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Samstag, 11. Dezember 2021

Peter Lynch mahnt: "Verliebe Dich nie in eine Aktie. Bleibe immer aufgeschlossen!"

Menschen neigen zu selektiver Wahrnehmung; sie gewichten Argumente, die ihre eigene Meinung stützen als jene, die dem eigenen Standpunkt widersprechen. Man nennt das auch "Confirmation Bias" oder Bestätigungsfehler.

Doch da uns Benjamin Graham schon lehrte, vor allem unser Kapital zu erhalten, also an die Risiken zu denken, muss sich ein Anleger dieser eigenen Schwäche bewusst sein, wenn er langfristig Erfolg an der Börse haben möchte. Oder wie Johann Michael Sailer es ausdrückte: "Sich selbst zu erforschen ist das erste Studium"...

»Ein Investment liegt immer dann vor, wenn nach einer gründlichen Analyse in erster Linie Sicherheit und erst im Anschluss daran eine zufriedenstellende Rendite steht.«
Hat man sich die Mühe gemacht und eine Aktie gründlich analysiert, also die Geschäftsberichte der vergangenen Jahre studiert, viele Artikel zum Geschäft und dem Marktumfeld gelesen und die Bewertung unter die Lupe genommen, und ist zu dem Schluss gekommen, dass man die richtige Aktie für ein Investment gefunden hat, dann sucht man hierfür nach Bestätigung. Man sucht die Herde. Denn zumindest im Unterbewusstsein regt sich Unwohlsein, wenn man gegen den Strom schwimmt, wenn man der einzige ist, der anders handelt, anders investiert.
»Verliebe Dich nie in eine Aktie. Bleibe immer aufgeschlossen.«
Allerdings gibt es zu jedem Zeitpunkt Argumente, die für ein Unternehmen und seine Aktien sprechen und solche, die dem entgegenstehen. Und wenn sich der Kurstrend der Aktie dreht, drehen sich fast ebenso schnell die Meinungen - auch derjenigen, die zuvor noch das Gegenteil behauptet haben. Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist Vollwaise.
»Wenn du alle Fakten zusammen hast, kann deine Entscheidung richtig sein; wenn du nicht alle Fakten zusammen hast, kann sie nicht richtig sein.«
Also, wie geht man mit diesem menschlichen Verhalten um, das einen als Anleger so viel Geld kosten kann?
  • Man sollte die Gegenargumente nicht einfach abtun, sondern versuchen, sie objektiv zu betrachten. Sich also vorstellen, man würde selbst diese Meinung vertreten und schauen, ob man für diese eine Bestätigung findet. Ist das nicht der Fall, umso besser.
     
  • Des Weiteren kann man generell vor einer Kauf- oder Verkaufsentscheidung die Gegenposition einnehmen. Will man eine Aktie kaufen, sollte man sich vorher überlegen, was für einen Verkauf sprechen könnte. Und will man sie verkaufen, sollte man nach Kaufargumenten suchen. 
Dies ist nicht banal, denn wir neigen dazu, die Depotpositionen nicht nach ihrem Wert und ihrem Potenzial zu betrachten, sondern im Verhältnis zu unserem Einstandskurs. Und das ist natürlich ziemlich dämlich.
»Ein Börsianer darf seine Papiere nie im Verhältnis zum Einkaufspreis einschätzen, sondern zum Tagespreis.«
Denn die Aktie und die anderen Marktteilnehmer interessiert nicht, ob wir eine Aktie zu 10, 20 oder 50 Euro gekauft haben. Und das Potenzial in dem Unternehmen orientiert sich erst recht nicht daran. Auch hier gilt, dass man sich bei Investments von den objektiven Fakten leiten sollte, nicht von seinen subjektiven Gefühlen. Und zur Objektivität verhelfen uns die Ansichten der Anderen wesentlich eher, als das Wiederkäuen unserer eigenen Argumente.
»Sobald man der Überzeugung ist, etwas scheine eine gute Investition zu sein, schränkt dies die Verarbeitung relevanter Informationen erheblich ein
Man sollte sich niemals den Gegenargumenten verschließen, sondern diese auf ihre Substanz hin überprüfen. Andererseits darf man auch nicht blind einfach nur den Tipps der Anderen nachlaufen, denn auch diese unterliegen bei ihrer Einschätzung ja der selektiven Wahrnehmung und verfolgen mit ihren öffentlich abgegebenen Tipps nicht selten handfeste - auch mal finanzielle - Eigeninteressen.
Momentan erleben wir gerade wieder einen Ausverkauf bei Wachstumsaktien; seit dem Frühjahr stehen die Kurse der einst heiß geliebten und gehypten Technologiewerte unter Druck und geben einen erheblichen Teil ihrer zuvor erzielten Kursgewinne wieder ab.

Growth at any Price statt Growth at a reasonable Price ?

Anleger machen die Erfahrung, dass "price matters". Egal, wie vielversprechend die Zukunftsaussichten eines Unternehmens auch sein mögen, ein gutes Investment wird die Aktie nur, wenn man sie günstig genug kauft und die Zukunftspotenziale sich dann auch in steigenden Kursen niederschlagen. Steigt man (viel) zu teuer ein, bezahlt man die Kursgewinne der anderen, sitzt aber auf Aktien, die kaum noch Kraft haben, weiter anzusteigen.

Dabei haben sich viele Anleger in ihrer Highflyer verliebt. Aktien, die ihnen 50%, 100%, 1.000% eingebracht haben an Buchgewinnen, stehen sie sehr positiv gegenüber. Aber entscheidend im Jetzt und Hier ist, ob sich diese Entwicklung weiter fortsetzen kann. Und zwar nicht nur, weil es vielleicht einen noch dümmeren Anleger da draußen gibt, der einem diese Aktien zu einem noch höheren Preis abkauft. Sondern weil das Unternehmen erfolgreich wirtschaftet und daher sein Wert steigt. Ein kleiner, aber entscheidender Unterschied.

GARP-Investing funktioniert. Wachstumsaktien sind höher zu bewerten und zu bezahlen als Unternehmen ohne Wachstum. Die Gewinne liegen in der Zukunft. Aber dennoch ist nicht jeder preis gerechtfertigt. Ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 20 bedeutet, dass das Unternehmen 20 Jahre lang diesen Umsatz einfahren muss, um damit seine Aktienbewertung bezahlen zu können. Und Umsatz ist nicht Gewinn! Solche Multiplen kann/darf man also nur akzeptieren, wenn die Wachstumsraten entsprechend hoch sind - und über die nächsten Jahre so hoch bleiben. Ansonsten wird aus dieser Aktie niemals ein gutes Investment (auch wenn der Kurs eventuell durch noch verrücktere Anleger durchaus noch weiter in die Höhe getrieben werden kann).

»Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung
(John Maynard Keynes)

So toll man ein Unternehmen auch finden , so liebevoll man auch auf den Aktienkurs und seine bisher erzielten Buchgewinne blicken mag, man muss immer aufgeschlossen bleiben für Veränderungen. Wachsam bleiben! Wenn die Erfolgsmasche nicht mehr funktioniert, weil es keinen wirklichen ökonomischen Burggraben gibt und daher Wettbewerber in den Markt eindringen und sich ein ruinöser Preiskampf entwickelt, droht Gefahr. Ebenso, wenn es eine neue, disruptive Technik gibt, die dem eigenen Unternehmen das Wasser abgräbt. Dann werden die Karten neu gemischt. Denn die für die Zukunft erwarteten starken Umsatzsteigerungen und Gewinne sind auf einem weit weniger realistisch als bisher gedacht. Das hat dann Folgen für den Aktienkurs, gegebenenfalls gewaltige.

Anleger sollten also immer ihren Investmentcase überprüfen und sicherstellen, dass er noch fliegt. Ändern sich die Fakten, muss man nötigenfalls seine Meinung ändern und sogar seine heiß geliebte Position verkaufen.

Und das führt mich zum letzten Gedanken: man muss selbst nachdenken, man muss selbst recherchieren, man muss selbst zu einer Überzeugung kommen. Nur bei anderen abzukupfern und sich auf deren Empfehlungen zu verlassen, erhöht das Risiko enorm. Denn man ist nie in der Lage, Veränderungen selbst richtig einzuordnen und damit immer auf die Einschätzung von anderen angewiesen. Doch die handeln zuvorderst aus Eigeninteresse und stoßen im Krisenfall ihre eigenen Aktien ab, bevor sie dies anderen mitteilen.

»Jeder kann Geld mit Aktien verdienen, wenn er nur seine Hausaufgaben macht. (...) Wenn Sie in eine Firma investieren wollen, sollten Sie in der Lage sein zu erklären, warum. Und zwar in einer einfachen Sprache, die ein Fünftklässler verstehen könnte, und schnell genug, damit der Fünftklässler sich nicht langweilt.«
(Peter Lynch)

Und so landet der kluge Investor schlussendlich bei Immanuel Kant, der sagte: "Habe den Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen". Dieser Rat ist ein ganz hervorragender, nicht nur an der Börse. Aber eben besonders hier!

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