Vor gut einem Jahr stürzten die Kurse der Automobilzulieferer ab und ich überlegte, ob deutsche Autozulieferer wieder kaufenswert seien. Mit dem Ergebnis, dass die Bewertungen auf den ersten Blick günstig erschienen, dass sich Neu-Engagements unter Chance-Risiko-Aspekten nicht aufdrängten. Die sich eintrübenden Perspektiven der Autohersteller aufgrund der Russland-Sanktionen und der nachlassenden Nachfrage aus China waren für mich ganz entscheidende Faktoren. Tja, es kam anders... denn die Halbierung des Ölpreises nur kurze Zeit später sorgte für eine Art Sonderkonjunktur bei den Autoherstellern und für neue Absatzrekorde, vor allem in den USA. Dem entsprechend erholten sich auch die Aktienkurse der Autozulieferer wieder und legten rasant zu.
Déjà vu...
Und nun? Die Kurse stürzen wieder ab und neben den alten Faktoren gibt es neue. Der Börsencrash in China hat für eine Absatzflaute gerade deutscher Premium-Hersteller gesorgt und dann kam Diesel-Gate, der Abgasskandal bei VW. Die Kurse aller Autohersteller gingen in den Sturzflug über, weil man befürchtete, dass nicht nur VW bei der Einhaltung von Abgasrichtwerten betrogen haben würde, denn offensichtlich sind die Diesel-Schadstoffrichtwerte kaum einzuhalten oder eben nur durch extrem teurer Verfahren. Volkswagen steht unter Schock, zweistellige Milliardensummen stehen als Strafzahlungen im Raum, dazu kommen möglicherweise Schadenersatzforderungen von Behörden aus aller Herrenländer und von Kunden. Manch ein Schwarzseher meint schon orakeln zu müssen, dass VW als Ganzes vor der Pleite stehe.
Dieses Horrorszenario halte ich für maßlos übertrieben. Allerdings wird VW - und seine Aktionäre - heftig bluten müssen, der Schaden am Image der Marke VW und die damit verbundenen mittel- und langfristigen Eintrübungen für die Absatzzahlen sind kaum auszumalen. Fakt ist aber, dass VW erhebliche Summen aufwenden wird müssen und dass in Wolfsburg der Rotstift angesetzt wird. So werden nicht nur Sponsoring und Marketing drastisch runtergefahren, sondern auch Investitionen von 1 Milliarde jährlich stehen auf dem Prüfstand. Und natürlich die Motorenstrategie, denn die bisherigen "starken Männer", Piech und Winterkorn waren bekennende Verbrennungsmotorfans. Künftig wird VW, viel später als andere, verstärkt auf Elektromotoren setzen und auf Hybridantriebe. Und man wird die Modellvielfalt weiter reduzieren.
Auswirkungen auf die Zulieferer
Im Gegensatz zu früher bauen Autohersteller ihre Autos kaum noch selbst, ein Großteil der Komponenten stammen von Zuliefererbetrieben. Und natürlich wird VW auch bei diesen eine neue Sparrunde einläuten - als größter Autohersteller der Welt kann VW hier seine Einkaufsmacht stark ausspielen. Hier trüben sich die Perspektiven für die Zulieferer also ein, denn auch wenn VW neue Komponenten benötigen wird, werden diese unter ganz anderen Sparzwängen ausverhandelt werden (müssen). Und auch der Börsengang der Schaeffler-Gruppe stand durch die schlechten Rahmenbedingungen auf der Kippe und kam nur unter Abstrichen überhaupt über die Ziellinie.
Doch diese sich eintrübenden Aussichten sind nicht der alleinige Grund für den Absturz so vieler Kurse. Denn die Branche hat eigene Probleme und wartet reihenweise mit Prognosesenkungen und Gewinnwarnungen auf, die sich auf das laufende Jahr und die Folgejahre beziehen.
ElringKlinger ist der weltgrößte Hersteller von Zylinderkopfdichtungen. Zudem produziert der Konzern Spezialdichtungen, Kunststoff-Gehäusemodule sowie Abschirmteile für Motor, Getriebe, Abgassystem und den Unterboden. ElringKlinger gab Mitte September bereits die zweite Gewinnwarnung in diesem Jahr heraus - weil man vom Erfolg überrollt würde. Man käme mit der Produktion gar nicht nach und müsse daher viele Aufträge fremdvergeben und das sei viel teurer und würden Margen und Gewinn massiv belasten. Schnelle Abhilfe ist hier nicht in Sicht.
Grammer ist ein deutsches Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von Komponenten und Systemen für die Pkw-Innenausstattung sowie von Fahrer- und Passagiersitzen für Offroad-Fahrzeuge, Lkws, Busse und Bahnen spezialisiert hat. Mit Präsentation der Halbjahreszahlen bestätigte man die Umsatzerwartungen, musste aber beim EBIT und dem zu erwartenden Gewinn zurückrudern.
Leoni ist ein weltweit tätiger System- und Entwicklungslieferant von Drähten, Kabeln und Bordnetz-Systemen. Das Angebotsspektrum umfasst Drähte und Litzen, Standard- und Spezialkabel, Lichtwellenleiter sowie komplette Kabelsysteme und Dienstleistungen für unterschiedlichste industrielle Anwendungen. Jüngst präsentierte man eine satte Gewinnwarnung aufgrund von Schwierigkeiten in der Sparte Bordnetze und -verkabelungen.
SHW entwickelt und fertigt sowohl Pumpen und Motorkomponenten wie auch Bremsscheiben und beliefert Lieferanten der Fahrzeugindustrie, Nutzfahrzeughersteller sowie namhafte Automobilhersteller in Europa und Nordamerika. SHW hat ebenfalls mit Kapazitätsproblemen zu kämpfen, allerdings bereits seit Ende 2014. Die Probleme werden angegangen und die nötigen Investitionen in neue Anlagen sind bereits angeschoben und teilweise fertiggestellt. Trotzdem brachen die Kurse nach Präsentation der Halbjahreszahlen ein, denn zusätzlich ergab sich eine neue Baustelle, denn ein Großkunde hatte angekündigt, künftig einzelne Komponenten nicht mehr bei SHW zu beziehen, sondern in Eigenregie zu fertigen. Mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn bei SHW in den nächsten Jahren. Darüber hinaus stellt VW mit rund 25 Prozent den Hauptkunden der SHW AG und das dürfte in der momentanen Situation her kein Vorteil sein.
Einschätzung
An meiner Einschätzung vom letzten Jahr hat sich eigentlich nicht viel geändert, ich bin trotz der Kursrücksetzer und der nun vermeintlich niedrigen KGVs und hohen Dividendenrenditen eher skeptisch, was den Automobilsektor und insbesondere auch die Zulieferer angeht. Die Perspektiven haben sich weiter eingetrübt und der Abgasskandal wird hier noch einige Zeit belastend wirken. Es ist davon auszugehen, dass die Analysten-Schätzungen zu Umsatz, Gewinnen und Dividenden eher rückläufig sein werden, was die optischen günstigen Bewertungen der Aktien schnell relativieren dürfte. Aus meiner Sicht drängen sich Engagements in diesem Sektor zur Zeit nicht auf. Man sollte auch nicht vergessen, dass Autos zu den zyklischen Branchen gehören und die Konjunktur trübt sich momentan weltweit ja eher wieder ein.
Moment mal... wird jetzt vermutlich kommen, denn ich habe kürzlich SHW bei 20 EUR auf meine Empfehlungsliste genommen. Und da bleibt der Wert auch, denn die Probleme bei SHW sind schon länger bekannt und das Management hat sie bereits in Angriff genommen. Daher ist der neuerliche Einbruch um knapp 50 Prozent aus meiner Sicht übertrieben und dürfte auf mittlere Sicht eine gute Einstiegsgelegenheit darstellen für Langfristanleger. Auch wenn die Branchenperspektiven hier eher trüb sind und bleiben.
Die Eintrübung im Automobilsektor kann auch Auswirkungen auf andere Unternehmen auf meiner
Empfehlungsliste haben, wie Delignit, M.A.X Automation oder MBB, die ja teilweise diese Branche beliefern. Alle drei Aktien sind daher momentan auch nur Haltepositionen und kein Nachkauf.
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