Dem kann man entgegenhalten, dass es keine Gesetzmäßigkeiten an der Börse gibt. Auch wenn viele Menschen immer wieder versuchen, die Börse und die Aktienkurse in ein Korsett aus vorhersehbaren Abläufen zu zwängen. Sei es mittels Charttechnik oder aufgrund saisonaler Überlegungen. Und weil viele Leute daran glauben (wollen), scheinen diese Muster und Regelwerke auch zu funktionieren, jedenfalls kurzfristig und an bestimmten Kursmarken. In Summe haben diese Regelungsversuche jedoch zwei grundsätzliche Schwächen: sie leiten aus der Vergangenheit eine Gesetzmäßigkeit für die Zukunft ab und sie blenden völlig aus, dass die Aktienkurse ganz überwiegend von der Psychologie getrieben sind. Und zwar von den Emotionen der Masse. Die emotionale Stimmung, die verschiedene Anleger in der Vergangenheit hatten, kann man jedoch nicht einfach auf die Zukunft fortschreiben. Man muss sich nur einmal mit Anlegern unterhalten, die den Crash 1987 oder 2000 oder 2009 mitgemacht haben. Heute, mit (emotionalem) Abstand und dem Wissen um den weiteren Fortgang der Geschichte bewerten die meisten diese Ereignisse ganz anders als damals. Man findet kaum einen Anleger oder Börsenjournalisten oder Analysten, der 2009 nicht als Einstiegschance des Jahrtausends bezeichnet. Ja, heute. 2009 kaufte niemand Aktien, alle haben unlimitiert auf den Verkaufsknopf gedrückt und die Kurse ins unterste Kellergeschoss geprügelt. Niemand hatte mehr Hoffnung, dass das globale Banken- und Wirtschaftssystem zu retten wäre. Naja, alle außer Warren Buffett, der damals Milliarden investierte und vor allem Bankaktien einsammelte. Und fast jeder kann irgendeine Aktie nennen, die er damals günstig eingekauft hat. Von den vielen anderen, die er zuvor in Panik in den Kursabsturz hinein verramschte, ist kaum mehr die Sprache.
Wir halten also fest, dass es keine Gesetzmäßigkeit an der Börse gibt und dass Emotionen der wichtigste Kurstreiber sind. Wir wissen deswegen aber auch, dass es wieder zu stärkeren Korrekturen und auch zu Crashs kommen wird. Wo Emotionen im Spiel sind, wird es immer Übertreibungen geben, in beide Richtungen. Und ein Crash ist eine solche kollektive Übertreibung.
Wenn man nun aber die Kurse nicht voraussagen kann, dann könnte man zu der irrigen Annahme kommen, es sei egal, was und wann man kaufe. Ganz so hilflos ist man zum Glück nicht, schon ein bisschen logisches Denken hilft einem auch an der Börse enorm weiter. So kann man sich zum Beispiel Gedanken machen, welche Branchen und Produkte bei einer Rezession oder bei einem Crash wohl weniger stark leiden würden. Trinken die Menschen weniger Wasser, wenn es wirtschaftlich bergab geht oder kaufen sie weniger Windeln für ihre Babys? Wohl kaum. Sie sparen an Luxusgütern oder sie kaufen günstigere Produkte und weichen von Markenartikeln auf No-Names aus. Anleger können hieraus die Lehre ziehen, dass diese weniger konjunktursensiblen Werte aller Voraussicht nach auch in Krisenzeiten gute Geschäfte machen und daher ihr Aktienkurs weniger anfällig für starke Rücksetzer ist.
Viele dieser sogenannten defensiven Werte findet man, wenn man sich im Supermarkt genauer umsieht und auf die Verpackungen der entsprechenden Produkte schaut. Nestlé, Unilever, Procter & Gamble, Henkel oder Colgate Palmolive drängen sich da geradezu auf. Nun bietet der Supermarkt aber auch noch andere schöne Sachen, unter anderem Nahrungsmittel: frisch, tiefgefroren oder verarbeitet und verpackt, für jeden ist etwas dabei. Doch auch Nahrungsmittel sind relativ konjukturresistent, denn die Menschen müssen nun mal essen. Auch wenn natürlich auch hier Qualität und Preis von Konjunkturschwankungen beeinflusst werden.
Schauen wir also einmal auf das Thema Ernährung und auf die Entwicklung der Weltbevölkerung. Inzwischen leben mehr als 7,5 Milliarden Menschen auf unserem Globus und pro Jahr werden es 78 Millionen mehr. Jeder einzelne von ihnen benötigt ein Mindestmaß an Essen und Trinken, daher steigt der weltweite Bedarf ständig an. Und da es in den Regionen der Erde mit dem höchsten Bevölkerungszuwachs nicht überall genügend Nahrung gibt, entsteht ein immer stärker werdender Siedlungsdruck in Richtung Norden, in die USA, Kanada, nach Europa. Es wird daher nicht nur in diesen Ländern nach neuen Möglichkeiten gesucht, die Menschen zu ernähren, sondern auch nach Lösungen, wie man sie in ihren Herkunftsländern besser versorgen kann, um sie gar nicht erst zu Flüchtlingen werden zu lassen. Und an dieser Stelle kommen Unternehmen ins Spiel, die sich um Saatgut kümmern. Abgesehen von Monsanto und Bayer, die wohl jeder kennt, gibt es in Deutschland einen Spezialisten auf diesem Gebiet, den SDAX-Konzern KWS Saat aus Einbeck – wo auch das leckere Bier herkommt. Aber das ist eine andere Geschichte…
Kleinwanzlebener Saatzucht
Die Ursprünge von KWS gehen auf das Jahr 1855 zurück und heute ist man Weltmarktführer für Zuckerrübensaatgut. Aber auch im Bereich Mais hat man sich in den letzten Jahren eine starke Marktposition erarbeitet. Da die Hauptmärkte des Unternehmens auf der nördlichen Halbkugel liegen, ist die wichtigste Jahreszeit der Frühling; hier werden dann Mais und Zucker ausgesät. Das Geschäftsjahr weicht vom üblichen Jahreszyklus ab und endet zum 30. Juni, während KWS aufgrund der Saisonalität seines Geschäfts nur rund ein Fünftel seiner Umsätze im ersten Halbjahr erzielt und daher in diesem Zeitraum traditionell rote Zahlen schreibt.
KWS Saat (Quelle: wallstreet-online.de)
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Das Zuckerrübengeschäft konnte vor allem in Osteuropa wachsen und der Bereich Mais erlebte in Südamerika geradezu einen Boom. Beide Entwicklungen kamen KWS Saat gut zu pass. Da man viele Auslandsmärkte bedient, ist man natürlich auch von Wechselkursschwankungen stärker betroffen. Die Aufwertung des brasilianischen Real half KWS im letzten Jahr zusätzlich. Maßgeblicher Treiber waren jedoch auch in Brasilien die Ausweitung der Anbauflächen für Mais.
Beim Zuckerrohr gibt es erhebliche Bewegungen, da die anstehende Änderung der Zuckermarktordnung und die Entwicklung des globalen Zuckerpreises zu einer erheblichen Ausweitung der Anbauflächen führte und somit zu einer deutlichen Steigerung der Erlöse bei KWS. Und das, obwohl in diesem Segment im Vorjahr noch das Pflanzkartoffelgeschäft enthalten war, das man aufgrund anhaltender Defizite inzwischen verkauft hat. Positiv auf das Ergebnis wirkt auch auch aus, dass KWS merklich an den eignen Verwaltungskosten geschraubt hat.
Was wird…
KWS ist in zwei sehr aussichtsreichen Segmenten unterwegs. Mais dient nicht nur als Nahrungsquelle, sondern wird auch zur Energiegewinnung und beim Bio-Sprit eingesetzt. Und Zucker erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Dabei sollte man die überwiegend in den Wohlstandsgesellschaften geführte Diskussion um Fettleibigkeit und eine Reduzierung des Zuckerkonsums nicht überbewerten, denn in allen anderen Regionen der Welt geht es vielmehr darum, möglichst viele Menschen mit einer möglichst hohen Kaloriendichte zu versorgen. Fettleibigkeit ist in Afrika und weiten Teilen Asiens eher ein Randproblem und Zucker weiterhin ein gefragter Energieträger. Daher sollte die starke Nachfrage nach Maissaatgut nicht nur Südamerika und die allgemein zunehmende Nachfrage nach Zuckerrübensaatgut weiter anhalten.
Darüber hinaus beschäftigt sich KWS Saat aber auch intensiv mit umweltfreundlichem und flexiblerem Anbau. Gemeinsam mit dem Bayer-Konzern entwickelt man unter den Namen Conviso Smart ein neues Anbausystem für Zuckerrüben und die hieraus gezüchteten Sorten sollen eine bessere Unkrautbekämpfung mit reduzierten Pestizidmengen ermöglichen. Erste Lizenzen wurden bereits vergeben und die neue Technik wird im kommenden Jahr vor allem Landwirten in Nord- und Osteuropa zur Verfügung gestellt, während Polen, Frankreich und Deutschland im darauffolgenden Jahr folgen. Auch das Produkt Saatgut unterliegt ständigen Verbesserungsnöten und KWS investiert daher nicht wenig in Forschung und Entwicklung.
KWS-Aktien als Anlage
KWS Saat ist eher ein unbeachteter Wert auf dem deutschen Kurszettel, trotz seiner Zugehörigkeit zum SDAX. Es gehen nicht allzu viele Stücke um, was auch an der gefestigten Eigentümerstruktur liegen dürfte. So halten die Familien Giesecke, Büchting und Arend Oetker zusammen die Aktienmehrheit mit 54,5 Prozent und die Tessner Beteiligungs GmbH bindet weitere 15,4 Prozent. Der Streubesitzanteil liegt also bei nur 30 Prozent. Darüber hinaus ist das Geschäftsfeld Saatgut auch nicht wirklich spannend und phantasieanregend für die Boulevardpresse. Diese mangelnde Aufmerksamkeit macht im Umkehrschluss die Aktie von KWS Saat geradezu zu einer klassischen und soliden Langfristinvestition.
Dividendenfans wird KWS allerdings nicht in große Verzückung versetzen, auch wenn auf der Hauptversammlung am 14. Dezember die Dividende um 20 Cents auf 3,20 Euro angehoben werden soll. Die Rendite schafft es dennoch nicht über 1 Prozent. Aber irgendwas ist ja immer…
Sehr gut, da hast du einen Blick auf ein Unternehmen ganz nach meinen Geschmack geworfen. KWS Saat werde ich mir sicher bald genauer ansehen. Hast du dich schon mal mit Agrana beschäftigt, die sind in einer ähnlichen Branche unterwegs?
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