Samstag, 6. Mai 2017

27 Prozent Gewinnrückgang: War Buffett wirklich so schlecht? Und was läuft da mit IBM?

Es ist die Zeit der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway, dem Investmentvehikel von Börsenlegende Warren Buffett. Zu Zigtausenden pilgern die Aktionäre ins "Woodstock der Kapitalisten", um das 86-jährige "Orakel von Omaha" live zu erleben. Mit etwa 20% durchschnittlicher Jahresrendite in den letzten 52 Jahren hat es Buffett mit seinem Value Investing Stil immerhin zum drittreichsten Menschen der Welt gebracht. Und gerade noch rechtzeitig zum großen Ereignis veröffentlichte Berkshire Hathaway seine Zahlen zum ersten Quartal 2017 - und muss einen Gewinnrückgang um 27% gegenüber dem Vorjahresquartal vermelden. Hat Warren Buffett trotz der Rallye an den Börsen sein Gespür verloren, wie einige Kommentatoren meinen?

Verglichen mit dem Vorjahreswert fiel der Überschuss der ersten drei Monate um 27% auf gut 4 Mrd. Dollar und der operative Gewinn sank um 5% auf 3,56 Mrd. Dollar. Der massive Gewinnrückgang ist Fakt, doch ein genauerer Blick auf die Zahlen lohnt dennoch. Denn im ersten Quartal des Vorjahres gab es starke Sonderfaktoren, genauer gesagt aufgrund der Übernahme von Precision Castparts für 37 Mrd. Dollar und vor allem von Duracell als Tausch gegen den Anteil an Procter & Gamble fielen hohe Einmalgewinne an. Will man Buffetts Erfolg anhand der Gewinne beurteilen, muss man diese Effekte fairer Weise herausrechnen.


Versicherungssparte stottert
Daneben hat vor allem die Versicherungssparte im ersten Quartal etwas gestottert. Der Kfz-Direkteversicherer Geico war sehr erfolgreich bei der Neukundenakquise, das wiederum kostet zunächst erst einmal Geld, bringt aber auf mittlere und lange Sicht Deckungsbeiträge und Gewinne. Und die beiden Rückversicherungseinheiten General Re und BH Reinsurance Group fuhren einen Verlust ein, insgesamt 379 Mio. Dollar. Deren Business ist jedoch in Quartalen schwer zu greifen, weil gerade Unwetterschäden saisonal auftreten und die Prämien über das Jahr geglättet eintrudeln.

Des Weiteren ist zu beachten, dass Berkshire Hathaway ja eine Beteiligungsgesellschaft ist, die nicht nur über große Aktienpakete an börsennotierten Gesellschaften verfügt, sondern auch eine Vielzahl von Tochterfirmen in der eigenen Bilanz konsolidiert, die nicht (mehr) an der Börse notieren. Wie die die genannten Precision Castparts, Duracell, General Re, Geico, BH Energy (ehemals MidAmerican Energy) oder die Eisenbahngesellschaft Burlington Northern Santa Fe (BNSF). Und gerade Bei BNSF, die zuletzt unter den stark gesunkenen Kohlefrachtraten gelitten hatte, lief es wieder besser. So stiegen die Vorsteuergewinne im Jahresvergleich um 7%, nachdem es eine Steigerung beim Volumen um 6,4% gegeben hatte und eine Erhöhung der Umsätze von 2,7% pro Waggon.

Allerdings gibt Buffett ohnehin nicht viel auf Quartalsergebnisse, er ignoriert sie sogar weitgehend. Für Buffett ist die langfristige Unternehmensentwicklung maßgeblich, daher rät er, vor allem die jährlichen Geschäftsberichte zu studieren. Buffett selbst achtet daher nicht zuvorderst auf den Gewinn, sondern er orientiert sich am Buchwert und an der Eigen- und Gesamtkapitalrendite. Für Buffett zählt ein hoher Cashflow, weil er diesen für neue Firmenübernahmen und Aktienkäufe verwenden kann.

Big Flops: Tesco und IBM
Operative Erfolge und Gewinne gefallen Buffett bei seinen Investments allerdings schon. Als es beim britischen Einzelhandelsgiganten Tesco nicht lief, warf er die Aktien komplett aus dem Depot. Später bezeichnete er Tesco als seinen wohl größten Fehler. Und in Bezug auf sein Investment in IBM, das er seit 2011 immer weiter ausgebaut hat, scheint (endlich) ein Umdenken bei Buffett erfolgt zu sein. Denn er hat seinen Anteil um ein Drittel auf knapp 50 Mio. Anteile gesenkt und es ist davon auszugehen, dass er sich irgendwann aller seiner IBM-Aktien entledigen wird - er hat zwar verkündet, "er glaube nicht", demnächst weitere IBM-Aktien zu verkaufen, aber das wäre nach der 180-Grad-Kehrtwende in seiner Einschätzung ja mehr als inkonsequent. IBM nahm zum Jahreswechsel mit gut 81 Mio. Aktien noch einen Anteil von mehr als 9% in Buffets Aktienportfolio ein und er hielt immerhin 8,6% aller IBM-Anteile. Aufgrund der massiven Aktienrückkäufe seitens IBM sogar ohne eigenes Zutun mit steigender Tendenz.

 Berkshire Hathaway (Quelle: finanzen.net
Ich hatte Buffetts Engagement bei IBM nie wirklich nachvollziehen können und mich dem entsprechend immer wieder mal kritisch dazu zu Wort gemeldet. Zwanzig Quartale in Folge mit Umsatzrückgängen haben nun auch Buffett zermürbt und es waren nur wenige Worte, mit denen er bei CNBC seine Kehrtwende begründete. Aber die haben es in sich. Denn Buffett sagte, er bewerte IBMs Marktstellung nicht mehr so wie 2011 bei seinem Einstieg. IBM sehe sich immer stärkerer Konkurrenz ausgesetzt und können sich hier nicht wirklich durchsetzen. Mit anderen Worten: Buffett sieht den Burggraben von IBM schwinden und genau dieser war es, der Buffett in IBM gelockt hat. IBM kann gegen Amazon, Alphabet und Microsoft in der Cloud nicht wirklich punkten und die Unzufriedenheit der Kunden mit IBM nimmt immer mehr zu. Der Burggraben versandet und die Gegner treten bereits das Burgtor ein. Daher packt Buffett seine Koffer und verlässt den schwankenden Riesen. Gekauft hat er seit 2011 zu durchschnittlich 170 Dollar und die jetzt veräußerten 30 Mio. Anteile konnte er für knapp 180 Dollar losschlagen. Inkl. der vielen zwischenzeitlich erhaltenen Quartalsdividenden war das IBM-Engagement für Buffett also kein Verlustgeschäft. Sieht man allerdings die Entwicklung der Börsen in den letzten sechs Jahren, hätte es viele andere und vor allem bessere Investments gegeben. IBM war also ein absoluter Underperformer. Buffett geht nun wohl ebenfalls davon aus, dass dies auch künftig so bleiben wird und verkauft.

Allerdings löst der Verkauf der IBM-Anteile nicht alle von Buffetts Problemen. Denn er sitzt bereits jetzt auf einem riesigen Berg an Cash, den er nicht investieren kann, weil ihm die Gelegenheiten fehl(t)en. Und nun kommen etliche Milliarden aus den IBM-Aktien zu den bereits vorhandenen rund 90 Mrd. Dollar hinzu und verschärfen die Misere. Denn nicht investiertes Kapital bringt keine Rendite. Buffett sagte hierzu, er und Charlie Munger seien auf der Suche nach einer wirklich großen Übernahme. Und wenn ein großer Deal komplett Sinn ergäbe (es müssen also Business, Management und Preis stimmen), würden sie zuschlagen.

Wir werden also abwarten, was Buffett im ersten Quartal an Zukäufen getätigt hat (er muss ja bald das vierteljährliche Formular 13F bei der SEC einreichen) und darüber hinaus wird am Markt spekuliert, Buffett könne eine oder sogar zwei Mega-Übernahmen im zweistelligen Milliardenbereich planen. Lassen wir uns also überraschen, was der Meister demnächst alles so aus seinem Hut zaubert. Mit der Kursperformance der letzten 12 Monate können Anleger jedenfalls zufrieden sein, denn der Aktienkurs legte auf Dollarbasis immerhin um 16 Prozent zu. In Euro sogar noch etwas mehr.

Meine Einschätzung
Berkshire Hathaway befindet sich auf meiner Empfehlungsliste. Die starke Abhängigkeit vom Versicherungsgeschäft birgt meines Erachtens ziemliche Risiken, doch die eingeläutete Zinswende in den USA wird den Versicherern dort das Leben wieder leichter machen. Buffett selbst sagte über diese Sparte, dass sie in den nächsten Zehn Jahren "nicht mehr so gut laufen werde wie in den letzten 30 Jahren". Das Chance-Risiko-Verhältnis in diesem Bereich hat sich jedenfalls zuletzt wieder verbessert - auch deshalb habe ich Berkshire Hathaway seit einigen Wochen wieder mit einem Kauf-Votum versehen.

Auch die zuletzt schwächelnde Eisenbahnsparte, die Tochter BNSF, könnte sich fangen, da sie stark vom Transport von Kohle und für die US-Öl- und Schiefergasindustrie abhängt. Und hier sorgt Donald Trump momentan für Goldgräberstimmung, so dass sich dies positiv auf das Geschäft von BNSF auswirken könnte. Da man aber viele Güter aus Mexiko in die USA transportiert, würden Zollbarrieren und/oder Reisebeschränkungen eher dämpfen.

Unterm Strich stellt Berkshire Hathaway ein gutes Investment für langfristig orientierte Anleger dar. Sie ist inzwischen wie ein Fonds der erfolgreichsten Unternehmen der USA, garniert mit einer Reihe von nicht börsennotierten Mittelstandsperlen.

7 Kommentare:

  1. Danke für den Artikel. Ich war erst mal erstaunt, dass WB sein IBM-Engagement abbaut. Der Burggraben mag schwinden und ich muss mir überlegen, was meine Kriterien sind. Ich sehe eine große Chance bei Watson (KI). Die Dividende passt mir auch, daher behalte ich meine 39 Stück vorerst. Ob das nun richtig oder falsch ist, werde ich in 5 Jahren erst wissen.

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    1. Watson ist sicherlich eine großartige Sache und Chance für IBM. Allerdings ist IBM nicht nur Watson und KI, sondern eben vor allem das übrige Geschäft: Business Solutions für Großkunden. Und das schwächelt und verliert relativ gegen die Konkurrenz.Amazon (AWS), Microsoft und Google kaufen IBM immer mehr den Schneid ab und IBM hat vor allem die "Old Economy" als Kunden. Die stehen aber selbst unter Druck durch die neuen, innovativen und bisweilen disruptiven Großen und daher müsste IBM kräftig Neugeschäft an Land ziehen, um das mittel- und langfristig ausgleichen zu können. Das passiert aber nicht in ausreichendem Maße, so dass IBM auch in den neuen und zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern immer mehr den Anschluss verliert. Hier ist kein Aufbäumen, kein Umschwung in Sicht. Und daher steigt Buffett nun wieder aus. Und ich gar nicht erst ein. ;-)

      P.S.: Tausche doch Deine IBM gegen Corning, die würden Deinem Depot gut zu Gesicht stehen. Habe die gerade in meiner jüngsten Kolumne für das Aktien Magazin (noch nicht veröffentlicht) unter die Lupe genommen.

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  2. Danke für den Artikel. Wie immer lesenswert.
    Ich habe auch nicht ganz verstanden warum WB so lange in IBM geblieben ist. Meiner Meinung nach hat die Aktie schon seit einigen Jahren aus Sicht eines Value Investors nicht mehr allzu viele Argumente geliefert. Das KBV ist relativ hoch und die Eigenkapitalquote gering. Klar wurden die Dividenden trotzdem weiterhin Jahr für Jahr erhöht aber langsam scheinen sich viele Investoren zu fragen, wie lange das bei rückläufigen Umsätzen in Zukunft noch der Fall sein wird. Viele Grüße, Stefan

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  3. Alexander aus Buxtehude07.05.17, 13:13

    Hallo Michael!
    Ich verfolge seit ca. 2 Monaten Deinen Blog und habe viele Anregungen aufgenommen. Angesichts der hohen Bewertung von US-Aktien fällt es mir sehr schwer, "günstige" Value-Titel herauszusuchen. Ich habe deshalb einige Sparpläne mit mtl. Raten begonnen und mache mir wegen des Timings keine Gedanken mehr. Bei der Suche sind mir die IBM auch negativ aufgefallen. Ich sehe aber auch bei anderen Klassikern Probleme wie z.B. Coca Cola, Pepsico, Caterpillar oder Mc Donalds.Ich finde es erschreckend, wie niedrig deren EK-Quoten sind. Man sollte doch eigentlich annehmen, dass diese etablierten Unternehmen quasi schuldenfrei operieren können. Die hohe Dividendenkontinuietät und die Aktienrückkaufprogramme gehen zu Lasten der Bilanzqualität. Bei stark steigenden Zinsen werden diese Wert massiv einbrechen. Da lobe ich mir Unternehmen wie Walt Disney, P&G, J&J, Starbucks oder Cisco (letztere sogar mit akzeptablen KGV)mit EK-Quoten von 40-50%. Ich glaube, die werden in einer Baisse weniger stark fallen. Viele Grüße Alexander

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    1. Hohe Eigenkapitalquoten sind ein gutes Zeichen, denn in Krisen sind diese Unternehemen wesentlich solider positioniert als solche, die sich dann ggf. neue Fremdmittel besorgen müssen. In Boomzeiten bringt ein hoher Leverage Extraprofite, in Krisen vielleicht sogar die Pleite. Daher sollte Sicherheit vorgehen.

      Bei vielen großen und international tätigen US-Unternehmen, vor allem aus dem Tech-Bereich, ist in den letzten Jahren die Verschuldung massiv angestiegen, obwohl die Cashflows dies nicht nötig gemacht hätten. Aber z.B. Apple oder Microsoft haben enorme Summen an neuen Schulen aufgenommen, um damit Dividenden und Aktienrückkäufe zu bezahlen. Hintergrund ist, dass sie einen erheblichen Teil ihrer Gewinne außerhalb der USA machen und dort durch Steuertricks fast keine Steuern darauf zahlen. Transferieren sie aber diese Gelder in die USA müssten sie den dortigen Körperschaftssteuersatz von 35% bezahlen. Deshalb sammeln sie außerhalb der USA immer mehr Cash an, während sie in den USA immer Schulden machen. Diese Unternehmen wären daher die größten Profiteure, wenn Trump wirklich eine Einmalsteuer von 10% auf diese Gewinne einführen würde, damit die Unternehmen sie zurück in die USA holen. In Summe geht es um zwei bis drei Billionen Dollar und damit um in der Spitze 300 Milliarden Dollar Zusatz-Steuereinnahmen. Und für die Unternehmen um eine Steuerersparnis von bis zu 750 Milliarden Dollar. Apple, Alphabet, Amazon, Microsoft, Cisco, P&G, GE, J&J, Starbucks... sie wären die großen Gewinner. Und mit ihnen die Aktionäre.

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  4. Lasst euch doch nicht von Buffet hinters Licht führen. Oder habt ihr seinen Coop mit Phillips 66 schon vergessen? Glaubt ihr allen ernstes, dass wenn er Zweifel an einem Unternehmen hätte, er nur ein Drittel verkauft hätte und dieses vorzeitig den Reportern gesteckt hätte? Er versucht den Kurs niedrich zu halten, damit IBM die Aktien günstig zurück kaufen kann. Als er damals die ersten Aktien gekauft hat, hat er gesagt dass er sehr froh wäre, wenn IBM sehr lange Zeit unter 200 $ stehen würde, damit IBM eigene Aktien günstig zurückkaufen kann und somit sein Anteil am Unternehmen weiter ansteigt. Ich wäre nicht verwundert, wenn er jetzt zu den günstigen Kursen richtig zuschlägt wie bei Philips 66.

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    1. Ich glaube nicht, dass Buffett bei IBM vorgeht wie bei Phlillips 66. Er hat ja begründet, weshalb er IBM den Rücken kehrt. Und 81 Mio. Aktien kann man nicht "mal eben so nebenbei" über die Börse verkaufen, das dauert schon einen ganze Weile. Deshalb hat er noch einen Bestand - ich denke, den wird er auch weiter abbauen.

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