellen Gewinn zu maximieren; Sie müssten darauf nur mehr Steuern zahlen. Was Sie wirklich interessiert, ist stetiges Wachstum und Wertzuwachs."
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