Jeremy Grantham ist eine Ikone des Value Investings und das nicht erst, seitdem er das Platzen dreier Aktienblasen korrekt vorhergesagt hat: die Blase am japanischen Aktien- und Immobilienmarkt in den späten 1980er Jahren, das Platzen der Internetblase 2000 sowie das Platzen der Blase am Immobilienmarkt 2008 und die sich anschließende weltweite Kreditkrise. Anfang 2018 sagte er dann eine "scharfe Korrektur" innerhalb der nächsten 18 Monate voraus - und wir alle erinnern uns wohl noch an das heftige Kursgewitter im 2018er Schlussquartal. Grantham hat also schon ein besonderes Gespür für Aktien und ihre Bewertung...
Granthams Werdegang
Robert Jeremy Goltho Grantham wurde am 6. Oktober 1938 im britischen Ware nahe London geboren. Seine Kindheit verbrachte er im Norden Englands nahe Sheffield, wo er sich auch zum Studium der Ökonomie einschrieb. Seinen Bachelor-Abschluss bekam er 1964 verliehen und absolvierte im Anschluss noch das MBA-Programm der Harvard Business School, das er 1966 erfolgreich abschloss.
1977 gründete Jeremy Grantham GMO, das für die Familiennamen der Gründer Jeremy Grantham, Richard Mayo und Eyk van Otterloo steht. Die Bostoner Vermögensverwaltung richtet sich vor allem an institutionelle Investoren und Grantham ist sowohl Chief Investment Strategist als auch einer der Directors.
Granthams zweite große Leidenschaft ist der Klimaschutz. So gründete er gleich drei Institute und eine Stiftung, die sich dem nachhaltigen Leben bzw. dem Kampf gegen den Klimawandel widmen, und unterstützt auch Greenpeace und den World Wildlife Fund (WWF).
Granthams Investmentansatz: die Rückkehr zum Mittelwert
Jeremy Grantham vertritt die Auffassung, dass Gewinnmargen und dementsprechend auch Preise langfristig immer zu ihrem Mittelwert zurückkehren. Im Kapitalismus ziehen überdurchschnittliche Gewinnmargen zwangsläufig Wettbewerber an, so dass diese Margen durch die zunehmende Konkurrenz unter Druck geraten. Sinkende Margen lassen perspektivisch die Gewinne sinken und hierdurch reduziert sich der Wert des Unternehmens in der Zukunft. Was die Bewertung des Unternehmens an der Börse und damit seinen Aktienkurs unter Druck setzt. Dieser Mechanismus funktioniert in umgekehrt auch für ehemalige Underperformer, wenn diese ihre Wettbewerbssituation verbessern und steigende Margen und Gewinne aufweisen können.
Kaum verwunderlich ist daher, dass Grantham dem Konzept des ökonomischen Burggrabens ("Moat") hohe Bedeutung zumisst. Denn dauerhafte und starke Wettbewerbsvorteile sich ein Garant für hohe Margen und Gewinne und je länger diese Wettbewerbsvorteile aufrechterhalten werden können, desto länger kann sich das Unternehmen über dem Mittelwert halten und der Kurs weiter steigen.
Vom Value zum Quality Investor
Während die Aktienkurse zu neuen Höchstständen stürmen, hat Grantham vor einiger Zeit die Grundlehren des Value Investings neu interpretiert, genauer gesagt das Prinzip von der Rückkehr zum Durchschnittswert. Dieses besagt, dass überdurchschnittliche Gewinnmargen zunehmend Konkurrenz anzieht, die dann diese Gewinnmargen reduziert. Entsprechendes gilt für Aktien: wenn Aktien deutlich unter oder erheblich über ihrem Durchschnittswert notieren, werden sie sich früher oder später wieder dort einfinden. Auf dieser Basis kann man eine Reihe von Parametern zum Maßstab machen, doch Value Investoren fokussieren sich vor allem auf die Unternehmensgewinne, weshalb das Kurs-Gewinn-Verhältnis eine so beliebte Kennzahl ist. Doch wenn nun die Parameter dauerhaft verschoben sind, sollte man sie dann nicht selbst neu justieren und sich dieser neuen Realität stellen?
Anhaltende Niedrigzinsen erhöhen dauerhaft die Gewinnmargen der Unternehmen
Grantham bejaht dies und weist darauf hin, dass insbesondere das KGV seit 20 Jahren signifikant oberhalb seiner langjährigen Durchschnittswerte notiert. Früher lag der Durchschnitt bei 14, doch seit mehr als 20 Jahren notiert es im Mittel bei 23. Zeit für eine Anpassung der eigenen Überlegungen getreu dem Leitsatz John Maynard Keynes, der sagte: "Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung". Und die Hauptursache der neuen Wirklichkeit ist schnell gefunden. Neben dem schnellen technologischen Wandel ist es vor allem das dauerhaft niedrige Zinsniveau, denn es ließ und lässt die Gewinnmargen der Unternehmen dauerhaft ansteigen; sie liegt seit 1997 bei durchschnittlich sieben Prozent, während sie vorher bei fünf Prozent lag. Und ein nachhaltiges Umkehren von den niedrigen Zinsniveaus ist noch immer nicht abzusehen, daher dürfte dieser Zustand weiter anhalten.
Achte nicht nur auf den Preis, suche nach marktbeherrschenden Unternehmen
Grantham vertritt daher die Auffassung, (auch) Value Investoren sollten nicht sklavisch nach KGVs im niedrigen zweistelligen oder gar einstelligen Bereich suchen, sondern auch höhere KGVs bis 20 in Kauf nehmen. Er zielt vielmehr auf dominierende Geschäftsmodelle ab, auf die marktbeherrschende Stellung der Unternehmen im Wettbewerb, auf ihren ökonomischen Burggraben. Marktdominanz bietet die Aussicht auf steigende Gewinnmargen und daher sollten Anleger auch bereit sein, diesen Unternehmen höhere Bewertungen zuzugestehen.
»Du wirst nicht dafür belohnt, Risiken einzugehen. Du wirst dafür belohnt, günstige Vermögenswerte einzukaufen.«(Jeremy Grantham)
Und hier schließt sich der Kreis und es wird klar, dass Grantham sich nicht etwa vom Value Investing verabschiedet hat, sondern dass er im Grunde "nur" ein weiterer Anhänger des Quality Investings geworden ist. Auch er definiert den Begriff "günstig" neu, um auch künftig herausragende Renditen erzielen zu können. Und solange die Zinsen nicht nachhaltig und deutlich ansteigen, werden auch Value Investoren bei höher bewerteten Unternehmen gute Investmentgelegenheiten finden.
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