Dienstag, 3. Oktober 2017

Panikverkäufe: Steckt Genworth Financial jetzt in der Schuldenfalle?

Der US-Versicherer Genworth Financial Inc. (GNW) wird seit einer gefühlten Ewigkeit von der chinesischen China Oceanwide übernommen. Die Konditionen sind fix, die Aktionäre haben der Übernahme mit breiter Mehrheit zugestimmt, es fehlen nur noch einige staatliche bzw. regulatorische Genehmigungen. Und seit gestern ist das "Nur" wieder größer geworden, nachdem zuletzt die Aufsicht aus Virginia grünes Licht für den Deal gegeben hatte.

Was ist passiert?
Nicht viel. Genworth Financial und Oceanwide haben - erneut - ihren Antrag beim Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) zurückgezogen. Das CFIUS ist entscheidend bei Übernahmen von US-Unternehmen durch ausländische Investoren. Und tut sich schwer mit der Entscheidung. Die beiden Partner haben erklärt, an der Übernahme festzuhalten und beim CFIUS einen neuen (den dann dritten) Antrag einzureichen. Dann hat man erneute 30 Tage zzgl. einer Nachfrist von 45 Tagen Zeit, die noch bestehenden Fragen und bedenken zu klären bzw. auszuräumen.

Bis hierhin handelt es sich lediglich um eine weitere, ärgerliche Verzögerung. Der Knackpunkt sind aber die weiteren Ausführungen, die GNW in seinem Statement macht. So sagte Tom McInerney, Präsident und CEO von Genworth:
"At the same time, we are evaluating options to address our upcoming debt maturities and preserve the value of our businesses in the event the transaction with Oceanwide cannot be completed. We have approximately $600 million of debt that matures in May 2018, with no additional maturities until 2020. Options to address the 2018 debt maturity in the absence of a transaction with Oceanside include potential refinancing alternatives, current holding company cash, and/or potential asset sales."
Und das ist der Punkt, wo das Schwein durch den Knick bricht und der Aktienkurs ins Schlingern geriet.


Zunächst sorgt für Verunsicherung, dass beide Partner nun davon sprechen, ggf. einen dritte (amerikanische) Partei mit ins Boot zu holen. Schaut man nun auf die Aussagen des CEO, dann treibt diesen die Verzögerung schon um. Denn der Übernahme-Deal beinhaltet auch einen kräftige Finanzspritze an GNW, um die Liquidität losgelöst von Finanzierungsfragen sicherzustellen. Kommt die Übernahme nicht, dann könnte GNW ein Problem bekommen. Denn im Mai 2018 muss GNW 600 Mio. Dollar Schulden zurückzahlen, danach erst wieder in 2020. Unter normalen Umständen würde man das einfach durch eine Anschlussfinanzierung, also neue Kredite und/oder eine neue Anleihe erledigen. Nun steht GNW aber nicht so solide dar, insbesondere aufgrund der hohen Verluste, die das LTC-Business (die privaten Pflegeversicherungspolicen) in den letzten Jahren eingespielt hat. Die aktuelle Liquidität könnte gerade mal ausreichen, um die Schulden von 600 Mio. Dollar zu bedienen. Aber GNW muss ja auch weiter liquide sein, um sein Geschäft betreiben zu können.

 Genworth Financial (Quelle: wallstreet-online.de
Daher deutet CEO McInerney an, dass GNW neben der Aufnahme neuer Schulden auch andere Optionen prüft. Wie das Abbauen von Assets. Hierbei geht es wohl vor allem um Hypothekenpapiere und/oder die beiden Mortgage-Töchter aus Kanada und Australien. Schwierig wird die Situation momentan besonders, weil der Mortgagebereich aktuell in die Knie geht aufgrund der starken Verwüstungen wegen des Hurricanes Harvey. Sollte man hier also Assets verkaufen (müssen), ginge dies wohl mit einigen Abschlägen einher. Wenn sich denn so kurzfristig überhaupt Abnehmer finden.

Meine Einschätzung
Die Bedenken bzgl. der Refinanzierung sind durchaus ernstzunehmen. Illiquidität ist ein Insolvenzgrund. Kommt die Übernahme, ist alles gut und die Aktionäre erhalten 5,43 Dollar je Aktie. Kommt die Übernahme nicht, muss GNW auf eigenen Füßen stehen. Normalerweise sollte die Refinanzierung der 600 Mio. Dollar kein großes Problem sein, es ist aber eben nicht auszuschließen, dass man das Geld nicht zusammenbekommt. Und dies ist wohl der Knackpunkt, der die Anleger dazu veranlasst hat, Genworth-Aktien panisch und unlimitiert abzustoßen. In der Spitze gab der Wert knapp 20 Prozent nach.

Genworth Financial ist weiterhin deutlich mehr wert als die gebotenen 5,43 Dollar. Aber das Refinanzierungsrisiko und die damit einhergehende Insolvenzgefahr sind nicht von der Hand zu weisen. Das Chance-Risiko-Verhältnis hat sich durch die erneute Verzögerung und die damit verbundenen zusätzlichen Schwierigkeiten verschlechtert. Dennoch glaube ich, dass GNW diese Probleme meistern wird und halte an meinem Investment-Case fest. Genworth Financial. Dieser erneute Kursrücksetzer könnte sich als weitere lukrative Möglichkeit für hartgesottene Turnaround-Spekulanten mit ausgeprägter Risikoaffinität erweisen.

Genworth Financial befindet auf meiner Empfehlungsliste und in meinem Depot.


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ERGÄNZUNG VOM 04.10.2017, 22:12

▸ Regulierungsbehörde von North Carolina genehmigt Übernahme

Die Regulierungsbehörde für Versicherungen des Staates North Carolina hat heute der Übernahme von Genworth Financial Inc. durch China Oceanwide die Genehmigung erteilt.

11 Kommentare:

  1. Die Regulierungsbehörde für Versicherungen des Staates North Carolina hat heute der Übernahme von Genworth Financial Inc. durch China Oceanwide die Genehmigung erteilt.

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  2. sehr schön, ein weiterer Schritt, aber es fehlt noch CFIUS, korrekt?!

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    1. Das CFIUS ist die entscheidende Behörde und da hat man ja gerade seinen Anrtrag erneut zurückgezogen und plant eine Neueinreichung.

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  3. es bleibt spannend....

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  4. Und jetzt auch South Carolina - Hat jemand eine Übersicht wer da noch alles zustimmen muss (außer CFIUS) ?
    Quelle: http://newsroom.genworth.com/2017-10-09-South-Carolina-and-Vermont-Regulators-Approve-Proposed-Oceanwide-Acquisition-of-Genworths-Domiciled-Insurance-Companies

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  5. Auf Seeking Alpha gibt es ebenfalls ein Update und sieht den Investmentcase weiter intakt.

    https://seekingalpha.com/article/4112472-genworth-50-percent-upside-merger-arbitrage-stock

    Grüße Tobias

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  6. Hallo Michael,

    danke für deinen Artikel nach dem Kurseinbruch, hat mir geholfen die Nerven zu bewahren ;)

    Eine Frage hätte ich:

    Wird eine Barabfindung (im Fall der Übernahme) steuerlich genauso behandelt wie ein "normaler" Kursgewinn, oder bestehen da Unterschiede?

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    1. Es bleiben weiterhin Kapitalerträge und somit wie gehabt KeSt+Soli.

      Grüße
      Tobias

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  7. Ätzend! Der Übernahmepoker bei Genworth Financial geht in eine weitere Verlängerung. GNW und Oceanwide haben ihre Vereinbarung für die Übernahme zu $5,43 je Aktie nochmals verlängert. Sie gehen beide davon aus, zeitnah alle nötigen Genehmigungen zu erhalten. Für die wichtigste, die seitens der CFIUS, wird man den nötigen Antrag stellen unter Einbeziehung einer dritten US-Partei. (zur Originalmeldung)

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  8. Moin Michael!

    Mir ist schon klar, dass du folgende Frage nicht beantworten kannst, aber hast du ein Gefühl, wie die noch offenen Staaten reagieren, selbst wenn CFIUS vielleicht zum 01.04.18 grün gäbe...?

    "In addition to clearance by CFIUS, the closing of the proposed transaction remains subject to the receipt of state-level regulatory approvals that are pending in Delaware and New York, as well as regulatory reviews in China and other international jurisdictions and other closing conditions. "

    Grüße, Toni
    ...und frohes Neues nachträglich und Danke für deinen enormen Input!

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    1. Das Delaware Department of Insurance hat sich ja gerade dazu geäußert und darauf hingewiesen, dass "das bedeutendste verbleibende Problem eine Vereinbarung über die Bewertung der verbleibenden Unternehmen ist, wenn das Lebensversicherungsunternehmen, wie derzeit vorgeschlagen, vom Unternehmen für Langzeitpflege getrennt wird". Hier werden Genworth Financial und Oceanwide noch Daten liefern müssen, dann sollte der Genehmigung nichts mehr im Wege stehen. Haupthinderungsgrund sehe ich weiter bei der CFIUS und dort scheint es nach Auffassung von GNW vor allem um den Schutz der personengebunden Daten der US-Versicherten zu gehen. Im letzten Statement führen GNW/OWC dazu aus, dass sie dieses Problemfeld überarbeiten und dann den neuen Antrag bei der CFIUS einreichen werden. Auch deshalb haben beide Partner ihren Fusionsvertrag bis April verlängert.

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