Am bekanntesten und zuletzt immer häufiger in den Medien ist der Bereich Spezialmaterialien, der das berühmte "Gorilla Glas" fertigt, das so viele Smartphones und Tablets von Herstellern wie Apple oder Samsung ziert. Denn Gorilla Glas ist extrem kratzfest, berührungsempfindlich, stromsparend und wenig reflektierend – kurz gesagt, es ist das Produkt von Corning, das wir alle tagtäglich antatschen, oft mehrmals in der Minute. Corning liefert die Touchscreens unseres iPhones, unseres Nexus-Tablets und vieler anderer Geräte, die über Gesten und Berührungen gesteuert werden.
Doch auch wenn diese Sparte die meiste Phantasie birgt, ist sie doch nur ein Bereich unter vielen im Corning-Universum. Denn neben den Spezialmaterialien gibt es noch die vier weiteren Geschäftsbereiche Anzeigentechnologien, Umwelttechnologien, Optische Kommunikation und Biowissenschaften.
In der Sparte Umwelttechnologien produziert Corning Keramiksubstrate und Filterprodukte zur Emissionskontrolle in mobilen und stationären Anwendungen weltweit, also in Generatoren, Antrieben, Autokatalysatoren.
Die im Bereich Biowissenschaften zusammengefassten Produkte umfassen allgemeine Laborprodukte und Geräte sowie Spezialoberflächen, die in der Arzneimittelforschung, Mikrobiologie und Chemie zum Einsatz kommen. Hier hatte man kürzlich erst das Röhrenglasgeschäft des deutschen Verpackungsspezialisten Gerresheimer übernommen.
Die Sparte Optische Kommunikation könnte man vereinfacht als Glasfaserkabelsparte bezeichnen, denn hier geht es um das schnelle Internet, das Rückgrat der immer höheren Bandbreiten, die die neuen Smartphones, Tablets, Video-on-Demand-Anbieter verlangen, um den Kunden immer bessere und ruckelfreie Kommunikation und Entertainment anbieten zu können.
Und bei den Anzeigentechnologien geht es vor allem um Glassubstrate, die in LCD-Fernsehern, Notebooks und Flachbildschirmen zum Einsatz kommen.
Corning (Quelle: comdirect.de) |
Während die ersten beiden Sparten für solide, langweilige Geschäftsbereiche mit etablierten Geschäftsfeldern, Umsätzen und Erträgen stehen, spielt in den drei anderen die Zukunftsmusik. Der schleichende Tod der Computermaus und der Tastatur durch den Siegeszug der Touchscreens führt dazu, dass immer mehr Bereiche unseres Lebens mit „intelligentem“ Glas überzogen werden (müssen), ob es Fernseher sind oder die Bedienungselemente in unseren Autos – hier ging Corning jüngst eine Kooperation mit BMW ein, um das neuste Cornings-Glas im Elektroauto i8 einzusetzen. Die normalen Glasfenster werden so zu berührungsempfindlichen Steuerelementen und zu Anzeigekomponenten für technische Einblendungen und Informationsdarstellung.
Doch gerade im Bereich von Gorilla Glas stand Corning vor einer großen Herausforderung. Denn Apple hatte sich auf eine andere Technologie versteift, wollte für seine Geräte Saphir-Glas einsetzen, und hatte sich mit Milliardenaufwand an einer eigenen Fertigung versucht. Und ist gescheitert. Denn die Hoffnungen, die man mit Saphir-Glas verband, konnten nicht erfüllt werden. Zu schwer, zu splitteranfällig, zu energieintensiv. Und während Apples größter Konkurrent (und gleichzeitig wichtigster Zulieferer) Samsung sich mit 10% an Corning beteiligte und Gorilla Glas in seinen Geräten einsetzt, hatte die Apple-Abkehr für empfindliche Kurseinbrüche bei Corning gesorgt. Notgedrungen musste Apple wieder auf Gorilla Glas zurückgreifen für seine iPhones und iPads.
Project Phire
Corning ist schlau genug, sich nicht auf alten Erfolgen auszuruhen. Vielmehr hat man diesen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und fleißig an einer Verbesserung von Gorilla Glas gearbeitet. Und diese sind so gravierend, dass das neue Produkt gleich einen neuen Namen bekommt: Project Phire. Dieses neue Glas vereint die Bruchfestigkeit von Gorilla Glas mit der Kratzfestigkeit von Saphir-Glas und bietet weitere Vorteile, weil es leichter ist, noch weniger Energie verbraucht und weil Sonneneinstrahlung nach besser kompensiert werden kann, so dass die Endgeräte sich noch besser für den Einsatz im Freien eignen, kratz- uns bruchsicherer sein werden und längere Akkulaufzeiten versprechen. Allein aufgrund des verwendeten Materials für das Display bzw. die Touchscreens.
Unternehmen der verschiedenen Geschwindigkeiten
Wie man an den unterschiedlichen Sparten sehen kann, ist Corning ein Unternehmen der verschiedenen Geschwindigkeiten. Einerseits gibt es etablierte Geschäftsbereiche mit wenig Wachstum und gefestigten Erlösen und hinsichtlich seines Silikon-Joint-Ventures mit dem Chemie-Giganten Dow Chemical hatte Corning bereits die Absicht geäußert, seine Anteile an den Partner abgeben zu wollen und Dow hat seinerseits nun Interesse bekundet. Und dann gibt es jene Bereiche, die schnell wachsen sowie höhere Investitionen in neue Produkte erfordern - und die hohe Gewinne für die Zukunft versprechen.
Versteckte Werte heben
Star-Invstor Carl Icahn, Icahn Enterprises |
Ob es nun Icahn ist oder ein anderer der vielen aktivistischen Investoren, unter dem Strich bahnt sich bei Corning eine Entwicklung an, die die Werte der einzelnen Geschäftsbereiche zum Vorschein bringen könnte. Dabei bin ich nicht per se ein Freund von Einmischungen seitens der Aktionäre, denn das Unternehmen gut zu führen, ist zuvorderst Aufgabe des Managements, nicht des Aufsichtsrats und auch nicht der Aktionäre. Allerdings kann eine solche Einmischung dem Management dabei helfen, verkrustete Strukturen aufzubrechen und notwendige Veränderungsprozesse anzugehen, die ohne einen starken äußeren Impuls vielleicht am „bürokratischen Widerstand“ innerhalb des Unternehmens gar nicht realisierbar wären.
Quartalszahlen, mehr Dividende und stärkere Aktienrückkäufe
Bis es soweit ist, hat das Unternehmen auch heute schon operativ einiges zu bieten, auch wenn die Zahlen zum 3. Quartal unter denen des Vorjahres lagen. Der Nettoumsatz fiel gegenüber dem Vorjahreswert von 2,54 Mrd. USD auf 2,27 Mrd. USD und der Nettogewinn sogar von 1,01 Mrd. USD auf 188 Mio. USD bzw. 0,15 USD je Aktie (0,72 USD). Unter Ausblendung von Sondereffekten blieben Corning 0,34 USD je Aktie nach 0,37 USD im Vorjahr.
Ein größeres Augenmerk richtet sich allerdings auf die begleitenden Aussagen des Managements. Bis 2019 will man 20 Mrd. USD investieren, darunter 10 Mrd. USD in Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe. Dazu weitet man das bestehende Aktienrückkaufprogramm um weitere 4 Mrd. USD aus und bereits im aktuellen vierten Quartal soll es beschleunigt und für 1,25 Mrd. USD eigene Aktien erworben werden. Weitere 10 Mrd. USD werden in den Ausbau des Geschäfts fließen, um Cornings führende Marktposition zu erhalten und auszubauen.
Cornings Quartalsdividende wird zum vierten Mal 0,12 USD je Aktie betragen und am 11. Dezember überwiesen. Der Dividendenabschlag hierzu erfolgt am 10. November. Allerdings will das Unternehmen seine Dividende bis 2019 um jährlich jeweils 10% anheben.
Fazit
Ob nun durch äußere Einmischung oder durch eigenes Erkennen des Managements, wir Corning-Aktionäre können eigentlich von den Überlegungen nur profitieren und die möglichen Entwicklungen als Bonus betrachten bei einem attraktiv bewerteten Langfristinvestment mit interessanten Perspektiven.
Seitdem ich Corning Ende Juli auf meine Empfehlungsliste genommen habe, ist der Kurs im Zuge der Herbstkorrektur noch etwas weiter gefallen. Bei den jetzt aktuellen 16,50 EUR wird das Unternehmen mit einem 2016er KGV von 11,8 und einer Dividendenrendite von 2,7% bewertet, was angesichts des soliden Cashflows und der positiven Aussichten geradezu unverschämt günstig erscheint.
Wie sehr siehst Du langfristig die Notwendigkeit von Touchscreens gegeben? Ich denke, da dürfte es bald andere Möglichkeiten der Kommunikation mit Maschinen geben, als über Eingabe. Und so lange es die nicht gibt, existieren in der Geschäftswelt sehr viele Anwendungen, die mit Touchscreen überhaupt nicht praktikabel sind. Versuch mal eine Excel-Tabelle schnell und sauber am iPad zu erstellen.
AntwortenLöschenDaniel, Touchscreens sind ja nur eine Anwendung für "intelligentes" Glas. Im Prinzip kann jedes Fenster damit ausgerüstet werden und so zum Display werden, wenn man es möchte. Also auch zum Fernseher oder PC-Bildschirm. Ob im Haus, Büro, Auto. Ob dann die Bedienung über eine Fernbedienung, Touch, Gesten oder Sprache erfolgt, das ist eigentlich egal.
LöschenNaja, aber brauche ich dann Spezialglas, wenn man ein "normales" Display hat, das all die Eigenheiten, die man bei einem Touchpad braucht, nicht erfüllen muss?
AntwortenLöschenIch spreche von Fenstern in Fassaden, Windschutzscheiben. Also Glas, durch das man durchsieht, das aber eben auch als Display genutzt werden kann bei Bedarf. Also Fenster und Display in einem, dazu bruchsicher und kratztest. Dazu wird schon Spezialglas benötigt, das die nötigen Eigenschaften bietet.
LöschenOkay, das ist dann was anderes. Ich habe das offenbar überlesen: hat Corning so ein intelligentes Glas schon im Angebot oder in der Pipeline?
AntwortenLöschenNoch eine andere Frage drängt sich mir auf: Warum haben sich die Gewinne pro Aktie eigentlich nicht stärker entwickelt? Wenn der Markt, den ich beliefere, sich innerhalb der letzten Jahre vervielfacht hat, müssten doch eigentlich die eps auch stärker gestiegen sein?
Mit BMW wird die Zusammenarbeit beim i8 ausgebaut und bzgl. der TV-Screens ist man hier auch gerade zu neuen Ergebnissen mit einem Partner gekommen. Smartphones und Tablets sind zwar im Fokus der Öffentlichkeit, aber nur ein Teil des Geschäfts. Die anderen Sparten liefern erhebliche Beiträge zu Umsatz und Ergebnis ab, wachsen aber nicht so schnell. Daher haben die Boomsparten auch keine hundertprozentige Auswirkung auf das EPS. Ein Grund, weshalb ich ja auch über eine mögliche Aufspaltung spekuliere.
LöschenGanz spannend finde ich die Spekulation, dass Apple beim neuen IPhone komplett auf Cornings neues Glas setzen könnte...
Ja, aber vielleicht verstehe ich da auch etwas technisch gesehen falsch: ist das wirklich ein Glas, das selbst Displaycharakter (also intelligentes Glas, wie ich das verstehe) hat, oder ist das auch "nur" Glas, das vor dem eigentlichen Display verbaut wird?
AntwortenLöschenAd EPS: Deren Entwicklung hält aber auch mit der Entwicklung des absoluten Umsatzwachstums nicht Schritt. Die Umsätze haben sich seit 2009 (laut Finanzen.net) um 80% erhöht, die EPS nur um 40%. Das verwässerte Ergebniswachstum pro Aktie ist sogar noch schlechter (35%). Das deutet auf üppige Optionsprogramme hin. Wie sieht es diesbezüglich aus?
Ansonsten: die Margen sind ziemlich interessant für ein Industrieunternehmen, über 20% netto in den letzten Jahren. Warum ist das so? Kann man davon ausgehen, dass das auch in Zukunft so bleibt?
Ich hab jetzt wie gesagt nicht genauer nachgesehen, sondern nur ein paar Zahlen auf Finanzen.net betrachtet. Kann also gut sein, dass ich da gröber Dinge verdrehe.