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Freitag, 6. April 2018

Weshalb Anleger lieber nicht auf offene Immobilienfonds setzen sollten

Offene Immobilienfonds schließen - eine Nachricht, die vor einigen Jahren Empörung, Wut und Insolvenzen bei Privatanlegern in Deutschland ausgelöst hat. Und zwischenzeitlich machten erneut offene Immobilienfonds ihre Schotten dicht. Allerdings nicht aufgrund zu hoher Mittelabflüsse, sondern weil Anleger sie mit frischen Geldern geradezu überschütten. "Stupid Money", dummes Geld, muss man leider sagen...

Nun ist das Konstrukt eines offenen Immobilienfonds theoretisch ein ganz tolles. Anstatt zur Kapitalanlage Einzelimmobilien mit ihren wenigen Vor- aber vielen Nachteilen zu kaufen, gibt man das Geld lieber einem Investmentfonds, der diese Gelder sammelt und in größere Projekte investiert. Man profitiert so von der Expertise der Fondsmanager und das eigene Geld steckt nicht in einem Einzelinvestment, sondern gestückelt in einer Vielzahl von Liegenschaften. Das streut das Risiko. Und im Gegensatz zu geschlossenen Fonds, bei denen man während der Laufzeit nicht an sein Geld kommt, kann man bei offenen Immobilienfonds jederzeit seine Anteile bei der Fondsgesellschaft gegen Geld eintauschen und bei börsennotierten Fondsanteilen sogar tagesaktuell über die Börse verkaufen. Verlockende Aussichten, um am Immobilienboom teilhaben zu können.

Jedenfalls solange alles reibungslos läuft. Vor neun Jahren war das nicht (mehr) so. Es gab die Immobilienkrise in den USA, an die sich die Banken und Staatsschuldenkrisen anschlossen. Die größte globale Finanzkrise seit der großen Weltwirtschaftskrise von 1929. Anleger zogen reihenweise ihre Gelder aus den Immobilienfonds ab und hier zeigte sich den Konstruktionsfehler, das falsche Versprechen. Denn die Fonds konnten bereits seit kurzer Zeit keine Gelder mehr auszahlen, die Fonds wurden einfach zwangsweise geschlossen. Anleger saßen somit auf Anteilsscheinen, die stündlich an Wert verloren, da immer mehr Immobilien in die Zwangsversteigerung liefen. Die offenen Immobilienfonds wurden geschlossen, ihr Versprechen wandelte sich eine Lüge. Und das war absehbar...!

Jeder Banklehrling und jeder BWL-Student im ersten Semester kennt bereits das Thema Fristenkongruenz. Und jeder Anleger an der Börse sollte es kennen, es ist ein Kernelement der Risikoanalyse bei Unternehmensbewertungen. Langfristige Investitionen sollten (müssen!) langfristig finanziert sein! Immobilien sind langfristige Investitionen, die 40, 50 oder mehr Jahre bestehen. Wer sie auf unter Aufnahme von Krediten, also fremdfinanziert, kauft, sollte im Idealfall die Zinsen des Kredits für die Zeit festschreiben, bis der Kredit vollständig abgelöst ist. Die meisten Menschen machen das nicht, weil man für lange Zinsbindungen höhere Zinssätze berappen muss, als für kürzer Laufzeiten. Für viele ist es also eine Frage der Wirtschaftlichkeit und der Erwartung hinsichtlich der Zinsänderungen. Dabei dürfte diese Überlegung gar nicht stattfinden, denn sie fußt auf einem fatalen Irrtum: dem Irrglauben, man würde auf jeden Fall eine Anschlussfinanzierung erhalten. Wer seinen Immobilienkredit nur für 5 oder 10 Jahre abschließt, hat im Anschluss noch eine hohe Restschuld. Die muss er dann neu finanzieren! Die Bank ist nicht verpflichtet, den Kredit zu verlängern (zu dann gültigen Konditionen). Daher darf man auch nicht davon ausgehen, dass man immer eine neue Finanzierung erhält.

Was das mit offenen Immobilienfonds zu tun hat? Tja, die Gelder der Fondsanleger sind Fremdmittel für den Fonds. Und sie sind ja täglich rückzahlbar, während mit ihnen langfristige Investitionen bezahlt werden: Immobilien. Klingelt's?

Genau, solange nur wenige Anleger gleichzeitig ihr Geld zurück wollen, reichen die liquiden Reserven der Fonds hierfür aus. Zumeist gibt es ja auch andere Anleger, die Fondsanteile erwerben. Zum Problem wird es dann, wenn viele Anleger gleichzeitig an ihr Geld wollen. Weil der Fonds das dann nicht leisten kann. Die Gelder stecken in Immobilien und um Anlegern ihr Geld zurückzahlen zu können, müsste er erst diese Immobilien verkaufen. In einem gut funktionierenden Markt kann das evtl. innerhalb weniger Wochen und Monate geschehen, aber wenn der Markt schwächelt oder gar wieder abstürzt, dann werden Immobilien zu unverkäuflichen Ladenhütern. Und Anleger bekommen ihr Geld nicht mehr zurück, während "ihre" Immobilien immer mehr an Wert verlieren. Daher sind offene Immobilienfonds nur so lange offen, wie es keine Krise gibt. Das hohle Versprechen bleibt hohl. Die vermeintliche Sicherheit, jederzeit an sein Geld zu kommen, existiert in der Praxis nicht.
»In der Theorie sind Theorie und Praxis gleich. In der Praxis sind sie es nicht.«
(Yogi Barra)
Zwar wurden 2013 Änderungen eingeführt, so dass Anteilrückgaben bei Immobilien-Sondervermögen erst nach Ablauf einer Mindesthaltefrist von 24 Monaten möglich sind und nur unter Einhaltung einer Rückgabefrist von zwölf Monaten durch eine unwiderrufliche Rückgabeerklärung gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft. Doch wurden diese Änderungen zum Schutz der Immobilienfonds eingeführt und haben aus Sicht des Anlegers die Situation nicht wirklich verbessert. "Offen" sind die Fonds nämlich weiterhin nicht, der Anleger kann nämlich nicht jederzeit über sein Geld verfügen, er ist noch immer eingeschränkt. Und ob die Neuregelungen in einer ernsthaften Immobilienkrise, wie sie 2008/2009 vorlag, greifen, darf auch bezweifelt werden. Die Grundproblematik bleibt nämlich bestehen: wenn zu viele Anleger zu viel Geld gleichzeitig zurückhaben wollen, dann kann der Fonds dieses nicht leisten. Weil das Geld in Immobilien steckt, die nicht auf die Schnelle zu Geld gemacht werden können, wie börsennotierten Wertpapiere (wenn ggf. eben auch mit Kursverlusten).

Und die Fristenkongruenz ist eben auch nicht gewahrt, wenn man Immobilien mit Anlagehorizont von 20 Jahren und länger mit einer einjährigen Rückzahlungssperre belegt. Das ist nur Augenwischerei, das Vorgaukeln einer nicht real existierenden Sicherheit. Man hat also einen Fahrsicherheitsassistenten installiert mit dem Fahrverhalten eines Rallyefahrers.

Schaue zuerst auf das Risiko und danach erst auf die möglichen Chancen

Geldanlagen in sog. offenen Immobilienfonds widersprechen also der goldenen Investmentregel Benjamin Grahams, zuerst an die Risiken zu denken und erst im Anschluss daran auf die mögliche Rendite. Die Risiken bei offenen Immobilienfonds sind latent und sie sind systemimmanent!

Nun ist es nachvollziehbar, dass Anleger in Zeiten von Negativzinsen und boomenden Immobilienmärkten ihr Geld rentierlich anlegen wollen. Aber doch bitte mit Verstand und dem Blick auf die Risiken! Man muss doch aus den Fehlern der Vergangenheit etwas lernen, zumal diese Vergangenheit noch keine 10 Jahre her ist.

Die Alternative: Ganz oder gar nicht!

Die logische Konsequenz ist, in wirklich liquide Immobilienanlagen zu investieren. Oder in völlig illiquide. Der Zwitter offener Immobilienfonds ist ein Lügenkonstrukt! Entweder man wählt einen geschlossenen Immobilienfonds, bei dem man während der Laufzeit nicht an sein Geld kommt, oder man kauft Aktien von Immobilienunternehmen. Deren Aktien kann man jederzeit handeln, auch in Krisenzeiten, denn der Verkauf der Aktien an der Börse hat keine Auswirkung auf das in der Gesellschaft vorhandene Geld! Das Unternehmen gerät durch den Verkauf seiner Aktien also nicht in Bedrängnis, muss nicht Immobilien verkaufen. Und auch wenn in einer Krise ein gesunkener Aktienkurs ggf. schmerzt beim Verkauf und man damit Verluste einfahren mag, ist es allemal besser diese Verkaufsoption überhaupt zu haben, als in einem vermeintlich veräußerbaren Investment festgezurrt zu sein - und seinem weiteren Wertverlust zusehen zu müssen. Zumal die meisten Immobilienaktien relativ hohe Dividenden ausschütten.

Daher bleibt mein Rat der selbe, wie bereits vor fünf Jahren, als (leider) die offenen Immobilienfonds wieder zugelassen wurden: Finger weg von offenen Immobilienfonds! Vertraue nicht auf das vorgegaukelte Sicherheitsnetz.

P.S.: Wer dennoch auf den Immobiliensektor setzen will, kann dies mit Finanzinvestor Blackstone tun. Der Alternative Asset Manager legt geschlossene Fonds für professionelle und institutionelle Investoren auf und verdient mit dem Managen der Immobilien sein Geld in Form von Management- und Erfolgsprovisionen. Einfacher und sicherer kann man im Immobiliensektor kein Geld verdienen, daher ist Blackstone meine erste Wahl!

••• Überarbeite Fassung eines Artikels aus Februar 2017

10 Kommentare:

  1. Sehr schöner Beitrag. In einer Welt mit in Finanzdingen aufgeklärten deutschen Privatanlegern würde kaum einer noch in offene Immobilienfonds investieren. Wenn man nicht den Drang hat, jeden Tag ins Depot schauen zu müssen, dann sind Aktien von Immobiliengesellschaften wie Vonovia, Deutsche Wohnen usw. das überlegene Anlageinstrument. Die Volatilität muss eben aushalten können.

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  2. Hallo Michael,
    treffend beschrieben. Danke für den Beitrag.
    Ich habe erst dieser Tage von einem Anleger gelesen, der seine Immobilien zu 110 % finanziert und lediglich eine Zinsbindung von 5 Jahre gemacht hat. Als ich das las, wurde mir ganz komisch (er hat 1 Mio. € Kredit aufgenommen). Ich frage mich da auch, wie eine Bank so etwas mitmacht.

    Da fühle ich mich mit meinen REITs doch einiges wohler.

    Grüße Alexander

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    1. Also sowas kann ja nur Sinn machen, wenn man einen festen/sicheren großen Betrag am Ende der Laufzeit der Immokredite erwartet, also aus einer Lebensversicherung oder einem Sparplan zum Beispiel. Um dann die Kredite weitgehend abzulösen. Ansonsten klingt das Konstrukt nach vorsätzlichem Finanzharakiri, da haste ganz Recht.

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    2. Was aus diesem Anleger wohl Stand heute geworden ist… 🔥

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  3. Hallo Michael,
    sehr guter und interessanter Beitrag. Wir haben aktuell ebenfalls einen thematisch passenden Beitrag verfasst, der sich nicht direkt um Immobilienfonds dreht, sondern etwas allgemeiner um die gleichermaßen konstruktionsbedingten Gefahren des ETFs:

    https://www.atypischstill.com/allgemein/der-etf-oder-die-groesste-bombe-seit-der-finanzkrise

    Vielleicht ist der Artikel auch interessant für Dich. Falls Du Feedback für uns hast, würden wir uns sehr darüber freuen! ;-)

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  4. Ein guter Beitrag, wobei für mich nur der Teil "Thema Fristenkongruen" wichtig war. Eine Aktie ist zwar "offen", aber letztendlich bekommt man weniger in Krisenzeiten und so ist das auch bei offenen Immobilienfonds. Sie sind schon liquide - zum gewissen Teil durch die Börsen - aber der Preis ist nicht fest - wie bei einer Aktie auch.

    Warum das ganze für mich nicht als Anlage dient ist eigentlich, dass diese Fonds unglaublich viel Kosten! 3 Prozent Aufschlag beim Kauf, laufende Kosten in Höhe von 1 bis 2 Prozent und dazu investieren viele Fonds nicht mal das ganze Vermögen in Immobilien (20-30 Prozent des Geldes wird gehalten - darauf werden Strafzinsen bei Banken und Co. fällig)!

    Ich arbeite bei einer Bank und ich verstehe nicht, wie wir das mit gutem Wissen verkaufen. Ich tue es nicht, bekomme zwar weniger Boni, aber das ist schon richtiger so.

    DD

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    1. Ich glaube, Du wirfst da etwas durcheinander. Der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Fonds ist, dass die geschlossenen Fonds eine feste Laufzeit haben und während dieser Anleger nicht an ihr Geld kommen, während sie bei offenen Fonds jederzeit die Möglichkeit haben, ihre Anteile an die Fondsgesellschaft (!) zurückzugeben und dafür den aktuellen Preis ausbezahlt zu bekommen. Und genau das ist ja die Augenwischerei, weil Immobilienfonds gar nicht so liquide sein können, falls zu viele Leute gleichzeitig ihre Anteile zurückgeben.

      Was Du hingegen ansprichst, ist eine Börsennotierung der Fondsanteile und die bisweilen extrem hohen Kosten, die bei Fonds anfallen - aber auch bei Aktien- oder Rohstofffonds. Und es gibt eine Reihe von offenen Immobilienfonds, die an der Börse notiert sind. Dann verkauft man seine Anteile ggf. über die Börse, anstatt sie an die Fondsgesellschaft zurückzugeben. In diesem Fall hat man "nur" das Kursrisiko, wie bei Aktien, richtig.

      Aber offene Immobilienfonds sind eben nicht zwangsläufig zum Börsenhandel zugelassen, denn eine solche Börsennotierung ist ja mit erheblichen Kosten verbunden. Und gibt es keine Börsennotierung, können die Anteile nur an die Fondsgesellschaft direkt zurückgegeben werden - mit den negativen Auswirkungen/Nachteilen, die ja gerade kritisiere.

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    2. Dann lieber Geschäftsanteile von Wohnungsbaugenossenschaften kaufen die eine Dividende zahlen oder mehr Richtung Crowdinvesting als auf offene Immobilienfonds zu setzen.

      Dieser Beitrag war sehr interessant für mich und diese gewissen Risiken die man dabei hat, werden einem erst richtig klar, wenn sie genannt werden. Denn mit diesem Thema habe ich mich noch nicht so beschäftigt gehabt.

      Danke für den tollen Beitrag.
      Viele Grüße
      Pierre

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  5. wie sieht es denn mit den offenen Immobilienfonds für 2019 aus? hatte kürzlich ein Beratungsgespräch mit der Sparkasse und mir wurde sowas empfolen
    Danke schon mal für die Antwort

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    1. Meine Einschätzung hat sich nicht geändert, ich stehe dem Konzept der "offenen Immobilienfonds" weiterhin sehr kritisch gegenüber. In einer wirklichen Krise steht man als Anleger vermutlich wieder dumm da und kommt eben nicht an sein Geld heran, auch wenn das in der Theorie so sein soll. Yogi Barra lehrte uns aber bereits: "In der Theorie sind Theorie und Praxis gleich. In der Praxis nicht". Ich würde und werde keinen Cent in offene oder geschlossene Immobilienfonds investieren. Der deutsche Kurszettel bietet eine Vielzahl an Immobilienunternehmen, die gute/bessere Renditen versprechen. Und zur Not kann ich die Aktien jederzeit börsentäglich verkaufen...

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