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Sonntag, 4. August 2019

Die 31. Börsenwoche im Rückspiegel: Kissigs Kloogschieterei mit DIC Asset, Gesco, Grenke, Shopify

Während die US-Berichtssaison auf Hochtouren lief und die eine oder andere Überraschung mit sich brachte, übernahm wieder die Politik das Zepter - Donald Trump trat eine neue Strafzollaktion gegen China los und damit stürzte er die Börsen in ein Jammertal.

"Politische Börsen haben kurze Beine" lautet ein bekanntes Börsenzitat und es hat nichts an Aktualität oder Gültigkeit eingebüßt. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen wichtige Politiker wie "The Don" via Twitter im Stakkatostil ihre Meinungen in den Äther ballern und damit Bewegungen an den Märkten auslösen können. In beide Richtungen. Und es ist nicht so, dass Trump sich dessen nicht bewusst wäre und einfach nur unbedarft jegliche Konvention über Bord wirft, die jahrzehntelang die US-Politik ein Stück weit berechenbar(er) gemacht hat. Nein, Trump weiß um die Wirkungen und Auswirkungen seiner Tweets und er genießt sie geradezu, die anscheinende Allmacht, dass alle Welt an seinen Lippen hängt. Es ist das gleiche Spiel wie das Hofhalten eines mittelalterlichen Despoten - oder eines Mafia-Bosses, wenn man denn Mario Puzos Beschreibungen folgt. Trump liebt dieses Allmachtsgehabe mehr als die Wirkung, die er damit erzielt. Das sah man deutlich, als er die Einigung der EU und der USA bzgl. des künftigen US-Rindfleischexports bekanntgab und am Rande einen (schlechten) Scherz über Strafzölle machte, die er trotzdem noch über die europäischen Autoimporte in die USA verhängen könnte. Ganz im Stil eines Sonnenkönigs. Die Welt und in ihrem Gefolge die Wirtschaft und die Börsen haben darunter zu leiden, doch der Donaldissimo verfolgt damit eine offensichtliche Strategie...


Börsentheater, 1. Akt: Die Politik


Die US-Notenbank hat in der letzten Woche dem Drängen des Don nachgegeben und - völlig überflüssiger Weise - die Leitzinsen um 0,25% gesenkt. Während Notenbankchef Powell die Unabhängigkeit der FED ggü. der Politik betont, agiert sich genau konträr und gibt dem Druck Trumps nach. Der Markt hatte mit drei Zinsschritten in diesem Jahr gerechnet und dem schob Powell einen Riegel vor. Er nannte die jetzige Zinssenkung keinen Beginn einen Zinssenkungszyklusses, sondern eine Adjustierung - die nächste Anpassung könne in beide Richtungen erfolgen. Und dann sagte er etwas sehr Folgenschweres: die FED kommentiere die US-Handelspolitik nicht, nicht kümmere sich nur um ihre Auswirkungen. Bang! Und einen tag später verkündet der Don via Twitter zusätzliche Strafzölle von 10% auf die restlichen 300 Mrd. Dollar Handelsvolumen mit China, die bisher noch nicht mit Strafzöllen belegt waren. Powell gab Trump genau das Instrument an die Hand, um Zinssenkungen zu erzwingen: Handelskrieg und Konjunktureinbruch.

Die Börsen brachen in der Folge ein und die weltweiten Konjunktursorgen nehmen weiter zu - und weltweit werden die Wirtschaftsprognosen zurückgenommen und auch die eintrudelnden Wirtschaftsdaten zeigen, dass die Bremswirkung die Wirtschaft voll erfasst hat. Auch in den USA. Was dazu führen dürfte, dass die FED demnächst die Zinsen weiter senken wird (müssen).

Trumps Kalkül ist, dass die USA weniger leiden werden als ihre Handelspartner Gegner und daher mehr zu verlieren haben als er. Was er nicht versteht oder einfach ignoriert, ist die Tatsache, dass weltweit die Notenbanken bereits ihre Zinsen gesenkt haben und weiter senken werden. Der vermeintliche Vorteil, den die USA durch die US-Zinssenkung erfahren könnten, ist also längst durch Trumps Politik und Rabulistik ins gegenteil verkehrt. Der Dollar hat daher auch weiter an Wert zugelegt gegenüber den anderen Währungen, obwohl Trump den ja eher schwächen will, um die Importe teurer und die US-Exporte billiger zu machen. Aber das funktioniert nicht, weil auch seine Politik nicht funktionieren kann. Wie auch sein Ex-Wirtschaftsberater Gar Cohn, früher Präsident von Goldman Sachs, bevor in Trumsp Regierungsmannschaft gewechselt war, verkündete. Trumps Zoll- und Handelskriegspolitik treffen vor allem die USA, deren Unternehmen und deren Bevölkerung. Aber den Do interessiert das nicht. Er hat hat seine eigene Wahrheit. Fake Truth a là Trump.

Dass durch die Einigung zwischen der EU und den USA - zumindest vorübergehend - Strafzölle auf in die USA gelieferte EU-Autos vom Tisch sind, dürfte also kaum wahrgenommen werden. Aber vielleicht ist es trotzdem ein erster Hoffnungsschimmer für die gebeutelte deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer.


Börsentheater, 2. Akt: Die Unternehmen


So, nun aber zum Eingemachten und einigen interessanten Meldungen zu aktuellen oder ehemaligen Unternehmen auf meiner Beobachtungsliste.

Meine hoch gewichteten US-Unternehmen haben letzte Woche die volle Breitseite abbekommen, aber auch Hypoport, UET und SBF haben überproportional im Kurs verloren und mir daher ein sattes Wochenminus eingebracht.


DIC Asset

Der Spezialist für Gewerbeimmobilien hat tolle Halbjahreszahlen präsentiert und hat auch seine Jahresprognose deutlich angehoben. Die Übernahme der GEG erweist sich als echter Gewinn dürfte den Anlegern noch viel Freude bereiten. Der Aktienkurs hält sich in der aktuellen unsicheren Börsenphase stabil und weist weiterhin einen signifikanten Abschlag zum NAV je Aktie aus. Darüber hinaus wird auch durch den GEG-Zukauf das Fondsgeschäft zu einer eigenen Provisionscashcow und birgt zusätzliches Einnahme- und Kurspotenzial. (M)ein Immobilien-Top-Favorit!



Gesco

Nichts neues gab es bei der Industrieholding Gesco. Man hatte Ende Juni einen etwas verhaltenen Ausblick auf 2019 gegeben, doch das könnte sich bald rächen. Denn angesichts der sich in den letzten Wochen geradezu dramatisch verschlechternden Lage im Automotivsektor und auch wegen der sich heftig eintrübenden Stimmung bei Investitionsgütern erscheint die Prognose zunehmend ambitioniert. Gesco hat sich in den letzten Jahren viel besser positioniert, alte Verlustbringer über Bord geworfen und steht finanziell und bilanziell solide dar. Hinzu kommt ein erfolgversprechendes Zukunftskonzept und die Aussicht, sich von einer passiven Industrieholding zu einem durch Zukäufe wachsenden Beteiligungsunternehmen zu wandeln, die die Basis meines Investmentcases darstellen. Doch momentan sieht es danach aus, als dass zunächst einmal Tristesse angesagt sein wird und Gesco auf eine Umsatz- und Gewinnwarnung zusteuert. Beteiligungsgesellschaften sind per se schlechter laufende Investments in konjunkturell schwächelnden Phasen und die Sektoren Automotive und Investitionsgüter stehen zur Zeit massiv und zunehmend unter Druck. Ich habe mich daher entschlossen, Gesco von meiner Beobachtungsliste zu streichen; unterm Strich blieben inkl. Dividenden nach 14 Monaten 14 Prozent Verlust.


Grenke

Bei Grenke gab es ein böses Erwachen, auch wenn es keine Überraschung gab. Grenke ist erfolgreicher unterwegs als geplant und liefert bessere Umsatzzahlen ab als gedacht. Auf der anderen Hand erhöht man die Risikovorsorge, weil die sich merklich eintrübende Konjunktur in höheren Ausfällen bei Krediten und Leasingraten bemerkbar machen dürfte. Die niedrigen Zinsen und die zu erwartenden Zinssenkungen auch der EZB beflügeln hingegen das Geschäft weiter, aber die Börse wollte momentan nur das - vermeintlich - Negative sehen und hat den Kurs massiv abgestraft.



Shopify

Shopify habe ich erst letzte Woche vorgestellt und erklärt, dass ich bei einem deutlichen Kursabsacker meine kleine Position aufstocken würde. Und das habe ich, denn der Kurs war an den ersten beiden Handelstagen deutlich eingebrochen und daher habe ich Shopify nun auf meiner Beobachtungsliste.

Kurz danach präsentierte Shopify Zahlen für das zweite Quartal und hat sämtliche Erwartungen übertroffen. Der Umsatz mit Händlerlösungen stieg um 56% auf 209 Mio. Dollar und der Umsatz mit Abonnementlösungen um 38% auf 153 Mio. Dollar. Shopifys GMV stieg um 51% auf 13,8 Mrd. Dollar. Das GMV (Gross Merchandise Volume) bezeichnet den Außenumsatz, also den Gesamtumsatz aller Kunden über die Plattform, und es ist eine der wichtigsten Kennzahlen beim Onlinehandel, um den Erfolg des operativen Geschäfts mit Wettbewerbern zu vergleichen. Der Innenumsatz, also Shipfys eigener Umsatz an Gebühren und Provisionen, stieg um fast 48% auf 362 Mio. Dollar und übertraf die Schätzungen von 349,95 Mio. Dollar deutlich.

Der bereinigte Nettogewinn Shopifys belief sich auf 15,8 Mio. Dollar ggü 2,5 Mio. Dollar vor einem Jahr. Der Nettoverlust des Unternehmens erhöhte sich hingegen auf 28,7 Mio. Dollar bzw. 26 Cent pro Aktie, nach rund 24,0 Mio. Dollar oder 23 Cent pro Aktie im Vorjahr.

Für das Gesamtjahr erwartet Shopify nun einen Umsatz von 1,51 bis 1,53 Mrd. Dollar (bisher 1,48 bis 1,50 Mrd.) und ein bereinigtes Betriebsergebnis von 20 bis 30 Mio. Dollar.

Als neue Features hat Shopify in seinen Online-Shops die Möglichkeit, dass Kunden ihre Shops selbst entwerfen und aktualisieren und auch oder 3D-Bilder ihrer Produkte anzeigen können. Des Weiteren investiert Shopify in den nächsten Jahren mehr als 1 Mrd. Dollar in sein Fulfillment-Netzwerk in den USA. Gerade hiermit setzt sich Shopify von seinen kleineren Wettbewerbern ab und versucht, die Lücke zu Amazons Angeboten zu verkleinern.

Meine Einschätzung zu Shopify hat sich in der letzten Woche nicht verändert, abgesehen davon, dass das Unternehmen die hohen Erwartungen noch übertroffen hat.


Angst und Gier & Ups and Downs


Der Fear & Greed Index von CNN Money ist ebenfalls Donald Trumps Börsengewitter zum Opfer gefallen und hat enorme 23 Zähler verloren auf nur noch 36 Punkte: zurück im Angst-Territorium. Trumps Machtspielchen mit der FED um die Leitzinsen nimmt die Welt in Geiselhaft. Gruselhaft!

Mein "operativer Net Worth" hat kräftig nachgegeben in dieser Woche und der Zugewinn in diesem Jahr sackte von 35% auf 28,75% ab (YTD).

Auf gute bessere Börsengeschäfte. Es bleibt spannend...

Disclaimer
Adobe, Amazon, Hypoport, IAC InterActiveCorp., Jungheinrich, Kion, MasterCard, Microsoft, PayPal, Ringmetall und jetzt auch Shopify befinden sich auf meiner Beobachtungsliste und in meinem Depot.

7 Kommentare:

  1. Sehr geehrter Herr Kissig,

    Wann wäre Ihrer Meinung nach- die beste Aktienkaufzeit
    in Verbindung bzw. bei Besichtigung des Fear & Greed Index ?

    Viele Grüße und vielen Dank im Voraus.

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    1. Hallo,

      ich habe mal einen Artikel von Christian Thiel vom Investmentblog "Großmutters Sparstrumpf" herausgesucht, der im vergangenen Jahr kurz vor dem Tiefpunkt der Aktienmärkte verfasst wurde:

      https://grossmutters-sparstrumpf.de/sind-die-fallenden-kurse-eine-kaufgelegenheit-oder-ein-grund-zu-verkaufen/

      Er ist der Ansicht, dass jeder Wert des F&G-Index unter 18 einen guten Kaufzeitpunkt signalisiert. Allerdings muss man dazu sagen, dass gerade das letzte Jahr gezeigt hat, dass der Index auch mal wochen- bis monatelang in diesem Terrain verweilen kann - bei ständig fallenden Kursen. Selbst damit kann man also von perfektem Timing noch relativ weit weg sein. Ich persönlich verteile darum - wenn möglich - beim Kauf auf mehrere Tranchen.

      Gruß
      Jens

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    2. Für mich ist der Fear-and-Greed-Index kein Timing-Indikator, nach dem ich mich richten würde. Er zeigt in gewisser Weise die Stimmung an und liefert damit ein Erklärung, weshalb Börsenkurse übertreiben - in welche Richtung auch immer. Nun aber zu sagen, unter 20 kaufe ich Aktien, egal welche, dazu taugt der F&G meines Erachtens nicht. Aber ich kaufe per se niemals "den Markt", sondern schaue mir sehr genau an, welche Unternehmen ich mir herauspicke. Der F&G ist dabei kein Auswahlwerkzeug für mich, sondern nur eine zusätzliche Erklärung dafür, weshalb der Kurs ggf. besonders abstrus steht im Verhältnis zum von mir ermittelten fairen Wert der Aktie.

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    3. Jens, wenn man sich an das 2018er Schlussquartal zurück erinnert, dann war der F&G relativ schnell im roten Bereich, schon Anfang/Mitte Oktober. Damals ging es aber erst richtig los mit dem Kursrutsch, insofern wäre ein Einstieg auf Basis des F&G viel zu früh erfolgt...

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  2. Gesco muss die Prognosen für das Rumpfgeschäftsjahr zusammenstreichen. Leider lag ich völlig richtig, als ich Anfang August meine Verluste bei Gesco realisiert und die Aktien verkauft habe. Ich werde das Unternehmen aber weiterhin "lose" beobachten...

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  3. Hallo Michael,
    Ich überlege gerade wie ich weiter bei Realty Income vorgehe... Ich sitze auf relativ hohen Buchgewinnen (> 100%). Mit dem Unternehmen bin ich sehr zufrieden, verlässliche monatliche Dividendenzahlungen und die natürlich noch viel besseren Kursgewinne summieren sich auf einen ordentlichen Gewinn.
    Ich mache mir jedoch etwas Sorgen, da die Dividendenrendite auf einem historischen Tief ist... es wird einige Jahre dauern meine aktuellen (virtuellen) Kursgewinne durch Dividendenzahlungen zu decken... Da kommt zwangsläufig die sehr konkrete Überlegung die Kursgewinne zu realisieren und sein Geld woanders (gewinnbringender?) zu investieren.
    Wie würdest du in der Situation zu einer Entscheidung kommen?
    Viele Grüße
    Martin

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    1. Moin Martin, bzgl. Reality Income kann ich direkt wenig sagen, weil ich das Unternehmen nicht auf dem Schirm habe. Auch im Hinblick auf Deine Anlagestrategie, Aktien nach dem Vergleich zwischen aktueller und historischer Dividendenrendite auszuwählen, habe ich keine Erfahrungswerte und kann Dir hierzu keinen Ratschlag geben.

      Einen Denkanstoß biete ich Dir dennoch: wenn Du 100% Kursgewinn hast, ist dies belanglos bzgl. der Frage, wie sich die Aktie künftig entwickelt. Dein Einkaufskurs ist hierfür egal. Nicht egal ist er im Hinblick auf die Steuern. Wenn Du den Gewinn jetzt realisierst, musst Du ihn versteuern. Es gehen also (ohne Beachtung Deiner Freibeträge) rund 27% "verloren". Eigentlich unbeachtlich, da diese Belastung ja immer bei einem Verkauf anfällt. Doch Deine Überlegung ist ja, Aktien mit hohem Gewinn zu verkaufen, um andere Aktien zu kaufen. Und hier fällt die Steuer dann ins Gewicht.

      Beispiel
      Aktien gekauft zu €5.000, Kursgewinn (100%) €5.000, Steuer bei Verkauf (27%) €1.350.

      Aktuell hast Du also für €10.000 Wertpapiere im Depot. Nach dem Verkauf stünden Dir allerdings nur noch €8.650 für den Neukauf zur Verfügung. Dem entsprechend müsste Dein neues Investment diesen Abschlag erstmal aufholen, um mit Reality Income gleichzuziehen - oder Du müsstest die Erwartung haben, dass RI um 13,5% fällt. Hinsichtlich der Dividenden ist zur berücksichtigen, dass Du die Dividendenrenditen von RI nicht einfach mit der Deines neuen Wertes vergleichen kannst, sondern eben auch hier berücksichtigen musst, dass Dir nur noch 86,5% des Kapitals zur Verfügung stehen und dem entsprechend die Dividendenrendite diese Differenz zusätzlich kompensieren müsste.

      3% auf €10.000 sind €300. Und €8.650 müssten schon 3,47% Rendite bringen, um absolut auf die gleich hohe Dividendenzahlung zu kommen.

      Das löst jetzt Deine Problem nicht, aber ich hoffe, dass ich Dir zumindest ein paar zusätzliche Überlegungen für Deine Entscheidungsfindung an die Hand geben konnte.

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