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Dienstag, 21. Juli 2020

Lebensversicherungsaktien: Value-Chance oder Value-Trap?

Versicherungsaktien gehören zu den Lieblingen deutscher Anleger. Die vermeintliche sichere und oftmals üppige Dividendenrendite verlockt. Auch weisen die Versicherungen zumeist steigende Gewinne aus, was zusätzlich Sicherheit suggeriert. Überhaupt nicht ins Bild passen daher Berichte, wonach rund ein Drittel der Lebensversicherungen vor ernsthaften Problemen stehen und evtl. sogar nicht überleben können.

Dabei ist die eigentliche Frage eher, ob dieses Szenario nicht ins Bild passt, oder ob nicht vielleicht das Bild an sich falsch gezeichnet ist. Was bedeuten würde, dass die ganze Branche auf tönernen Füßen steht, während die Erschütterungen immer stärker werden...

Analystenlieblinge auf dem Prüfstand

Versicherungsaktien erscheinen auf vielen Kauflisten, weil sie im Vergleich zum Gesamtmarkt recht moderat bewertet aussehen und nicht selten üppige Dividendenrenditen aufweisen. Das klingt nach guten Investments, doch ein paar Flöhe hat der Hund schon.

Denn seit mehr als 30 Jahren sinken die Zinsen, wenn auch unter teilweise deutlichen Schwankungen, und haben ein historisch niedriges Niveau erreicht. Die Notenbanken öffnen die Geldschleusen immer weiter und versuchen auf alle erdenklichen Wege, Geld ins System zu pumpen, erst um die Auswirkungen der Banken- und Staatsschuldenkrise einzudämmen und nun, um den beispiellosen Absturz der Wirtschaft durch die Corona-Pandemie zu bekämpfen.

FED und EZB kaufen sogar immer stärker Staats- und Unternehmensanleihen auf, allerdings mit mäßigem Erfolg und nicht unbedenklichen Nebenwirkungen. Nicht nur Sparer leiden unter den mickrigen Zinsen, auch die Versicherungsbranche ächzt unter der lang anhaltenden Zinsflaute, legt sie doch das Geld ihrer Versicherten bevorzugt in langfristigen Zinspapieren an. Und wenn die alten Hochprozenter auslaufen finden sich heutzutage kaum noch attraktive Anlagemöglichkeiten, jedenfalls bei vertretbaren Risiken. Mit der Folge, dass die Renditen immer weiter sinken.

Dem begegnet man durch das erneute Absenken des sog. Garantiezinssatzes, den die Kunden der Kapital- und Rentenversicherungen erhalten. Vor einigen Jahren lag dieser noch bei vier Prozent, doch schrumpft er immer weiter zusammen wie Eis in der Sahara. Zwar kommen beim Versicherungsablauf zum vereinbarten Garantiezins noch die Überschussanteile hinzu, aber diese sind eben nicht garantiert und liegen inzwischen teilweise erheblich unterhalb früherer Prognosen und Versprechungen.

Das frühere Hauptzugpferd der Assekuranzen, die Kapitallebensversicherung, wurde für Kunden zunehmend unattraktiv und inzwischen haben die Versicherer ihre neuen Policen umgestellt oder verkaufen gar keine Kapitallebensversicherungen mehr. Die frühere beliebteste Sparanlage der Deutschen ist tot, obwohl es auch kaum rentierliche Konkurrenz gibt. Denn für Spareinlagen oder Termingelder bekommt man auch kaum noch Zinsen mehr, inzwischen gibt es bei vielen Banken bereits Negativzinsen, was bedeutet, dass man für das auf seinem Bankkonto liegende Geld der Bank auch noch Zinsen bezahlen muss. Und die lange Zeit kostenlosen Girokonten werden durch immer neue und höhere Kontoführungsgebühren "aufgerüstet".

Auch die Versicherungen haben enorme Geldsummen, die sie unterzubringen haben, so dass einige Lebensversicherer schon angekündigt haben, keine Dividenden mehr zahlen zu können oder zu wollen. In jüngster Zeit versuchen daher viele Versicherungskonzerne, ihren Altbestand an Lebensversicherungen zu verkaufen. Damit wird man die Zukunftsrisiken los und setzt auch noch bisher gebundene Mittel frei.

Auch Rückversicherungskonzerne leiden

Den Rückversicherern machen hingegen versicherungsfremde Konkurrenten das Leben schwer, denn auch andere große Anleger, wie z.B. Pensionsfonds, suchen derzeit händeringend nach renditestarken Anlagemöglichkeiten. Und so stoßen sie in das vermeintlich attraktive Geschäftsfeld der Rückversicherungen vor, so dass die Branchenriesen wie die Munich Re inzwischen Marktanteile verlieren. Und das durchaus bewusst, weil sie sich auf kein Prämien-Dumping einlassen wollen. Denn hierfür haben sie teures Lehrgeld bezahlt, als sie es vor einigen Jahren anders machten und danach massiv draufzahlen mussten, als die Schäden wirklich eintraten. Die Schadendeckungsquote ist eben nicht nur eine theoretische Zahl, sondern hat ganz konkrete Auswirkungen.

Verfehlte Anlagepolitik

Ein Gutteil der Probleme der Branche ist allerdings hausgemacht, nicht alles lässt sich auf die verfehlte Notenbankpolitik schieben. Seit Jahren schon haben die Versicherrungen Probleme, in ihrem Kerngeschäft Gewinne zu erwirtschaften. Das versuchen sie, durch Investitionen auszugleichen.

Doch haben deutsche Versicherungsunternehmen in den vergangenen Jahren nicht wirklich vom Boom der Sachanlagen profitieren können, weil sie weitgehend auf Anleihen gesetzt haben. Dabei waren die größten Gewinne mit Aktien und Immobilien einzufahren, die aber nur unterdurchschnittlich repräsentiert sind in den Anlageportfolios der Versicherungen.

Die Kunden profitierten also weder von den rasant steigenden Immobilienpreisen noch von den Rekordhöchstständen an den Aktienbörsen.

Gewinne auf Pump

Der nun bestimmt folgende Einwand, die Versicherungen würden doch Gewinne ausweisen, ist leider ein zu kurz gedachtes Argument. Denn die Gewinne stammen aus dem Anleihegeschäft - aber nicht aus dem Zinsergebnis, wie es soliderweise sein müsste, sondern aus erzielten Kursgewinnen. Und das kann einem Anleger und auch Versicherten nicht egal sein!

Fallende Zinsen bedeuten, dass die Versicherungen für die Anlage in Anleihen weniger Zinsen bekommen. Gleichzeitig bedeuten sinkende Zinsen allerdings auch, dass ältere Anleihen mit höheren Zinsen attraktiver werden, Klar, wenn ich eine alte Anleihe mit 3% Verzinsung habe, jetzt aber nur noch 1% Zinsen bekommen bei einem heutigen Anleihekauf, dann ist die 3%-Anleihe wertvoller. Ihr Kurs dem entsprechend deutlich über pari (100%), über dem Nominalwert.

Behält man die 3%-Anleihe bis zum Ende ihrer Laufzeit, bekommt man in der Zwischenzeit die Zinsen und am Ende den Nominalwert zurück (also 100% der Geldanlage). Soweit so gut, nix passiert. Man hat nur das Problem, dass man bei der Wiederanlage nur noch 1% bekommt, da die Zinsen ja gefallen sind. Also erzielt man dann in den nächsten Jahren weniger Rendite. Autsch. Oder... man behält die 3%-Anleihe nicht zum Ablaufdatum, sondern verkauft sie vorher. Dann zu einem Kurs deutlich über 100%. Und diesen Kursgewinn streichen die Versicherungen gerne ein, um ihn als Gewinn auszuweisen.

Völlig legitim, um es klar zu sagen. Mit Anleihen ließen sich in den letzten Jahren tolle Kursgewinne einfahren, weil die Zinsen ja fast wie am Schnürchen nach unten weggebrochen sind.

Aber...

Jetzt kommt das große Aber: jede 3%-Anleihe, die ich heute mit Kursgewinn verkaufe, erhöht meinen heutigen Gewinn. Doch das Kapital muss ich ja wieder anlegen. Zu 1%, denn das ist (fiktiv) der heutige Zinssatz. Den heutigen Gewinn erkaufe ich mir also mit künftigen niedrigeren Zinseinnahmen. Ich reduziere also kein meinen Cashflow und meine Fähigkeit, hieraus Gewinne zu erzielen, Versicherungsleistungen zu zahlen oder Dividenden bzw. Aktienrückkäufe zu finanzieren. Doppelautsch.

Das geht genau so lange gut, wie die Zinsen weiter sinken und ich durch Anleiheverkäufe immer wieder Kursgewinne einfahren kann. Doch dann sinken die Zinsen nicht mehr. Sie müssen noch nicht einmal zu steigen beginnen, um die Katastrophe auszulösen. Sie fallen nicht mehr und dann bleibt mir noch das mickrige Zinsergebnis, das meine 1%-Anleihen einspielen. Was die Inflation bereits wegfrisst. Die bisher üppigen Kursgewinne entfallen.

Wenn nun auch noch die Zinsen zu steigen beginnen, ist der Kollaps unausweichlich! Klar, man kann einfach die 1%-Anleihen noch über Jahre bis zum Laufzeitende behalten und die 1% einstreichen. Mehr aber auch nicht. Verkauft man die Anleihen bei steigenden Zinsen, fährt man Kursverluste ein! Die dann das Zinsergebnis mehr als auffressen. Eine extrem gefährliche Situation, denn man hat einen Großteil seines Kapitals in immer unattraktiveren Anleihen gebunden, während man bei Neuanlagen höhere Zinsen bekommen könnte. Man kann aber nicht umschichten, weil man sonst Kursverluste realisieren würde. Die würden durch die mickrigen Zinseinnahmen nicht kompensiert und das Kerngeschäft wirft auch keinen Gewinn ab. Der Cashflow driftet deutlich ins negative (selbst wenn man durch Aufwertungen oder das Auflösen von Rücklagen den Gewinn schönen kann).

Woraus sollen also die Dividenden und Aktienrückkäufe gespeist werden? Aus Gewinnrücklagen früherer Jahre? Also durch Substanzverzehr? Ein Teufelskreis.

Substanzverzehr als Warnsignal

Die Munich Re hat in der Vergangenheit schon öfter mal auf die Rücklagen zugegriffen, um die Dividendenzahlungen zu glätten und keine Senkung vornehmen zu müssen. Wie schnell aus vermeintlich sicheren "Witwen- und Waisenpapieren" Kapitalvernichter werden können, haben die Aktien der Energieversorger vorgemacht. Eon und RWE waren über Jahrzehnte hinweg solide Aktien mit hoher Dividendenrendite und auch die Bankenwerte oder Automobilaktien waren früher Garanten von Sicherheit und Solidität. Schauen Sie auf den Chartverlauf seit 2008 und die enormen Kursverluste. Wie gerne wären Sie Aktionär dieser Unternehmen (gewesen)?

Höchste Risiken bei Deutsche Lebensversicherern

Ins Bild passt, dass der Stresstest für die Versicherungsbranche auf Basis der Regeln nach Solvency II zeigte, dass die Branche sehr anfällig ist durch eine lang anhaltende Niedrigzinsphase. So hat die Ratingagentur Moody's bereits vor einigen Jahren Deutschlands Lebensversicherungsbranche als die riskanteste der Welt eingestuft, denn in kaum einem anderen Land seien die Kundenzusagen so hoch und der Anlagemix so ungünstig. Auch Standard & Poors wies darauf hin, dass die Profitabilität der Lebensversicherer stärker und nachhaltiger leide als bisher in den Jahresabschlüssen zu erkennen sei. Eine große Gefahr gehe von Anbietern aus, die viele Altverträge in ihren Beständen haben. Denn als die Zinswelt noch in Ordnung war, hätten sie ihren Kunden Renditen von vier Prozent versprochen. Und um diese Zusagen einhalten zu können, müssten sie sich von den wenigen hochverzinslichen Papieren, die sie noch in den Büchern hätten, trennen.

Und nun werden im gerade vorlegten siebten Bericht des Ausschusses für Finanzstabilität (AFS) an den Deutschen Bundestag sogar Pleiten in Betracht gezogen. "Der Ausschuss hält vor allem die Lebensversicherer für gefährdet, die umfangreiche Altbestände an Versicherungsverträgen mit hohem Garantiezins aufweisen und bisher stärker von Übergangsmaßnahmen profitiert haben.Danach greifen rund zwei Drittel der Lebensversicherer bei der Berechnung ihrer Solvenzquoten auf Übergangsmaßnahmen zurück. Diese Quoten bildeten deshalb die ökonomische Risikotragfähigkeit nicht vollständig abschreibt das Versicherungsjournal. Und weiter: "Der Ausschuss hat Hinweise, dass Lebensversicherer bei der Neuanlage in festverzinsliche Wertpapiere ihre Portfolios hinsichtlich der Schuldnerratings optimierten und somit höhere Risiken übernahmen".

Der Focus listet die gefährdeten Versicherungen gleich mal auf:

Versicherer mit Verlusterwartung
(Die hier genannten Anbieter dürften im laufenden Jahr Verluste einfahren)
  • Nürnberger Beamten LV AG
  • R+V LV AG
  • Sparkassen-Versicherung Sachsen LV AG
  • Süddeutsche LV a.G.uniVersa LV a.G.
  • SIGNAL IDUNA LV a. G.
  • VPV LV-AG
Versicherer mit geringer Zahlungsfähigkeit
(Die Zahlungsfähigkeit dieser Versicherer sei so gering, dass der Geschäftsbetrieb nur mit Übergangsmaßnahmen weiter erfolgen kann)
  • Bayerische Beamten LV a.G.
  • Concordia oeco LV a.G.
  • Debeka Leben V.V.a.G.
  • ERGO LV AG
  • Frankfurt Münchener LV AG (vormals Arag LV AG)
  • Frankfurter LV AG
  • HUK-Coburg-LV AG
  • Landeslebenshilfe VVaG
  • neue leben LV AG
  • RheinLand LV AG
  • Öffentliche LVA Oldenburg
  • PBLVAG
  • VRK LV AG (vormals Familienfürsorge LV AG)
Fünf Unternehmen doppelt gefährdet
(Die hier Genannten leiden sowohl unter Verlusten im laufenden Jahr als auch unter einer angespannten Finanzsituation)
  • DEVK LV a.G.
  • Frankfurter LV AG
  • Landeslebenshilfe VVaG
  • PB LV AG
  • RheinLand LV AG
Die Lage ist also ziemlich angespannt und eine Trendwende bei den Zinsen nicht in Sicht. Im Gegenteil. Kämen noch deutlich sinkenden Asset-Preise hinzu, z.B. bei Immobilien, würde dieses kombinierte Krisenszenario fast die Hälfte von Europas Versicherungsunternehmen in ernsthafte Existenznöte bringen.

Auch die BaFin warnt

Nun könnte man meinen, die großen amerikanischen Ratingagenturen hätten schon bei der Finanzkrise nicht wirklich eine gute Figur gemacht und deren Warnung als Übertrieben abtun. Doch auch andere mahnende Stimmen mehren sich. So hat bereits vor Jahren die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor Versicherungspleiten in Deutschland gewarnt und auch die Ratingagentur Assekurata kommt zu einer sehr kritischen Einschätzung der Branche. Die anhaltende Niedrigzinsphase drohe, die deutschen Lebensversicherer in den nächsten 10 Jahren massiv zu belasten und könne auf breiter Linie zu Finanzierungsengpässen führen.

Assekurata hat schon vor Jahren ermittelt, dass die Lebensversicherer die von ihnen an ihre Kunden zu leistenden Garantieverzinsungen absehbar nicht mehr aus eigenen laufenden Kapitalerträgen erwirtschaften können werden, sofern die Niedringzinsphase noch 10 weitere Jahre anhalte. Obwohl für Neuabschlüsse der Garantiezins immer weiter abgesenkt wurde, stehe hier einer Reihe von Altverträgen mit Garantiezinsen bis hin zu 4 Prozent gegenüber. Da entsprechende Renditen am Kapitalmarkt nicht mehr zu erzielen seien, müssen die Versicherer seit 2011 eine sog. Zinszusatzreserve aufbauen - die bis zum Jahr 2024 bislang gut 21 Milliarden Euro müssten im schlimmsten Fall auf rund 150 Milliarden Euro aufgestockt werden.

Doch schon heute zehre diese Zinszusatzreserve an den ohnehin sinkenden Überschussbeteiligungen der Lebens- und Rentenversicherungen und für die Kunden würde die Rendite immer unattraktiver werden. Mit sinkender Attraktivität der Lebensversicherung als Anlage- und Vorsorgeprodukt und entsprechend weniger Neuabschlüssen gehen den Versicherungen nicht nur neue Kunden aus, sondern auch die Mittelzuflüsse werden sich verringern und die Lage noch verschärfen.

Sinkende Gewinne, sinkende Dividenden?
Für Aktionäre verheißt diese Gemengelage nichts Gutes, denn sinkende Umsätze bei noch stärker schrumpfenden Gewinnen sind kein Stoff, aus dem Börsianerträume sind. Vielmehr laufen die Lebensversicherer - und in geringerem Maß auch die Rückversicherer - immer stärker in eine Situation hinein, die verheerend an eine Schraubpresse erinnert: sinkende Erträge führen dazu, dass hieraus auch noch eine stärkere Rücklage gebildet werden muss, was zu zusätzlichen sinkenden Gewinnen führt.
»Ein Investment liegt immer dann vor, wenn nach einer gründlichen Analyse in erster Linie Sicherheit und erst im Anschluss daran eine zufriedenstellende Rendite steht.«
(Benjamin Graham)
Es liegt auf der Hand, dass dieses Szenario auch Auswirkungen auf die bisher üppigen Dividenden der Branche haben dürfte. Wenn die Reserven zusammenschmelzen, werden hieraus nicht auch noch Dividenden ausgeschüttet werden können. Und das operative Geschäft wird ohnehin viel weniger abwerfen als bisher. Kaum vorstellbar, dass die Aktienkurse sich dieser negativen Entwicklung auf Dauer entziehen können werden. Einzig ein deutliches und dauerhaftes Anziehen des Zinsniveaus könnte diese Abwärtsspirale beenden. Doch nach einer grundlegenden Zinswende mit Zinsniveaus von 3 oder 4 Prozent sieht es nicht aus.

Daher sollte man jetzt und heute sein Engagement in Versicherungsaktien überdenken und auch als Versicherter seine Altersversorgung kritisch überprüfen, wenn man denn Geld in einer Kapitallebensversicherung anlegt. Ist man Aktionär einer Lebensversicherung sollte man die Entwicklung im Blick behalten und auf Anzeichen achten, ob sich die Lage verschärft.

Neuengagements im Versicherungssektor drängen sich eher nicht auf, auch wenn die vermeintlich günstige Bewertung und die scheinbar üppigen Dividendenrenditen durchaus verlockend scheinen. Doch die Risiken sollte man nicht unterschätzen. Im Ernstfall kann es sogar nötig werden, dass die Versicherungskonzerne massive Kapitalerhöhungen durchführen müssen, um drohenden Schieflagen zu begegnen. Und wie diese sich in kriselnden Branchen auf den Aktienkurs auswirken, kann man am Kursverlauf von Commerzbank oder Deutscher Bank sehen. Seit Jahren Value-Traps par excellence...

Ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis sieht jedenfalls anders aus!



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14 Kommentare:

  1. Hallo Michael und vielen Dank für den Artikel!

    Ich habe gerade die zahlreichen Kommentare auf diversen Blogs vor meinem inneren Auge: "...meinen Altvertrag mit 4% bespare ich weiter..."
    Wird nicht vielfach das Emittentenrisiko ausgeblendet?

    Ich persönlich habe keine LV o.ä. mehr und auch nichts im Portfolio.

    VG
    Christoph

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    1. Ja, es gibt ein Emittentenrisiko. Geht eine Versicherungsgesellschaft pleite, greift zwar der Haftungsverbund. Aber inwieweit das auch für "nicht garantierte" Überschussanteile gilt, kann sich jeder selbst ausmalen. Aus dem Beispiel diverser notleidender Pensionskassen ist ersichtlich, dass bei der Rettung auch immer wieder ein Teilverzicht der Begünstigten/Versicherten eingefordert wird. Des Weiteren steigt das Risiko deutlich, dass die Versicherung ihren LV-Bestand verkauft und man dann eine Abwicklungsgesellschaft als Vertragspartner hat. Inwieweit sich dies langfristig ggf. doch als negativ für die versicherten auswirkt, wird erst die Zeit zeigen.

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  2. Hallo Herr Kissig,

    Das Rückversicherungsgeschäft von Munich Re ist medialen Berichten zur Folge, insbesondere durch hohe Prämien doch sehr erfolgreich und die Ergo als eher untergeordnete Tochter außerhalb des Kerngeschäfts keine Versicherung mit hohen LV Altbeständen ? Die Allianz weitet seit Jahren ihre Tätigkeiten in private equity aus (Finanzierung Infrastrukturprojekte etc), kombiniert die erhaltenen Versicherungsprämien als unversinste Bareinlagen zur liquiden Finanzierung derartiger Projekte (netting Effekte), nur um ein paar Beispiele ertragreichen Geschäfts zu nennen.

    Sicherlich verfügen viele kleine Unternehmen nicht über derartige Geschäftsmodelle und Skalen Effekte, geschweige denn derartige Substanz (solcency 2 Quote), aber stehen sie tatsächlich auch den beiden genannten Aktien als sehr solide Kandidaten der Kategorie « slow grower & high yield Dividende » gegenüber? Mir ist bewusst, dass Sie Wachstumsaktien a la Visa, Adobe, etc. präferieren, aber insbesondere in Zeiten der auslaufenden Anleihen werden doch derartige Aktien (a la AT&T) auch zukünftig ihre Berechtigung behalten ?

    Danke für Ihre Gedanken dazu.

    Mit freundlichen Grüßen
    Stefan S.

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    1. Der Fokus meines Artikels und meiner Kritik richtet sich gegen das Geschäftsmodell der Kapitallebensversicherungen und die hieraus für die Unternehmen und Kunden ständig wachsenden Risiken. Wenn ein Unternehmen in seinem Kerngeschäft dauerhaft nichts mehr verdient und sich neue Ertragsquellen erschließen muss, ist das immer ein Grund zur Sorge. In den neuen Feldern ist man zumeist nicht so erfolgreich wie diejenigen, die sich dort seit Jahren und erfolgreich tummeln. Man denke hier nur mal an die Finanzsparten der großen Autokonzerne vor der Finanzkrise. Ob bei General Motors oder Volkswagen, die Finanzsparten spielten den Löwenanteil der Konzerngewinne ein - dann brachen die Autoabsatzzahlen dramatisch ein und die Finanzwerte kollabierten. GM musste Insolvenz anmelden, auch wegen seiner Finanzsparte. Bei General Electric war es ähnlich, auch dort hat die Finanzsparte den Konzern zusätzliche Milliardenverluste und -abschreibungen beschert. Genworth Financial mit seinen Pflege- und Lebensversicherungen ist ja auch eine GE-Abspaltung, dazu habe ich hier im Blog ja viel berichtet.

      Dass die Allianz und andere sich neue Ertragsquellen erschließen (müssen) habe ich ja angeführt. U.a. hat man (AIG) vor einigen Jahren von PNE das YieldCo-Portfolio übernommen.

      Für die Versicherungskonzerne brechen ganz schwierige Zeiten an. Stichwort Digitalisierung. Vor allem für die Allianz, die sehe ich hier besonders im Auge des Sturms. Immer mehr FinTechs bauen KI-basierte Versicherungsmodelle auf, die ohne Berater und Beratung Versicherungspolicen zu konkurrenzlos günstigen Prämien verkaufen können. Vor allem in der Sachversicherung. Noch. Die Versicherungen werden sich immer schneller anpassen müssen - dem steht aber ihre Vertriebsmannschaft gegenüber. Die Allianz ist stark in der Fläche vertreten, andere auch, und wenn sie alles auf digital umstellen würde, wie es erforderlich wäre, würde es einen Aufstand geben. Wie die Entwicklung ablaufen wird sehen wir an den Banken. Auch dort sind die Filialen überflüssig geworden und die Banken mit großem und teuren Filialnetz sind kaum noch wettbewerbsfähig. Der Anpassungsschmerz ist hier gewaltig, während die Direktbanken und Fintechs ihnen längst die Wurst vom Brot ziehen. "Bankgeschäfte sind notwendig, Banken nicht" sagte Bill Gates vor Jahrzehnten. Damals belächelt, doch heute wissen wir, dass er Recht hatte. Im Versicherungsbusiness ist es genauso. Und... wer sagt denn, dass nicht Branchenfremde in das Versicherungsgeschäft eindringen werden? Wenn Versicherungen rein digital laufen, auch der Abschluss, auch die Sachbearbeitung, warum sollte dann nicht ein Autokonzern oder eine Bank oder ein Finanzinvestor oder ein Broker oder, oder, oder in diesen Markt eindringen? Genügend Anbieter für "White Label"-Lösungen und entsprechender BaFin-Lizenz gibt es ja. Die Deutsche Familienversicherung ebnet hier ja den Weg.

      Ich sehe auf mittlere und lange Sicht die Versicherungskonzerne nicht als "solide" an, weil ihr Kerngeschäft erodiert. Sie agieren nicht aus einer Position der Stärke heraus und expandieren in angrenzende Geschäftsbereiche, sondern sie sind Getriebene, die (nur) aus der Not heraus nach neuen Einnahmequellen suchen. Das sind aus meiner Sicht keine tollen Erfolgsaussichten...

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  3. Bei der Allianz sollte man in Sachen Digitalisierung und FinTechs mal genauer hinschauen. Denn wenn man sich eingehender mit der Allianz beschäftigt, sieht man dort, dass die Allianz vorausschauend agiert. Schau Dir im Detail an wo die Allianz direkt/indirekt an FinTechs beteiligt ist und wie es in der Zentrale mit der Digitalisierung aussieht.

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    1. Ein Freund arbeitet bei der Allianz in der IT. Sieht nicht rosig aus ...

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  4. Danke für den Artikel. Nach langen Überlegungen im Vorfeld trenne ich mich von meiner Kapitallebenversicherung. Die Unsicherheiten in der Zukunft sind mir zu groß und die Rendite überschaubar.

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    1. Für mich absolut nachvollziehbar, Martin.

      Sofern Du eine Familie hast, die Du absichern möchtest, kannste ja eine Risiko-Lebensversicherung abschließen. Die kostet einen Bruchteil der KLV-Prämie. Und bitte auch prüfen, ob deine KLV ggf. eine zusätzliche Berufsunfähigkeitsversicherungkomponente hat. Hier dann drüber nachdenken, ob einen separate BU vielleicht angeraten scheint.

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  5. Hallo Herr Kissig, ich habe mal eine Frage an Sie: Ich bespare seit ca. 6 Jahren eine fondsgebunde Rente bei der My Life als Netto-Versicherer, bisher war ich sehr zufrieden. Allerdings bin ich mir in letzter Zeit unsicher, inweit mein Vermögen abgesichert ist, wenn die Versicherung "Pleite" geht. Ich bespare dort ETFs. Der große Vorteil ist, dass ich erst am Ende der Laufzeit eine Kapitalertragssteuer zahle, die nicht so hoch ausfällt, als wenn ich dies direkt über ein Depot mache. Bei einen klassischen Depot gehören mir die Wertpapiere. Wie ist das eigenlich bei einen solchen Versicherung? Vielen dank im Voraus!

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    1. Da kann ich leider keine qualifizierte Antwort zu geben. Die Versicherung ist aber ja gesetzlich verpflichtet, ihren Kunden einmal jährlich eine Information zum aktuellen Stand zu geben und dabei werden auch umfangreiche Infos zu Risiken usw. mitgeliefert. Die Auskunftspflichten der Finanzbranche sind hier in den letzten Jahren deutlich verschärft worden. Ansonsten dürfte sich auf der Website des Versicherers zu dem Thema einiges finden lassen (vermutlich unter FAQs). Ich würde dort zuerst nachsehen und ansonsten einfach die Versicherung mit der Frage konfrontieren.

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  6. Hallo Michael,

    Alles was du oben angeführt hast, ist ja mehr oder weniger eingetreten. Machst es vllt mal Sinn ein Update zu machen?
    Bei Munich Re sehe ich übrigens den Vorteil, dass sie als Branchenführer Risiken managen als anders als Erstversicherer.
    Klar glaube ich auch, dass aufgrund der Klimakrise die Naturgewaltschäden ansteigen, aber das führt dann auch zu mehr Prämienvolumen. Und auch Assetmanager werden aus dem Rückversicherungsgrschäft aussteigen, weil es wieder Zinsakternativen gibt.

    BG
    Kevin

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    1. Moin Kevin,
      die Aktien von deutschen Versicherungskonzernen sind wahre Geldvernichtungsmaschinen. Der Kurs der Allianz-Aktie steht knapp 10 % höher als 1990. Diese Magerrendite nach 32 Jahren ist alleine durch die Inflationsrate dieses Jahres (!) vollständig aufgezehrt. Die Aktionäre haben also 32 Jahre lang nur die Dividendengutschriften eingesackt, aber dieses Geld wurde 32 Jahre lang durch die Inflation entwertet.

      Bei der Münchener Rück sieht es auch nicht besser aus. Der Kurs liegt auf dem Niveau von 1998. Hier gab es 24 Jahre lang also keinen Kurszuwachs, sondern nur die Dividendenausschüttungen - die ebenfalls von der Inflation weggefressen wurden.

      Dass es auch erfolgreich geht, zeigen ja andere Versicherungskonzerne: Berkshire Hathaway, Alleghany, Markel, Kinsale Capital Corp. In den letzten Jahren kaufen Alternative Asset Manager verstärkt Versicherungen, um an deren Float und ihre AuM (Asset under Management) zu kommen: KKR, Blackstone, Apollo Global Management. In all diesen Gesellschaften wird das Geld der Aktionäre seit Jahren und Jahrzehnten vermehrt - ich sehe keinen Grund, weshalb ich auf deutsche Versicherungen setzen sollte. Keinen einzigen.

      Selbst wenn dort die Geschäfte künftig besser laufen sollten, selbst wenn sie die vielen minimalverzinsten Anleihen in ihrem Anlageportfolio nicht während der Laufzeit verkaufen und deren steigende Kursverluste realisieren (müssen) und sie lieber bis zum bitteren Laufzeitende behalten, selbst dann sind die oben genannten Werte viel aussichtsreicher.

      Tut mir echt leid, dass ich hier nicht Positives entdecken kann..

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  7. Hallo Michael,

    Danke für dein Feedback. Habe Munich Re als konservativen Dividendenzahler im Depot. Möglichst verringerte Volatilität.

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  8. Ich arbeite im Handelsraum einer Bank und habe Bloomberg-Zugang. Da gibt es eine Funktion "Total Return Analysis"; diese analysiert die Performance einer Aktie anhand der Kursentwicklung und der Dividenden. Es wird angenommen, daß die Dividenden wieder in die Aktie re-investiert werden. Das ganze gibt (ohne Abzug von Steuern bzw. Transaktionskosten) seit 1.1.1990 folgendes Bild, jeweils per anno: Allianz 4.45%, MUV 8.00%, Berkshire A (seit 1994) 11.67%, Alleghany (seit 1999) 8.71%, Markel 12.78%.
    Die anderen von Dir genannten sind nicht so lange an der Börse notiert, haben aber eine höhere Performance.
    Übrigens, die Hannover Rück hat seit 1997 eine Performance von 14.42% p.a.

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