In einem aktuellen Artikel über die 30 am stärksten geshorteten Aktien im Russel 1000-Index führt Andreas Haslinger auf aktien-mag.de die Match Group mit einer Short Interest-Rate von 58,8% auf und Anleger sollten sich schon Gedanken machen, was dies für Folgen haben kann - und wird...
Shortseller
Shortseller, hierzulande Leerverkäufer genannt, leihen sich Aktien, um diese dann an der Börse zu verkaufen. Sie setzten damit auf fallende Aktienkurse, weil sie dann zu einem späteren Zeitpunkt die Aktien günstiger wieder zurückkaufen können, wenn sie diese an den Eigentümer bei Ablauf des Leihgeschäfts zurückgeben müssen.
Da sie für die Zeit der Leihe eine Provision zahlen müssen und der Aktienkurs zwischenzeitlich ja auch steigen kann, ist das Geschäft nicht risikolos und kann sich sogar zu einem finanziellen Desaster auswachsen, z.B. bei einer sog. Short-Squeeze, wenn sich die Leerverkäufer gleichzeitig mit Aktien eindecken müssen, und zwar schnell und daher unlimitiert.
Daher versuchen einige Shortseller, ihre Erfolgschancen zu verbessern, indem sie nach dem Aufbau ihrer Short-Position einen vernichten Bericht über das Unternehmen veröffentlichen: eine sog. Short-Attacke. Da die Vorwürfe nicht sofort vom Unternehmen widerlegt werden können, führt eine Short-Attacke oder manchmal auch schon das bloße Gerücht über das Bevorstehen einer solchen, fast immer zu hohen zweistelligen Kurseinbrüchen. Was einige Shorties so reizvoll finden, dass sie sogar mit erfundenen oder konstruierten Vorwürfen auf die Jagd gehen und sich so auch der Strafverfolgung aussetzen und bisweilen dafür ins Gefängnis müssen.
Shortseller sind nicht per se böse oder schlecht. Nicht selten decken sie Betrugsvorgänge auf sorgen so für ein reinigendes Gewitter. Enron, Worldcom oder Steinhoff sind solche "positiven" Beispiele, wo Short-Reports Milliarden schwere Betrügereien aufdeckten. Oder Valeant, das von Citron Reserach überführt wurde und dessen Aktionäre für die Un- und Schandtaten des früheren Managements finanziell kräftig bluten mussten; nach einer Rosskur firmiert das Unternehmen heute als Bausch Health und Citron war kürzlich auf die Longside gewechselt und sieht deutliches Kurspotenzial in der Aktie - nach oben.
Negativ in Erinnerung bleiben die Short-Attacken gegen Aurelius, wo eigens zu diesem Zweck
Eine hohe Short-Quote bzw. das Ausbauen des Short-Engagements wird daher zumeist als Alarmsignal wahrgenommen und lastet auf dem Aktienkurs des betreffenden Unternehmens.
Match Group im Fadenkreuz
Was ist also los bei der Match Group? Zunächst muss man wissen, dass es sich bei Kennzahl SIPF (Short Interest as a Percentage of Float) und das Short Interesse in Prozent des Streubesitzes handelt. Und die Match Group weist hierbei das höchste aus mit 58,8%.Der Streubesitz ist jedoch nur eine Teilmenge aller verfügbaren Aktien und nicht mit der Summe aller Aktien gleichzusetzen. Und gerade bei der Match Group gibt es die Besonderheit, dass gut 80% der Anteile im Besitz des Großaktionärs IAC InterActive Corp. liegen. Ein SIPF von 58,8% heißt also im Klartext, dass 58,8% von einem Fünftel der Aktien geshortet wurden bzw. 11,76% alles ausstehenden Aktien. Das relativiert die Sache schon mal.
Allerdings sind mehr als 11% an leerverkauften Aktien auch nicht gerade ein Vertrauensbeweis für die künftige Kursentwicklung und man sollte sich überlegen, was denn hier im Argen liegen könnte. Und da gibt es gleich mehrere Punkte.
Zum einen laufen gegen die Match Group Verfahren, weil ihr vorgeworfen wird, aktiv Fake-Profile gezielt zur Anwerben von neuen Kunden genutzt zu haben. Daneben werfen frühere Tinder-Gründer der Match Group vor, sie beim Kauf von Tinder übervorteilt zu haben. Des Weiteren gibt es Bedenken, dass Konkurrenten schneller wachsen könnten und dass das Unternehmen seine hohen Wachstumsraten und sein hohes, profitables Wachstum nicht unendlich durchhalten können wird.
Alles Gründe, die die weitere Unternehmensentwicklung negativ beeinträchtigen können. Allerdings auch alles Risiken, die gar nicht oder nur mit geringerer Wucht eintreten können und damit das Business der Match Group nur wenig beeinträchtigen würden. Also kaum Grund genug für eine so hohe Short-Quote.
Aber es gibt natürlich noch einen anderen möglichen Grund: Großaktionär IAC hat vor einigen Wochen verkündet, man wolle sich von seinen Anteilen an der Match Group (und auch an ANGI Homeservices) komplett trennen. Noch ist nicht klar, wie das vonstatten gehen soll, aber es wird keinesfalls zu einem Ad hoc-Verkauf über die Börse kommen. Der Kurs würde ins Bodenlose abstürzen, würde jemand unlimitiert 50% aller Aktien auf den Markt werfen. Viel wahrscheinlicher ist daher ein Spin-off, bei dem die IAC-Aktionäre quotal Aktien der Match Group ins Depot gelegt bekommen.
Dieser Weg ist der Wahrscheinlichste, weil ihn IAC bereits mehrfach so gegangen ist. In früheren Jahren hat man sich auf diese Weise bereits von namhaften Töchter/Beteiligungen getrennt. Dazu gehören HSN, Ticketmaster, Interval, LendingTree und Expedia. IAC trennt sich von den erfolgreichsten Gründungen/Beteiligungen, um seinen Aktionäre damit zu belohnen (die IAC-Aktien notieren mit Abschlag zum Wert ihrer börsennotierten Beteiligungen) und um sich in der Folge dann wieder viel intensiver auf die vielen anderen Online-Beteiligungen konzentrieren zu können, die IAC im Depot hat.
Chancen und Risiken eines Spin-offs
Nun ist es so, dass Spin-offs meistens großartige Gelegenheiten sind, um günstig(er) an Aktien hervorragender Unternehmen zu kommen. Schon Benjamin Graham wies darauf hin, aber auch Value Investoren-Legenden wie Seth Klarman und Joel Greenblatt lieben Spin-offs. Einerseits entwickeln sich die Aktien von Spin-offs in den Jahren nach der Abspaltung besser als der Markt und auch die der ehemaligen Mütter, und auf der anderen Seite bieten sich hier gute Einstiegsgelegenheiten für Schnäppchenjäger. Denn nicht alle Aktionäre der Mutter wollen die Aktien der Töchter als separate Werte im Depot haben und daher verkaufen sie sie oft schnellsten nach dem Einbuchen ins Depot. Was kurzfristig zu einem deutlichen Angebotsüberhang führen kann, so dass der Aktienkurs direkt nach dem Spin-off erstmal deutlich absackt. Dieser "Spuk" ist zumeist nach einigen tagen vorüber und der Kurs erholt sich wieder auf sein Ausgangsniveau, weil die Schnäppchenjäjer die (zu) vielen Aktien aufsaugen und sich somit wieder ein Gleichgewicht einstellt.Doch genau auf diesen Effekt, dürften die Shortseller momentan setzen. Das Potenzial noch oben ist für die Match Group momentan eher limitiert wegen der anhängenden Verfahren und Unsicherheiten, während ein Spin-off zu einem kurzzeitigen mehrprozentigen Kurseinbruch sorgen dürfte. Bei dem sich die Shortseller dann günstig eindecken können und so eine relativ absehbare Rendite einfahren könnten.
Das ist jedenfalls meine Lesart der vermeintlich extrem hohen Short-Quote bei der Match Group. Ein besonderer Grund zur Sorge bietet sie meiner Meinung nach nicht.
Disclaimer
Aurelius, Bausch Health, IAC Active Corp und Match Group befinden sich auf meiner Beobachtungsliste.
Vielen Dank für diese sehr interessanten Überlegungen. Einmal mehr habe ich neue Einsichten durch Deinen Blog gewonnen.
AntwortenLöschenIch halte nicht so viel von Kissig Analysen, wenn es Tech Werte betrifft. Hier empfehle ich Stefan Waldhauser, der kennt sich aus und hat die meisten Titel ohnehin am Radar
Löschenhttps://thedlf.de/match-group-aktie/
Finde ich völlig legitim, dass Du Stefans Analysen besser findest als meine. Musste jetzt vielleicht nicht bei jeder meiner Analysen posten, das bringt ja wenig - zumal Du ja selbst keinen Input lieferst.
LöschenEinen Denkanstoß möchte ich aber noch geben: wenn Du Stefans Analysen als "FC Bayern" betrachtest, dann brauchste natürlich auch welche auf Niveau des HSV. Denn ansonsten wüsstest Du nicht, wie toll die Bayern im Vergleich sind (und wie viel besser), und ohne eine andere Mannschaft könnte der FCB gar kein Fußball spielen. Also, bleib Du ruhig Bayern-Fan, ich schaue mir manche Spiele von denen auch an, aber ich bleibe HSV-Fan. NurderHSV! ;)
Nur der HSV!
LöschenDer will nur rumstänkern... Hält nichts von Dir und deinen Beiträgen, hat aber trotzdem nichts weiter zu tun als hier rumzupöbeln.
LöschenIch fand den Beitrag mal wieder sehr lehrreich. Weniger wegen der Analyse eines Tech-Wertes, mehr weil ich gelernt habe wie das SIPF zu werten ist. Danke!
Pöbeln? Weil ich auf einen - wie ich denke - lesenswerten Artikel verweise? Das ist kein Input?
LöschenAnsonsten gilt man soll seinen eigenen Circle of Competence nicht überschreiten.
Hallo Michael,
AntwortenLöschenvielen Dank für den informativen Artikel.
Kleine Korrektur am Rande: Zatarra wurde für (einmal mehr) Wirecard gegründet; Aurelius war unter Beschuss von Gotham City.
Beste Grüße
Jens
Hrgs... danke für den Hinweis, stimmt natürlich, es war Gotham City, habe ich korrigiert.
Löschen@Anonym30.11.19, 16:48
AntwortenLöschenHattest du ja (glaube ich) schon einmal geschrieben... zu den Short-Quoten finde ich dort aber auch nichts. Schon deshalb finde ich es hier zumindest mal lesenswert. In dem Sinne: danke für den Artikel! :)
Werde als IAG Aktionär noch nicht so schlau daraus, was das für IAG selbst bedeutet. Ist das nicht eine Perle aus dem Portfolio? Oder will man hier eher reagieren bevor es zu spät. Für eine Einschätzung danke im Voraus!
AntwortenLöschenJa, die MATCH Group ist die momentane Perle im Portfolio. Der Spin-off bedeutet allerdings ja "nur", dass sie dann nicht zur IAC gehört - aber den IAC-Aktionären immer noch und zwar direkt in Form von MATCH-Aktien. Die IAC-Aktionäre sind/werden also nicht benachteiligt. Da der Gründer, Chairman und Senior Executive der IAC, Barry Diller, mit knapp 5,8 Mio. Aktien auch großer IAC-Aktionär ist, hat er natürlich überhaupt kein Interesse daran, die IAC-Aktionäre zu schädigen.
LöschenFür IAC macht der Schritt durchaus Sinn, da ja die IAC mit deutlichem Abschlag auf den NAV gehandelt wird. Bedeutet: die MATCH-Aktien sind an der Börse mehr wert als im Depot der IAC. Diese Diskrepanz geht zulasten der IAC-Aktionäre und das soll durch den Spin-off behoben werden.
Und die "Rest-IAC" wird dann wieder jenseits der MATCH Group wahrgenommen und die vielen anderen, kleineren Startups und Online-Unternehmen bekommen dann wieder ein ganz anderes Gewicht im Portfolio und ein ganz anderes Augenmerk. Wie gesagt, bei Expedia hat man es vor einigen Jahren auch so gemacht, da war die MATCH Group noch ein kleiner Fisch im IAC-Teich.
Und auch für die MATCH Group kann es sich auszahlen, nicht mehr einen 80-Prozent-Aktionär zu haben, sondern einen hohen Streubesitz. Denn dann können ggf. Fonds ganz anders zukaufen oder auch das Interesse anderer, großer Investoren könnte geweckt werden, was dem Aktienkurs der MATCH Group weiter gut tun könnte.