"Als Börsenmantel bezeichnet man eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die ihr operatives Geschäft aufgegeben hat und demzufolge nur noch ihr Vermögen (Immobilien, Barvermögen) verwaltet. Auch aus insolventen Gesellschaften kann ein entschuldeter Mantel erworben werden. Börsenmäntel können dritten Unternehmen den Börsengang ermöglichen und so eine Alternative zu einem IPO mit Kapitalerhöhung und einer bloßen Notierungsaufnahme ohne Kapitalerhöhung darstellen. Dieser Vorgang wird als Reverse Merger, Reverse Takeover, Reverse IPO oder Back Door Listing bezeichnet." (Quelle: Wikipedia)
Totgesagte leben länger. Manchmal jedenfalls...
Im Kern geht es um zumeist im Centbereich vor sich hin dümpelnde Aktien (sog. "Penny-Stocks"), die ihre besten Tage lange hinter sich haben. Früher einmal mögen sie großen Firmennamen gehabt haben, wie Praktiker, Karstadt oder Holzmann, heute tut sich bei ihnen nichts mehr. Zumindest operativ. Andererseits haben diese leeren Aktiengesellschaften durchaus noch einen Wert, nämlich ihre Börsennotierung. Denn ein Unternehmen an die Börse zu bringen, ist mit hohem Aufwand verbunden, die bürokratischen und regulatorischen Anforderungen werden immer wieder verschärft und die Kosten für Banken, Anwälte, Gerichte, Börse sind immens. Viel einfacher ist es somit, wenn andere Firmen mit ihrem operativen Geschäft und ihrem Vermögen in diese leere Hülle eines börsennotierten Unternehmens schlüpfen und somit verhältnismäßig unaufwändig selbst zu dessen Börsennotierung gelangen. Ein paar Flöhe könnte der Hund aber doch haben, daher sollte man nicht gedankenlos einfach jeden leblosen Pennystock an der Börse ins Depot laden und auf den großen Geldsegen hoffen. Einige wesentliche Aspekte sollte man schon beachten...
Besser zweimal hinsehen
Denn es gilt, einige schwierige Hürden zu überwinden und damit meine ich nicht zuerst, dass die neue börsennotierte Gesellschaft selbstverständlich alle Voraussetzungen der Börse in ihrem jeweiligen Segment erfüllen muss, die auch für alle "normalen" hier gelisteten AGs gelten. Vielmehr wird nicht nur der Namen und die Börsenzulassung übernommen, sondern auch alle ehemaligen Forderungen und Verbindlichkeiten, die der alten AG gehörten. Wenn also noch Gläubiger zu bedienen sind, dürften die sich freuen, wenn auf einmal wieder Vermögen "zu holen" ist. Oder es können noch Verlustvorträge in dem Börsenmantel schlummern, die man sich nutze machen könnte.
Es gleicht also nicht ein Börsenmantel dem anderen und nur, wenn der Mantel dem Interessenten auch wirklich passt, wird er die Aktien erwerben wollen. Deshalb muss man schauen, ob die AG zuvor durch eine Insolvenz gegangen ist und somit keine Forderungen ihrer Gläubiger mehr zu fürchten hat. Oder bzgl. bestehender Verlustvorträge muss man wissen, dass diese bei einem Verkauf des Unternehmens nicht einfach übernommen werden können, sondern ggf. einfach bei der Übernahme verfallen. Der potenzielle Erwerber muss sich also genau überlegen und wohl fachkundig beraten lassen, wie er seine Ziele mit welchem Mantelunternehmen überhaupt erreichen kann.
Und wo ist die Spekulation?
Da die ehemaligen Pleiteunternehmen zumeist im Penny-Stock-Bereich notieren, kann man mit wenig Geld eine signifikante Stückzahl einsammeln. Und wo normalerweise eine Kursveränderung von 1 Cent kaum etwas ausmacht, stellt sie bei einem Kurssprung von 4 auf 5 Cents bereits einen Kurszuwachs von 25 Prozent dar. Und das sind dann keine Kleinigkeiten mehr. Hier tummeln sich zumeist hartgesottene Spekulanten und bisweilen auch dubiose Gestalten, denn ein solcher Markt lässt sich mit Gerüchten schnell erheblich bewegen. Der Manipulation ist hier Tür und Tor geöffnet und daher sollten Kleinanleger hier auch die Finger von lassen! Zumal es ohne fundierte Rechts- und Steuerkenntnisse ohnehin kaum möglich ist, den wahren Wert eines Börsenmantels zu bestimmen.
Risiko Totalverlust
Nun muss man wissen, dass es das Börsenlisting nicht umsonst gibt, da fallen schnell mal bis zu 10.000 Euro pro Jahr an - und die muss der Insolvenzverwalter oder Inhaber der Mantel-AG erst einmal bereit sein, zu zahlen. Ansonsten kommt es irgendwann zur Einstellung der Börsennotierung, einem "kalten Delisting". Dann dürfte der Anleger auf einen Totalverlust zusteuern.
Wiederauferstehung
Doch bei nicht wenigen Börsenmänteln kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo aus reiner Phantasie mehr wird, etwas Greifbares. Wenn ein Interessent den passenden Mantel für seine Ambitionen gefunden hat und hierin etwas Wertvolles entwickeln will, dann kann die alte AG wie Phoenix aus der Asche steigen und dies mit entsprechenden Kurssprüngen. Und das ist dann der Tag, an dem die Spekulanten feiern und sich aus ein paar Hunderter im Depot auf einmal zu erklecklichen Beträgen auswachsen können. Da die Wiederauferstehung zumeist mit lauter Begleitung in entsprechenden Medien oder Foren einhergeht, ergeben sich oft schnelle Kurssteigerungen - neue Spekulanten wittern einen schnellen Euro und kaufen in die raketenhaft steigenden Kurse hinein mit dem Ziel, schnell zu höheren Kursen wieder verkaufen zu können. Das geht meist nur eine kurze Zeit gut, den Letzten beißen bekanntlich die Hunde. Die frühen Spekulanten verdienen prächtig, die späten Einsteiger bezahlen deren Profite. Und der Aktienkurs fällt fast genauso schnell, wie er zuvor gestiegen ist.
Außer Spesen nichts gewesen?
Sollte man also als Anleger und insbesondere als Value Investor hier generell die Finger von lassen? Die Antwort lautet: ja! Aber es kommt drauf an...
Sieht man sich eine WCM an, die vor vielen Jahren mal eine solche Mantelspekulation war und dann mit Unternehmensbeteiligungen und Wohnimmobilien so aufgepeppelt wurde, dass sie als MDAX-Wert schon an einer DAX-Aufnahme schnupperte, dann sieht man, was möglich ist. Der Absturz war ebenso spektakulär, es folgte die Pleite und lange Jahre des Siechtums, gerichtliche Auseinandersetzungen mit ehemaligen Aktionären, Vorständen, Aufsichtsräten, Banken, Finanzamt etc. Und Ende 2014 erfolgte dann die zweite Wiederauferstehung als Gewerbeimmobilienhalter. Hier ist es den Altaktionären gelungen, die enormen Verlustvorträge zu retten, so dass WCM diese später für ihr operatives Geschäft nutzen konnte. Der WCM-Börsenmantel wurde nicht verkauft, sondern durch Kapitalerhöhungen mit frischem Geld versorgt - die Altaktionäre blieben an Bord und nur deshalb gingen die Verlustvorträge nicht verloren. Das war aber nicht selbstverständlich und bedurfte vieler Jahre juristischer Auseinandersetzungen sowie Stehvermögen und Geld der Altaktionäre. Dass die - dritte - Börsengeschichte vermutlich die letzte sein wird, tut hier nichts zur Sache. Denn die Übernahme von WCM durch Mitbewerber TLG dürfte dazu führen, dass es am Ende auf einen Squeeze-out hinausläuft und WCM ganz vom Kurszettel verschwindet. Am Wesen der Börsenmantel-Spekulation ändert dieses Ende aber nichts.
Fazit
Der Aktienkauf von Börsenmänteln ist nur etwas für Spekulanten, nicht für Investoren. Doch ab einem gewissen Stadium, wenn sich herauskristallisiert, was einmal aus dem leeren Börsenmantel entstehen kann, lohnt es sich, die Entwicklung im Blick zu behalten, um ggf. die eine oder andere Gelegenheit aufgreifen zu können. Jedenfalls, sobald sich aus dem leeren Mantel ein aktives Unternehmen entwickelt, z.B. durch Einbringung operativer Geschäftsbereiche. An diesem Punkt wird aus den reinen Hoffnungen eines Spekulanten auf Kurssteigerungen die Erwartung eines Investors auf Wertzuwächse, basierend auf der Grundlage von Zahlen und Berechnungen.
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